Respekt! Ich wäre schon deprimiert, wenn ich einen größeren, sisyphonischen Stein sehe. Ich bin da völlig anders gestrickt, ich brauche ein Mindestmaß an Adrenalin, während ich schreibe. Im Idealfall fesselt es mich, die Story scheint von alleine zu laufen, die Helden entscheiden mit und ich bin im Flow. Eine legale Droge, die nichts kostet, legal ist und gesund , mein Rücken behauptet etwas anderes - allerdings mit einem hohen Suchtpotential belastet.
Immer wieder: Ich staune, was es alles gibt. Vor dem Einlass in diese ehrwürdigen Hallen des Papyrus hatte ich nicht den Schimmer einer Ahnung davon, wie hier in meist trauter Runde Biotope invasiv wachsen und gedeihen, und letztendlich Früchte verschiedenster Art hervorbringen. Für alle Geschmäcker, Vorlieben, Präferenzen und Philosophien.
Hach, das ist soooo lieb! Da werde ich gleich weitermachen …
Hm? Wer sagt Dir, dass ich kein Adrenalin produziere? Dazu noch Dopamin, Serotonin, Endorphine und so weiter.
Das, was Du als Flow beschreibst, erlebe ich sehr häufig beim Brainstormen, weil ich da meiner Fantasie freien Lauf lassen kann und immer wieder staune, was für neue Ideen mein Gehirn hervorbringt. Es ist gar nicht nötig, dass ich für dieses Gefühl eine “richtige” Szene schreibe.
LG
Pamina
Wow! Das ist toll, diese Entschlossenheit!
Ich würde mir ja gerne Schreibziele setzen in Papyrus - aber bisher war ich zu blöd rauszufinden, wie ich “Wörter pro Woche” eingeben kann. (Oder ich habe mir nicht die Zeit genommen, weil ich liebe Wörter produziert habe. Oder Worte. Hoffentlich.)
Ich denke, ich bin eine dieser Wilden Kein festes Schreibziel. Einfach nur die innere Überzeugung: Jeden freien Tag setze ich mich für Stunden an mein Buch, ob ich Weltenbau betreibe, Recherche, schreibe oder überarbeite. Das bedeutet: fast nur am Wochenende. Montag bis Freitag ist Arbeit, da schreibe, redigiere und recherchiere ich eh schon den ganzen Tag, danach bin ich kreativ ausgelaugt. Es kann aber vorkommen, daß ich einen Film gucke und durch dessen coole Musik in Schreibmodus komme - dann gehe ich ran, und wenn es bis nachts dauert und ich eigentlich längst schlafen sollte. Passiert aber leider nur selten. Unter der Woche redigiere ich sonst normalerweise allerhöchstens noch etwas.
Wenn ich einmal schreibe - ich habe die Wörter dabei ehrlich gesagt noch nie gezählt - kommen dabei meistens zwei bis drei Normseiten raus. Nur mal kurz für ne halbe Stunde schreiben kriege ich nicht hin; wenn ich einmal in der Szene drin bin, will / muß ich sie auch bis zu einer Sollbruchstelle weiterschreiben. Mitten in einem Dialog aufhören zum Beispiel geht nicht. Das ist der Grund, warum ich nach Feierabend nicht schreibe - Viertelstündchen schreiben, ist bei meinem Kopf einfach nicht. Ich brauche etwa eine Stunde pro Normseite.
Als grobe Wunschvorstellung, die dennoch realistisch ist, habe ich mir jetzt erstmal eine Seite pro Woche gesetzt. Das klingt wahnsinnig wenig, aber: Diese Seite ist dann fertig. Sprich: Sie ist geplottet, das dafür nötige World Building ist erledigt, das Magiesystem ausgearbeitet, die Charaktere und Orte für diese Szene sind klar und in Papyrus eingearbeitet. Sie ist überarbeitet und an die übrigen Szenen im Buch angegliedert (ich schreibe derzeit die Bindeglieder für meine bereits existierenden 430 Normseiten). Halte ich das durch, dann schätze und hoffe ich, in ein bis zwei Jahren mit meinem Buch komplett fertig zu sein. Das wäre ein Traum!
