Die 11. Weihnachtswoche von Seitenwind

Der Weihnachtsstern

Der Weihnachtsstern

Vor langer Zeit, es war in einer dunklen Nacht, als ein knistern und rauschen die Ruhe störte und ein heller Lichtblitz die Dunkelheit durchbrach. Was war geschehen? –
Ein kleiner Stern ist vom Himmel auf die Erde und mitten unter einer Gruppe staunender Bewohner, auf ein mit Daunen ausgelegtes Moosbett eines Schwanes gefallen. Der kleine Stern war leicht verwirrt und rieb sich verwundert die Augen. Bevor jemand eine Frage stellen konnte, sagte es dem anwesenden Schwan, dem das Moosbett gehört, dem Schimmel, der beim Schwan stand, dem Weidenbusch der das Moosbett schützend umgab und dem in den Weiden rankenden Rosenbaum, „ich bin vom Himmel gefallen“ und weiter, erzählte es von seinem Missgeschick. „Wir Sternenkinder haben hinter den Wolken fangen gespielt, dann ist es geschehen, ich bin hingefallen und dabei ist mir ein Zacken weggebrochen und ich bin auf die Erde gestürzt. Dank dem mit Daunen ausgelegten Moosbett ist mir nichts passiert“. Die anwesenden waren betroffen und fanden für den kleinen Stern, tröstende Worte aber das Sternenkind schien, über seinen Absturz, nicht traurig zu sein, es schenkte den abgebrochenen Zacken dem Schwan, der nicht zufällig von einem Schimmel, einem Rosenbaum und einem Weidenbusch begleitet wurde und sagte, „er wird euch, wenn die Zeit gekommen ist, dienlich sein“. Es streckte sich und schlief, geschützt durch seine neuen Freunde, in dem weichen Daunenbett ein.
Am anderen Morgen verblasste durch die aufgehende Sonne das Sternenlicht und das Sternenkind entschwand. Damals wie heute ist dem grossen Meister, von seinen Mitarbeitern, liebevoll aber nicht ohne Respekt, Chef genant, das Geschehene nicht verborgen geblieben. Er rief alle seine Sternenkinder zusammen und sagte zum gefallenen Sternenkind, „was dir geschehen ist, ist keine Bedingung, um ein Weihnachtsstern zu werden aber ich habe beschlossen, dass du zu deinen kommenden Aufgaben, noch einen weiteren Auftrag erfüllen sollst“. Für diesen Auftrag schenkte er ihm, an der Stelle, wo es den Zacken verloren hatte, einen goldglänzenden Schweif. Die Freude war groß und das Sternenkind bereitete sich für die besondere Nacht vor. In der Nacht, als auf der Erde das Kind geboren wurde, das den Namen „Friede“ tragen soll, zieht das Sternenkind, als Bote des Meister, über den Nachthimmel als Zeichen für Liebe und Frieden unter den Kreaturen, seine leuchtende Bahn. Damals wie heute erfüllt jeweils ein Sternenkind die Aufgabe, die geweihte Nacht, zu erhellen und daran zu erinnern das nur die Liebe den Frieden bringt.
(aus meinem Projekt „Die Münze“)

