Schreiben ist wohl immer eine einsame Sache
Muss nicht sein. Wir können uns ja trotzdem austauschen, zum Beispiel über PN. Ich zum Beispiel schreibe in einer sehr einfachen (Jugend-)Sprache, um auch junge Leser zu erreichen. Meine Zielgruppe ist All-Age, also alle Altersklassen, egal ob Jung, Alt oder im Herzen jung geblieben. Ich finde, „alt“ ist eine Frage, aus welcher Perspektive man sie betrachtet. Im Grunde sind wir alle Kinder, wenn auch nicht auf dem Papier. Aber im Herzen können auch wir Erwachsene noch Kinder sein. Das ist jedenfalls meine bescheidene Meinung dazu!
PS @Gschichtldrucker: Ich hab noch einen kleinen Geheimtipp. Ich höre beim Fantasyschreiben immer Fantasy-Music (von Youtube) oder beim Mittelalter-Schreiben Mittelalter-Musik (also immer was zum schreibenden Genre passt). Das ist nicht nur angenehm im Hintergrund, sondern regt die grauen Zellen auch für eigene Ideen an. Bei mir klappt das jedenfalls. Ich schreibe außerdem fast jeden Tag ein bisschen. Auch wenn es mal nur Notizen sind. Ich mache auch gerne Kurzzusammenfassungen, worum es im jeweiligen Kapitel grob geht und arbeite diese erst später auf. Ist zwar Zusatzarbeit, erspart aber viel Brainstorming (im Kopf), wenn man diese Ideen gleich aufschreibt und später noch mal überarbeitet!
@Gschichtldrucker
… Ich bin jetzt schon hin und weg … Wünschte, ich hätte die Sprache drauf, das Wissen, das Genre … You make me schon wieder mal feddich.
Doch ich meine eine Mini-Vision zu erspüren …
Matthäi könnte beim Vater erfahren, dass er eine Schwester hat. Ob das die Hexe (jung, schön?) ist, oder eine die dort lebt und dient .?.
Vielleicht wäre das zu früh und er muss sie erst finden. Die vom Vater begonnene Nachricht (stirbt) ist wichtig und nur die Schwester kann sie in Gänze übermitteln. Wenn dir das taugt, überlege ich einen Namen für die Schwester - moment, wie wäre es mit Tamthiä - genannt Tamti.
Das öffnet natürlich einen Nebenstrang. Warum weiß Matthäi nichts von ihr? Wo wuchs sie auf? Wie erging es ihr? …
Für später:
Tamti weiß gar nichts von ihrem „Schatz“, dem Geheimnis. Der ist in einem Lied versteckt. Matthäi, der vergeblich forschte, hört sie zufällig singen … Seltsamer Text … „Wer hat dich das gelehrt? Sag Tamti, erinnere dich. Wenn das nicht will, so träume und erzähl davon noch vor dem ersten Hahnenschrei!“
Von da an bewachte Matthäi seiner Schwester Schlaf. Schlich sich lang vor der ersten Morgenröte ein, setzte sich auf den Schemel und wartete still. …
Du bist vielleicht einer der weisesten Menschen, die ich im Internetz getroffen habe, @SuperGirl!
Hört sich interessant an, @Kick. Lass uns nach 1/8n (weil Stress, Männergrippe und Familienchaos) per PN weitermachen.
Der Appetithappen ist sehr lecker und erinnert mich schmerzlich daran, wie lange ich schon auf die Fortsetzung der „Königsmörder-Chroniken“ von Patrick Rothfuss warte, an die ich bei Deinem Textausschnitt dachte!
Aber glaube, dass es eine Herkulesaufgabe darstellt, so ein Projekt in einer Gruppe zu erstellen. Schreiber (und Chronisten) sind im Grunde ihres Herzens Einzelkämpfer. Das war im Kleinen schon bei der diesjährigen Seitenwind-Challenge erkennbar. Wie schwierig mag es erst werden, wenn viele Köche … na, Du weißt schon!
Doch egal, ich wünsche Dir/Euch viel Erfolg und Freude an dem Projekt und Frohe Weihnachten!