An Deiner Stelle würde ich lieber Wörter zählen als Worte, denn Worte bestehen meist aus mehreren Einzelwörtern. Wenn Du Worte zählen wolltest, könntest Du wahrscheinlich auch gleich ganze Sätze zählen.
Mir würde es nichts bringen, eine Seite als fest abgeschlossen zu betrachten, solange nicht das ganze Buch fertig ist, weil ja die späteren Szenen immer noch auf diese Seite “zurückwirken” können. Und dann müsste ich daran doch noch wieder etwas ändern. Deshalb plane ich auch. Einen Plan abzuändern ist längst nicht so aufwändig, wie eine ganze Szene neu zu schreiben.
Ich nehme mir auch unter der Woche Zeit zum Schreiben, in aller Regel vor der Arbeit, weil ich dann am meisten Ruhe habe und garantiert kein Telefon klingelt. (Gut, meine Schwester hat schon mal sehr früh angerufen, aber sie lebt im Ausland und da gibt es eine Zeitverschiebung …)
Das bedeutet im Klartext, dass mein Wecker um 4:30 Uhr klingelt. Um 5:30 sitze ich dann am Laptop und habe Zeit bis 7:00, bis ich losfahren muss. Das reicht auf jeden Fall, um in die Geschichte einzutauchen. Deshalb fällt es mir auch meist ziemlich schwer, aufzuhören und loszufahren. Ich stelle meinen Wecker dann auf kurz vor sieben und drücke zweimal die Snooze-Taste, bis ich dann wirklich aufstehe und losfahre. (Komisch, zum Wachwerden habe ich noch nie eine Snooze-Taste gebraucht, aber wenn ich mit dem Schreiben aufhören soll, kann sie lebensrettend sein.)
Was die Ziele angeht: Ich glaube, man kann gar kein Wochenziel an Wörtern einstellen. Obwohl das eigentlich sinnvoller wäre, als ein Tagesziel zu definieren, denn wer kommt schon wirklich jeden Tag zum Schreiben? Ein Wochenziel wäre eine gute Idee. Vielleicht für Papyrus 12 …
LG
Pamina
Das kann ich auch nur, weil mir quasi “nur noch” in der Mitte einige Szenen fehlen; Anfang und Ende stehen. Ich schreibe eigentlich nur noch die Verbindungsstücke. Trotzdem kann es natürlich sein, daß ich aufgrund einer späteren Szene noch mal dran muß an etwas, das ich jetzt erstmal als fertig betrachte. Kommt vor, aber nicht so oft, daß es mir wehtun würde.
Und so richtig fertig ist man ja nie, oder? Irgendwas findet man doch immer beim Lesen, das man doch noch anders machen würde. Es gibt einfach einen Punkt, an dem ich sage: bis hierhin überarbeiten und nicht weiter. Sonst würde ich schon mit einer Szene nie fertig werden.
So viel Selbstdisziplin habe ich leider nicht. Um 4.30 Uhr bin ich ein Zombie. Alles mit einer 6 vorne ist nah an der Quälerei.
Sicher. Bei mir geht es noch um Grundsätzliches. Um den Aufbau. Um Planung. Ich will vor allem Logikfehler vermeiden und da kommt es schon gelegentlich vor, dass ich in einer Szene ein Detail abändern muss, das trotzdem große Auswirkungen auf die folgenden Szenen hat. Und dann müsste ich alles noch mal schreiben. Deshalb sammele ich alle Infos zu einer Szene im Organzier und schreibe erst los, wenn alles am Platz ist.
Was die Formulierungen etc. angeht, klar, da kann man immer noch herumfeilen. Aber so weit bin ich noch nicht. Ich kümmere mich noch ums Gerüst.
