Erzählst du aus meiner Schulzeit? Beim Hundertmeterlauf hat mich die Sportlehrerin gerügt, ich sollte mich doch wenigstens anstrengen. Dabei habe ich aus dem letzten Loch gepfiffen nach dem Lauf. Sie hatte meine Anstrengungen vollkommen ignoriert.
Ich weiß nicht, ob das damals einfach so Usus war, ich hoffe, dass es heute anders ist. Ich fand auch nichts demütigender, als an den Top-Athleten der Klasse gemessen zu werden. In Mathe lacht einen irgendwie kein Mensch aus, wenn man es „verkackt“ aber in diesen Bereichen empfand ich das damals als ganz ganz schlimm. Dieses ständige sich aneinander messen und beweisen müssen, wo doch allein von Körperstatur oftmals schon klar ist, dass jeder Mensch ganz eigene und andere Grenzen hat.
Bei Mannschaftsspielen hat mich auch nie jemand gewählt. Ich bin immer bis zum Schluss übriggeblieben. Irgendwann war mir das dann egal, weil ich die meisten Freunde sowieso außerhalb der Schule hatte.
Und später, im Reitverein, interessierte es niemandem mehr, ob ich beim Kugelstoßen oder in der Leichtathletik versagt hatte.
1999 bin ich bei einem modernen 5-Kampf 2te geworden. 2000 habe ich den Wettbewerb gewonnen. Leider hat das meine Sportlehrerin aus den 1980er Jahren nicht mitbekommen.
Soll ich Dir mal was sagen? Ich habe meine mal nach Jahren zufällig wiedergetroffen und die wusste nicht mal mehr, wer ich war. Schon krass, dass diese Menschen so einschneidende Erinnerungen bei einem selbst verursachen und umgekehrt, ist oder war ihnen das wohl gar nicht bewusst, man war nur eine von so vielen für sie.
„Ich denke, dass man das absolut nicht vergleichen kann. Dort wird Weltliteratur bewertet, NACHDEM sie bereits veröffentlicht und oftmals von einer breiten Masse als diese anerkannt wurde.“
@Kassandra, ja, einen Vergleich von Weltliteratur und dem Schreiben von - zumindest vielen - in diesem Forum kann man sicher nicht anstellen. Hierum geht es mir jedoch nicht. Es geht mir darum, dass die GRUNDPRINZIPIEN, die MRR in seinem Essay anhand der Literaturgeschichte herausgearbeitet hat, mit jedwedem Schreiben vergleichbar sind. Damit meine ich z.B. das immer noch vorherrschende Verständnis von Kritik, dass (Miss)verständnis darüber, was ein Verriss ist, dass Kritisierende an den Pranger gestellt wurden und werden, dass Autoren sich persönlich angegriffen fühlen und…und…und.
Dies und so ziemich alles, was für die letzten Jahrhunderte dargestellt wurde, sehe zumindest ich heute noch; es spiegelt sich auch in den in diesem Thread dargestelllten und sich im Streit befindenden Meinungsbildern wider; dies ist quasi ein indirekter Beweis dafür, dass das Verständnis darüber, was Kritik ist, wie sie vermeintlich auszusehen hat und wie nicht usw. von MRR sicher nicht falsch dargestellt wurde und auch heute noch wirkt.
Zu einem Erfolg eines Buches bedarf es nicht (nur) einen geschliffener Text. Emotionen, geschickt eingesetzt sind auch, wenn nicht sogar mehr wichtig.
Das Buch Der Bestseller Code beschäftigt sich ausführlich mit Fifty shades of grey und seinen Erfolg.
Orginalzitat:
„Es war umstritten. Die meisten Rezensenten, Schriftsteller un „Büchermenschen“ bezeichneten es als fürchterlich. Der Autorin wude vorgeworfen, nicht schreiben zu können, einen schlechten Stil zu haben, bedeutende Themen falsch darzustellen, unreife und unglaubwürdige Figuren zu entwichekln und kein Gefühl für einen gelungene Handlungsstrang zu haben.“
[…]
„Trotzdem schlug das Buch ein wie eine Bombe.“
Das ergbnis ihrer Analyse war (Zitat):
Bei Fifty shades of grey geht es um diese unwiderstehlich , lebendige, atmende Seite des Erzahlens. Wir mussten erst einmal verstehen, wie gut E. L. James in der Lage ist, emotionale Reaktionen zu provozieren…"
[…]
„James schildert emotionale Wendungen in einem derart regelmäßigen Rythmus, dass der Leser den Takt ihrer Worte körperlich spüren kann wie treibende Tanzmusik.“
Quelle:
Der Bestseller Code von J. Archer und M.Jockers
Deutsche Ausgabe 2017
Börsenmedien AG Kulmbach
Übersetzung: Sascha Mattke
Wieso? Doch, ich hab immer gelacht.