Brüssel im Dezember

Die Zeit läuft Werner Zeisig scheinbar davon. Er hat eine ganze Sammlung von Sanduhren auf seinem Schreibtisch, die ihm dieses Problem jeden Tag verdeutlichen. Seit seiner Berufung in die Führung der Normungs-Kommission in Brüssel fühlt er sich einem hohen Druck ausgesetzt. Es geht in seiner Arbeit schließlich nicht um irgendwelche Bagatellen, sondern um zukunftsweisende und für die Forst- sowie die Energiewirtschaft notwendige Planungen.
Im Dezember fühlt sich Werner Zeisig unangenehm an die schwere Zeit erinnert, als die Normung der Weihnachtsbäume zu einem Politikum wurde. Als er sein Gesicht auf den Titelseiten der Zeitungen sah und versucht wurde, ihn auf Podiumsdiskussionen lächerlich zu machen. Selbst alte Parteifreunde wandten sich von ihm ab. Das ist nun zwei Jahre her. Die Parlamentarier stimmten dem Gesetz dennoch irgendwann mit großer Mehrheit zu und seitdem kann sich jeder Weihnachtsbaumkäufer darauf verlassen, dass sein Baum in Bezug auf Gesamterscheinungsbild, Höhe, Neigungswinkel der Zweige horizontal, Abstand der Zweige vertikal, Ausbildung des Nadelbesatzes und der Baumspitze, Grünton der Nadeln nach vorgegebener Farbskala und der Formung des Baumfußes einem Standard und nicht der Willkür der Natur entspricht.
Leider hielten sich viele Erzeuger anfangs nicht an diese Vorgaben und die Kommission musste im vergangenen Dezember erneut hart durchgreifen. Große Mengen von Weihnachtsbäumen mussten ähnlich wie Gurken mit nicht normgerechter Krümmung oder wie zu kleine Eier vernichtet werden. Das führte natürlich zunächst zu sprunghaften Preisanstiegen und Protesten. In Athen monierten Studenten zu Recht einen nicht normgerechten und dennoch durch die Stadtverwaltung aufgestellten Weihnachtsbaum. Als die Polizei mit Gummiknüppeln gegen diese aufrechten Mitbürger vorging, steckten die Studenten den Baum einfach in Brand.
Werner Zeisig hatte dafür durchaus Verständnis. Sie hatten den Baum schließlich seiner eigentlichen Bestimmung zugeführt!
Womit wir beim nächsten Thema wären.
Der Weihnachtsbaum besitzt in der EU eine ganz neue Priorität, der sich die Mitbürger langsam bewusstwerden. In den Monaten mit hohem Heizenergieverbrauch, also insbesondere von Oktober bis März, stellen die Weihnachtsbäume eine besondere strategische Energiereserve dar. Ab Oktober werden die ersten Bäume in der Kälte Skandinaviens geerntet. Manche Plantagen in den Weiten Dänemarks und Schwedens erinnern den Forstwirt an die unendlichen Zuckerrohrfelder Kubas.
Hier wächst die Energie im Überfluss. Durch die Normung dieser Bäume entsteht ein hoher Ausschuss, der sofort in den Heizkraftwerken landet. Und dann naht das Fest. Durch gezielte Werbekampagnen mit dem Bild eines böse grinsenden Putins (Motto: „Zeig dem Putin Deinen Baum!“) akzeptieren immer mehr Bürger auch die moralische Pflicht zum Mehrfachkauf von Weihnachtsbäumen. Diese müssen nicht zwingend aufgestellt, sondern können einfach irgendwo zwischengelagert werden, bis sie ab dem 06.Januar gut getrocknet wieder an den lokalen Sammelstellen landen, um anschließend die Wärmeversorgung der Bürger bis in den März hinein zu sichern.
Dieser erfreuliche Trend gilt ebenso für EU-Mitgliedsländer, in denen bisher der Weihnachtsbaum nicht zur traditionellen Ausstattung gehörte.
Durch vorsichtige Korrekturen an der Norm wird auch zunehmend auf einen vergrößerten Stammdurchmesser und geringeren Ast-Anteil hingearbeitet, damit der Brennwert erhöht wird. Gleichzeitig soll die zunehmend ungünstige Optik als zwingender modischer Trend verkauft werden.
Das größte Problem für Werner Zeisig besteht jedoch in dem noch viel zu langsamen Wachstum von Fichten und Tannen. Erste Zuchterfolge von genetisch veränderten Bäumen auf einem geheimen Testgelände, über dessen Standort hier nichts ausgesagt werden darf, stimmen ihn vorsichtig optimistisch. Einige Versuchspflanzen erreichten innerhalb eines Jahres eine Höhe von mehreren Metern. Leider beginnt sich das Wachstum nach dem Abholzen nicht einzustellen, sondern setzt sich noch absurd verstärkt selbst nach vollständigem Abnadeln fort. Als Baumaterial lässt sich dieses Holz nicht verwenden, die Folgen wären unabsehbar. Das bloße Berühren der Nadeln führt bedauerlicherweise zu großflächigen, ekzemartigen Hautveränderungen. Hier muss noch eine medikamentöse Lösung, vielleicht im Rahmen einer Prophylaxe-Pflichtimpfung in Ergänzung zum Grippeschutz, gefunden werden. Das Harz dieser Versuchsbäume übertrifft in seiner Klebewirkung die neuesten Entwicklungen der chemischen Industrie um Längen. Es stellt jedoch eine Bedrohung für die Mitarbeiter sowie für Baumdiebe dar, bei denen bereits mehrfach Finger amputiert werden mussten, die unzertrennlich mit Baumteilen verklebt waren. Aber dagegen können Spezialhandschuhe sowie Arbeitsschutzkleidung entwickelt werden.
„Es gibt noch viel zu normen!“ denkt Werner Zeisig, der sich von den kleinen Problemen, wie sie zu Beginn einer jeder großen Entwicklung auftreten, nicht entmutigen lässt.
Die letzten Körnchen laufen durch eine seiner Sanduhren, als er zufrieden seinen Schreibtisch zum Antritt des Weihnachtsurlaubs verlässt.

MANN UND FRAU MACHEN WEIHNACHTSURLAUB AUF EINER SÜDSEEINSEL

MANN UND FRAU MACHEN WEIHNACHTSURLAUB AUF EINER SÜDSEEINSEL

Mann: „Gib es zu, Du liebst mich nicht mehr.“

Frau: „Wie kannst du das in so einem Augenblick sagen? Horch auf die Wellen, wie sie flüstern, spüre meine Finger auf deinem Oberschenkel wie den Flügelschlag eines Kolibris, betrachte die silbernen Fäden des Vollmondlichts in meinem fülligen Haar.“

Mann: „Ja, aber…“

Frau: „Pssssst. Spüre den seidenen Windhauch, der durch die Palmen säuselt, lausche dem Liebesruf des brünstigen Panthers tief im Dschungel, lasse den weichen warmen Sand durch deine wohlgeformten Zehen rieseln.“

Mann: „Sehr schön, aber ich will wissen…“

Frau: „Frage nicht, lebe. Rieche den Honigduft der Papaya.“

Mann: „Mango! Außerdem hab ich dich etwas gefragt.“

Frau: „Lass gut sein. Überlasse dich der Kraft des berauschenden Rums. Schmecke die Süße der schweren, prallen, reifen Kokosnuss.“

Eine reife Kokosnuss fällt mit einem leisen ‚Rums‘ neben die beiden.

