Schreibratgeber und Regeln - hilfreich oder dogmatisch?

Ein schönes Thema, zu dem ich gern auch etwas beitragen möchte.
Aus meiner Sicht, waren gerade am Anfang die Informationen aus den Büchern sehr hilfreich. Als Anfänger habe ich mich nicht über Foren ausgetauscht.
Literarisches Schreiben von Lajos Egri,
Wie man einen verdammt guten Roman schreibt von James N. Frey waren meine ersten Ratgeber.
Beide Werke haben mir gezeigt, daß Schreiben nicht gleich Schreiben ist.
Ich kann nur beipflichten, dass das goldene Mittelmaß von den Regeln für den eigenen Schreibstil Sinn macht.

Wenn ich in einer Schreibblockade stecke habe ich mir in Papyrus ein neues Buch angelegt indem ich unterschiedliche kreative Ideen auslebe. Zum Beispiel eine Sammlung von Metaphern, erste Sätze, Beschreibung von Ängsten oder Objekten…
Das hilft mir am Ball zu bleiben ohne direkt an meinen Roman zu schreiben.

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Der Podcast Nr. 36 von Diana Hillebrandt und Wolfgang Tischer befasst sich mit dem Thema Schreibratgeber.

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Genau wie Rechtschreibregeln haben Schreibratgeber und -regeln ihre Daseinsberechtigung, allerdings kann man mit Letzteren im Gegensatz zu Ersteren flexibler umgehen.
Bei mir ist es projektabhängig, welche Schreibregeln ich beherzige und welche ich milde lächelnd beiseite schiebe.
Während man sich an Rechtschreibregeln halten muss, kommt es bei den Schreibregeln immer darauf an, was ich in welcher Situation mit meinem Text bewirken möchte. Kurz und knackig ist nicht mehr oder weniger schlecht als ein Text mit Adjektiveritis – es kommt immer darauf an.

Von daher können sie sowohl hilfreich als auch dogmatisch sein.

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Sehr schöner Vergleich mit den Tonleitern. Man wird mit jeder (Schreib-)Übung besser. Nicht zu schreiben und nur Ratgeber zu lesen oder sich mit „Regeln“ zu befassen nützt nichts, wenn man diese nicht wenigstens mal ausprobiert.

Wow! Respekt. Fördert in jedem Fall die Kreativität.

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Das habe ich noch nie gehört. Ich kenne viele Leute, die einen Jagdschein haben. Die sind aber alle ganz auf der Höhe :smiley:

Sagt auch keiner mehr. In den 1970er Jahren war das bei uns jedoch üblich. Sogar als Prophezeiung: „Wenn der so weiter macht, kriegt der auch bald nen Jagdschein.“

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Den Ausdruck kenne ich auch, hört man ab und zu heute noch.
Gibt sogar ein Wikipedia-Eintrag dazu:
https://de.wikipedia.org/wiki/Jagdschein_(Redewendung)

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Es ist vielleicht wie beim Boxen ( Ich weiß, ein gewagter Vergleich), Der gelernte Boxer spielt nach den Regeln, Der Instinkt-Boxer spielt mit den Regeln.
Am Ende entscheidet das Talent!

Ein Beispiel zu Regeln beherrschen und brechen, fand ich auf der ersten Seite von Donna Tartts erstem Roman „Die geheime Geschichte“. Frau Tartt hat kreatives Schreiben studiert und für diesen, ihren ersten Roman 1992 sage und schreibe 450.000 Dollar Vorschuss erhalten :no_mouth:

Wenn ich mich nicht verzählt habe, hat der Satz 116 Wörter (ist nicht der Anfang der Geschichte, erst zweiter Absatz):

„Es war eine Geschichte, die sich selbst erzählte, einfach und gut: die losen Steine, der Leichnam am Grunde der Schlucht mit gebrochenem Hals, die schlammigen Rutschspuren von auf dem Weg nach unten in den Boden gestemmten Fersen - ein Wanderunfall, nicht mehr, nicht weniger, und dabei hätte man es belassen können, bei ein paar stillen Tränen und einer kleinen Beerdigung, wäre da nicht der Schnee gewesen, der in dieser Nacht fiel; der deckte ihn spurlos zu, und zehn Tage später, als es schließlich taute, da sahen die Staatspolizisten und das FBI und die Suchmannschaften aus der Stadt, dass sie allesamt über der Leiche hin und her gelaufen waren, bis der Schnee darüber wie Eis zusammengepresst worden war.“

Selbst wenn man bedenkt, dass eine Übersetzung ins Deutsche den Text vermutlich um 1/3 aufplustert, ist das immer noch ein Klopper von Satz, bei dem sich die Papyrus-Stilanneliese aufknüpfen würde.
Dennoch ist er vom Handwerk wunderbar gemacht (auch wenn durch die Übersetzung eine Stelle etwas schwieriger zu erfassen ist (das mit den Fersen)).
Die Beherrschung von Satzaufbau und Nebensätzen ermöglicht es, zwischendurch mal einen Satz mit mehr als 100 Wörtern herauszuhauen, natürlich nicht in Genreliteratur.
Selbst, wenn man einzelne Sätze draus machen würde, überstiege schon der erste die nach Schreibratgebern empfohlene Obergrenze. Trotzdem macht diese Sinn, weil kaum einer in der Lage wäre, ohne Schreiberfahrung und Handwerk einen längeren Satz herauszuhauen, dem man folgen kann.

