Die Sache mit der Kritik. Mal wieder

Weil es in einem anderen Thread wieder einmal jemand angesprochen hat:

»… Wir wollen nicht vergessen, dass es schon eine gute Portion Mut verlangt, Teile seiner Arbeit hier der Kritik preiszugeben. Und deshalb sollten wir mit unserer Kritik nicht allzu harsch sein.«

Nehme ich das jetzt mal als Aufhänger.

Einmal würde es mich wirklich und ganz ehrlich interessieren, warum das eine gute Portion Mut verlangt.

Habt ihr zu Schulzeiten nie einen Aufsatz vorlesen müssen? Später dann nie Referate gehalten? Nie im Job eine eigene Idee vortragen, vertreten oder näher ausführen müssen? …
All diese Dinge fand ich wesentlich schlimmer, als hier drinne einen eigenen Text zu posten, denn hier in diesem Forum wird bei Kritiken zwar gerne Klartext geredet, es wird aber NIEMALS der Autor kritisiert oder gar lächerlich gemacht!
Warum also wird es so oft als Affront betrachtet, wenn man etwas nicht gut findet - und diese Aussage nicht fünfmal durch den Weichspüler jagt?

Jeder hier hat sich die Papyrus Autorensoftware gekauft, die zwar unbestritten genial, aber halt auch nicht ganz billig ist. Ich vermute mal, wenn man dafür so viel Geld investiert, möchte man nicht nur für die Schublade schreiben, man strebt eine Veröffentlichung an.
Dazu möchte man wissen, wie der eigene Text ankommt und wie man sich verbessern kann.
Und das geht nun einmal nur mit Kritik. Keine falsche Lobhudelei, die bringt einem gar nichts, sondern ehrliche Kritik.

Hier drinne gibt sich jeder Mühe, dass diese auch konstruktiv und nicht beleidigend ausfällt.
Ja, es ist dann vielleicht hart zu hören, wenn jemand findet, dass ein Kapitel so noch nicht gut ist (es sollte dann auch begründet werden), aber das fällt noch nicht unter harsche Kritik. Und besser, man bekommt es hier auf harte, aber ehrliche und faire Weise zerlegt, als wenn bei Ama**n oder sonstwo ein verärgerter Leser seinen Frust ablässt und den Urheber gleich mit in die Pfanne haut.

»Der Autor hat vom Schreiben nicht den blassesten Schimmer. Der Thriller hier ist echt beschissen, dagegen ist jede Steuererklärung total spannend. Spart euch eure Kohle und kauft das bloß nicht!«
So was in dem Stil hab ich schon gesehen, oft auch noch Schlimmeres. Und es kann jeden treffen, ob berechtigt oder nicht. Wenn man sowas dann völlig unvorbereitet vor den Latz geknallt kriegt … das tut dann richtig weh!

Deswegen ist das Forum hier die optimale Adresse, denn hier wird sozusagen ein Mittelweg geboten. Es wird zwar niemand in Watte gepackt, aber auch niemals jemand persönlich zur Sau gemacht.

Wie SIND hier nett zueinander, man muss halt endlich mal von dem Trip runterkommen, dass eine harte und ehrliche Kritik etwas Unnettes ist.
Sie ist vielmehr das Einzige, was einen wirklich weiter bringt, und es kostet eine Menge Mühe, Zeit und Arbeit, einen Text so zu zerlegen, dass man den Finger auf die Schwachpunkte legen kann. Es ist sogar sehr nett, wenn sich jemand die Mühe macht und seine Freizeit investiert, um einen Text zu kritisieren. Bei einem Lektor zahlt ihr dafür zwischen 6 und 10 Euro pro Seite, hier gibts diesen Service umsonst.

… just my 2 Cents.

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Ich habe hier schon mal jemanden kritisiert, der dann beleidigt war. Und ich denke, dass ich nie unhöflich bin. Wenn mir das doch mal passiert, entschuldige ich mich umgehend und öffentlich.

Bei besagtem Autor, der beleidigt war, handelte es sich um jemanden, der einen Beitrag zum Seitenwind geschrieben hatte, der mir nicht gefiel. Ich wurde vom Autor angemoppelt, dass es nicht fair sei, in einem Wettbewerb einen Text „so niederzumachen“. Nun denn, dann kann man sich den Wettbewerb ja auch gleich sparen, dachte ich mir.
Fazit: Die Texte dieses Menschen werde ich nicht nur nicht mehr kritisieren, sondern ich lese sie erst gar nicht mehr. Denn, wie du liebe Yoro schon richtig bemerkst, opfert man schließlich seine Freizeit für die Texte anderer Leute.