Mann: „Antworte, liebst du mich oder ihn?“

Frau: „Dich liebe ich, wie man den Sternenhimmel des Südens liebt. Und ihn brauche ich, wie man einen Schluck frischen Quellwassers in der sengenden Wüste braucht.“

Der Frau fällt eine reife Kokosnuss auf den Kopf.

Mann nimmt Flossen und Schnorchel und reitet auf einem Delphin in den

Untergang, sorry: Sonnenuntergang.

Der 24, Dezember

Siebzehn Uhr die letzten Läden haben geschlossen
es fahren vorübergehend keine Straßenbahne kein
Bus und Züge mehr schneebedeckte stille Straßen Kinder singen vor den geschmückten Tannenbäume Weihnachtsliedern zur Bescherung freuen sich über
die Geschenke

Doch nicht in jedem Haus wird Weihnachten gefeiert
keine geschmückte Tannenbäumen die Menschen in
diesem Haus warten auf jemanden die nicht kommen
können auch wenn sie wollten haben keinen Ausgang Der Abend wird immer später leise rieselte der Schnee
in der Bahnhofsmission treffen sich Menschen die keinen Zug mehr bekommen und warten auf den nächsten Zug feiern Weihnachten zusammen mit Obdachlosen, Bettlern Straßenkinder
Manche der Straßenkinder klopfen an die Tür der Eltern für manche öffnet sich die Tür für andere bleibt sie verschlossen

Verheißung zu Weihnacht

Seit gefühlt einer halben Stunde schreie ich bereits um Hilfe – ohne Erfolg. Mein Herz rast. Ich atme tief durch, um mich zu beruhigen. Es ist stickig. Der Geruch alten Leinen vermischt mit kaltem Schweiß macht mir das Atmen schwer. Immer wieder spüre ich Schläge auf meinen Rippen. Nicht sonderlich stark und doch so unaufhörlich, dass es zu schmerzen beginnt. Gern würde ich mich wegdrehen, doch ich kann mich nicht bewegen. Wie ein Paket bin ich zusammengeschnürt.
Um mich herum ist alles schwarz. Nur selten schimmert Licht durch feine Maschen. Das Letzte, woran ich mich erinnern kann, ist, dass ich zu Bett ging. Und nun bin ich hier.
Ja, nur wo ist denn hier?
Ein tiefes Atmen, beinahe Schnaupen war zu vernehmen. Schritte, erst klappernd wie Pferdehufe auf Straßen, dann stapfend, als würden wir durch hohen Schnee gehen.
An meinen nackten Füßen und meiner Schlafanzughose spüre ich, wie das Leinen unter mir nass wird. Kälte durchzieht meinen gesamten Körper und bereitet mir eine Gänsehaut. Es schüttelt mich vor Frost. Meine Zehen werden taub. Ich versuch sie zu bewegen. Doch zugleich frage ich mich, ob ich sie überhaupt bewege. Ich fühle nichts mehr an meinen Füßen – nicht einmal die Kälte – nur einen stechenden Schmerz.
Ein lautes Donnern, als würde einer einen schweren Stein verschieben, dringt an meine Ohren. Plötzlich wird es warm – gar heiß. Der Schweiß bildet Sturzbäche auf meiner Stirn. Was ist hier los? Ich rufe erneut: „Hilfe! Ist dort draußen jemand?“
Ein monströses Grollen lässt mich das Wort „Schnauze!“ erahnen.
Wäre es eine normale Stimme gewesen, hätte ich erneut umso lauter geschrien. Doch das Wort klang wie aus dem Munde einer fremdartigen und vor allem großen Kreatur.
Meine Zunge wird trocken. Ein Schluck Wasser wäre mir jetzt Gold wert. Es wird heller. Flammendes Licht schimmerte durch das Leinen. Feine Partikel fliegen vor meinen Augen. Wo zur Hölle bin ich?
Als säße ich in einer Achterbahn, schleudert mich etwas durch die Luft. Der harte Aufprall wird mir noch Wochen in Erinnerung bleiben. Der Boden ist heiß. Das Leinen wird von mir gezogen.
Zwei tellergroße Ziegenhufe stehen unmittelbar vor mir. Ich sehe an schwarz perlzigen Beinen empor. Eine scheußliche Teufelsfratze grinst mich mit langen Zähnen an.
Das gehörnte Wesen holt mit einer Peitsche zum Schlag aus.

