Realistische Schreibziele

Lieber Flixiflix,

m.E. kannst du dieser Frage im Ernst nur stellen, wenn du glaubst, ohne Muse könne in der Literatur irgendetwas Qualitätvolles zustandekommen. Ich gestehe, daran nicht zu glauben. Deshalb schreibe ich nicht auf Deibel komm raus … sondern vermag auch innezuhalten (was freilich nicht impliziert, daß ich etwas Gutes zuwegebringe, wenn ich mal schreibe – denn das beruht ja alles nur auf subjektiven Glaubensakten, aber nicht auf Wissen).

Es mag nun sein, daß du recht hast – ergo Drauflosschreiben auch Qualität zeugen könnte. Ich frage mich dann allerdings, wo genau dann noch die Differenz zwischen etwas Literarischem und reinem Mitteilungstext walten würde. – Es gibt Elaborate auf dem Markt, die sich von ihrer “Qualität” her nicht von einer Gebrauchsanweisung für 'nen Staubsauger unterscheiden (höchstens, daß der letztere vielleicht seinem eigentlichen Gebrauchsziel adäquat ist, das jämmerliche Elaborat aber nicht). – Gesetzt, du hättest recht: Wieso erkennen dann Menschen – jedenfalls manche (noch) --, ob literarische Qualität vorliegt odert nicht?
M.E. zeigt sich das an bestimmten Kriterien – und Erfolg gehört z.B. gar nicht dazu --; es sind v.a. auch formale Kriterien; und um denen zu genügen, so meine Sichtweise, bedarf es eben der Muse/n. Man kann es auch ‘Talent’ nennen oder ähnlich. Der Punkt ist in meiner Sichtweise: Es reicht nicht, nur zu trommeln und zu “handwerkern” – das machen eben Gebrauchsanleitungsschreiber, Journalisten, Redenschreiber und auch bestimmte Wissenschaftstypen usw. --, sondern es gehört zur Literatur eben auch ein Schuß Nicht-Meßbares dazu, also das, was Talent heißt o.ä.

Die Quintessenz: Das Talent kann man nicht “herbeischreiben”, wieviel Tausend Wörter am Tag auch produziert werden. Es ist eine Gabe … von wem oder was auch immer.

Viele Grüße von Palinurus

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Ich meine das so, dass du dir denkst, “so wie sich die Handlung entwickelt gefällt mir das absolut nicht”. Und wenn du weißt, was dir nicht behagt, weißt du vielleicht, was dir gefällt. Zum Beispiel könntest du beschließen den Protagonisten doch nicht sterben zu lassen und lieber ein Happy End drauß machen - oder umgekehrt.

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In der Tat darf man nicht völlig unbegabt sein. Viel Lesen kann aber auch helfen ein Gefühl für Satzbau und einen Wortschatz zu entwickeln.

Wie gesagt, gehe ich davon aus, dass sich die Muse durch den Schreibakt von selbst einstellt. Und wie anfangs erwähnt, habe auch ich meine Tage an denen ich einfach kein Bock habe noch zu später Stunde mit dem Schreiben anzufangen und meine Inspirationsspeicher durch andere Aktivitäten auftanke.

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Im Grunde ist es dir doch egal, was ich schreibe. Du wirst immer … :wink: (im Forum fehlt eindeutig ein Smiley). Ich habe deswegen nicht gerade schlaflose Nächte. Doch die Diskussion, um Qualität und Quantität wird an dieser Stelle erlaubt sein. Ich will niemandem seine Meinung streitig machen. Ich will nur einen Diskussionsbeitrag leisten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendetwas Vewertbares dabei herauskommt, wenn ich mich zwingen muss. Für mich ist das Schreiben lustbetont (und da ist es egal, in welchem Genre ich schreibe). Ich kann und will mich nicht zwingen müssen. Da klingt der Ratschlag, die Textmenge zu erhöhen, wie blanker Hohn. Mach du das, wenn es dir hilft.