Sorry… Ich fand da gar nichts gut eingesetzt
Zusätzlich mag ich auch die Art von Liebe nicht, die da drin romantisiert wird. Aber das ist persönlicher Geschmack. Mir stößt es etwas bitter auf. Ich kann mich in diese Protagonistin einfach nicht hineinversetzen sondern will sie bloß fortlaufend durchschütteln.
Ich pflichte euch zum Thema 50 Shades of Grey voll bei, @Bommel und @Kassandra . Ich hab ernsthaft versucht den Schinken zu lesen, weil ich wissen wollte was diesen Hype verursacht, aber ich komm einfach nicht drauf. Vielleicht fehlt mir aber nur die Kompetenz dazu. Ich finde es grauenvoll geschrieben und die Message auf eine perfide Art sexistisch. Und nein, ich meine nicht den dargestellten „Kink“.
Mich erinnert das Werk (ich hab mich nur durch den ersten Teil gequält) frappant an die „Emmanuelle“-Reihe aus den 1970ern und das Gewese, das darum gemacht wurde. Die extrem frauenfeindliche Botschaft hinter dem rosa gefärbten Schmuddel hat es sogar bis in meinen Roman geschafft. Und, verdammt, Gabi war wirklich nicht entzückt darüber!
Ach die Deutschen, ihre Dichter und das Rumpelstilzchen wieder…
Ne, @LeonMalte, so ganz unwidersprochen möchte ich deine Begeisterung für MRR nicht lassen. Der hat in der Tat keine Bücher verrissen sondern zerrissen (man erinnere sich an das hysterische Theater, dass er im Literarischen Quartett aufführte, als er „Ein weites Feld“ von Günter Grass besprechen sollte) und Schreibende zum Gaudium des Fernsehpublikums auf das Übelste beschimpft und beleidigt. Das war schon am Rande eines behandlungswürdigen Zustandes und spätestens ab dem Eklat mit Grass wurde er nur mehr als eine Art intellektueller Clown im Literaturbetrieb gehandelt.
In der Tat ist es recht lohnend sich seine eigene überaus tragische Geschichte mal anzusehen (was für Deutsche wirklich schwierig ist). Volker Weidemann hat es in seinem Buch „Das Duell“ aber recht gut hingekriegt und beschreibt den grossen Literaturkritiker als komplexbeladenen Kleingeist, der aufgrund seiner überdrehten Ansprüche an jeglichen eigenen Schreibversuchen zu scheitern fürchtet und seinen Selbsthass darüber auf so gut wie alle deutschen Autor:innen der 1960er bis 1990er projiziert.
Ne, lass mal, der Typ war ein tragischer Fall und seine Exkurse in die literarischen Normen des 18. Jahrhundert machen da nichts besser. Möge er in Frieden ruhen, und seine Nachahmer auf Instagramm bleiben.
In Abwandlung eines Brecht-Zitates sag ich: "Ich bin ein grosser Kritiker-Kritiker. Ich will andere Kritiker!’
Die Frage ist ja auch, ob wir, die hier in der Pension, am Abend nach der Arbeit, oder als Mütter, die auf den Spross vom Fußballtraining zurückkehrend warten, schreiben, mit einer Kritik a la MRR überhaupt etwas anfangen könnten.
Selbst wenn man ausreichend Bücher verkauft, dass man sich einen kleinen Nebenverdienst aufbaut, oder vielleicht sogar davon leben kann, geht es zu weit. Oder nicht? MRR hab ich nie wirklich verfolgt, aber er war meiner Meinung nach mehr ein Kunstkritiker. Ich weiß nicht, was die meisten hier schreiben, aber ich gehe davon aus, dass es in erster Linie seichte Unterhaltung ist (wahrscheinlich schließe ich von mir auf andere).
Absolut. Ich hatte früher immer Angst, wenn ich vor allen Mitschülern meinen Aufsatz vorlesen musste – besonders, wenn irgendwo gekichert wurde.
Der Ton macht die Musik, wie man so schön sagt. Wenn der richtige Ton getroffen wird, ist Kritik der beste Weg, weiterzukommen – vorausgesetzt, man besitzt eine Portion Demut und den Mut, den vorgeschlagenen Weg zu gehen. Gell?
Genau!
Eine Textkritik hier und einen Buchverriss auf Amazon mache ich beides aus der gleichen Motivation heraus: anderen zu helfen.
Hier versuche ich einem anderen (Hobby-)Autor zu helfen, seinen Text zu verbessern.
Mit meinen Buchverrissen möchte ich anderen Lesern ersparen, Geld und Lebenszeit auf etwas - meiner Meinung nach nicht Gutes - zu verschwenden.
100000%%%%%% Ich kann daran auch nichts gutes finden
Es gibt einen sehr guten Film über das Thema Kritik an einem literarischen Werk und wie sich das auswirken kann. Finding - Forrester oder auf deutsch: Forrester - Gefunden!
Sean Connery, für mich in einer seiner besten Rollen.