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Dazu habe ich in einem Schreibratgeber eine gute Regel gelesen: „Das Verb nicht hinterherhinken lassen!“
Wenn der Satz lauten würde: „Man hätte es bei … blabla … blabla … blabla … belassen können, …“ dann hätte der Leser es schwer, sich alle Informationen merken zu müssen, bis er bei „belassen“ endlich erfährt, worauf der Autor hinaus will.
Ich verwende auch gerne längere Sätze und achte seit dem Lesen des Schreibratgebers bewusster darauf, dass der Leser so früh wie möglich die nötigen Verben bekommt.

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Trägt zwar nix zur Sache bei, aber hier einen herzlichen Dank! Ich werde die Stilanneliese nie wieder anders nennen, weil es das Ding einfach so viel sympathischer macht. Tolles Wort!

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Ist aber nicht von mir, hab ich von @anon37238882 geklaut :blush:

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Dann sei´s auch dem @anon37238882 nochmal an dieser Stelle gedankt :slight_smile:

Die ist sogar schon in seiner Weihnachtsgeschichte zum Seitenwind lebendig geworden:

:face_with_hand_over_mouth:

@Gwendy
Gibt es zu deinem 116-Wörter Satz einen englischen Originalsatz?
Der würde mich sehr interessieren, denn irgendwie scheint da was verloren gegangen zu sein.

Ich fühle mich von diesem Satz genervt, weil ich ständig auf etwas warte, das nie kommt.
Punkte geben dem Leser die Möglichkeit, die Info zu “schlucken” und zu verdauen, bevor die nächste Info kommt.
Hier bekommt man ständig noch mehr “in den Mund gestopft”.

“Es war eine Geschichte, die sich selbst erzählte, einfach und gut: die losen Steine, der Leichnam am Grunde der Schlucht mit gebrochenem Hals, die schlammigen Rutschspuren von auf dem Weg nach unten in den Boden gestemmten Fersen - ein Wanderunfall, nicht mehr, nicht weniger**.**” Punkt
(Ich finde “einfach und gut” und “nicht mehr, nicht weniger” überflüssig. Soooooo gut ist die Geschichte nicht, und es besteht auch kein Grund, anzunehmen, dass es “weniger” als ein Unfall war.)
Und Dabei hätte man es belassen können, bei ein paar stillen Tränen und einer kleinen Beerdigung .Punkt Wäre da nicht der Schnee gewesen, der in dieser Nacht fiel .Punkt Der deckte ihn (Wen? Wanderer oder den Unfall oder den Weg?) spurlos zu .Punkt (und) Zehn Tage später, als es schließlich taute, da sahen die Staatspolizisten und das FBI und die Suchmannschaften aus der Stadt, dass sie allesamt über der Leiche hin und her gelaufen waren, bis der Schnee darüber (worauf sind sie herumgetrampelt? Auf der Leiche? :dizzy_face: oder auf den Schlitterspuren vom Unfall?) wie Eis zusammengepresst worden war.“

Mir fehlt da die Entschlossenheit und der Mut auch mal nen Satz wirken zu lassen. Stattdessen verstreut man Kommas und Strichpunkte. Die sind nicht Fisch und nicht Fleisch.
Ich seh grad einfach keinen Gewinn für die Geschichte aus dieser Zweideutigkeit, ob all diese Satzfragmente nun getrennt oder verbunden sind.

Zweimal “und” hätte man auch sparen können.


Geht es in diesem Thread “nur” um Sprache, oder auch um Ratgeber, wie man eine Geschichte plant?
z.B. “Save the cat”

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Ja, es gibt einen englischen Satz, du kannst ihn in der Vorschau bei Amazon nachlesen. Du musst nur bis zum Prolog scrollen, nach ein paar Sätzen kommt er. :slightly_smiling_face: Hier der Link zur Vorschau:

https://www.amazon.de/dp/0140167773

Mir gefällt der Satz so, aber natürlich hat jeder da andere Ansichten.
Die Infos, die dir fehlen, sind in den vorherigen Sätzen gefallen.

Nein, in dem Thread geht es um Schreibratgeber mit allem Drum und Dran, und die gibt es ja wirklich zu sämtlichen Themen. Manche lieben sie, andere ignorieren sie. Die Frage ist auch, ab wann und wie man Regeln mit Gewinn brechen kann, und welche Erfahrung man damit gemacht hat etc.
Du kannst gern etwas über deine Erfahrungen und Ansichten schreiben.

EDIT: Der englische Satz hat sogar 122 Wörter :astonished:

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Sehr cool!
Ich hab von einem Prof gelernt: “Je komplizierter die Grammatik einer Sprache ist, desto weniger Wörter braucht sie.
Je einfacher die Grammatik einer Sprache ist, desto größer muss ihr Wortschatz sein.”