Danke Heather. (Hast mir grad einen Hinweis auf einen wichtigen Twist
in der Geschichte gegeben)
@Gschichtldrucker
Liest sich spannend und hinterlässt gleichermaßen Fragen und Ideen. Die „politische“ Situation nach dem Umbruch ist eine aktuelle und nachvollziehbare Situation. Der geheimnisvolle Fremde will „erforscht“ werden und welche Rolle spielt der „Schreiberling“? Aus seiner Sicht zu schreiben, ist ohnehin eine geniale Idee!
Ich finds super.
Ich warte bereits sehnlichst nach einer Fortsetzung der Geschichte …
Ihr seid so lieb, im Moment hab ich ein bisschen Umzugsstress, aber bald gibts Neuigkeiten. Bitte um Geduld.
Na gut, dann noch mal eine kleine Fortsetzung. Wie lange ich das mache oder wann die nächste Folge kommt weiß ich aber nicht. Ich hab nämlich null Ahnung von Fantasy-Schreiben.
Pünktlich zum ersten Hahnenschrei traten sie die Tür ein. So machten sie das immer, obwohl laut den strengen Gesetzen des Magistrats in den Wohnblöcken der Suburbia keine Tür verschlossen sein durfte. Nur um Lärm und Angst zu machen.
Ich schreckte hoch und sprang aus dem Bett. Miriam und die Mädchen blieben im Bett, Lukas, konnte ich gerade noch im letzten Moment zurückhalten. Als ich die Tür in die Stube öffnete, legte sich sofort eine kalte Schwertspitze an meinen Hals.
»Matthäi, der Schreiber?«, erklang eine Stimme hinter den sechs Bütteln, die sich nun wie das Kielwasser eines Bootes auseinanderschoben und den Blick auf den Sprecher freigaben. Ein kleiner dünner Mann mit den Augen eines Frettchens. Sein bodenlanger schwarzer Mantel, der bis zum Hals hochgeknöpft war, und die Armbinde mit dem braunen Siegel der Stadt Reichsburg, verriet ihn als Kommissar der Strengen Kammer, der persönlichen Garde des Stadtvogts.
»Ja, dass bin ich«, antwortete ich heiser aber nun hellwach.
Der Dünne trat zu mir und sah mich – einen guten Kopf kleiner als ich – von unten an, wie ein Wiesel ein Vogelnest mit frisch gelegten Eiern. Das Schwert des Büttels lag noch immer an meiner Kehle.
»Der Vogt lässt bitten!«, sagte er grinsend.
Ich drehte mich zu Miriam, die im Bett die Mädchen an sich drückte. Lukas hatte sich vor die Drei gestellt und mit zornigem Blick die Hände vor der Brust verschränkt.
»Und meine Familie?«, sagte ich.
»Die nicht«, antwortete der Dünne, ohne mich aus den Augen zu lassen. Seine Stimme erinnerte an einen Schürhaken, der über einen Stein scharrte. »Aber keine Angst. Meine Männer kümmern sich um sie, solange du weg bist.«
»Das wird nicht notwendig sein«, versuchte ich zu widersprechen.
»Doch doch«, krächzte der Kommissar, »man weiß nie, was für ein Gesindel sich hier in der Suburbia herumtreibt.«
Also stieg ich in meine Hose, schlüpfte in mein Hemd und zog meine Schuhe an. Als ich nochmals ins Schlafzimmer wollte, um mich von Miriam und den Kindern zu verabschieden, versperrte mir einer der Büttel den Weg, ein anderer zog mich zurück und schubste mich vor die Tür. Mir zerriss es das Herz. »Ich liebe euch!«, rief ich in das Innere der Wohnung, unsicher ob ich sie je wieder sehen würde.
Als wir das Haus verließen, graute es und der kühle Ostwind brachte den üblen Geruch des Ödlands über die Siedlungen. Der Kommissar zog sich angewidert ein Tuch über das Gesicht und schritt schneller voran. Nur eine der Wachen begleitete uns auf dem Weg zum Stadtvogt, die anderen waren geblieben. Fünf schwerbewaffnete Männer für eine Frau und drei Kinder – was fürchteten sie so an uns?