Wenn ich an manchen Tagen bis spät in die Nacht hinein korrigieren darf, kann ich zumindest an anderen Tagen mit etwas beginnen, das mir wirklich Spaß macht. Außerdem habe ich festgestellt, dass ein Tag nicht mehr komplett schlecht werden kann, wenn man morgens schon sein Schreibpensum erfüllt hat. Auf eine gute Sache kann man dann auf jeden Fall zurückblicken - auch wenn der restliche Tag eine Katastrophe wird. Was das frühe Aufstehen angeht, ist das alles eine Gewöhnungssache. In manchen Erfolgsratgebern steht sogar, man könne es trainieren. (Keine Ahnung, ob das stimmt.) Aber es soll einige Schriftsteller gegeben haben, die das so gemacht haben. Franz Kafka soll jeden Morgen um 4 Uhr aufgestanden sein. Da bin ich im Vergleich eher spät dran …
Eat the frog first, heißt es. Ich habe beim Schreiben eher das Gefühl, dass ich die Eiscreme zuerst bekomme …
LG
Pamina
Raymond Chandler hat sich acht Stunden am Tag mit dem Vorsatz an die Schreibmaschiene gesetzt, nichts anderes zu tun, als zu schreiben, schließlich war das sein Job. Wenn ihm nichts einfiel, was sich aufzuschreiben lohnte, blieb er sitzen, notfalls die ganzen acht Stunden.
Die Ergebnisse dieser Arbeitstechnik sind vielen bekannt, Klassiker der Kriminalliteratur, dutzende Male verfilmt. Ich bin ein bekennender Chandler-Fan. Aber - schreibtechnisch gesehen nicht meine Welt!
Du erstaunst mich immer wieder Erstmal Hut ab. Ich will dann bitte auch irgendwann das Ergebnis erwerben und lesen.
Ich habe kein echtes Schreibziel. Stelle den Wert für jede Sitzung auf 750 ein und schaue dann nur interessehalber, ob ich da gelandet bin, drunter oder drüber etc.
Bei mir ist es auch manchmal so, dass ich gar nicht an meiner Story schreiben möchte oder kann, wohl aber habe ich den Drang zu tippen. Zur Not tippe ich halt irgendwelche Übungen auf 10fastfingers.com oder ähnlichen Seiten. Kann nicht erklären, warum ich so gerne tippe*, es ist einfach so. Hab wohl einen an der Klatsche.
*geht sicher nur rein zufällig mit meinem schrägen Hobby Tastaturen zu horten einher.
Lieber Narratöör, da zeigt sich mal wieder eine Gemeinsamkeit. – Das mit dem Acht-Stunden-vor-der Maschine-Sitzen war mir bisher nicht bekannt. Bei Chandler könnte es aber zutreffend sein. Gleichwohl sollte man sich hüten, allzuvielen *urban legends *Glauben zu schenken. So kann man etwa Kafkas Tagebüchern und anderen Niederschriften über sich selbst leicht entnehmen – kleiner Hinweis für @Pamina22 --, daß er keineswegs immer um vier Uhr in der Früh aufstand und auch nicht jeden Tag zum Schreiben in der Lage war (was ihn, Letzteres betreffend, allerdings tief bedrückte).
Für andere Menschen ist es dagegen ganz normale Lebenswirklichkeit, wie für wieder andere der blanke Horror, etwa @Buchling …
Der Variabilität des lebendigen Lebensvollzuges, ob in kreativen Zuständen oder profanen, sind mithin keine Grenzen gesetzt. Bei mir ist’s so, daß ich keinen Wecker o.ä. brauche, um zwischen 3.30 Uhr und spätenstens 4.00 Uhr aufzustehen***. Langjährige Praxis und das damit verbundene Wissen, am frühen Morgen, wenn (fast) alle Welt noch schläft, am kreativsten zu sein, bewirken das von ganz allein, Duchaus ebenfalls zusammen mit dem Umstand, den Pamina anbei dessen auch erwähnt: Wie beschissen mancher Tag auch – von anderen Dingen her betrachtet – verlaufen mag: Wenn ich morgens schon ein paar gute Zeilen zustandegebracht habe, kann (beinahe) nichts mehr ihn vollständig zunichte machen …
***gänzlich eisern ist die Regel nicht, dann würde ich mir wie eine Maschine vorkommen: Es gibt gelegentlich Tage, da weiß ich schon beim Augenaufschlagen, daß ich keinen einzigen vernünftigen oder schönen Satz zustandebringen werde. Und es gibt Momente, da lohnt es sich eher, im Bett zu verweilen, selbst bei Hoffnung oder Aussicht auf den genialen Satz …
Eine jede Regel hat nur dann irgendeinen Sinn im Dunstkreis einer lebenswerten Lebensform, wenn sie auch gebrochen werden kann, ohne daß der Himmel daraufhin zusammenzustürzen droht!