Schweißgebadet schrecke ich auf. Ich sitze in meinem Bett – in meinem Schlafzimmer. Mein Wecker zeigt mir den 23. Dezember 23:59 Uhr.
Ein Brief mit Papiersternen und einem aufgestickten Weihnachtsbaum liegt auf meinem Nachttisch.
Ich nehme ihn. Im fahlen Mondlicht, das durch mein offenes Fenster fällt, lese ich: „24 Stunden!
Bereinige deine Sünden, sonst komme ich dieses Jahr!“

**

Eine Weihnachtsgeschichte

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Eine geistlose Geschichte von Dick Charlestone

Erstes Kapitel

Marios Geist

Rock Idler schoss nun schon seit Stunden wie ein Wahnsinniger und dann war er weg.

Der Kopf fiel ihm von den Schultern und krachte auf die kunststoffbeschichtete Tischplatte.

Er wachte dadurch wieder auf, obwohl das schaumstoffartige Mousepad das Schlimmste verhindert hatte.

Er staunte nicht schlecht, als nun oben auf seinem Curved-Monitor eine große rotgrüngestreifte Null stand, wo gerade noch die Punktzahl mit jedem Treffer größer und größer wurde.

Er hatte schon zeit seines Lebens mit dieser extremen Kurzsichtigkeit zu tun und seit ein paar Monaten führte die zunehmende Augentrockenheit zu mehr Problemen, als ihm lieb war und selbst auf der Arbeit, die er eigentlich ziemlich alleine und einsam in einem vollklimatisierten Serverraum versah, hatten ihn die Kollegen schon darauf angesprochen. Die hatten es gerade nötig mit ihren eigenen rotgeschwollenen Klüsen.

Also entschied er sich dafür, erst einmal seine Augen zu schließen und kräftig zu reiben, denn es konnte ja nicht sein.

Als er sie dann wieder öffnete, war der aktuelle Highscore immer noch verschwunden und statt der animierten, ihm so vertrauten Oberfläche schaute er auf ein fahles Gesicht mit buschigem Schnäuzer und Schirmmütze, das aus dem Monitor herauszuschauen schien, obwohl er die Brille für diesen Darstellungsmodus gar nicht auf der Nase hatte.

Das Gesicht bewegte sich noch nicht und er dachte darüber nach, dass es ihm bekannt vorkam.

Scheiße, dann muss er sich wohl wieder was eingefangen haben, obwohl er doch die Updates zuverlässig fuhr, um gerade das zu vermeiden.

Er blieb aber ruhig und stieß mit seinem linken Fuß den Mülleimer um, was nicht seine Absicht gewesen war. Eine kleine Lawine schmaler Alublechdosen verteilte sich auf dem Boden unter seinem Desk. Er war eigentlich auf der Suche nach dem Hauptschalter der Steckerleiste gewesen, um den Computer kalt zu resetten.

Endlich fand seine linke Großzehe den glimmenden Schalter und schaltete die Leiste in den sicheren, den stromlosen Zustand.

Schöner Scheiß, wo war denn die Backup-SSD? Wo? Wo? Wo?

Und wo kamen diese Stimmen her, LAN-Party beim Nachbarn, oder was?

Ne, das war nur eine Stimme und die kam aus seinen Hochleistungs-Zweiwege-Audio-Monitoren und dem Subwoofer.

Er schob seinen Kopf unter die Tischplatte, doch die Glimmlampe an der Steckerleiste war aus.

Nun rutschte er vom Gamersessel in Richtung der leeren Dosen, deren Inhalt er üblicherweise dazu nutzte auch dann wach zu bleiben, wenn er sich tageweise keinerlei Schlaf gönnte. Ein paar Pizzakartons und Chipstüten versperrten kurzzeitig den weiteren Weg, doch dann ergriff seine Rechte den Stecker und riss ihn aus der Wand. Die reflexartige Gegenbewegung in seinem Rücken, beim plötzlichen Lösen der Spannung, lies seine Stirn Kontakt aufnehmen mit einem vorstehenden Metallteil des untertischseitig befestigten Kabelkanals. Er spürte etwas Blut über seine Stirn laufen und es tat sogar weh, viel mehr, als wenn ihm ein selbstregenerierender Arm seines Avatars abgeschossen wurde.

Nun soll man eine blutende Wunde hochlagern und seine Geschäfte unter der Tischplatte hatte er ja auch erledigt, also entschied er sich, wieder aufzutauchen.

Zurück mit seinem Gesäß im Sessel holte er Luft, wie einer, der zu lange unter Wasser gewesen war. Derartige körperliche Anstrengungen war er nicht gewöhnt.

Was er nun aber gar nicht verstand, war, dass das Gesicht ihn immer noch betrachtete und überdies skeptisch lächelte.

Wieviel Steckleisten hatte er unter seinem Tisch?

Genau eine, denn es gab nur eine Steckdose in dieser Ecke des Raumes und er hatte gerade deswegen alles an diese extralange Version der Stromverteilung geklemmt.

„Du hast recht“ sagte jetzt der Kopf auf dem Monitor und obwohl die Lautsprecher bester Qualität waren, klang das merkwürdig blechern.

„Da ist nur eine Leitung, und die hast Du herausgezogen.