Niemand hielt uns auf oder sah uns auch nur an. Es schien, als seien wir unsichtbar für die wenigen Menschen, die schon unterwegs waren. Oder war es nur der Kommissar der Strengen Kammer, den niemand anblicken wollte? Ich hätte es keinem verübelt. Jeder wusste, dass es kein Entkommen gab aus den Gewölben unter dem Vogtspalast, in dem die Strenge Kammer ihren Sitz hatte. Wer einmal dort war, blieb dort.
Die Türen zum Palast öffneten sich wie von selbst, als würden sie den Kommissar erkennen. Wir gingen eiligen Schrittes durch und wie ich befürchtet hatte, hielt der dünne Mann schnurstracks auf die schmale Treppe in die unteren Gewölbe zu. Ich würde Miriam und die Kinder also wirklich nie wieder sehen. Doch dann, schon auf der zweiten Stufe hielt der Kommissar plötzlich inne, drehte sich zu mir und sagte: »Ach, ich werde alt. Wir sollten ja zum Vogt. Na, dann ist die Hausführung wohl erst später fällig!« Dann nahm er mich und führte mich in das Obergeschoss. Ein halbes Dutzend Türen später betraten wir das Arbeitszimmer des Stadtvogts.
Hätte man in dem Haus, das ich bewohne, alle Mauern eines Stockwerkes eingerissen, so wäre der Raum, der dadurch entstand, noch immer kleiner gewesen, als das Arbeitszimmer des Vogts. Marmorne Platten kleideten den Boden aus, drei Wände, gut 15 Fuß hoch, waren bis zur Decke mit Büchern gefüllt, eine Wand schien ganz aus Fenstern zu bestehen, vor denen bis auf einen schmalen Spalt dicke Vorhänge hingen, die kaum einen Lichtstrahl durchließen. Vor dem Spalt stand der Vogt, und blickte auf den Platz vor seinem Palast. Zwischen ihm und mir ein riesiger leerer Tisch und daneben ein grosser Vogelbauer, in dem ein Rabe saß und sein Gefieder putzte. Der Kommissar schob mich bis in die Mitte des Saales.
»Besuch!«, krächzte der Rabe und der Vogt antwortete dem Tier, ohne sich umzudrehen: »Ich weiß!«
»Knie nieder!«, sagte die Wache, die uns hergebracht hatte, und trat mich grob in die Kniekehle.
»Nein!«, befahl der Vogt und drehte sich zu uns her, »Schreiber knien nicht. Schreiber sitzen.« Also drückte mich der Büttel auf einen Stuhl vor dem Tisch.
Der Vogt trat näher und sah mich stumm an. Erst jetzt, wo sich meine Augen an das Halbdunkel in dem Raum gewöhnt hatten, merkte ich, dass er keine Robe trug, wie ich zunächst angenommen hatte, sondern einen blauen Schlafrock, darunter weiße, knielange Hosen und ein offenes Hemd, als sei er eben erst aufgestanden.
Er griff nach einer Glocke, die am Tisch stand und läutete damit. Augenblicklich erschien ein Diener mit einem silbernen Tablett, auf dem frisches Brot, Obst und eine Kanne stand, aus der ein sehr eindringlicher Duft den Raum erfüllte. Der Diener goss eine heiße, schwarze Flüssigkeit in zwei Tassen, stellte eine davon mir hin und eine zweite dem Vogt.
»Iss und trink, Matthäi«, sagte er und da ich mit Blick auf das schwarze Gebräu zögerte: »Das nennt man Kaffee. Es kommt aus den Gefilden südlich der Wüste. Ein wunderbares Getränk. Vielleicht aber auch ein Hexentrank, wer weiß.«
Ich rührte die Tasse nicht an, starrte nur auf den Obstteller. Waren das etwa Weintrauben? Mein Gott, wie viele Jahre hatte ich keine Trauben mehr gegessen? Meine Kinder kannten sowas überhaupt nicht. Und diese länglichen gelben Früchte, wie nannte man diese doch, ich sah sie einst in einem Buch über die Länder jenseits des Meeres.
»Greif zu, Schreiber!«, forderte mich der Vogt noch einmal auf. Wieder lehnte ich ab, unsicher, ob ich ihn damit nicht beleidigte.
»Na gut«, gab er nach, »dann lasse ich dir den Korb einpacken. Deine Kinder werden sich freuen.«
Ich murmelte ein Danke.