Viele Grüße von Palinurus
Hallo Pamina,
Wahrscheinlich kommt das Gerücht über Kafkas Vier-Uhr-Morgens-Aufstehen vom Anfang der Verwandlung. Je nach Ausgabe auf etwa S. 2/3 steht [Herv. von mir]:
»Dies frühzeitige Aufstehen«, dachte er, »macht einen ganz blödsinnig. Der Mensch muß seinen Schlaf haben. Andere Reisende leben wie Haremsfrauen. Wenn ich zum Beispiel im Laufe des Vormittags ins Gasthaus zurückgehe, um die erlangten Aufträge zu überschreiben, sitzen diese Herren erst beim Frühstück. Das sollte ich bei meinem Chef versuchen; ich würde auf der Stelle hinausfliegen. Wer weiß übrigens, ob das nicht sehr gut für mich wäre. Wenn ich mich nicht wegen meiner Eltern zurückhielte, ich hätte längst gekündigt, ich wäre vor den Chef hingetreten und hätte ihm meine Meinung von Grund des Herzens aus gesagt. Vom Pult hätte er fallen müssen! Es ist auch eine sonderbare Art, sich auf das Pult zu setzen und von der Höhe herab mit dem Angestellten zu reden, der überdies wegen der Schwerhörigkeit des Chefs ganz nahe herantreten muß. Nun, die Hoffnung ist noch nicht gänzlich aufgegeben; habe ich einmal das Geld beisammen, um die Schuld der Eltern an ihn abzuzahlen – es dürfte noch fünf bis sechs Jahre dauern – , mache ich die Sache unbedingt. Dann wird der große Schnitt gemacht. Vorläufig allerdings muß ich aufstehen, denn mein Zug fährt um fünf.«
Und er sah zur Weckuhr hinüber, die auf dem Kasten tickte.
»Himmlischer Vater!«, dachte er.
Es war halb sieben Uhr, und die Zeiger gingen ruhig vorwärts, es war sogar halb vorüber, es näherte sich schon dreiviertel.
Sollte der Wecker nicht geläutet haben?
Man sah vom Bett aus, daß er auf vier Uhr richtig eingestellt war; gewiß hatte er auch geläutet.
Ja, aber war es möglich, dieses möbelerschütternde Läuten ruhig zu verschlafen?
Nun, ruhig hatte er ja nicht geschlafen, aber wahrscheinlich desto fester.
Was aber sollte er jetzt tun?
Gruß von Palinurus
… das würde bei mir im Chaos versinken… Ich weiß gar nicht wie das funktionieren kann. Ich plane das Buch durch. Den Anfang schreibe ich erst, wenn das Buch fertig ist. Ich weiß wohin es geht und wie das Ende sein muss. Allerdings können die “geplanten” Szenen manchmal während des Schreibprozesses sich verändern. Tja und dann müsste ich alles wieder neu aufrollen… Den Anfang schreib ich mir zuvor nur grob auf. Da es jedoch der Eintritt in die Geschichte ist, warte ich damit immer bis zum Schluss.
Ich sage Dir Bescheid, wenn es so weit ist.
Wir formulieren das lieber mit den Worten Loriots aus „Pappa ante Portas“: „Es ist eine liebenswerte Besonderheit …“
Ich hatte neulich die schräge Idee, mir eine zusammenklappbare Bluetooth-Tastatur für unterwegs zu besorgen, damit ich auch auf dem Handy besser tippen kann. Wenn es mal eine mobile Version von Papyrus gibt, denke ich noch mal drüber nach.