Ich will mit meinen Beiträgen aber auch zum Ausdruck bringen, **wie **abwegig es für mich wäre, dem zu folgen. Wer weiß, vielleicht ändere ich in einem oder fünf Jahren meine Meinung, vielleicht bin ich wirklich komplett verstrahlt und gaga, weil ich glaube, dass es gar keinen Zweck hat, nur die Textmenge zu erhöhen. Aber wie es meine Art ist (die dir so gegen den Strich geht), vertrete ich meine Ansicht mit Verve. Ich weiß selbst, dass das vielleicht ein Fehler ist. Letztlich hilft es mir aber, auf meine tägliche Anzahl an Wörtern zu kommen. Wenn ich also üben will, schreibe ich einfach einen Blog oder in einem Forum, das trainiert auch.

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Liebe Scherbengericht,

ich muß dir widersprechen! Sie haben die Sappho geküßt – sehr intensiv und nachhaltig, wie alte Mären flüstern --, weshalb sie keineswegs “hetero” waren oder sind. Naja, und die Sappho selbst soll ja auch nicht nur blühende Jünglinge be-dichtet haben, wie man (huch!) hier und da lesen kann …

Sie schrieb auf Lesbos … übrigens … :cool:

Gruß von Palinurus (der Sappho liebt)

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Jobabyjo!

Wie kommst Du darauf, dass Dich die Muse nur küßt, wenn Du am Schreibtisch sitzt? Mich erwischt sie beinahe überall. Und manchmal ist es fast hinderlich am PC zu sitzen und auf die Zärtlichkeit einer griechischen Göttin zu warten. Abgesehen davon: Woran erkennen wir eigentlich, welcher Text geküßt oder ungeküßt entstanden ist? Letztendlich beurteilt das der mehr oder weniger geneigte Leser, und der gibt seinen Senf ja erst deutlich später zur Wurst - Fleisch, Gemüse, Wurst und Kartoffeln - ich glaube, ich sollte etwas essen:laughing: … - , wenn die Kiste bereits vollendet ist.

Meine liegt im Bett neben mir. Meistens.

Natürlich haben Sie recht, verehrter Herr sbraun, aber das hier ist Leidenschaft, da gehen auch mal die Ponies durch. Richtige Beleidigungen habe ich hier noch nicht gefunden - nicht, dass ich sie gesucht hätte. Und ja, wir sind alles Einzeltäter, und ja, es gibt keine allgemeingültige Regel für das Schreiben. Für mich riecht das nur eben sehr nach Abarbeiten, Verwalten und viel Holzwolle. Ich will das niemandem unterstellen, ich hab ja von z. B. Flixiflix noch nix gelesen, aber es kommt mir, äh, so uninspiriert vor.

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@Palinurus
Nein, nein, nein, versuch nicht, meine Behauptungen zu entkräften, ich brauch diese einfache Erklärung! – *dann wurden sie eben von Sappho letztlich enttäuscht, dass sie von ihren gleichgeschlechtlichen Gelüsten abgewichen sind und unsereins muss heutzutage auf den Kuss der Muse verzichten *:cry:
(dieser Beitrag kann Spuren von Ironie enthalten)

@DuaneHanson
Herzlichen Glückwunsch, du hast heute schon etwa 566 Wörter geschrieben! :laughing:

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Ich sehe darin u.a. auch den Zweck eines solchen Forums, lieber Duane. Warum sollte es nur Kuschelthreads geben? – Würden niemals unterschiedliche Meinungen aufeinanderprallen, wäre es totlangweilig und zudem aussichtslos, irgendeinen Nutzen aus dem Geplapper zu ziehen. M.E. ist es deswegen wichtig, auch mal auszuhalten, daß es keinen Konsens gibt – eigentlich kann das ja bei Autoren auch schon mal per se gar nicht sein, weil sie ja eigentlich ausgesprochene Idiosynkraten sind …

Von daher: Mach weiter so! Wenn keine ad hominem-Attacken erfolgen, sondern bei der Sache geblieben wird, ist das eher spannend und nützlich denn abtörnend.