Das heißt, ich dürfte hier nicht sein und weder zu sehen, noch zu hören!“

Rock wurde es etwas mulmig, vielleicht war der Stoß an den Kopf doch stärker gewesen, als er dachte und unter der Tischplatte hatte er sich ja gleich noch einmal verletzt.

Das waren doch nur Bagatellen, oder … oder ein Coffein-Rausch … mehr nahm er nie … ja, das war es.

„Und doch bin ich da, Rock. Da, um mit Dir zu sprechen!

Also nicht nur mit Dir, leider gibt es da noch ein paar Millionen mehr, mit denen ich sprechen muss, heute am Heiligen Abend, aber so ist nun mal der Beruf, den sucht man sich auch nicht immer selber aus … egal.“

Nun redete er sowieso nicht viel, sollte er da mit einer Sinnestäuschung kommunizieren, oder schlimmer noch mit einem Bot-Trojaner im SSD-Speicher seines Desktops?

Sicher träumte er nur und so war Reden wohl nicht schädlich und er fragte lapidar:

„Was gibt‘s denn, was ist das Topic, isses wichtig?“

„In den nächsten drei Nächten werden Dich drei Geister besuchen: der der vergangenen Weihnacht, der der gegenwärtigen Weihnacht und der der zukünftigen Weihnacht,“

„Drei Geister, habe verstanden, aber der Rest, was war das?“

„ … der der vergangenen Weihnacht, der der gegenwärtigen Weihnacht und der der zukünftigen Weihnacht,“

„Aha und wozu?“

„Du wirst es schon sehen! Ich kann Dir das jetzt nicht alles erklären. Und außerdem, wie gesagt, früher hatte ich weit aus weniger zu tun, ich muss wirklich weiter, das war’s von mir“

Der Monitor war schwarz … wieder schwarz?

„Bah! Humbug! Scheißtraum … seine Träume waren auch schon mal besser gewesen, selbst die Albträume.“

Das letzte Schimmern auf dem Bildschirm verschwand und er schlief ein.

Das Zimmer war dunkel, viel dunkler als sonst, denn auch die RGB-Led-Lichter-Kette, die etwas schief angeklebt hinter der wandseitigen Kante seines Pressholz-Schreibtisches versteckt war, versetzte das Zimmer diese Nacht nicht in das schemenhafte Licht, wie sonst.

Zweites Kapitel

Der erste der drei Geister

Er lag unter dem Tisch

Wortkarg

Drittes Kapitel

Der zweite der drei Geister

Viertes Kapitel

Der letzte der drei Geister

Fünftes Kapitel

Das Ende

Leider ist nur dieses unvollendete (?) Fragment überliefert, so wie es oben steht.

Dieses enthält offensichtlich viele Auslassungen und Leerstellen.

Die Literaturwissenschaft streitet über den wahren Grund.

Als, die am häufigsten genannten, Optionen stehen im Raum:

01. Die Kollision der Schreibleseköpfe mit der Festplattenoberfläche.

02. Der Autor wollte nicht nur mit einem offenen Schluss, sondern sogar mit einem offenen Hergang die Menschen zum Denken und vielleicht sogar zur Umkehr anregen. Der Autor war sich sicher, dass es eigentlich nur eine ganz stringente Entwicklung dieser fiktiven (?) Ereignisse geben konnte, gerade auch wegen der Anlehnung an das Vorbild, so dass es wirklich überflüssig wäre, diese auch noch auszuformulieren. Das erste Kapitel definiert schon den ungeschriebenen Rest.

03. Der Autor wurde von seinen eigenen Gedanken beim Schreiben übermannt, da er den weiteren Fortgang der Geschichte im Kopf schon kannte und demzufolge er-kannte, dass das Leben nie digital werden kann. Daher hat er selber aufgehört, sich der Digitalisierung zu unterwerfen, und schrieb fortan nur noch auf Papier. Neun Jahre später wurde sein Archiv unveröffentlichter Bücher durch ein Feuer vernichtet. Sein Name geriet in Vergessenheit … seine Ideen taten es auch.

A.M.

„Du spinnst!“

„Nein, wenn ich’s sage!“

„Das klappt nie!“

„Hat schon …“

„Was heißt: Hat schon …? Willst du im Ernst sagen, du hast …? Wann?“

„Letzte Nacht.“

„Krass, Alter!“

„Und wie war’s?“

„Voll geil, Mann!“

„Du hast wirklich … ?“

„Wenn ich’s dir sage, Mann!“

„Und wie oft?“

„—“

„Jetzt sag’ schon!“

„Zwei!“

„Ich krieg’ die Krise, Mann. Wir strampeln uns bei Freddi ab, um in GTA den Highscore beim Blechschrotten zu knacken, und du legst hier am Keyboard Prinzessinnen flach. Wahn-sinn!“

„Tja.“

„Hm.“

„Was?“

„Und das ist nicht gesponnen? Alles real?“

„Wenn ich’s dir sage, Mann. Eigentlich wollte ich ja nur 'ne Illu für diesen Schreibwettbewerb klarmachen, du weißt schon, letzter Tag, Hektik, und da meinte doch glatt eine der anderen Teilnehmerinnen, mit diesen A.I.-Programmen ginge das Ruck-Zuck, und da dachte ich, bevor ich mir jetzt die halbe Nacht an sketchup die Finger wundwische …“