LG
Pamina
Ich muss gestehen, dieser Thread hat mich tatsächlich ein bisschen beruhigt. Ich nutze die Schreibzielvorgabe von Papyrus zwar nicht (bisher zumindest, vielleicht probiere ich sie nach der Diskussion hier mal aus), aber mein grobes Ziel ist es, etwa 500 Wörter pro Tag zu schaffen - das klappt manchmal besser und manchmal (meistens ) schlechter, und es gibt freilich auch Tage, an denen ich nicht zum Schreiben komme. Doch um ehrlich zu sein habe ich immer gedacht, dass dieses Pensum nicht ausreichend ist, dass andere Autor:innen locker flockig deutlich mehr aus dem Ärmel schütteln können. Aber dieser Thread hier hat mir gezeigt, dass ich mich damit eigentlich in guter Gesellschaft bewege. Das ist wirklich beruhigend, danke dafür
Was ein realistisches Schreibziel ist, hängt von vielen Faktoren ab:
- Hast du einen Abgabetermin bei einem Verlag oder schreibst du nebenher und willst erst einmal das Buch fertig haben, bevor du es irgendwo veröffentlichen willst?
- Bist du ein “Plotter” oder ein “Pantser”? Ein Plotter steckt jede Menge Zeit in die Vorbereitung, den Weltenbau, detaillierte Szenenplanung, etc. und hat am Ende (hoffentlich) ein ausgefeiltes Szenengerüst, das er “einfach” nur noch runterschreiben muss. Ein Pantser hingegen schreibt spontan und wird des öfteren von den Wendungen seiner eigenen Story und dem Eigenleben seiner Figuren überrascht und muss dann häufiger in frühere Szenen springen, um die Geschichte konsistent und ohne Logikfehler zu bekommen.
- Unterschiedliche Arbeitsweisen. Die Einen müssen das, was sie im Kopf haben, schnellstmöglich zu Papier bringen und achten erst mal nicht groß auf Schreib- und Grammatikfehler, Wortwiederholungen, Formulierungen, Logikfehler, etc. und haben dafür mehrere Iterationen von Überarbeitungen vor sich, die Anderen - ich nenne sie mal die “zur Laufzeit”-Formulierer - machen viele dieser Überarbeitungsschritte gleich bei der ersten Niederschrift und kommen somit natürlich auf eine geringere Wortzahl pro Session, sparen sich dafür aber später Überarbeitungsaufwand.
- Tagesform. Es gibt halt einfach Tage, da läuft es wie von selbst, während man bei anderen Gelegenheiten schier am Verzweifeln ist, weil einem partout nichts sinnvolles einfallen will.
Von daher gibt es keine “goldene Zielvorgabe” für alle. Ich habe auch ein Soll eingestellt, aber halte mich nicht sklavisch daran. Ich betrachte es mehr als eine Art Leitplanke. An manchen Tagen, wenn man im Flow ist, freut man sich über die “Plansollübererfüllung”, das andere Mal hat es halt nicht ganz gereicht, so what?
Also nimm ein Schreibziel, das realistisch ist und mit dem du dich wohlfühlst und mach dir keinen Stress, weil irgendjemand dir einreden will, dass du unbedingt 1000 Wörter am Tag schreiben musst. Sei es ein Schreibratgeber, andere Autoren oder auch du selbst.
Hauptsache ist, du hast etwas geschrieben.
Das eigentliche Schreiben des Textes ist bei mir als Wissenschaftsjournalist, Fachbuchautor und Ghostwriter das kleinste Problem. Bei Gelegenheit werde ich aber mal überprüfen, wieviel Anschläge pro Minute ich auf dem Computer schreibe und mit den attestierten Werten von annodazumal vergleichen, die mit diversen Schreibmaschinen erreicht werden konnten oder auch nicht.
Die Feinmotorik ist für Typenrad-Schreibmaschinen einer bestimmten Firma wohl unzureichend. Allerdings war die leere Seite schnell gefüllt, der Inhalt dagegen kryptographisch und unbrauchbar. Es entstand jedesmal der Eindruck, die Tastenanschläge konnten schon bei blossem Blickkontakt ausgelöst werden (Typing By Viewing).
Die Recherche zu einem Thema kann schon mal ein paar Tage bis zu ein paar Wochen in Anspruch nehmen. Grafiken und Literaturverzeichnisse erstellen und Bildmaterial heraussuchen, das zum jeweiligen Thema passt, ist “Fummelsarbeit” und kostet viel Zeit.