Gruß von Palinurus

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Genauso sehe ich es auch! ÜBerall, sogar auf dem WC habe ich geniale Gedanken;). Einen PC benötige ich nicht, um schriftstellerische Muse zu entwickeln. Ich habe Sie immer und überall. Darum habe ich immer und überall Notizblöcke, Handy, Tablet notfalls eine Serviette, um die Ideen aufzuschreiben. Wenn ich nur am PC Ideen entwickeln würde, wäre ich nur ein halber Schriftsteller:scream:

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…und er behauptet, er könne 4 Jahre pausieren:D:roll_eyes:Aber was wäre dieses Forum ohne Duane… einfach nur langweilig:thumbsup:

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Also für mich ist es so …
**
Ohne Muse**: Man kommt nicht rein … verliere mich stattdessen immer wieder in Gedanken weit Weg vom Schreiben … erwische mich beim blöd aus dem Fenster schauen … verirre mich hier im Forum und komme nur schwer raus … Zeit vergeht nicht beim Schreiben … die Sätze hören sich (inmitten der mit Muse produzierten) wie Fremdkörper an … ich nasche viel zu viel … man hat das Gefühl zu arbeiten, wofür man nicht bezahlt wird … nach zwei getippten Seiten findet man alles doof

Mit Muse: Ich kann problemlos in die Metaebene abtauchen … neue Ideen fließen in Echtzeit in das Buch … man denkt es sind 20 Minuten vergangen, dabei war es mehr als eine Stunde … man verschiebt die Einkäufe auf morgen … den Blick nimmt man erst vom Bildschirm, wenn der Nacken krampft … man verspürt beim Schreiben dieses Glücksgefühl für sein Werk, dass man fast mit Verliebtheit beschreiben könnte … man klappt um zwei Uhr morgens den Bildschirm zu, mit der Gewissheit etwas geschaffen zu haben, wozu nicht jeder imstande ist

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Lieber Narratöör,

bitte erlaube mir eine kurze Klugscheißerei (wir habens hier von den Musen; und da ich mich bestimmter Umstände wegen ein klein bißchen mit diesen unsagbar begehrenswerten und wunderschönen sowie klugen Damen auskenne, gestatte es mir). – Danke für die Erlaubnis … :smiley:

Früher (als das Wünschen noch half) war es nämlich so: Der olle Homer und Hesiod samt anderer Kumpels von ihnen, die wir heute kaum noch kennen, waren nicht in jenem Sinn Schriftsteller, wie wir das inzwischen sind – einsam am Schreibtisch sitzend, Wörter suchend und Sätze fügend und auf die Küsse der Mnemosyne-Töchter wartend wie @Scherbengericht --, sondern sie galten ihren Hörern als Sänger (so nennen sie sich auch selbst!).
Das implizierte u.a. Folgendes: Sie haben sich so etwas wie die *Ilias *oder die Theogonie nicht „im Kopf ausgedacht“ und dann niedergeschrieben (okay: bei Hesiod wars schon ein klein bißchen so … aber auch nicht wie heute); sondern diese Werke entstanden – ob du’s nun glaubst oder nicht – tatsächlich ad hoc, also während ihres „Live-Auftritts“ vor dem Publikum. Man nennt so etwas die oral-poetry-Methode. Sie formten ihre Liederverse, deren Aufführung oft Tage dauerte, während des Auftrittes. D.h. es gab keine authentische Fassung, sondern stets nur Varianten. Dabei wußten dieser Sänger sehr genau aufs Publikum zu achten und ihre Texte der jeweiligen „Stimmung“ anzupassen, wodurch gewissermaßen eine Art „kollektiv erzeugtes Werk“ zustandekam; oder anders gesagt: Das Publikum „schrieb immer mit“, wenn du verstehst, was ich meine …

Bezogen auf deine obige Frage: Früher – als alles noch besser war als heute --, diente der obligate Musenanruf am Anfang des Epos („Sing mir, oh Göttin, vom Zorn des Achill …“) der Versicherung der Musen-Hilfe durch die Sänger, so eine ziemlich ausgewachsene Streßsituation überhaupt zu überstehen. Und dabei gingen sozusagen Sänger und Publikum „ineinander über“; will sagen: Die totale Trennungssituation wie heute gab es da nicht!
Andersherum heißt das: Das Publikum merkte auch, wenn die Musen den Kuß verweigerten (trotz bettelnden Anrufs) – was logischerweise zur Konsequenz hatte, daß sich die „Un-Begabten“ von den Begabten schnell schieden und infolgedessen weniger Scheiße produziert wurde als heutzutage …