„Aber wie …“

„Tja, das war irgendwie komisch: Ich hab’ die Anleitung befolgt, war gar nicht so einfach, ist ja alles Englisch, und da hab’ ich diesen Online-Übersetzungs-Dienst benutzt, DeepDungeon.com, die sind die besten hab’ ich gehört, aber beim Übersetzen muss da wohl …“

„Ach, keine Details, Mann, komm zum Punkt: Kamen sie tatsächlich raus? Und zwei auf einmal?“

„Ach, nicht gleich. Zuerst habe ich’s versucht mit Rapunzel cross Mirror, du weißt ja, ich steh’ auf die Langhaarigen, aber da kam nur ein voll strejndsches Bild nach dem anderen, alle silikonverstärkt, voll hässlich sag ich dir. Aus welchen Datenbanken die wohl ihre Abziehbilder holen, keine Ahnung.“

„Ja und? Weiter, Mann!“

„Da hab’ ich überlegt, vielleicht liegt’s an dem Wort ‚Spiegel‘. Ich hab’ dann ein bisschen rumgespielt, und dann hab’ ich gedacht, probier’ doch mal Schlüsselloch - du weißt schon, wegen …“

„Ja, wahaha, geil Mann, auf so 'ne Idee kannst nur du kommen …“

"Tja, wer hat, der hat. Ich also den Prompt neu aufgerufen, Rapunzel cross Keyhole* eingetippt, drücke den Button Generate, und plötzlich beginnt es zwischen den Tasten vom Keyboard zu leuchten.

„Wah!“

„Ja, Wah, Mann. Ich auch. Die Tastatur wurde ziemlich heiß, da kuck, das Ypsilon ist immer noch ein bisschen verbogen. Ich natürlich Finger weggerissen, vom Stuhl aufgesprungen, dann Nebel, grün, lila, rosa, hellblau, voll der Disney-Style, und puff, stand sie da.“

„Krass, Alter. Und dann?“

„Der Gurmett genießt und schweigt, Mann.“

„Und wo ist sie jetzt?“

„Wieder drin.“

„Was heißt, wieder drin?“

„Ja, das war irgendwie komisch. Sie konnte nur englisch, muss an dem Programm liegen, und ich bin da ja nicht so fit, aber das Wesentliche hab’ ich verstanden: Sie sagte, das sei eine Demo, und sie müsse nach vier Stunden zurück.“

„Kein Scheiß?“

„Kein Scheiß. Ich mir also den Wecker gestellt, damit ich die Kontrolle behalte, und dann hatten wir Spaß. Wieso grinst du?“

„Du bist ein verlogener Angeber!“

„Keine Spur, Mann, ich kann dir sagen, diese Märchenprinzessinnen, die sind ja sowas von naiv, die glauben echt alles. Und als ich mich daran erinnert hab’, dass du mir letztens diese Übersetzungs-App klargemacht hattest, ich also smartphone an und pong, ging echt locker, genau wie bei Star Trek.“

„Naja, Schnepfen rumkriegen konnteste schon immer, bei deinem Talent, Märchen zu erzählen … O.K., sagen wir mal, ich glaub’ dir. Und wie hast du sie dann wieder reingekriegt ins System?“

„Keine Ahnung, Mann. Kaum dass der Wecker begonnen hat zu klingeln, flashte das Keyboard, voll lila, einmal, das war so grell, dass ich für’n Moment nur Sterne geseh’n hab’, und schwupp, war sie weg.“

„Oberkrass, Alter! Und dann?“

„Dann hab ich gleich nochmal.“

„Wahhhhhnnnsinnnnn! Neid, Alter! Welche denn?“

„Aschenputtel.“

„Nicht dein Ernst, Mann“.

„Doch Mann. Zuerst hat sie’n bisschen gezickt, wollte hier gleich aufräumen und so, aber ich hab’ ihr dann erklärt, ich sei der Prinz, und sie sei von ihrer Stiefmutter erlöst, und jetzt wär’ Hochzeitsnacht und so.“

„Wahaha! Mann, …“

„Doch. Kuck hier, neben dem Bett. Siehst du die Asche und die Linsen?“

„Du verarschst mich … Gib’ zu, das hast du hier alles gefaked, um mich zu linken.“

„Selber Arsch. Mir reicht’s jetzt. Ich sims dich extra an, um dich mitmachen zu lassen, und du behauptest stur, ich sei ein Spinner. Ich erzähl’ dir überhaupt nichts mehr.“

„—“

„Arsch!“

„Jetzt schnapp’ doch nicht gleich … äh, sagtest du ‚Mitmachen‘?“

„Ja, hab’ ich gesagt. Aber du …“

„Oh Mann, leg’ doch nicht alles gleich auf die Goldwaage. Du musst zugeben, ein bisschen strange klingt das schon!“