Paradebeispiel Latein mit sehr wenig Wörtern, und Englisch mit weniger Grammatik und großem Wortschatz.

Englischen Muttersprachlern, die über die deutsche Grammatik gestöhnt haben, hab ich immer getröstet, dass es dafür weniger Vokabeln sind.

Wie schick, dass das sogar am Beispiel eines einzelnen Satzes zu sehen ist!

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So einen Satz würde ich mit einem Teller Spaghetti vergleichen. Nimmt man ihn wahr, grummelt es im Magen, und man möchte sich augenblicklich darauf stürzen. Warme, würzige Soße auf den Nudeln. Der Speichel tropft schon etwas, als die erste Nudel die Lippen berührt. Wie einst in Kindertagen saugt man sich diese Zentimeter um Zentimeter in den Mund und erfreut sich dieser warmen Mahlzeit. Doch kurz darauf muss man erkennen, dass diese Nudel scheinbar kein Ende hat, zumindest scheint es so. Gefühlt hat man bereits den halben Teller im Mund und schluckt diesen dann hinunter. So köstlich die Spaghetti auch sein mögen, zu viel auf einmal kann einfach nicht gesund sein, aus „Essen“ wird sonst „Schlingen“.
(Wahrscheinlich wurde deshalb das Besteck erfunden. Auf Gabel oder Löffel geht nicht so viel drauf. :))

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Ist das ganz fair? Latein hat auch deshalb weniger Wörter, weil es eine tote Sprache ist und viele moderne Wörter fehlen. (Obwohl diese von einer kleinen Community, die hobbymäßig Latein spricht, dazuerfunden wurden. Aber das ist nicht mit einer über Jahrhunderte gewachsenen, lebendigen Sprache zu vergleichen.
Im Englischen treffen germanische und romanische Wurzeln aufeinander. Das hat mit der Geschichte Englands zu tun. Manchmal denke ich, dass unsere Sprache (und andere auch) durch den Einfluss des Englischen ebenfalls viele neue Wörter hinzubekommen könnten - ähnlich wie das Englische. (Nur, dass wir nicht von einem Henry erobert werden …)
Falls es bei deiner Bemerkung aber nicht um den gesamten Wortschatz einer Sprache geht, sondern darum, dass man im Lateinischen wegen der Grammatik einen Satz kürzer fassen und dennoch dieselbe Information hineinpacken kann wie in einen längeren englischen, bin ich auch nicht sicher, ob man das verallgemeinern kann. Im Deutschen braucht man meistens mehr Wörter pro Satz, um dasselbe auszudrücken wie im Englischen, dabei hat das Deutsche die komplexere Grammatik.

Das mit dem zu langen 1. Satz aus dem Beispiel sehe ich ähnlich wie du. Ich wüsste auch nicht, was erstrebenswert daran ist, einen so langen Satz zu verwenden. Zumal man anstelle eines Semikolons sehr gut einen Punkt setzen könnte.
Mag sein, dass das Buch erfolgreich ist, aber es würde mich wundern, wenn das wegen dieses Satzes der Fall ist. Wahrscheinlich eher trotzdem.
Wir neigen vielleicht manchmal dazu, einen stilistischen oder inhaltlichen Aspekt zu rechtfertigen, weil er in einem erfolgreichen Buch verwendet wurde, etwa nach dem Motto: Seht, XY hat es gemacht und hatte Erfolg, also war es richtig.
Ich würde zunächst mal denken, okay, es war zumindest nicht so falsch, dass es von den Lesern nicht mehr toleriert worden wäre. Aber einzelne inhaltliche Aspekte entscheiden noch nicht über Erfolg oder Misserfolg eines Buches. Da müssen mehrere zusammenkommen. Und man muss das Gesamtbild betrachten.
Als echten Regelbruch würde ich dieses Beispiel für einen langen Satz noch nicht werten. Dazu bräuchte es mehrere solcher Sätze in dem Buch und den gleichen Erfolg. Über einen zu langen Satz sehen die Leser noch hinweg. Das heißt aber nicht, dass es ratsam ist, solche Sätze zu verwenden.

Genauso gut könnte man sagen, ein Buch ist erfolgreich, obwohl der Autor nicht geplant, sondern drauflosgeschrieben hat.
Aber vielleicht wäre das Buch mit einer guten Planung noch besser geworden?
Das ist unmöglich zu beurteilen, genauso wie wir unser Leben nicht zweimal leben und einen alternativen Weg ausprobieren können, um zu sehen, wohin er uns geführt hätte …

Ich habe das Original noch nicht gelesen, aber hier erscheint mir auch die Satzstellung merkwürdig zu sein.
Ich hätte geschrieben: „der Leichnam mit gebrochenem Hals am Grunde der Schlucht“.
Oder ist es die Schlucht, die einen gebrochenen Hals hat?
Dass kann natürlich auch eine Ungenauigkeit des Übersetzers sein.

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