Bedenke noch eines in diesem Zusammenhang: Es war eine exorbitante mentale Leistung, solche Großepen wie die Ilias mit wahnwitzig vielen tausend Versen ad hoc zu rezitieren (i.S. von nicht auswendig gelernt, sondern spontan kreierend). Denn sie waren natürlich metrisch angelegt (dabei spielt der Hexameter eine gewichtige Rolle) und uns erscheinen heute manche Passagen daraus deshalb merkwürdig, weil sie Epitheta enthielten, wiederkehrende Fügungen, die den Sängern halfen, auf jeden (gerade angefangenen) Vers eine perfektes Hexameter-Metrum zu stanzen. Deshalb gibt es bei Homer den „männermordenden Krieg“ oder die „rosenfingrige Eos“ oder den ‚polymetis Odysseus‘. Diese Epitheta (schmückende Beiwörter) halfen ihnen, je das Metrum zu halten. Gleichwohl war es eine gigantische Leistung, so etwas zur Aufführung zu bringen und dabei das Publikum auch noch zu begeistern.

Viel, viel später, als sich all das täglich ereignete, kam irgendein schlauer Vogel auf die Idee, jene gerade von den Phöniziern „geklauten“ Buchstabensysteme dazu zu benutzen, das Ganze irgendwann mal – statt vorzusingen – aufzuschreiben: Das war das Geburtsdatum der europäischen Literatur (Ende 9. Jhd. - Anfang 8. Jhd. v.u.Z.). Denn offenbar hatten jene Griechen, die noch unter oral-poetry-Einfluß standen (die Mykener), kein Interersse an Aufzeichnungen; eine Schrift besaßen sie nämlich sehr wohl (Linear-B). Es mag aber sein, daß auch deren syllabisches System sie davon abhielt, die uralten Epen aufzuzeichnen. Wir wissen es nicht. Die Altorientalen hatten auch syllabische Schriften und haben damit ihre Großepen aufgeschrieben (denke an Gilgamesch, Atrahasis oder auch Enuma-Elisch); wir wissen nicht, warum das die Mykener nicht taten … der Umschlag kam bei ihnen erst nach den dark ages infolge der Seevölkerinvasion. Mithilfe einer vorderorientalischen Alphabetschrift! – Wiedermal ein schönes Bsp. dafür, daß Ideentransfer und Migration nicht etwas an sich Schlechtes sind. Die arabischen Muslime haben uns das dann später auch nochmal demonstriert … aber das ist eine andere Story, über die ich vielleicht andermal klugscheißere … – Jdenfalls sind die nGriechen keinesfalls jene „autochtonen Genies“ gewesen, für die sie manche ideologisierte Betonköpfe noch heute merkbefreit ausgeben möchten. Europa ist ohne die Inspiration durch die altorientalischen Zivilisationen unvorstellbar …

… und wenn sie nicht gestorben sind, leben sie noch heute.

Heute ist alles anders: Und deshalb gibt es heute auch viel mehr literarischen Schrott als früher … und ein Publikum, das in manchen Parts „uninspiriert“ bleibt und dann den totalen Ausschuß statt guter Literatur präferiert.

Ende der Vorstellung: Das Ziel ist erreicht, die Klugscheißerei kann beendet werden.

Als Fazit bleibt: Natürlich müssen auch die Rezipienten „von der Muse geküßt sein“, sonst funktioniert die ganze Chose nicht!

Gruß von Palinurus

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…und hier nun mein Beitrag dazu, dass das hier kein Kuschelthread wird. :smirk:

Ich halte, den Kuss der Muse für eine Ausrede. Erfunden, um Autoren, die das Interesse an der eigenen Geschichte verloren haben, einen einfachen Ausweg zu geben, sich nicht weiter damit beschäftigen zu müssen. (Edit: Woran überhaupt nichts Verwerfliches ist)

Das heißt nicht (!), dass ich irgendjemandem vorschreiben möchte, auf welchem Weg er (oder sie) die Seiten füllt. Aber das vehemente Infragestellen, derer, die eher analystisch an den Schreibprozess herangehen, scheint mir doch von einem sehr hohen Ross herabposaunt. Niemand zweifelt daran, dass die Ideen in ganz unterschiedlichen Situationen auftauchen. Beim Duschen, beim Sport, kurz vorm Einschlafen oder eben während man gerade am Rechner sitzt und an seiner Geschichte schreibt.

Aber auf der einen Seite zu argumentieren, dass das erste Buch immer Mist ist und man frühestens mit dem fünften, sechsten oder zwanzigsten Werk etwas Brauchbares auf die Kette bringt, um auf der anderen Seite dann voller Überzeugung zu behaupten, dass mehr Schreiben nicht mehr Qualität bringt, ist im besten Falle inkonsistent.