"Der Schriftsteller Forrester ist mit einem einzigen Roman berühmt geworden. Jedoch ist er aus dem Blick der Welt verschwunden. Das 16-jährige Literaturtalent Jamal findet ihn und Forrester wird sein Mentor. "
Habe mir gerade den Trailer angesehen. Wirkte vielversprechend. Danke für den Tipp!
Warum verlangt es manchmal vielleicht doch etwas Mut, hier im Forum einen Text zu veröffentlichen?
Nun, ich kann nur für mich sprechen:
Ich erinnere mich, wie ich eine Leseprobe aus meinem Projekt „Kurt im Spiegel - ein analoger Geist“ hier hochgeladen hatte. Innerhalb von 48 Stunden wurde die Leseprobe 120-mal aufgerufen. Am ersten Tag kamen 4 Rückmeldungen, die mir das Gefühl gaben, hier im Forum vielleicht nicht ganz richtig zu sein. Die Dialogform, die ich wählte, war wohl sehr speziell. Noch im Bett dachte ich darüber nach, ob ich mit dem Hauptstrom nicht ganz kompatibel sei. Am nächsten Tag meldete sich Leon-Malte mit dem Kommentar, er hätte sich „in und mit der Leseprobe köstlich amüsiert“. Damit war für mich jegliche Kritik vom Vortag weitgehend bedeutungslos. Manchmal genügt schon ein Fürsprecher…
Das Buch habe ich im letzten Jahr trotzdem konsequent nach meinen Vorstellungen veröffentlicht; nur das Vorwort habe ich vorwarnend angepasst: „Bevor Sie dieses Buch kaufen:“
Interessant ist für mich, dass bis heute keine Rezension zum Buch geschrieben wurde, obwohl ich mir auf Amazon die Freiheit (oder Frechheit ?) herausnahm, zum Buch „Warum alles gut wird“ (Dr. Lukas Neumeier) in einer Rezension ein Foto mit beiden Büchern zu posten. Das Thema ist schließlich ähnlich; der Denkansatz jedoch ein völlig anderer…
Inzwischen habe ich das Gefühl, dass die gesellschaftliche Relevanz meines Themas immer aktueller wird.
Wohl dem, der gelernt hat, an sich selbst zu glauben. Aus meinem eigenen Leben weiß ich, dass das ein langwieriger Prozess sein kann; es können Jahrzehnte werden.
„Wie im Traum alles unrichtig, sinnlos und widerspruchsvoll ist, mit Ausnahme des Gefühls, das dem Traum zugrunde liegt, so waren auch bei diesem Gedankenaustausch, der allen Gesetzen der Vernunft widersprach, folgerichtig und klar nicht die gesprochenen Sätze, sondern das zugrunde liegende Gefühl.“
(aus „Krieg und Frieden“; Leo Tolstoi; S. 1528)
Seid mutig und freundlich…
Mal so zwischendurch bemerkt, es sind hier mittlerweile fast 120 Beiträge zu einem doch ziemlich brisanten Thema - und es wird diskutiert, ohne dass es in irgendeiner Form beleidigend oder bösartig wird oder oder sonstwie aus dem Ruder läuft.
Spricht auch für unsere Community!
Wie groß kann oder muss die eigene Freude sein, damit sie einen legitimiert, anderen Schmerzen zuzufügen? Warum man das nicht tun sollte? Na zum Beispiel um:
- sich nicht der Lächerlichkeit preiszugeben,
- anderen Leuten die Fremdscham zu ersparen,
- die eigene Familie zu beschützen,
- seine Freunde zu behalten,
- nicht das Narrativ zu verbreiten, jeder könne schreiben,
- auf dem Boden zu bleiben.
Wirklich, da plagt sich jemand über Wochen und Monate, bekommt Tipps, beherzigt sie, verbessert sich und kriegt dann auf Amazon derbe Rezensionen um die Ohren geschlagen. So was sollte man verhindern, indem man nicht schönfärbt. Jeder kann sich verbessern, das ist wahr. Aber nicht jeder ist auch nach dutzendfacher Verbesserung in der Lage, etwas zu schreiben, was man gerne liest.
Was ist so schlecht daran, jemanden zu entmutigen? Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende. Was würdest du einem Freund raten, der keinen Geschmackssinn hat, der wahnsinnig gerne das Hobby Kochen ergreifen möchte? Was soll man ihm sagen? Das wird schon? Nimm etwas weniger Salz? Klar kann man das, aber es löst das Grundproblem nicht. Er schmeckt nichts. Er weiß nicht, wie sein Zeug schmeckt, was er kocht. Manchmal ist es sinnlos.
Rät man demjenigen dann pauschal, dies und das zu beherzigen, lockt man ihn in eine Erwartung, die nicht stimmt. Das ist das Perfide an so Leuten, die keine echte Kritik geben mögen. Sie ermutigen andere dazu, sich zum Affen zu machen. Alles unter dem Deckmantel, niemanden kränken zu wollen, niemandem wehtun zu wollen. Es erinnert mich an des Kaisers neue Kleider. Mnachmal braucht es ein Kind, welches ruft:
Aber er hat ja gar nichts an!