Schreibratgeber und Regeln - hilfreich oder dogmatisch?

Ich würde sagen, ein Infodump.

Infodump[erei] ist ja auch explizit erwähnt? Ist das Erklärbär-Syndrom vielleicht wenn eine Figur in wörtlicher Rede den Infodump übernimmt?

Wenn du deine Leser für dumm hältst und dann peinliche Erklärungen reinreichst:
„Der Zug kam also um 20 Uhr?“, fragte Kommissar Superbär und wußte damit schon, dass John nicht der Mörder sein konnte. Denn das ging ja gar nicht, weil der Mord schon um 19 Uhr geschah, und John mit dem soeben erwähnten Zug,…bla bla…
(Da der Leser die 19 Uhr Info schon hatte, braucht er die Schlussfolgerung nicht - und auch keine Hilfe an der Stelle)

Der Leser stirbt, weil der Autor doof ist.
Das ist nur ein Beispiel. Es gibt ja viele Erklärbärarten, wie allgemein bekannt.

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Ahhhhhhh. Ich denke, das mache ich nicht. Ok. Ich hoffe, das mach ich nicht. Ich … bin … mir zu … 90 …
panisch durch alle Texte durchles …

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Wenn ich bspw. ein Buch lese, dass mir wiederholt neuartige und unverbrauchte Bilder bringt und diese meine Vorstellung von Ästhetik und meinen Vorlieben entsprechen, wird mir ganz anders :joy: Und ich sehe und fühle es so deutlich, dass mich die Geschichte in eine Rausch mitnimmt. Das ist dann „Blut geleckt haben“. Das finde ich in Standardunterhaltungsliteratur nicht, da kann ich aber anderes finden.

Mir ist das auch nichts, weil das Orginal meist etwas einzigartiges hatte, was andere nur kopieren, aber die Substanz, die Leidenschaft fehlt.

Das vermag ich nicht einzuschätzen. Ich würde da auf die guten alten Märchen setzen mit ihrer Symbolik, Einfachheit und Kraft.
Leider gibt es ja derzeit die Diskussion, Faust aus dem Unterricht zu nehmen. Ich fand den gar nicht so schlecht in der Schule, der hat sich immerhin gut gereimt und hatte interessante Gedanken, auch wenn ich damals diese ganze Literatur des Deutschunterrichts wohl wenig begriffen habe und einige Hassbücher blieben.
Jedenfalls wollte ich eigentlich sagen, dass man dort Zugang bekommt und Kafka bspw. irgendwie immer beliebt war. Besser als nichts. Zumindest kennt man es mal.
Hermann Hesse fand ich toll, an Thomas Mann muss ich irgendwann noch mal ran, bisher ging das nicht. Mir ist auch so, als wäre das so ein Lager: man hasst Mann und liebt Hesse und umgekehrt. Aber ich kann mich täuschen … Jedenfalls will ich unbedingt seine Hauptwerke lesen.

Aber ich vertraue da auch ein bisschen auf das Bauchgefühl der Leute. Wenn sie das Gefühl bekommen, ihre Lieblingsromangenres sind einfach nichts mehr für sie, werden sie auch weiterziehen.

An einen Untergang glaub ich an sich nicht, weil ja der Anteil an Abiturienten immer steigt. Die werden ja zwangsweise schon mal beglückt. Wer weiterhin liest, sich weiterbildet, studiert usw. bei dem kann auch der Bedarf nach weniger ausgetretenen Wegen steigen. Ich glaube auch, dass gerade ältere Gebildete vermehrt zu Literatur greifen, also dass mit dem Alter das Interesse anders ist, dass man etwas anderes von Büchern will. Manchmal fehlt auch theoretisch jemand, der einen über den Tellerrand blicken lässt. (Blut lecken)

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Das will ich nun einmal erklären: Ein Erklärbär ist erst einmal Bär, wahrscheinlich so ein brummeliger und zotteliger Braunbär, der allerdings wichtigtuerisch eine Brille trägt, die er zwar nicht benötigt, die aber zum Bild gehört, und über die er drüberweg zu dir blickt, seine Tatze hebt und sagt: „Hör mir mal gut zu, lieber Leser, ich möchte dir hier etwas erklären. Möchtest du nicht mehr über dieses unwichtige Detail erfahren? Wo soll ich anfangen? Am Anfang war das Wort …laberrhababerbrumm …“ Dabei sitzt der Erklärbär in einem alten, etwas abgewetzten Sessel (mit hellgrünem, floralem Muster), den er von seinem Großvater geerbt hat, der ihn wiederum von seinem erbte. Er sitzt in einer Hütte im Wald und labert und brummt solange weiter, bis du alles verstanden hast. Aber du darfst dich nicht wundern, dass er in der Hütte sitzt und einen Sessel hat und reden kann, denn er ist kein normaler Bär, sondern ein Erklärbär. Alles ganz normal.