Ich persönlich bin der festen Überzeugung, dass Kunst von Können kommt. Und um etwas zu können, muss man es üben. Auch und vielleicht gerade, wenn man sich nicht inspiriert fühlt. Es gibt die (wissenschaftlich nicht belegte) Aussage, dass man in eine Tätigkeit 10.000 Stunden investieren muss, bis man zu den Besten gehört. Belegt oder nicht. Ich glaube, da ist etwas dran. Ob Musiker, Schauspieler, Autoren, Sportler, was auch immer. Die allermeisten von ihnen sind nicht über Nacht erfolgreich geworden („erfolgreich“ im Sinne von: „eine signifikante Menge von Menschen außer sie selbst haben zumindest einen Teil des erschaffenen Werkes als qualitativ hochwertig eingestuft“). Wenn dem aber so wäre, dann müssten die 10.000 Stunden ja irgendwo herkommen. Und ich mag nicht daran glauben, dass jemand, der seit Jahr und Tag Klavier spielen übt, sich bei jeder einzelnen Übungseinheit von der Muse geküsst fühlt. Da ist auch sehr viel „Krieg deinen Hintern hoch!“ dabei.

Wenn es nun einige Wenige gibt, die es getreu dem Motto eines vor Jahren mal erfolgreichen Komikers „ohne Proben nach oben“ schaffen, dann sei ihnen das vom Herzen gegönnt.

Bei mir funktionier das nicht. Es kann sein, dass ich zwei Stunden schreibe und in den letzten 15 Minuten kommt mir ein (nach eigener Einschätzung) genialer Gedanke. Den hatte ich aber aller Wahrscheinlichkeit nur, weil ich in den eineinhalb Stunden davor viele verschieden Szenarien durchgespielt, verschiedene Worte in verschiedenen Konstellationen ausprobiert und die ersten halbgaren Ideen wieder verworfen habe. Hätte ich mich nicht dazu gezwungen, mich auf diese Reise einzulassen, dann wäre das Blatt vermutlich leer geblieben.

Wie gesagt: So ist es bei mir. Und so muss es nicht bei anderen sein. Aber ich verweigere mich gegen die Ansicht, dass nur, weil ich konkrete Zeiten zum Schreiben einplane und mir bestimmte Tagesziele setze, das Ergebnis mithin dem Holzhacken gleich höchsten quantitativ aber keinesfalls qualitativ hochwertig sein kann. Wenn ich mich dieser Sichtweise anschließen würde, könnte ich mein Manuskript samt meiner Motivation im Biomüll versenken. Denn das würde bedeuten, dass ich das nächste Mal, wenn mich die Muse küsst, wahrscheinlich gerade kein Zeit habe. Weil ich mit den Kindern spiele, Essen koche, Sport mache, eine Serie schaue, ein Buch lese oder Löcher in die Luft starre. Die Muse, sollte es sie doch geben, wäre nämlich zumindest bei mir eine äußerst launische Persönlichkeit, die nach ihrem Kuss auch ganz schnell wieder weg ist, wenn ich ihr nicht sofort die nötige Aufmerksamkeit schenke. So mache ich lieber konkrete Termine, in der Hoffnung sie schaut vielleicht mal vorbei, anstatt zu hoffen, dass ich zufällig Zeit habe, falls sie von sich aus anklopft.

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… ack, gesteigert dazu die angebliche Schreibblockade :kissing:

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Offen gesagt, all das Gerede von den Musen und ihren Launen übersetzt sich für mich zu: »Ich will mich nicht anstrengen, ich darf mich nicht mal anstrengen; es muss mir zufliegen, sonst ist es nichts wert.«

Und wenn jemand sich Schreibziele setzt, dann übersetzt sich das für mich zu: »Ich bin bereit, mich anzustrengen.« Und so jemand ist der, auf den ich setzen würde, müsste ich wetten.

Wohlgemerkt: Niemand muss sich anstrengen beim Schreiben. Es muss auch niemand Bundesligaspieler werden. Es ist wirklich völlig OK, nur ab und zu ein bisschen zu bolzen und ansonsten ein ausgeglichenes Leben zu führen. Aber wenn man in die Bundesliga will, dann reicht es nicht, nur Talent mitzubringen. Dann muss man bereit sein, sich entsprechend seines Zieles anzustrengen.