Wobei ich in dem Fall fast dazu raten würde, diese innere Konsistenz erst bei der ersten Überarbeitung glattzubügeln (bevor es in einem zweiten Schritt an die sprachliche Feinjustierung geht). Gerade als Pantser oder Discovery-Writer wird man sonst nie mit seinem ersten Draft fertig, wenn man ständig in alte Kapitel zurückspringen muss, um Dinge anzupassen. Natürlich gibt es auch hier keine goldene Regel, die für jeden so funktioniert, aber ich glaube, es ist sinnvoll, auch als Discovery-Writer zunächst einmal einen ersten Draft zu Papier zu bringen und dann im Anschluss an die Überarbeitung zu gehen.
[FONT=-apple-system]
Ja, anstatt langwierig weit zurückliegende Kapitel anzupassen, besser nur einen Kommentar einfügen (“hier muss X erfahren, dass Y ihn mit Z betrogen hat”) und ansonsten weiterschreiben. Sag ich mal als “Viertel-Pantser”. Anfangs fühlt man sich unbehaglich damit, dass das Bisherige nicht so ist, wie es sein soll, aber man kann und sollte sich daran gewöhnen, denn wahrscheinlich wird man die Erfahrung machen, dass weitere Einfälle die Änderungen ohnehin obsolet machen; das Bisherige ganz anders zu ändern ist … oder gar doch so bleiben kann, wie ursprünglich geschrieben.
Das sowieso nicht, lieber Ralf!
Mir stellt sich beim Durchlesen der im Thread geäußerten Ansichten allerdings die Frage, woran es wohl liegen mag, daß offenbar sehr viele hier im Forum mit Wörterzahlen o.ä. jonglieren, also eine irgendwie fixierbare Quantität anpeilen …
Schaue ich mich bei jenen Schriftstellern um, die mich inhaltlich und/oder formal interessieren – soweit irgendwelche Einlassungen entsprechender Art von ihnen vorliegen (i.F.v. Reflexionen über ihr Schreiben, Tagebüchern oder Biographien (manchmal auch hilfreich in vielerlei Belang: Kritische Ausgaben o.ä.) --, kommt das eigentlich eher selten vor, am meisten lese ich da noch etwas über bestimmte Zeitintervalle.
Und ich habe noch eine andere Überlegung dazu angestellt: Zählt ein Maler seine Pinselstriche (o.ä.), während er an einem Gemälde arbeitet? Oder ein Komponist seine niedergelegten Noten? Oder ob wohl Camille Claudel die Kilos abgeschlagener Marmorbrocken vom Block gewogen hat? Oder Giacometti jene des Tons, mit dem er seine Gußformen modellierte? Alles je pro Tag …
Ich habe eine Theorie: Die bequeme Quantifizierung, wie oben angedeutet, ist ein software-mäßig bereitgestelltes Tool, das sich aus der Art und Weise des Schreibens am Computer leicht und rein algorithmisch ermittelbar ergibt, weshalb es dann natürlich entwicklerseitig naheliegend ist, allerlei noch weiterführende Spielereien aus den entsprechenden technischen Möglichkeiten zu generieren, die dann wiederum nutzerseitig mit Freude aufgenommen werden … um … nuja … eben ein bißchen herumzuspielen …
Ich kenne die Zeiten des Schreibens an der Schreibmaschine persönlich nicht mehr so richtig, habe mir aber von älteren Autoren versichern lassen, daß früher kaum jemand mit Wörterzahlen “herumgemacht” hat, sondern wenn überhaupt, dann war die Seite ein Maß, wobei in Kauf genommen wurde, daß es ein sehr grobes Maß war. Daher rührt ja noch das Konzept der Normseite vonseiten der Verlage und anbei diverser Ausschreibungen.
Wenn ich einmal zähle(n lasse – also von der Software), dann genau, falls ich gerade einen Text für eine solche Ausschreibung verfertige (ha!, sogar schon zweimal gewonnen dabei, obwohl ich immer leicht überschreite [zuerst ist die Überschreitung gigantisch hoch; das Hauptgeschäft bei derlei Ausschreibungen liegt für mich immer im Reduzieren; und weil das quälend und tlw. stupid ist, nehme ich nur äußerst selten an derlei Veranstaltungen teil]).