Seine zweite Superkraft, ist dass er das, was er schon gesagt hat, noch einmal mit anderen Worten sagt, ohne dabei ein bewusstes Ziel zu haben, wie eine absichtliche Bekräftigung durch Wiederholung. Er will einfach nur sichergehen, dass du das auch WIRKLICH verstanden hast, OK?! Wenn Anna morgens mit Schnupfen aufwacht und am Mittag niest, springt dir der Erklärbär zur Seite und hilft dir das Niesen einzuordnen, indem er geschickt einflechtet, dass Anna ja Schnupfen hatte.
Außerdem kündigt er gern Dinge an, dessen Ankündigung gar nicht nötig gewesen wäre, denn man sieht es ja selbst, aber sicher ist halt sicher. Er ist halt ein bischen zwanghaft und hat Angst, man könne ihn nicht verstehen.

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es gibt da noch ne weitere Erklärbär - Abart:

Der Autor meint, ohne genaue Erklärungen würden die Leser unmöglich verstehen, wie zwölf verschiedene Völker, ihre jeweiligen Staatsformen, die Stammbäume der Herrscherlinien bis hoch zur 25. Generation, Kriege, Religionen, Handel, Wissenschaft, Kleiderordnung, Handwerk, Magie, Geographie, Flora & Fauna und was es sonst noch so alles gibt, in seiner Welt funktionieren.
Um dem Abhilfe zu schaffen, packt er kurzerhand diesen Informationsblock als handlichen, gut verdaulichen Happen an den Anfang seiner Geschichte, vorzugsweise auch noch als Prolog.

Besonders verbreitet unter Fantasy- und Sci-Fi Autoren

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Das verstehe ich sogar. Fantasy und Scifi erfordern halt viel world building, damit sie stimmig sind. Und es ist schwierig, abzuschätzen, wieviel man wirklich wann mitteilen muss. Ich glaube, zumindest so wie ich schreibe, werde ich im ersten Entwurf immer zu viel oder zu wenig Erklärung haben, weil ich beim Schreiben noch gar nicht weiß, was wichtig wird :sweat_smile:

Außerdem gibt es ja noch diesen Messi-Faktor:
Da gibt man sich Mühe, die gesamte Herrscherlinie der schmaukerischen Dynastie der Molchitonen, mit all den Intrigen der Boxi’Tan’kwelch durchzuplanen und dann kommt nix davon im Buch vor. Da wird man traurig!

(Faszinierend finde ich übrigens, dass „Molchitonen“ nicht angestrichen wird )

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Finde ich prinzipiell gut, aber man kann es, wie alles, übertreiben. Du hast ja bereits die Beispiele, wo es gut begründet und textverschönernd rüberkommt, gebracht und mit den Gegenbeispielen ausgezählt. Permanentes Augenrollen nervt eben auch den Leser. (Und den Autor auch).

Klar - auf alle Fragen.
Meine Mischform ist im Grunde, dass ich lieber ein vielsagendes Detail showe als drei Erklärbärsätze telle. Den Rest darf der Leser selbst machen.

Ratschläge nehme ich als das, was sie sind: Ratschläge. Die können für meinen Zweck dann gerade passen oder nicht; und so sehe ich es auch, wenn ich anderen Ratschläge gebe. Die Verantwortung bleibt beim Autor.
Infodumperei: Jede notwendige Information ist kein Infodump. Dump ist imA definiert als überflüssig. Mich stört es aber wenig, ob Michael Crichton einen ganzen Prolog zur (dumpigen) Geschichte von InGen (der Dinosaurier-Baufirma aus Jurassic Park) widmet, wenn er interessant geschrieben ist.
Adjektivitis: Wenn Adjektive und Adverben zum Aufpolstern schwacher Substantive bzw Verben benutzt werden, ziehe ich doch und vehement eine starke Vokabel vor. Ansonsten machen gut gewählte Adjektive und Adverben einen Text manchmal erst zu dem herrlichen Film vor dem inneren Auge …
Erklärbärsyndrom: Entspricht meiner Einstellung zum Infodump.
Abwägen, was funktioniert: Bauch, Kopf, Testleser, Lektorat: alle. Am allerallerliebsten höre ich mir an, was nicht selbst schriftstellernde Vielleser anzumerken haben. Das sind die wahren Profis neben den Lektoren.