Denn ein Bundesligaspieler spielt ja nicht nur am Wochenende ein bisschen und lässt ansonsten Gott einen guten Mann sein. Nein, der trainiert jeden Tag, und zwar hart. Denn wer denkt, Exzellenz sei ohne Anstrengung zu haben, ist auf dem hölzernsten aller Holzwege. Ja, Kafka hat ein schmales Werk hinterlassen – aber wir wissen nicht, wie viel beschriebenes Papier er weggeworfen hat. (Er hätte ja sogar das Werk, das wir kennen, weggeworfen, wäre ihm der Tod nicht in den Arm gefallen und hätte sein Freund das Versprechen, das er ihm gab, nicht gebrochen.) Egal, in welcher Kunstgattung man sich die Besten anschaut, man wird fast immer jemanden sehen, der sich ungeheuer anstrengt.

Freilich, es gibt sie, die Momente, in denen es so läuft, dass man das Gefühl bekommen kann, Gott selbst diktiere einem in die Feder. Diese Momente, die die Sage von der Muse inspiriert haben. Und ja, man kann sie nicht kommandieren, sie sind wie Lotteriegewinne. Doch man gewinnt nicht in der Lotterie, wenn man keine Lose kauft. Und in der Kunst kauft man Lose, indem man sich die Arbeit macht. An manchen Tagen zieht man nur Nieten, an manchen reicht es zu einem kleinen Gewinn, und ab und zu hat zieht man das große Los – so läuft das Spiel eben.

Geht es bei all dem um Erfolg? Aber hallo, na klar. Und was ist Erfolg? Ganz einfach: Erfolg ist, wenn man erreicht, was man sich vorgenommen hat. Und zwar man selber, ganz unabhängig davon, was andere denken, wollen oder von einem erwarten. (Wobei das, was man sagt, dass man will, das, was man denkt, dass man will, und das, was man wirklich will, manchmal drei verschiedene Dinge sein können, und nicht immer ist man sich dessen bewusst. Doch das wäre eine Diskussion für sich.)

Und ja, Anstrengung ist auch keine Garantie für irgendwas. Ich z.B. hätte es mit aller Anstrengung der Welt nicht in die Bundesliga geschafft; ich tauge nicht mal zum Hobbykicker. Diesbezüglich hat es gestimmt, dass Talent und die Bereitschaft zur ausdauernden Hingabe an eine Sache oft Hand in Hand gehen; bzw. in diesem Fall in umgekehrten Sinne.

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Es kommt auch darauf an, welche kognitive Anforderungen für das Schreiben des Werkes erforderlich sind. An einem Sachbuch / einer Biografie kann man leichter rangehen, als an einem Drama.

Vice Versa war nicht weniger hoch herabposaunt :slight_smile:

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Ich habe mir für den Anfang mal 500 Wörter eingestellt. Das ist auch nach dem Dienst zu schaffen!
Vielleicht werde ich die Zahl irgendwann erhöhen. Ich will mich ja nicht selbst stressen.
Wenn ich am Wochenende nicht arbeiten muss und genug freie Zeit habe, können es aber automatisch auch
schon mal 1000 oder mehr Wörter werden. Dafür dürfen es dann, wenn´s nicht geht, ein paar weniger werden.:slight_smile:

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Um dem Antikuschelkurs noch einen draufzusetzen, lieber CaptGregSparrow: Du hast da – will mir scheinen – etwas ziemlich arg mißverstanden! Wieviele Autoren, erfolgreich und äußerst bedeutende, arrivierte, die streng nach Plan, mit der Stoppuhr in der Hand sozusagen, ihr Schreiben organisiert haben, möchtest du denn jetzt angeführt haben?! – Es ließen sich viele aufzählen!

Der Punkt ist nicht die Methode – wie oft eigentlich noch? – und auch nicht die Differenz der Methoden, sondern der schlichte Úmstand, daß Kunst kein Handwerk ist, sondern Handwerk (in souveränem Umgang selbstredend) plus “das Andere”, das Musengeküßte eben!