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Eure Kritik zu Texten, @Yoro und @Suse ist wirklich konstruktiv.
Aber dass es in diesem Forum NIEMALS destruktive Kritik gibt, würde ich so nicht unterschreiben.

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Da hast du zwar recht, aber das bezieht sich auf ganz wenige User. Und ein Teil davon ist auch schon nicht mehr unter uns.

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Ich bin seit knapp 2 Jahren hier aktiv mit dabei und muss sagen, ich finde es unglaublich positiv, wie sich im Prinzip wildfremde Menschen - zum Teil auch sehr privat - eine gewisse Art von Unterstützung/ Halt geben. Sei es bei Texten und allen Fragen, die dazu gehörigen oder einfach ein netter Gruß am Morgen.

Es ist schwierig immer und für jeden den passenden Ton zu finden, denn wir sind alle nur Menschen mit dem ein oder anderen Päckchen auf dem Rücken. Aber ich finde, es klappt ganz gut.

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Unterstützend zu deiner Meinung: Manchmal gibt es auch Missverständnisse, weil es eben etwas anderes ist, wenn man „nur“ schreibt oder ob man sich gegenüber sitzt, Gestik und Mimik deuten kann und eben auch den Tonfall.

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Absolut. Ich bilde mir ein, euch zu kennen oder zu hören. Ob das in „echt“ dann so zutreffen würde, weiß ich nicht.

Und ja, das ist genau die Schwierigkeit. Empfänger- Sender.

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Doch, in der fünften Klasse hat mein Deutschlehrer mal ungefragt meinen Aufsatz, für den ich eine 1 bekommen hatte, vorgelesen. Wir sollten uns das harte Leben im Mittelalter als Bäuerin vorstellen. Und ich werde das nie vergessen, ich schrieb : „Mein kleiner Holzschemel bricht unter meinem Gewicht zusammen“ und ich war damals pummelig und er las DAS vor und die Klasse brüllte vor Lachen. Ich hätte ihn töten können. Heute kann ich aber drüber lachen. Damals bin ich tausend Tode gestorben.

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Kenne ich auch so ähnlich.
Wir hatten in der Vierten einen Lehrer, der gezielt auf Stilblüten gegangen ist und sich dann mit Genuss drüber lustig gemacht hat. Bei den Aufsätzen hat die Klasse dann jedes Mal drauf gegeiert, wen es diesmal erwischt, und man war selbst gottfroh, wenn der Kelch an einem vorbeigegangen ist.

Dann kennst Du das ja :face_with_peeking_eye:

Klar, aber vielleicht ist ja das von dir angesprochene „MUSS“ hier der springende Punkt. Man hat sich nicht ausgesucht, ein Referat zu halten, wo dann gefühlt jedes Wort und jede Geste von den Anwesenden seziert wird. Und das Thema war einen ja schnuppe.

Aber hier geht es dann um etwas, wo Herzblut drinnensteckt und wo dann die emotionale Fallhöhe größer ist.

Wie auch immer, ich bin auch der Meinung, man muss auch mehr aushalten können, als Bauchstreicheln, wenn man sich schon raus wagt. Ist ja auch ein wenig der Reiz, und auch wenn ich jetzt übern Sommer hier nicht mitgelesen habe, ist mir davor nie unfaire Kritik untergekommen.

In meiner neuen Arbeit hab ich nen Kuchen mitgebracht. Hat jedem geschmeckt, aber danach hab ich nen Tipp bekommen, wie ich es nächstes Mal anders machen soll, damits noch besser wird. Hab mich über diesen freundlichen Wink schon gefreut.

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Gutes Argument, hab ich so noch nicht bedacht.
Andererseits hast du hier keine Zuhörerschaft, die (wahlweise oder auch alles zusammen)

  • fiese Fragen dazu oder gleich dich selbst als Autor in Frage stellt,

  • demonstrativ die Augen verdreht,

  • gelangweilt gähnt,

  • sich vor Lachen fast am Boden wälzt.

Und wie gesagt, wenn du dein Buch dann veröffentlichst, nimmt kein Schwein auf irgendwelches Herzblut Rücksicht.

Ungefragte Ratschläge höre ich tatsächlich nicht so gern. Wenn man explizit darum bittet, ist es ja etwas Anderes. Dann möchte man ja in seinem Handwerk besser werden. Aber was dieses ungefragte Bewerten betrifft … es scheint als müsse sich jeder ständig in allem was er tut, selbst optimieren … und sei es nur beim Kuchen backen. Ich hätte gesagt „Das nächste Mal bekommt Ihr 'ne Backmischung, Ihr undankbaren Geschöpfe“ :stuck_out_tongue:

Ich denke, das mit dem Kuchen war kein ungefragter Ratschlag, sondern eine diplomatisch verpackte Kritik :wink:

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Stimmt schon, was du sagst.

