Ein Gedanke klopft immer wieder bedrohlich in meinem Hirn und fordert Aufmerksamkeit. All die Kurse und Ratgeber fördern eine bestimmte Zeitgeistrichtung des Schreibens. In Schreiberling- und Schreiberlingienen-Foren (nicht abwertend gemeint, sehe mich nur nicht als Autor) drängeln selbsternannte Lehrerinnen und Lehrer in die Richtung des schriftstellerischen Einheitsbreis, dramatisch unterstützt durch intelligente Software, wie Rechtschreibkorrektur (sehr sinnvoll) und Stilanalyse (sehr fragwürdig). Aber nicht nur, dass das den schon erwähnten literarischen Einheitsbrei befördert, in Verbindung mit der Leseranalyse von KI (Künstlicher Intelligenz) sehe ich die Zeiten über uns hereinbrechen, in denen eben diese KI die populäreren und damit vermarktbareren, weil gewinnbringenderen Geschichten kreiert, als die etwas mehr exhibitionistisch veranlagten Exemplare des „Homo Narrans“ (Geschichtenerzähler, ein Beiwort, das den Menschen trefflicher beschreibt, als „sapiens“) wie wir heutigen Schreiberlinge. Unserer Erziehung zum literarischen Einheitsbrei ist nur die Vorstufe zu unserer Ablösung durch übermächtige Algorithmen. Wehret den Anfängen und lasst euch nicht verbiegen!
Habt ihr auch die Befürchtung, dass bei Gemälden ein Einheitsbrei herauskommt, wenn sich die Künstler mit Perspektive, Farbenlehre, Skizzenanfertigung etc. beschäftigen? Oder alle Musiker, die das Konservatorium besuchen, am Ende dieselbe Art von Musik machen?
Oder dass Sänger dann alle gleich klingen, wenn sie ihre Stimme ausbilden lassen? Oder dass eine Ballettausbildung dazu führt, dass alle Tänzer dann nur noch den ‚Schwanensee‘ tanzen?
Nicht?
Warum meinen dann so viele, dass Schreibratgeber zu Einheitsbrei in der Schreiberei führen?
In den USA wird kreatives Schreiben an den Universitäten unterrichtet, bei uns leider noch nicht. Diese Aufgabe übernehmen Schreibratgeber, und wer diese Dinger als dogmatische Fesseln betrachtet, ist selber schuld.
Wir haben alle Lesen und Schreiben in der Schule gelernt, eine Geschichte oder gar einen Roman zu verfassen, ist aber etwas völlig anderes, etwas, was man ebenfalls lernen muss. Und dieser Lernprozess wird nicht von den Aufsätzen zu Schulzeiten im Stil von ‚mein schönstes Ferienerlebnis‘ abgedeckt.
Auch die Schreiberei hat diverse Regeln, die über Grammatik und Ortographie hinausgehen, und eben diese bekommt man durch Schreibratgeber vermittelt. Klar, auch da gibts himmelweite Unterschiede, welche was taugen und welche nicht, auch vertreten unterschiedliche Autoren unterschiedliche Ansichten, wie es denn nun ‚richtig‘ ist.
Ist ähnlich wie in der Malerei, die Pro - und Kontra - Radieren - Fraktion.
Schreibratgeber, zumindest die brauchbaren, zeigen einem Anfänger eben diese grundlegenden Regeln und erklären, warum z.B. sich die Verb-Adverb-Konstruktion nicht optimal liest, warum zu viele Inquits sehr schnell nerven können, warum ein Infodump jeden Leser verschreckt und wie man sowas vermeidet, warum der Rhythmus variieren sollte und so weiter.
Kein Mensch verlangt, dass man sich dann sklavisch an jeden einzelnen Punkt hält. Aber all diese Basics hat sich nicht irgendwer ausgedacht, um alle Autoren in ein Korsett zu quetschen, sie sind vielmehr Erfahrungswerte aus ich weiß nicht wie vielen Jahren Literaturgeschichte.
Natürlich kann man auch selber rumprobieren, wie man welchen Effekt erreicht, schneller und einfacher geht es aber mit eben so einem Ratgeber.
Genauso natürlich kann man drauflos schreiben, wie man will, aber um gängige Regeln zu brechen, sollte man sie wenigstens kennen. Zumindest, wenn man nicht wie der allerblutigste Anfänger wahrgenommen werden möchte.
In meinen Augen sind Schreibratgeber lediglich die Gebrauchsanweisung für das Handwerkszeug, was jeder Autor in seinem Werkzeugkasten hat (oder haben soltle).
Sowas wie beim Zeichnen ein „Halte den Bleistift möglichst weit hinten, wenn du locker Schraffieren möchtest.“ Du kannst den Stift natürlich halten wie du willst, aber unzählige Zeichner vor dir haben diese Methode als nützlich und brauchbar befunden.