„Naja, ok!“

„Peace, Alter?“

„Klar Mann, wozu sind wir denn Freunde?“

„Danke, Mann!“

„Naja, du hast mir damals gezeigt, wie ich die Extrapunkte bei GTA zinken kann, wegen dem Systembug, den du entdeckt hast, und da dachte ich …“

„… Du hast recht, Mann: Blutsbrüder, Kupferstecher … wahaha, was sag’ ich, Prinzessinnenstecher!!! … huhu, ich mach’ mir gleich in die Hose, ist das geil, Mann!“

„Also, machst du jetzt mit?“

„Klar Mann, ran an die Prinzessinnen! Was muss ich tun?“

„Du musst dir einen Prompt ausdenken, den Rest macht die A.I. Worauf hast du Bock?“

„Hm. Lass’ mal überlegen.“

„Was gibt’s da zu überlegen?“

„Märchen sind nicht so meins. Kann das Ding auch Fantasy?“

„Keine Ahnung. Käm’ wohl auf einen Versuch an …“

„Gib mal ein: …“

„Was? Na du willst’s aber wissen … na gut, ich tippe …“

„Tatsächlich, es leuchtet.“

„Heeee! Was passiert hier? Au!!! Auaaaa!!!“

„–“

„—“

„Ouuuuh!“

„Selber ouuuh! Wo bist du? Ich seh’ nix.“

„Ich auch nicht. Alles dunkel, Mann.“

„Stromausfall?“

„Aber wieso hab ich das Gefühl, ich wär’ grade durch die Mangel gedreht worden?“

„Du auch?“

„Abusers of the Great Border, you are under my sway!“

„Hä? Was sagt der?“

„Scheiße, ist der hässlich!“

„Das ist ein Ork, Mann! Wo sind wir hier bloß hingeraten!“

„Pscht, Aufpassen! Was sagt der?“

„You have agreed not to use our A.I. Avatar Generator in a manner that violates applicable law …“

„Ich versteh’ nix. Hast du dein smartphone? Schalt’ mal den Übersetzer ein!“

„Jaaa, ich mach’ ja schon … Augenblick noch …“

„Schnell.“

„… ah, jetzt.“

„… oder geschädigt werden; zur Ausnutzung von Schwachstellen einer bestimmten Personengruppe aufgrund ihres Alters, ihrer sozialen, körperlichen oder geistigen Merkmale, um das Verhalten einer Person, die zu dieser Gruppe gehört, in einer Weise …“

„Was ist?“

„Der Übersetzer spinnt … oh, nein!“

„Was ist?“

„Akku alle, Mann!“

„Oh, Kacke Mann. Wir hätten das Kleingedruckte lesen sollen.“

„Schscht, Mann, vielleicht versteh’n wir auch so was!“

„… therefore you were condemned by the royal authority of Edoras to clean the toilets of the Orc Dungeons for the next nine hundred years.“

„Was hat er gesagt?“

„Oh, Kacke, Mann!“

Epilog

„Örrrrk.“

„Noch einen einzigen Tag Orkkloputzen und ich spring vom Turm, Mann.“

„Das wird schwierig. Wir sind hier im Keller, falls dir das entgangen sein sollte.“

„Ich will hier raauuuuuus!!!“

„Bleib cool, Mann, ich arbeite ja schon dran …“

„Wieso? Hast du ‚ne Idee? Sag‘ schon, es stinkt zum Obergrausen!!“

„Manchmal erholen sich Akkus, wenn man sie wärmt. Hab’ ich mal bei Eschbach gelesen, im Jesusvideo.“

„Du liest?“

„Ja Mann, früher, als ich noch geglaubt hab’ … ach egal. Ich bunkere dein smartphone jedenfalls seit zwei Tagen in Ork-Kacke.“

„Börks, Mann!“

„Hör’ auf zu unken, Alter, oder hast du 'ne bessere Idee?“

„Red’ nicht, mach!“

„Da! Siehst du? Es funktioniert!“

Yipp…“

„Pschscht Mann, Ork hört mit!“

„Ist ja gut…“

„Ok, wo ist der Prompt?“

„Hier. Was geben wir ein?“

Back home natürlich, was dachtest du denn?“

„Dann los. Na drück’ schon, bevor der Akku wieder den Geist aufgibt!“

„Ah, es lädt … Moment: Aufgepasst!“

„Due to the large number of users, the server may experience problems. If you encounter an error, please try again.“

Eine andere (makabre) Weihanchtsstory

Blaue Nacht, Schneeflöcklein tanzen im Lichte der Sternlein.
Da, im dunklen Tann ein warmes Licht. Im Forsthaus mühet sich die Försterin, mit Plagerei, dass Werk wohl zu beenden. Da tönen aus der Ferne, Silberschellen. Der Alte, mit seinem Rauschebart und dem blutroten Mantel, über sein Haupt die Peitsche schwingend, so sein Gefährt schnell vorwärtszubringen. Und noch weit vor dem Forsthaus, hört man den greisen Kutscher rufen:

„Hey, gute Frau, habt ihr noch Sachen,
um Menschen in Not eine Freude zu machen.
Zum frohen Feste, denen die nichts haben,
zu beschenken, mit nützlichen Gaben.“

„Die sechs Pakete, heil’ger Mann,
‘ist alles, was ich geben kann.”