Der Vogt nahm einen Schluck des schwarzen Getränkes und atmete lustvoll aus. Dann wandte er sich wieder mir zu. Sein Gesicht war eine Maske der Freundlichkeit, aber dahinter lauerte nackte Bosheit.
»Weißt du, warum da bist, Matthäi, Sohn des Markus Weissblatt?«
Ich schüttelte stumm den Kopf. Wie lange hatte man mich schon nicht mehr mit dem Namen meines Vaters angesprochen?
»Weissblatt«, wiederholte der Vogt und lächelte, »Was für ein sonderbarer Name für einen Schreiber.« Sein Lächeln gefror. »Und was für ein sonderbarer Mensch, der ihn vor dir trug.«
»Ich erinnere mich kaum an meinen Vater«, gab ich zu, nur um irgendetwas zu sagen, und log damit nicht einmal.
»Ich weiss«, sagte der Vogt, »Aber ich erinnere mich dafür umso besser an ihn. Wir waren eine Zeitlang recht gute Freunde, musst du wissen. Bis er sich gegen die Stadt stellte. Tut mir leid, aber die Gesetze sind in diesem Fall sehr streng.«
Ich schwieg weiter.
»Aber du, Matthäi«, fuhr er fort, »bist anders als dein Vater, stimmts? Du bist, nun sagen wir einmal, unauffällig.« Er ließ eine Pause entstehen, grinste, nahm noch einen Schluck von seinem Getränk und fuhr dann fort: »Zumindest bis jetzt. Deine Arbeit scheint gut zu sein, die Zensoren wissen nichts Schlechtes über dich zu sagen und kein einziges deiner Schreiben verstößt auch auch nur gegen die Regeln der Grammatik, geschweige denn gegen jene der Stadt.«
Mein Hals fühlte sich an, als hätte ich Bimsstein verschluckt. Der Vogt merkte es und schob mir einen Wasserkrug zu. Diesmal nahm ich an.
»Wie gehen deine Geschäfte? Bist du zufrieden?«
»Ja, Eminenz. Ich bin zufrieden. Es mangelt uns an nichts, dank der Weisheit des Magistrats«, antwortete ich.
»Das freut mich, Matthäi. Aber nun zum Grund deines Hierseins. Wie ich hörte, hattest du gestern am Markt einen höchst interessanten Kunden, nicht wahr?«
»Ihr meint den Söldner, Herr?«
»Ein Söldner wars? Soso.«
»Ich denke doch. Er wollte einen Antrag auf Waffenbesitz in der Stadt.«
»Auf Waffenbesitz. Sieh an. Sag, Schreiber, was kostet denn so ein Antrag?«
»Zwei Schilling, Eminenz.«
»Zwei Schilling also. Hm, und dennoch nahmst du einen Silbertaler von ihm«.
Die Hitze stieg mir in den Kopf, als wäre er ein Kupferkessel auf Miriams Herd.
»Er verzichtete auf das Wechselgeld.«
»Ein großzügiger Kunde!«
»Und bot mir einen neuen Auftrag an.«
»Der da wäre?«
»Seine Geschichte aufzuschreiben. Ich aber lehnte ab und verwies ihn auf die Biographen des Magistrats.«
»Sehr pflichtbewusst, Matthäi«, bemerkte er und begann eine der gelben Früchte zu schälen. Sie sahen ein bisschen aus wie Gurken, aber waren keine.
»Und den Silbertaler hast du trotzdem behalten!«
Beschämt sah ich zu Boden.
»Und dich am Abend im Krug zum Blauen Helm mit ihm getroffen«, ergänzte nun der Kommissar, der noch immer zugegen war, bislang aber geschwiegen hatte.
»Warum?«, wollte nun auch der Stadtvogt wissen.
»Er sagte, er kannte meinen Vater.«
Der Vogt zerriss die Schale der gelben Frucht in kleine Stücke und begann den Raben damit zu füttern.