Ich habe auch schon diverse dieser Dinger gelesen, und von eitles Dummschwätz bis hin zu Genial, jetzt hab ich das endlich kapiert war alles dabei.
Wenn man damit nach dem Motto ‚nimm mit, was du gebrauchen kannst, was dir gefällt und was zu deinem Stil passt - und ignoriere den Rest‘ verfährt, kann man eine Menge für die eigene Schreiberei mitnehmen und lernen.
Dann kann man sich auch überlegen, ok, zu viele Adjektive sind tödlich, aber wenn man sie geschickt setzt, entsteht dieser Aufzähleffekt erst gar nicht … und so wird der eigene Roman außergewöhnlich und zu etwas völlig Eigenem.
Tante Edit hat am Anfang noch ein Zitat von @petias eingefügt, auf das sich dieser Beitrag bezieht.
Die Schreibratgeber führen nicht zum Einheitsbrei sondern deren Fehlinterpretation. Ausführungen dazu hast du ja schon mitgeliefert und sind an anderer Stelle bzw. anderen Stellen hier im Forum ebenfalls zu finden.
Unabhängig von Regeln muss jeder seinen Stil finden und den kann kein einziger Ratgeber mitliefern. Ohne eigenen Stil sind wir wieder beim Einheitsbrei.
Stimmt, keiner dieser Ratgeber liefert einem einen eigenen Stil. Er liefert einem aber das Wissen, um einen solchen zu entwickeln.
Und genau das erkennen einige Mitstreiter offenbar nicht. Ich habe nicht einen einzigen Ratgeber gelesen und werde es vermutlich auch nie machen. Ich baue auf Kritik und Learning by doing. Und wenn ich irgendwann mal Zeit und Geld und Urlaub gleichzeitig habe, werde ich einen Kurs besuchen. Das ist lebhafter, direkter und höchstwahrscheinlich zielführender. Ein Schreiner wird nie ein Schreiner werden, weil er ein Lehrbuch übers Schreinern liest. Meiner Meinung nach kann das nur eine Ergänzung zur Verfeinerung der Fähigkeiten sein.
So habe ich das Drechseln gelernt. Buch, diverse Youtube-Videos und viel Ausprobieren.
Aber jeder hat ja seine eigenen Präferenzen.
Kritik finde ich toll und unverzichtbar, wie die Sache dann bei anderen ankommt. Wenn ich Glück habe, sagt sie mir auch, was im Einzelnen nicht gefallen hat. Aber woher weiß man, gerade als Anfänger, wenn man z.B. gesagt bekommt, „Deine Hauptfigur ist viel zu farblos“, wie man es besser macht?
Indem man nachfragt.
das setzt voraus, dass der Kritiker weiß, wie es geht.
Hallo @Yoro ,
um zu wissen was mir gefällt, muss ich es nicht unbedingt selber können. Ein Kritiker kann einem sagen, ob er / sie etwas gut findet. Aber natürlich, wenn die Kritik auch fachlich fundiert ist, dann tut man sich als Kritisierter leichter. Vor allem, wenn der Kritiker auch Alternativen bieten kann. Aber dafür muss der Kritiker schon sehr gut sein. Solche Menschen findet man nicht immer so einfach.
Liebe Grüsse
LonesomeWriter
Ich weiß. Genau deswegen finde ich Kritiker als Methode, mich selbst zu verbessern, nicht immer und nicht automatisch hilfreich.
Hallo @Yoro ,
je nachdem welche Art von Feedback brauche, überlege ich schon einmal einen Experten zu konsultieren. Was sich für mich sehr gut bewährt hat, wenn ich länger mit einem Kritiker zusammenarbeite, kennt er meinen Stil und auch das Thema. Er kann auch besser einschätzen, ob es thematisch stimmig ist.
Liebe Grüsse
LonesomeWriter
Eben! Ohne geht es nicht. Learning by doing, sage ich ja.
lach ohne gehts wirklich nicht, aber nur alleine damit gehts … vielleicht, dauert dann aber sehr viel länger.
Unwahrscheinlich. Ich habe mehrere besucht, aber in den meisten scheint der Grundtenor zu sein „Bloß nicht kritisieren“. War nicht sehr hilfreich. Deshalb habe ich mir einen Coach gesucht.
Dann warst du vielleicht nicht im richtigen Kurs. Ich würde nach Wolfenbüttel fahren.
Ich war offenbar in vielen falschen Kursen. Und auch Empfehlungen haben mir nicht weitergeholfen. Viele sind auch von Lea Kortes Kursen begeistert. Ich fand sie hm, na ja.
Ich glaube auch nicht mehr, dass es an den Kursen liegt, sondern eher an mir. Ich kann mit einem einzelnen Coach einfach besser arbeiten.
Ja. Es ist gut, dass du einen passenden Weg für dich gefunden hast.