Und dein Argument, dass Papyrus nicht günstig ist - zumindest nicht im Vergleich zu vielen gratis Programmen - wäre natürlich ein Indiz, dass man es ja ernst mit dem Schreiben meint.

Ich hab mir Papyrus zum ersten Mal mit der Version 7 oder 8 (?) gekauft. Meine ersten Texte, die den Namen verdienen, entstanden mit Version 11. Für mich war das die schreibende Version vom Fitness-Center-Abo.

Ich möchte nicht wissen, wie viele Bands es dort draußen gibt, die nie aus dem Proben-Keller herauskommen, weil die wöchentliche Bierrunde mit dem Gitarristen und dem Schlagzeuger einfach chillig sind. Aber der Bammel vor dem ersten Gig im Stadtpark vor der Renter-Partie ist dann doch zu groß. Einfach noch ein bisschen weiter üben.

Ich stell mir einfach vor, dass für viele das oft das erste Mal ist, dass jemand ihre Texte liest. Außer vielleicht von der braven Schwester, die sowieso alles toll findet. Und dann ist da der Bammel einfach größer, ob die geistigen Ergüsse eh gut ankommen.
Also ja, ein bisschen eine Portion Mut gehört meiner Meinung schon dazu - auch wenn das Internet da dann doch anonym ist. Aber die Kritik nimmt man dann selbst auf, und das ist nicht mehr anonym.
Aber wahrscheinlich war der Triggerpunkt auch der zweite Teil des Absatzes. Und deshalb sollten wir mit unserer Kritik nicht allzu harsch sein. Nicht zu harsch suggeriert halt dann doch > nur das Tolle ansprechen.

Kann ich gut nachvollziehen.
Vielleicht gehts ja auch nur mir so, aber für mich ist es ein himmelweiter Unterschied, ob ich persönlich ausgebuht werde, oder ob im Net jemand mein Geschreibsel nicht so toll findet.

Ich bleibe trotzdem dabei: Als Autor muss man sich ein dickes Fell zulegen, sonst riskiert man, an den Kritiken kaputt zu gehen (damit sind nicht die hier aus dem Forum gemeint, ich hab hier noch keine einzige wirklich schlimme gesehen).
So ähnlich wie ein angehender Mediziner lernen muss, beim Sezieren nicht ohnmächtig unter den Tisch zu fallen

Viele von euch schreiben seit Jahren und sind schon einige Zeit länger als ich in dieser Community aktiv. Ich kann aus eigener Erfahrung berichten, wie schwer es ist, sich zu trauen, hier nach Kritik zu fragen.

Nur vier Monate bevor ich mich hier angemeldet habe, habe ich mit dem Schreiben begonnen. Ohne Vorkenntnisse, ohne Schreibkurse. Ich war ein blutiger Anfänger und bin es eigentlich noch. Ich habe als Schreibübung Kurzgeschichten verfasst und war so mutig, sie hier einem fachkundigen Publikum vorzustellen. Mann, was hatte ich einen Bammel. Ich kannte den rauen Ton aus anderen Foren und hatte mich auf schlimme Kommentare gefasst gemacht.

Was dann kam, war einfach phantastisch. Mir wurden Fehler gezeigt, Verbesserungen vorgeschlagen, Mut gemacht. Erst durch diese Kritik, die immer fair und nie vernichtend war, habe ich meinen Schreibstil verbessern können. Ich merke, dass ich bei meinem zweiten Roman anders schreibe und sicherer bin.

Ich möchte diese Kritik von euch Schreibfreunden nicht mehr missen und jeder, der sich traut, seinen Text hier einzustellen, wird das irgendwann auch so sehen.

Nicht gerade der glücklichste Vergleich. Man kann Bücher schreiben, ohne die jemals zu veröffentlichen. Gibt die Bücher einfach ein paar Bekannten zum Lesen und sind damit happy… ich kenne einige solcher Autoren, die sich dem nicht öffentlich aussetzen wollen. Chirurg zu werden mit 10-12 Jahren Ausbildung, bis man seinen Facharzt hat und dann nicht operieren wollen, macht hingegen wenig Sinn.

Mag sein, aber solche Autoren sind in den meisten Fällen auch weniger im Schreibforum aktiv.