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Am Anfang des Schreibens ist es gut Schreibratgeber zu lesen. Die Ratschläge, zumindest die meisten helfen einem sehr wohl dabei Wissen und Struktur beim Schreiben zu erlangen. Aber halt so lange, bis man der Meinung ist genug zu wissen und seinen eigenen Still entwickelt hat. Danach greift man kaum auf Schreibratgeber zurück. Ich denke, wenn die Geschichte, die man erzählt packend ist, wenn die Charaktere einen beim Lesen begeistern, so wie im wahren Leben, dann wird man womöglich viele Ratgeber beim Erzählen der Geschichte vergessen haben. Einen Sol Stein aber, sollten man immer griffbereit haben. :blush: Letztendlich wird es auf das Lesepublikum ankommen, die unsere Texte lieben, einsaugen oder schnell vergessen werden. Ich denke, sich selbst beim Schreiben zu finden – ist die oberste Prämisse – und wenn wir uns finden – finden uns auch die Leser…

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Vom Ratgeber lesen alleine entwickelt man leider noch gar nichts, der Knackpunkt ist, dass man das Gelesene auch anwendet und übt, bis mans verinnerlicht hat.

Sol Stein finde ich auch sehr nützlich, es gibt aber auch Leute, die mit ihm gar nichts anfangen können. Ist wohl echt so, dass man so lange herumsuchen muss, bis man den (oder die) gefunden hat, die einen wirklich weiterbringen.

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Nun, das meinte ich auch mit dem eigenen Still entwickeln, setzt Anwendung, Übung und Lernen voraus…

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Was heisst da „nur“? - Das sind doch ganz verschiedene Schreibrichtungen. Aber Kreativität ist hier genauso nötig, liegt aber woanders. Z.B. gilt es komplizierte Sachverhalte richtig, verständlich und dazu unmissverständlich darzustellen. Oder ‚in der Kürze liegt die Würze‘ beim Journalismus.

„Nur“ habe ich lediglich geschrieben, damit dann keiner in der Diskussion ankommt und andere Textgattungen als Gegenargument zum Kunstgedanke anführt, weil ich es nicht präzisiert habe.
Na ja, wie man es macht … :joy:

Zudem ging es ja um belletristische Texte und die Argumentation, diese seien keine Kunst, wenn sie kein genialistisches Meisterwerk sind, das nur 0,1% der Menschen verstehen - überspitzt ausgedrückt. :wink:

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Schreiben erfordert immer ein gewisses Maß an Kreativität. Egal ob belletristisch oder wissenschaftlich oder journalistisch. Lediglich die Ausgestaltung der Arbeit ist anders. Wobei bei belletristischen Werken der Aufwand sicher höher ist, als bei anderen Werken. Weil einfach der Leser gefunden und gefesselt werden will. Bei anderen Textformen ist der Lesewille schon von Haus ais gegeben. Da spielt es weniger eine Rolle, ob der Text gut geschrieben ist oder nicht :slight_smile:
Von daher würde ich sogar sagen, dass jedes Werk in dieser Richtung ein Kunstwerk ist … Ob es denn auch das ganz grosse Meisterwerk ist, das den Sprung unter die Klassiker schafft, bleibt dem Leser überlassen.

Liebe Grüsse
Andy

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Danke für die Klarstellung.

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Danke! So schön bildhaft und heiter erklärt.
Und zugleich ein Beispiel für „show und tell“ in einem!

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Bin gerade über den Beitrag gestolpert und fragte mich, wie man in manchen Bereichen arbeiten müsste, wenn es nur show gäbe :wink:

Eine Kakaobohne knackt über dem Feuer. Der Saft einer Schwarzen Johannisbeere spritzt aus der Schale gepresst an die Wand. Am Rand eines Ackers müht sich ein Traktor durch den Lehmboden, um die letzten Halme Winterheus zu mähen. Er drapiert einen Rosenstrauß ans Ende der Festtafel und schenkt dann kleine Schlucke eines kalten Kaffees in jede zweite Tasse.
„Eine Orange? Gott verdammt, wo kommt das Ding den auf einmal hergeflogen?“
Er wischt sich mit dem Jackenärmel eine Träne aus dem Augenwinkel und betrachtet den feuchten Fleck, „das musste die Säure sein.“

Seine Hand greift nach dem Bleistift und notiert „Alles in Allem ein gelungener Jahrgang.“

:rofl: :joy: :rofl:

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Vor sehr langer Zeit, als ich gerade das erste Buch geschrieben hatte, fiel mir ein Schreibratgeber eines Verlages in die Hände und ich dachte: toll, die müssen es ja wissen, wie es am besten geht.
Dann habe ich alles intensiv studiert und die nächsten Texte unter Berücksichtigung möglichst all dieser Hinweise geschrieben.
Das Ergebnis war furchtbar. Zumindest fand es meine Frau, die mir dringendst anriet, das zu lassen und wieder so zu schreiben, wie bisher.