Aber selbst dieses grobe Seitenmaß hat offenbar, soweit ich das für meine Lieblingsschriftsteller eruieren kann, nicht oft maßgebend gewirkt. Viele haben lediglich auf die nackte Zeit gesetzt, manche pro Tag (Thomas Mann etwa und wie @narratöör mitteilte auch R. Chandler), manche scheinen nach Jahren zu gehen (bei Christoph Ransmayr etwa scheint da die Magische Sieben eine gewisse Rolle zu spielen) oder es ergibt sich einfach so; und manche werden bekanntlich von ihren Verlegern gepeitscht – man denke etwa an die zwei berüchtigten Fälle Dostojewski und Uwe Johnson, wobei der Letztere ja nicht mal darauf eingegangen ist: erst die Drohung Unselds, den Geldhahn komplett zuzudrehen, hat wohl zur Vollendung der Jahrestage geführt, sonst wären sie vielleicht nie vollendet worden …
Was ich aus diesen Überlegungen schließe, ist, daß vielleicht auch der … ähm … Spieltrieb sein Scherflein dazu beiträgt, eigentlich** kreative** Prozesse immer stärker quantifizieren zu wollen (aus meiner Perspektive gibt es in der rezenten Welt einen mich ungeheulich dünkenden Quantifizierungswahn, der dort ins Leere läuft, wo er sich nicht mehr am Lebendigen, sondern nur noch aufgerichteten Selbstbestätigungsfetischen orientiert [man denke nur an den allfälligen “Studien”-Wahnwitz, der in Gänze längst selbstwiderlegend geworden ist]).
Ich habe folglich keine Ahnung, da ja bekanntlich sehr individuelle Präformationen in die Sache hineinspielen (und ich dabei nur das Eigene zu beurteilen vermag), ob diese forcierte Quantifizierung beim Schreiben eben diesem förderlich ist oder nicht (für Leute, die auf Selbstdisziplinierung setzen [müssen], könnte es sicher hilfreich sein); für mich persönlich kann ich’s freilich verneinen: Mir hilft es gar nicht, mit einem fixierten Quantum zu operieren, weil mich dünkt, daß der kreative Prozeß von derart vielen, diversen Faktoren abhängig ist, die großteils qualitativer Natur sind, daß ich nicht sehe, wie mir im Gewirr dieser Präliminarien Quantifizierung helfen könnte. – Manchmal lese ich tagelang (in dazu passenden Essays oder Büchern [und mache auch Notate dafür]), um dann einen zehnzeiligen Abschnitt schreiben zu können, der die entsprechende Materie irgendwie berührt. – Wie quantifiziere ich denn das?! Oder ist das gar nicht Teil des Schreibprozesses?
In Peter Handkes Geschichte über den Suizid seiner Mutter – äußerst lesenswert! – gibt es eine Passage, in der er zwischen den Alternativsträngen eines sinnentleerten, bloßen Hämmerns auf irgendwelche Tasten der Schreibmaschine und dem Versuch oszilliert, den unmöglichen, nicht aussprechbaren inneren Zustand eben doch “aufs Wort zu bringen”. – Mir ist das unmittelbar vertraut vorgekommen! Will sagen: Das kenne ich auch. Und manchmal ist dann das sinnlose Hämmern auf die Tastatur (sowohl virtuell und manchmal sogar real) ein äußerst kreativer Prozeß (jedenfalls scheinbar), weil danach – auf einmal – “wieder was geht” und die Buchstaben nur so in syntaktische Fügungen zu fließen beginnen. – Wie jetzt (angesichts dessen)? – Sollte dann das (wohl nur scheinbar) bedeutungslose Hämmern “mitgezählt” werden beim Quantifizieren?
Es erhebt sich angesichts all dessen für mich die Frage: Was macht eigentlich den kreativen Prozeß des Schreibens aus? Woraus besteht er? Erschöpft er sich in dem, was am Ende, algorithmisch zählbar, als Wortzahl irgendwo an der Softwareoberfläche zu stehen kommt?
Also ich sehe das nicht so. Aber ich mag mich irren.
Gruß von Palinurus
Wahrscheinlich geht es erst mal darum, die Seiten zu füllen. Denn man kann alles überarbeiten, nur keine leere Seite.
