Ich stehe da und verstehe die Frage nicht. Aus mehreren Gründen: Ich käme nie auf die Idee, einen guten Roman schreiben zu wollen, wenn ich nicht eine Geschichte in mir habe, die in mir brennt, die mein Herz in Flammen aufgehen lässt, die erzählt werden muss. Das Bedürfnis zu schreiben, entsteht bei mir immer mit der literarischen Schwangerschaft.
In Schreibforen habe ich zu oft Menschen kennengelernt, die Schreiben wollten, ohne etwas zu erzählen zu haben. Weil sie es für ein intellektuelles Spiel hielten, einen netten Manierismus. Damit kann ich nicht umgehen, weil man so nicht nur das Pferd verkehrt herum aufzäumt, sondern den ganzen Schaffensprozess zu einer kleinen, unwichtigen Travestie verunstaltet.
Für mich ist immer und ausnahmslos die Geschichte zuerst da und erst dann der Drang, sie zu schreiben.
Und damit komme ich zum zweiten Punkt, warum ich die Frage nicht verstehe: Wie kann man Schriftsteller sein und sich fragen, woher man nur die Ideen nehmen soll? Ich muss mich manchmal irgendwo unterstellen, um nicht von den Ideen erschlagen zu werden. Ich wandle an Plutos nächt´gem Gestade und da sind die Geschichten alle. Ganze Universen voll. Und selbst das ist eine Geschichte …
Ich dachte, er hätte Geschichten zu erzählen, doch liegen sie in der „falschen“ Form vor, nämlich als Drehbuch. Das wiederum hat er vermutlich selbst geschrieben und wie bekommt er nun einen Roman daraus. Dazu kann man doch durchaus weitere Ideen einfließen lassen und fragen, wo die herkommen könnten. Ich finde das nicht so seltsam. Eine ganz normale Frage.
Der Einstiegstext lässt mich eher darauf schließen, dass ein Roman wie ein Produkt gesehen wird. Als etwas, was technisch zusammengesetzt ist und nur von der „guten Idee“ lebt, die man dann schnell umsetzen muss, damit man zuerst auf dem Markt ist und die besten Vertriebschancen hat.
Das ist zwar eine zeitgemäße Einstellung, aber solche Texte lese ich nicht. Die fallen schon bei der Vorschau durchs Raster.
Wer sich aus diesen Gedankenstrukturen lösen möchte und als Schrifsteller im „eigentlichen Sinne“ kreativ werden möchte, dem lege ich „Schriftsteller werden“ von Dorothea Brande ans Herz.
Das könnte daher rühren, dass sich unser Mitstreiter in seinem bisherigen Leben genau damit beschäftigt hat: Die Geschichte als Produkt.
„Wenn du Kunst machen willst, mach Kunst. Ich möchte Geld verdienen.“ (Ein Zitat aus dem Film Schmeiß die Mama aus dem Zug).
Es ist nicht einfach, sich davon zu lösen, wenn das gesamte Berufsleben darauf ausgerichtet war.
Ja, sehe ich genauso. Man sollte nicht vergessen, dass es sein erstes Werk werden soll. Wer hat den bei seinen ersten versuchen perfekt geschrieben? Und sich nicht erst einmal langsam herangetastet?
Wenn ich mir anschaue, wie ich am Anfang geschrieben habe und jetzt, liegen da Welten zwischen… Das ist doch auch ein ganz normaler Prozess. Natürlich gibt es Überflieger, die sofort schriftstellerisch auf den Punkt kommen und hervorragende Werke und Geschichten fabrizieren…aber das ist sicherlich nicht die Norm. Dass man mit einer Idee schwanger ist und die unbedingt herauswill, da stimme ich zu. Ist bei mir genauso. Aber es gibt auch Phasen, wo es sicherlich nicht so ist…Diese Phasen könnte man zu Schreibübungen nutzen.
Du willst sagen, dass Du seit 25 Jahren Deine Wohnung nicht verlassen hast? Wie kann man sich das vorstellen? Ich weiß, dass das eine sehr neugierige Frage ist.
Du darfst neugierig sein, denn ich gehe (inzwischen) sehr offen mit meiner psychischen Behinderung (Generalisierte Angsterkrankung mit Panikattacken und Sozialphobie) um und habe darüber auch mein „Angsthasen-Memoir“ geschrieben. Es sind ein paar mehr Wände, weil ich das Glück habe in einem kleinen Hexenhaus zu wohnen, aber ja es sind fast 25 Jahre „Haft“ – den letzten Urlaub habe ich 1999 gemacht.
Leider fallen Einkaufe flach, ebenso wie Eis essen gehen, Kino, Bummeln, Spazieren gehen, Freunde treffen, Arztbesuche, Taxi/Bus/Bahn/Auto fahren, Bibliotheken besuchen, auf Ämter gehen – ach, die Liste ist lang. (Die wichtigsten Dinge erledigt mein Mann.)
Danke für Deine Offenheit. Das klingt unvorstellbar. Inzwischen sind Angsterkrankungen, auch im Kontext von Depressionen, ja ungeheuer häufig. Aber so massive Ausprägungen wie bei Dir, und Du hast ja sicherlich therapeutisch schon das ganze Arsenal ausprobiert, sind besonders krass.
Nebenbei: ich glaube, es gab mal einen (Disney-) Film, in dem Jodie Foster eine Schriftstellerin spielte, die ebenfalls wegen Angststörungen ihr Haus nicht verlassen konnte.
Wie schon gesagt, nichts zu danken. Wir erfahren ohnehin viel zu wenig von/über Menschen, die uns umgeben und ein gewisses Maß an Offenheit (plumper Seelenstriptease/Voyeurismus mal ausgenommen) hilft Barrieren zu überwinden und mehr im „Du“ als im „Ich“ zu denken.
Und Du hast recht: Aus solchen Stöffchen entstehen auch Geschichten. Ich würde mich sowieso gerne mal im Genre Thriller versuchen – wer weiß?
Ich denke da an Ludwig Schrittwieser, Psychiatrieunterricht 1982: „Es ist nicht die Frage ob Sie so leben wollen, wie ihr Gegenüber leben muss, sondern ob der so leben kann.“
Einer der Sätze, die mein (berufliches) Leben bestimmt haben.
Ja. Ich stimme zu…wir sind übrigens Kollegen. Allerdings habe ich nur 1,5 Jahre in der Psychiatrie gearbeitet. Ich war auf der Intensivstation usw…Jetzt bin ich Gutachter