Ich habe jetzt erstmal diesen ganzen Thread hier gelesen, den ich wirklich spannend fand. Ich finde es interessant, welche Ansprüche Schreibende an sich haben und auch, welche sie an andere haben.
Witzigerweise hat @Kick das geschrieben, was sich bei mir als ziemlich späte Erkenntnis über meine Ansprüche an mich selbst herausgestellt hat: Sie verändern sich. Über mein Leben verteilt folge ich offensichtlich dem Dunning-Kruger-Effekt und verknüpfe das mit einer irre flachen Lernkurve, weil ich letztendlich nie bewusst und zielgerichtet das Schreiben gelernt habe.
Aus meiner Kindheit und Jugend gibt es Texte, die ich nicht mal heute schlecht finde, aber ich kann sofort herauslesen, welche Bücher ich zu dieser Zeit in der Hand hatte. Ich habe so geschrieben, wie ich es bei anderen gelesen habe, weil ich ihren Stil toll fand. Ich habe nicht alle Klassiker gelesen (aber wer hat das schon), aber doch einige. Auch Shakespeare - freiwillig sogar und mit allergrößter Begeisterung. Von mir gibt es also Shakespearesche Textfetzen, Tolkiensche, Pratchettsche und Zehsche. Mein Problem bis weit über die Jugend hinaus? Ich habe nichts, absolut gar nichts je fertig geschrieben. Ich bin an meinen übersteigerten Ansprüchen an mich selbst gescheitert, habe kleine Fetzen festgehalten, aber war schon längst wegentwickelt und auf neuen Stil-Trips, bevor sich je eine Geschichte formen konnte. Unzählige Dateien, teils noch auf diesen großen weichen Floppydiscs aus Zeiten vor Word, säumen wie schlecht degradierender Plastikabfall meinen Schreibweg.
Bis letztes Jahr aus peinlichen Gründen ein Knoten geplatzt ist. Ich hatte mich schon damit abgefunden, dass ich einfach nicht in der Lage bin, Geschichten zu schreiben. Ich hatte das (fast) akzeptiert und nachdem ich mich üblicherweise wie eine Flipperkugel verhalte, hat das auch nie jemand angezweifelt. Dann habe ich ein Buch gelesen, das mich völlig mitgerissen hat. Es war spannend, auch witzig und als ich es zu Ende gelesen hatte, habe ich gedacht: Ja, aber… so eine Geschichte kann ich auch erzählen. Die pap-Datei hatte den Namen „das-kann-ich-auch.pap“. Und ich konnte es.
Meine Ansprüche haben sich vollständig geändert: Keine herausragende Sprache, keine einzigartigen Ideen, keine großen, mitreißenden Geschichten - ich bin praktisch wieder bei Punkt Null, indem ich beschlossen habe, dass mein Schreibstil reichen muss. Die Geschichte muss einen Anfang und ein Ende haben. Nichts an der Geschichte ist herausragend, perfide, überraschend - sie kann nur vollständig werden. Mit dem zweiten Manuskript („kann-ich-das-auch.pap“) versuche ich mich in der Erzählung einer Geschichte aus der Perspektive zweier unterschiedlicher Protas.
Ich vertraue darauf, dass mein Können reicht, um zu schreiben, so wie ich darauf vertraue, dass mich meine Beine an mein Ziel bringen, weil ich laufen kann. Denn anders als andere hier, scheitere ich auch über Jahrzehnte sonst an meinen eigenen Ansprüchen und das äußerst zuverlässig. Momentan (und da bin ich wieder bei Kick) ist mein Anspruch, Spaß an der Entstehung der Geschichte zu haben und sie nach einem klassischen Erzählmuster fertig zu erzählen. Dafür müssen die Charaktere ausreichend Raum haben, die Geschichte nicht vollständig vorhersehbar sein und das Setting bewegt sich entlang meiner Lebenserfahrungen. Das war’s. Vorerst. ^^