»In der Tat, Matthäi, das tat er. Weißt du, wer er war?«
»Er sagte, er heiße Gebhart Stahl.«
»Aha, und woher kannte er deinen Vater?«
»Er sagte weiter, er wäre sein Henker gewesen.«
Der Rabe würgte die gelbe Schale wieder aus seinem Hals und ließ sie aus den Käfig fallen. »Scheißdreck!«, krächzte er. Der Vogt lachte.
»Lass mich weiterraten, Matthäi«, wandte er sich wieder an mich, »und dann hat dir dieser tapfere Krieger erzählt, dass er deinen Vater gar nicht gehenkt hat, sondern dass er noch lebt, stimmts? Und dass du ihn begleiten sollst zu ihm. Hab ich recht?«
Ich blickte zu Boden, versuchte ein stummes Nicken, doch mein Hals war starr als liege das Joch eines Ochsen darauf. Eine Zeitlang passierte gar nichts, dann traf mich der Lederhandschuh des Kommissars mit grober Wucht in den Nacken.
»Sprich, Unwürdiger!«, herrschte er mich an. »Jetzt oder im Gewölbe drunten, du hast die Wahl!«
Ich drehte mich zu ihm und nochmal traf mich sein lederner Handschuh mit den Nieten, diesmal ins Gesicht. Es brannte wie Feuer.
»Matthäi, bitte«, sagte nun der Vogt und seine Stimme war seltsam ruhig, fast freundlich, »sei kein Narr. Wenn dich Huldbrandt in die Mangel nimmt, schneidet er die Finger ab, Glied für Glied. Und dann ist es vorbei mit dem Schreiben!«
Ich zweifelte nicht im Geringsten, dass der Kommissar dies tun würde, dennoch zögerte ich, weiß Gott warum, noch immer. Draußen schlug die Glocke der Turmuhr zweimal. Halb sieben.
»Ja«, sagte ich, »genau das hat Stahl zu mir gesagt. Ich glaubte es ihm nicht und ging nach Hause. Und ich glaube es auch jetzt nicht.!«
Der Vogt nickte. »Gut«, sagte er, »sehr gut. Aber ich möchte, dass du etwas für mich machst, Matthäi Weissblatt.«
»Was?«
»Stahl wird wieder Kontakt mit dir aufnehmen. Er wird dich nochmal einladen, mit ihm zu kommen, um deinen Vater zu suchen. Und dann möchte ich, dass du mit ihm gehst. Hast du mich verstanden?«
»Ich soll mit ihm gehen?«
Nochmal traf mich der Handschuh Huldbrandts in den Nacken. »Hörst du nicht, was dir dein Herr befiehlt?«
»Hör auf jetzt«, gebot ihm der Vogt Einhalt. »Ja, du gehst mit ihm. Wo immer er dich hinführt. Beim zweiten Vollmond bist du wieder da und berichtest alles, was du sahst und hörtest.«
»Stahl sagte, mein Vater sei jenseits des Finsterwaldes«, versuchte ich noch einen letzten Einwand, »Ich bin Schreiber, kein Waldläufer oder Söldner!«
»Geh dennoch!«
»Mein Weib und meine Kinder? Was ist mit ihnen, wenn ich weg bin?«
»Darüber mach dir keine Sorgen, wir werden uns gut um sie kümmern! Solange bis der Mond zum zweiten Mal im Vollen steht. Dann bist du wieder da. Wenn nicht, na ja, dann wirst du sie wohl nicht mehr brauchen.«
Eine Hand legte sich auf mein Herz und drückte zu.
»Ich brauche aber Zeit zu überlegen.«
»Ach ja, die Zeit«, meldete sich Huldbrandt erneut, »Ich habe meinen Männer gesagt, wenn du nicht Schlag sieben zuhause bist, dann können sie deine Frau und deine Töchter haben. Auch deinen Sohn, wenn einer sowas mag.«
Ich sprang auf, doch er schlug wieder zu. Und draußen schlug die Turmuhr dreiviertel sieben.
»Also, Schreiber, deine Entscheidung!«, drängte nun wieder der Vogt, »sonst kommst du wirklich nicht mehr weg hier!«
»Ja!«, schrie ich ihn an, wie von Sinnen, »Ja, ich mach es. Und jetzt lasst mich nach Hause!«
»Gut!«, rief der Vogt aus. »Nimm das Obst für deine Kinder mit!« Dann stand er auf und ging.