Will sagen: Ob du ein Schlamper und Gelegenheits"schaffer" bist oder ein notorischer Arbeiter im Weinberg der Literatur – das allein läßt niemals ein gutes lit. Werk entstehen, weil man den ästhetischen surplus (wenn ich das mal so nennen darf), also das, was Kunst ausmacht – worauf ginge sonst ästhetische Erfahrung, bitteschön?! – nicht “herbeiarbeiten” resp. -schreiben kann, und wenn jemand zehntausend Wörter am Tag niederlegt! So funktioniert das nicht. – Sonst könnte es jede/r. Es kann aber ganz augenscheinlich gerade nicht jede/r! Und das ist hier der maßgebende Punkt.
Weil es ein Fakt ist (und nicht nur Dahergerede), daß Kunst zu schaffen Talent voraussetzt (manche verfügen sogar über Genie, aber das ist noch viel seltener als Talent). Und Fakt ist das – ersichtlich – wegen des empirischen Belegs, daß Kunstwerke Ausnahmeerscheinungen sind und mithin auch künstlerisch begabte Menschen (es würde ja bspw., zur Analogie gebracht, nie irgendjemand glauben wollen, der noch “alle beieinander hat”, bei genügend Training könne jede/r den 100-Meterlauf unter 10 Sekunden absolvieren – is’ doch klar Quatsch und ergo liegt auch da Talent vor, so wie eben manche auch Talent zum Kochen, Fußballspielen oder Tischlern haben und andere nicht!).

Deshalb nochmal: Die **subjektive Freiheit **beim künstlerischen Arbeiten als conditio sine qua non eines ästhetisch inspirierten Ergebnisses läßt es nicht zu, irgendeine Methode als die Methode für lit. anspruchsvolles Schreiben zu qualifizieren. Das wollen nur Schreibratgeber suggerieren, um Abzocke betreiben zu können! In Wirklichkeit ist es so, daß sich Talent **zeigt **-- beim Arbeiten. Wobei es egal ist, ob dann jemand manisch oder so Lala arbeitet. Denn es kondensiert am Ergebnis, ob etwas ästhetisch tragfähig ist und nicht daran, wieviel Mühe es gemacht hat, das “Ding” erstehen zu lassen!
Picasso hat Zeichnungen gemacht, die in wenigen Sekunden entstanden und perfekt waren! Das kriegen andere nach fuffzich Jahren … ähm … Bemühung … nicht hin. Nicht ein einziges Mal! Mozart hat es in der Musik vorgemacht … ohne Mühe, einfach so … schwupp, schwupp … und ein Meisterwerk war fertig (nicht immer, aber manchmal). Paul Celan hat innerhalb weniger Tage eine bis heute als kongenial geltende Übersetzung – nö!: besser: Nachdichtung – eines berühmten Gedichtepos von Rimbaud geleistet. Unglaublich! Aber wahr! – Dazu bedarf es des Talents. Das kann man nicht mit “Arbeit allein” machen. Geht nicht! Sonst gäbe es nur Künstler auf der Welt. Aber ist es so?

Gruß von Palinurus

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Die Musen haben keine Launen! Launen haben diejenigen, denen sie sich zuwenden. Deshalb fleht Hesiod um Konzentration.

Gruß von Palinurus

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Ich verstehe das im Gegensatz zu einigen anderen gar nicht als Ratschlag. Und kann es aus eigener Anschauung bestätigen: Jahrelang habe ich nur geschrieben, wenn mir spontan eine Szene einfiel und ich gleichzeitig auch noch das Gefühl hatte, die müsse jetzt raus. Ergebnis: Nach zehn Jahren hatte ich etwa 40 Seiten zusammen. Bißchen wenig, wenn man einen Roman von geschätzt 600 Seiten Endfassung schreibt und nach diesem einen Buch zu Lebzeiten auch noch das eine oder andere mehr schreiben möchte. So wie ich.

Meine Lösung ist auch: (fast) täglich ransetzen. Kommt nicht immer was bei rum, nicht immer was Brauchbares, aber oft genug. So oft, daß es inzwischen deutlich über 400 Seiten sind. Ich komme meinem Ziel näher. Das fühlt sich gut an. So gut, daß ich dafür inkaufnehme, das ekstatische, musengeküßte Schreiben nicht mehr als Voraussetzung dafür zu nehmen, um überhaupt etwas zu schreiben.

Für mich (und andere) funktioniert sie. Für wieder andere funktioniert sie nicht. Beides ist völlig in Ordnung.

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