Kurz: Ich finde Schreibratgeber hilfreich, weil sie Problempunkte ansprechen, die einem vielleicht nicht bewusst sind. Aber wie immer sollte man ihnen nicht sklavisch folgen.
Lang:
Ich habe mehrere Schreibratgeber in meiner Jugend gelesen … und dachte, dass sie mir Vieles beibringen. Aus James-N-Frey (amerikanische Krimischule, die harte Regeln vorgibt) weiß ich nur noch 3 Sachen:
Am Rande der Maximalkapazität handeln. (Was ist gerade noch glaubwürdig für deinen Protagonisten?)
Jede Szene hat an Ziel. (keine plötzlichen Rückblenden über die Kindheit, wenn dein Bankräuber die Schrotflinte beim Betreten der Bank zieht)
Alles Unnötige streichen. (man hat viel über Dampfmaschinen recherhiert - erkläre ich doch erstmal dem Leser den Aufbau)
Der Rest des Ratgebers? Vergessen.
Dann gabs noch einen Ratgeber, von so einem alten Mann, der gerne über Zeitungsartikel und Beamtendeutsch herzog. War durchaus humorvoll, aber was habe ich mitgenommen? Andere nicht mit den eigenen Deutschkenntnissen beeindrucken zu wollen.
Rest? Vergessen.
Schließlich habe ich einen Ratgeber gefunden, der wirklich gut für mich funktionierte. Das waren die Lehrhefte „Schule des Schreibens“, die ich mir damals über Ebay organisierte. Dort habe ich wirklich viel mitgenommen. Leider waren für mich die Kursgebühren „zu teuer“ für „nebenher an der Schule.“
Sie arbeiten sehr viel mit Motivation und der Lebensweise eines Schriftstellers. Sie bringen dir Ordnung in die Gedanken und erhöhen die Aufmerkeit bei der Recherchearbeit. Bei den ersten 12 Heften beginnt man sehr ruhig: Sie nehmen die Regeln nicht zu streng. Eigentlich liest du immer über ein Problemthema und dann werden verschiedene Autoren nach ihrer Lösung befragt, die durchaus auch mal gegensätzlich sein kann. Dazwischen findest du deinen Weg. Mir halfen die Hefte sehr - aber den „echten Kurs“ mit den Hausaufgaben, besuchte ich nie. Die Hausaufgaben kann man trotzdem „für sich“ machen. Ich stöbere heute noch gern in den Heften und hüte sie wie einen Goldschatz
Nachteil? Wenn du schon ein, zwei Bücher geschrieben hast, besitzt du bereits eine innere Meinung zu all den Problemthemen, die sie ansprechen. Dann helfen Sie dir eventuell kaum noch, auch wenn es „nett zu lesen“ ist.
Von Schreibkursen halte ich daher nicht so viel. Was soll an einem Wochenende rauskommen, was Lehrhefte mit Infos für 3 Jahre nicht können?
Letzlich hilft nur schreiben, schreiben, schreiben und selber lesen. Und natürlich sollte man sich Gedanken machen, für wen man schreibt. Schreibst du dein Werk, weil es dir in der Seele brennt? Dann schreibe es so, wie es sich für dich richtig anfühlt.
Schreibst du zur Unterhaltung anderer und möchtest die breite Menge ansprechen? Dann versetze dich in ihre Lage - (wobei Papyrus hilft ) und schreibe einen gut lesbaren Text, der Spannung und vielleicht nicht so viele Hilfsverben innehat.
Niemals solltest du etwas in Texten einfügen, weil du glaubst, „die breite Masse wolle es“, wie z.B Erotik in historischen Romanen etc. Ich bin darauf schonmal reingefallen und musste dann ein ganzes Buch überarbeiten. Hässlich.
Wenn ich schreibe, sehe ich die Geschichte wie einen Kinofilm der sehr langsam läuft. Da will ich nur Sachen sehen, die ich selber spannend, aufwühlend, berührend oder sinnlich finde. Du definierst deinen Text.
Ich bin mit Freunden zum Beispiel in einen Buchclub, der mich zwingt, für mich „Themenfremde“ Literatur zu lesen. Auch das kann manchmal hilfreich sein.
Diesen Zwang habe ich mir selbst auferlegt, indem ich moderne Unterhaltungsliteratur lese sowie die Klassiker, die ich in der Schule durchkauen musste. Hin und wieder streue ich ein englisches Exemplar ein.
Ich bin da absolut Deiner Meinung… ich fand das Zitat nur lustig mit dem Adjektive killen… denn wie ich finde verliert der Ausdruck ohne Adjektive doch oftmals an Stärke. Gerade Farben oder Helligkeiten sind m. E. schwierig.
Eine " tiefschwarze Nacht" die jemanden umgibt ist für micht etwas anderes wie „Wolken verdunkelten den Nachthimmel“ (übertrieben)…