»Lauf, Schreiber«, sagte Huldbrandt, »rasch! Der Weg in die Suburbia ist weit.«
Und ich lief.
Die Turmuhr schlug sieben und ich war noch vier Gassen von meinem Haus entfernt. Außer Atem, verschwitzt, verdreckt und mit aufgeschürften Knien kam ich ins Geviert des Blocks. Des Wagners Weib kam mir entgegen, hielt mich auf, mit ihr noch zwei, drei andere. »Geh nicht in deine Wohnung, Matthäi!«, riefen sie mir zu.
Ich riss mich los, hastete die Treppen hinauf. Noch einer wollte mich aufhalten. Ich stieß ihn grob zur Seite, fiel selber noch mal hin, stand auf, lief weiter, die Tür zu meiner Wohnung war aus den Angeln gerissen.
Und überall war Blut. Die Wände, der Boden, das Bett, in dem ich mein Weib und meine Kinder zurückgelassen hatte, selbst auf den Fensterläden und der Decke – Blut. Am Boden lag das Holzstück, an dem Lukas gestern noch geschnitzt hatte, zerbrochen. Doch nirgendwo waren ihre Leichen.
Blind vor Schmerz und brüllend wie ein waidwundes Tier stürzte ich aus der Wohnung auf den Flur und wieder die Treppe hinunter in den Hof. Nun wollte keiner mich mehr halten, ein jeder wich zurück vor mir. So kniete ich am Boden und schrie nach Miriam und Lukas und die Mädchen.
Ich weiß nicht, wie lange, aber dann schien es mir, als stünden die Hufe eines Pferdes vor mir. Und in der Tat – es war ein Falbes. Der Reiter stieg ab, hob mich vom Boden auf und schrie meinen Namen wie durch eine Wand aus Lehm. Als ich nicht reagierte, schüttelte er mich, dann, als das nicht half, schlug er mir mit flacher Hand ins Gesicht.
»Verdammter Narr, hör zu!«, rief er.
»Miriam!«, war das einzige Wort, dass ich sagen konnte.
Und Stahl: »Es geht ihr gut, Matthäi! Sie ist in Sicherheit. Und nun steig auf und spute dich!«
Mehr hob er mich auf sein Pferd, als ich selber stieg, dann kam er nach und gab ihm die Sporen. Die Straßen waren nun schon belebter als zuvor und wir kamen nur mühsam voran. Am Markt angekommen, bog er in die Schreinergasse ein. Vor einem Haus hielt er an, stieg ab und schob das Pferd samt mir in den Stall.
»Was ist mit meinen Kindern, wo ist mein Weib?«
»Sie sind in Sicherheit, ich sagte es bereits.«
»Und all das Blut in meiner Wohnung?«
»Ist nicht das ihre. Floß aus dem Hals der Wachen, einfach so.«
»Was redet Ihr, Stahl? Habt Ihr die Wachen umgebracht? Seid Ihr von Sinnen?«
»Nicht ich, Matthäi. Du bist mein Auftrag, dein Weib und deine Kinder stehen unterm Schutz Antinomes.«
»Wer ist Antinome?«
»Die fremde Kriegerin, von der ich dir erzählte!« Er hielt mir einen Wasserschlauch hin und ich trank gierig daraus.
»Ein Weib hat dieses Blutbad angestellt? Seit wann denn bitte, dürfen Frauen Schwerter tragen?«
»Hier nicht. Anderswo schon. Außerdem hat sie kein Schwert dazu benutzt.«
»Was denn? Einen Löffel?«
»Nein, einen Gänsekiel. Sie hielt das für angemessen im Hause eines Schreibers. Meinte, die Feder sei ohnehin mächtiger als das Schwert.«
»Ach narrt doch jemand anders, Stahl. Wieso tat sie das, wenn sie es überhaupt war und nicht Ihr!«
Stahl zuckte mit den Schultern. »Sie wollte eigentlich nicht. Aber als sie sah, wie zwei der Wachen sich an deiner Frau vergehen wollten … Na ja, in solchen Dingen hat Antinome dann keinen Sinn für Nachsicht mehr.