Ratgeber sind halt eben nur Ratgeber.

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Und bei der Gelegenheit…

Mark Twain hat doch sowas gesagt wie"finde ein Adjektiv und töte es"

Habe das so oder so ähnlich aus einem Ratgeber.

Einem Impuls folgend schritt ich auf die Bücherwand meines Schreibzimmers zu. Ich wusste, dass ich es hier würde finden können. Zwischen Ivanhoe, zwei Jahre Ferien und Gullivers Reisen, da musste einer der Helden meiner Kindheit stecken und Staub ansammeln.

Das ist es, hab ich Dich. Tom Sawyer und seine Abenteuer. Ich pustete den Staub vom Schnitt und schlug es auf. Ich begann zu lesen, von vorne an und wartete auf dieses Gefühl von Wärme und Geborgenheit, das mich immer als Kind umfing, wenn ich eines jener Werke der Wortkunst in meinen Wichsgriffeln hielt.

Neben dem Trauer bereitenden Effekt, dass sich dieses Gefühl einfach (Füllwort, muss das jetzt sein) nicht einstellen wollte, griff eine von mir eingebildete Hand nach meinem Hirn und quetschte das Ding mitsamt meinen Augen aus.

14 Adjektive auf dem ersten Drittel der Seite! Empörung eines Ausmaßes, das ein Adjektiv verwendender Mensch als „überwältigend“ bezeichnen würde, ergriff Besitz von mir.

Wieder und wieder zählte ich. Der Schweiß lief von meiner Stirn, formte Tropfen unter meinem Doppelkinn.

„Betrug!“ schrie ich. Meine Welt fiel wie ein Kartenhaus in sich zusammen (Klischee, wäre eine andere Formulierung hier nicht… ) „Halt die Schnauze!“ zischte ich. „Ich rate Dir, provoziere mich nicht weiter.“

Ich rannte zu dem Safe, der sich hinter der Fotografie einer Frau verbarg, die sich für diese Aufnahme ihrer Kleidung entledigt hatte. Das Foto, das in einen Rahmen eingesteckt war, bedeckte diesen Panzerstahlkasten (Wortwiederholung vermieden) zur Gänze (ein KLEINER Wandsafe gilt nicht… das ist ein Adjektiv).

Meine Hand fieberte über das Nummernfeld um die Kombination einzugeben, die mit einem Klicken verriet, dass die Tür sich öffnen lassen würde. Darin lag sie. Eine Valtro 9mm (der Part „halbautomatisch“ wegen Adjektiv und der mit dem schwarz, Offizierspistole der italienischen Armee, wurde vollkommen zu Recht vom Autor wegen Infodump gestrichen).

Das Gewicht des Magazins verriet die Einsatzbereitschaft der Waffe („geladen“ … lG der Erklärbär). So kehrte ich in mein Büro zurück, richtete den Lauf auf den mit Adjektiven geschändeten Text dieses Betrügers, der mir eine Geschichte von Mark Twain als Fälschung untergejubelt hatte.

Und so arbeitete ich mich die ganze Nacht durch meine Bibliothek. Immer wieder eilte ich in den Keller um Patronen aus den Kisten zu greifen. Ja ich habe sie getötet, alle Adjektive!

Der Autor, der die meisten Treffer erhielt, war derjenige, den ich am meisten bewunderte. Da lagen sie vor mir die Ausgaben von „Es“, „Sie“, „Schwarz“ und „Shining“ jede in meiner Raserei im Kugelhagel zerfetzt.

„Fake Romane, das seid ihr. Kopien von Autorengrößen erdacht und von Adjektivdurchsetzern aus China, Nordkorea oder Gott bewahre sogar Russland missbraucht worden.“

Der Schmerz der mich in jenem Moment ergriff, zerstörte gleichzeitig meine Seele. Aller Illusionen beraubt richtete ich die letzte* Kugel gegen mich selbst und sinnierte darüber, dass ich ja nicht tod sein würde, das wäre ja ein Adjektiv. Ich werde mein Leben beendet haben. Das entsprach dem, was sich Mark Twain dabei dachte als er diesen Satz gesagt haben soll.

*das ist natürlich falsch es muss heißen „die jenige Kugel die am Ende des Ladevorgans in das Magazin geschoben worden war“

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