Es passt zu dem Rat, den Natalie Goldberg in “Schreiben in Cafés” macht. “Halten Sie Ihre Hand in Bewegung”, ist ihr unerschütterliches Motto.
Ihr Buch stammt vom Beginn dieses Jahrtausends, ist in Amerika wohl eher Ende der 90er erschienen und da war es wohl noch nicht selbstverständlich, dass alle Autoren mit dem Computer schrieben. Sie hat sich jedenfalls das Ziel gesetzt, jeden Monat einen handelsüblichen Collegeblock mit handschriftlichen Notizen zu füllen. Es sei wie das Training eines Marathonläufers, der auch jeden Tag laufen müsse, um nicht an Kondition zu verlieren. Wie man auch beim Training erst warm werden muss, hat sie das auch aufs Schreiben übertragen. Mir hat der Rat damals sehr geholfen, weil ich nicht mehr das Gefühl hatte, gleich alles perfekt hinkriegen zu müssen. Mein Perfektionismus hatte damals viele meiner Ideen gar nicht erst ans Tageslicht kommen lassen.
Sicherlich bringt es die Software mit sich, dass es heute leichter oder überhaupt möglich ist, die Wörter zu zählen, dass viele Autoren sich diese Art von Ziel setzen. Da ein Text ohnehin noch mal überarbeitet werden muss, kann man sich im zweiten Schritt auf andere Dinge konzentrieren, die man beim ersten Schreiben außer Acht lassen musste. Als ich noch mit der Hand schrieb, habe ich tatsächlich die Seiten gezählt, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie viel ich pro Sitzung in etwa schaffen kann.
Sicher nicht. Bei mir findet der kreative Prozess lange vor dem eigentlichen Schreiben statt, beim Planen. Und da achte ich überhaupt nicht auf die Anzahl von irgendwas. Doch. Auf die von Szenen. Ich behalte die im Blick, damit die vier Teile eines Dreiakters (wenn man davon ausgeht, dass der 2. Akt etwa doppelt so lang ist wie Akt 1 bzw. 3) in etwa gleich lang werden. Damit die Wendepunkte in etwa an den richtigen Stellen sitzen. Bei einem Drehbuch muss das sogar auf die Minute genau stimmen, damit der Zuschauer sich weder langweilt noch überfallen fühlt. Und beim Film sind Fehler viel teurer als beim Romaneschreiben. Aber außer der Szenenzahl interessiert mich beim Planen keine Zahl, nur die Logik und meine Ideen. (Da die Szenen in Papyrus leider nicht gezählt werden und Ulli diese Funktion auch nicht installieren will, greife ich für die frühe Planung auf andere Software zurück.)
Wenn ich eine Szene schreibe, ist vom kreativen Prozess meist nicht mehr viel übrig. Oder, das was noch übrig ist, wird nicht beim ersten Entwurf der Szene bedient, sondern später durch die Überarbeitungen “einmassiert”. Beim ersten Entwurf geht es für mich wirklich um Wörter. Wie bringe ich die Stichworte, die ich zuvor geplant habe, in eine einigermaßen lesbare Fassung? Wie schaffe ich es, die Elemente so zu verbinden, dass sie sich auseinander ergeben? Dass X eine Idee bekommt, weil Y das und das gesagt hat? Dass die Ideen, die ich für die Szene hatte, sich logisch aus dem Handlungsverlauf ergeben und nicht einfach vom Himmel fallen?
Das ist weniger Kreativität als mehr Logik, wie ich finde. Aber das mag jeder anders sehen. Das Kreative passiert bei mir beim wilden Drauflosphantasieren während der Planung, aber da denke ich noch lange nicht ans “richtige” Schreiben.
Bei der Überarbeitung feile ich dann an den Sätzen, am Stil, daran, ob man dies oder jenes noch ökonomischer und/ oder eleganter formulieren kann? Ob etwas redundant ist. Ob ich vielleicht doch zu sehr ins “Tell” abgerutscht bin, etc. Einen großen Teil davon kann ich schon durch die Planung abfedern, aber auf Anhieb kriege ich es natürlich trotzdem nicht druckreif hin. Dafür ist das Schreiben zu vielschichtig.
LG
Pamina