»Und wo sind die Leichen dieser Büttel hin?«
»Hat sie in den Lichthof geschmissen.«
»Ein Weib tötet mit einem Gänsekiel fünf Soldaten der Stadtwache und schmeißt sie dann in einen Lichtschacht? Ich glaube fast, Euch tut der Most im Blauen Helm nicht gut. Wo ist meine Familie, will ich wissen!«
»Schon auf den Weg aus dieser Stadt. Und nun musst du weg und zwar rasch!«
»Und wie soll das gehen, nach all dem Chaos, das ihr angerichtet hab?«
»In einem Sarg.«
»In einem was?«
»In einem Sarg!« Stahl zeigte auf eine der billigen schwarzen Holzkisten, die für Aussätzige bestimmt waren. »Ein Pestsarg, ja, den öffnet keiner!«
Tatsächlich waren wir im Hof des Sargmachers. Stahl legte seinem Pferd eine graue Decke um und schirrte es vor einem Karren. Dann schlüpfte er in eine Totengräberkutte und setzte sich die Krähenmaske der Siechensammler auf.
»Na, hop hop« rief er mir noch mal zu, »ab in den Sarg. Oder willst du vorher noch sterben, Sohn des Schreibers?«
Do legsd di nieda …
Das ist halt schon wieder großes Kino
Brauch’ ich nicht ins Detail zu gehen, passt praktisch alles, nix zum Mosern,
ist einfach nur eine Freude das zu lesen.
A bisserl brutal zuweilen, aber verflixt spannend. Und sowas von gut geschrieben.
Jo mei!
Puhhh, spannend. Sehr spannend - wann geht es weiter?
Oh (zensiert weil Spoiler und das will ich anderen hier nicht antun ). Aber jetzt…
Ich mags! Sehr! Ich fand es so spannend, dass ich schneller gelesen habe, weil ich wollte, dass es der Familie gut geht - das war jetzt ein bisschen viel Emotionales so früh am Morgen ^^
Das ist verdammt gut. Ich bin zwar gedanklich mehr im Mittelalter, aber ich habe von Fantasy auch keine Ahnung. Mir gefällt dein Text. Der Rabe…
Mein lieber @Gschichtldrucker, du erzählst uns hier einen vom Pferd. Hast keine Ahnung vom Fantasy-Schreiben. Ja, nee, is klar.
Das Buch ist hiermit vorbestellt.
Sehr schöne Aussage, die Feder sei mächtiger als das Schwert. Erinnert natürlich an Indiana Jones.
Die Handlung finde ich klasse und läse gerne eine Fortsetzung, während ich den Erzählstil gerne hier und dort etwas straffen würde, falls ich etwas kritisches anmerken darf. Das fällt mir nach den Lobeshymnen nicht gerade leicht.
Ich habe den Eindruck, ganz egal, welche Geschichten unser @Gschichtldrucker verfasst, es bringt stets Freude sie zu lesen, so voller Witz und Esprit und dennoch die Erfahrung von drei Leben vermittelnd.
Also bitte, weiter so!
Okay, es ist Fantasy, nicht Mittelalter. Die Mörder-Mighty-BlackWidow-Ninja-Killerin ist vermutlich magisch begabt oder so.
Liesst sich flüssig und gut, aber etwas abgedreht finde ich es schon. Mit einem Federkiel?
Was mir zu Beginn des Textes etwas aufgestossen ist war die überdeutliche Anspielung auf den SS-Offizier. Ich finde es gut, solche oder andere schwierige Themen anzugehen, ich bevorzuge es jedoch etwas weniger plakativ, so dass man selber drauf kommen kann/muss.
Nein ist sie nicht. Gefährlich ist sie trotzdem. Für manche Leute. Männer vor allem.
Naja, John Wick hats mit einem Bleistift gemacht (siehe hier, ab Minute 2:00), das ging doch auch.
(Im Übrigen: Sie wird es uns sicher noch erklären, wie das geht )
An den dachte ich jetzt eigentlich nicht. Aber ja, lassen wir so stehen, den Vergleich.
Ich ja auch, Marc, aber was soll ich machen? Das Publikum will mehr davon und ich hab halt keine Ahnung wie man nicht-plakative Fantasy schreibt. Auch darauf muss man erst mal selber kommen.