Vom Knall geweckt die Nase rümpfend, schreckte der Hase auf und blickte ängstlich drein, wo mag der Förster sein, nachzugehen seinem tödlichen Metier. Doch weit gefehlt, der Schuss drang aus dem Försterhaus, denn da hatte die Dame des Hauses beschlossen, zu Nikolaus unverdrossen muss es sein und sie bleibe künftig im Forsthaus allein. Denn der Manne, entpuppte sich immer mehr zum Tyranne. Und so ging der Störer in der Stube drinnen, von hinnen.
Nun musste die Försterin sich eilen, den frisch Erlegten, nach Waidmanns Sitte, sauber zu zerteilen. Stück für Stück, alles dekantieren und gerecht zu portionieren.

Zwei Seelen blicken glücklich in die Nacht, der eine mit reich gefüllten Sack, die Försterin ihr Werk wohl verbracht.

(Anmerkung: Bei dunkler Nacht, unterlag der Autor dem schwarzen Humor)

Das Christkind

Das beste Weihnachtsgeschenk aller Zeiten wird es werden! Oh mann, ich bin so aufgeregt, seit ich den Entschluss gefasst habe. Es wird einfach nur genial. Wahrscheinlich ist niemals zuvor jemand auf die Idee gekommen. Sie wird begeistert sein! Nichts wünscht sich meine Frau so sehr! Ich liebe sie und sie soll das bekommen, was sie sich schon lange am meisten wünscht. Nun ist noch Zeit. Ich kann alles gut vorbereiten und genau einfädeln. Natürlich ist das Geschenk so speziell, dass es kein Geschäft dafür gibt. Klauen könnte ich es. Hm. Aber da würde ich so meine Schwierigkeiten haben. Ganz einfach könnte ich erwischt werden. Nun ja, ich könnte mich ja vorbereiten: Die Sicherheitsleute betäuben, mich verkleiden. Auch müsste ich mir ein Alibi verschaffen. Klingt alles aufwändig. So hätte ich aber mit niemandem Kontakt. Es gäbe keine Spuren. Nichts würde auf den Diebstahl hindeuten. Aber ich bin doch kein Dieb! War es noch nie! Zwar könnten die Bestohlenen ganz leicht zu einem Ersatz kommen, hätten daher also keinen Verlust zu beklagen, aber, naja, so ist die verdrehte Moral der Gesellschaft; hinter mir her wären sie schon. Jedenfalls würde ich zu viele Fehler machen. Die paar Krimis, die ich im Fernsehen geschaut habe, sind nicht gerade der Ersatz für eine Lehre als Einbrecher und Dieb. Daher, so denke ich, werde ich mal das Internet konsultieren. Hier habe ich aber das Problem, dass Verkäuferinnen im Hintergrund sind. Illegale Verkäuferinnen. Aber was soll‘s. Diese haben schliesslich auch einen Ruf zu verlieren. Daher werden sie mal schön ihre Spuren verwischen.

Ich surfe also herum. Ist nicht gerade „Ware“, wie sie vom Goole-Algorythmus gefördert wird. Ich entschliesse mich also dazu, alternative Suchmaschinen zu suchen. Jetzt fällt mir ein, dass ich noch einen VPN-Client herunterladen sollte, um erst mal im Netz die Nachverfolgung meiner IP, meiner virtuellen DNA, zu verunmöglichen. Das Ding ist schnell installiert und ich turne virtuell zwischen Hong Kong, Vancouver, Wu-Han, Tokyo und Perth herum. Unglaublich: Schon der siebte Kaffee. Was werde ich meiner Frau am Morgen erzählen? Naja: Das Projekt in der Arbeit liess mich grübeln und wach halten. Noch ein paar Seiten. Das kann doch gar nicht so schwierig sein. Schliesslich finde ich hier im Dark-Net, in dem ich schon angekommen bin, bereits Sklavinnen, Kinderpornofilme und so Zeugs. Schrecklich! Wie kann man das nur machen! Wenn ich mit meinen Weihnachsbesorgungen fertig bin, werde ich mir diese Seiten vornehmen und sie zur Strecke bringen. Nun kann ich mich nicht mehr konzentrieren. Ich beschliesse, morgen weiterzusuchen. Das würde genügen.
Dark-Net heisst das hier also, so komme ich drauf. Meine Frau hat mir geglaubt wegen des Projektes. Schliesslich belügen wir uns nie. Das ist ja auch nur eine kleine Notlüge. Unbedeutend. Jetzt bin ich aber fündig geworden. Jawohl. Das ist es. Ohnehin gib es offenbar nur die eine Seite, die in meine Region liefert. Zu weit will ich ja zwecks Risikoverringerung auch nicht weg. Es gibt natürlich keine grosse Auswahl. Aber das macht nichts. Es wird sich im Laufe der Zeit so oder so an uns anpassen. Ich nehme das Durchschnittlichste, das es gibt. Meine Kreditkarte wird aufs Äusserste strapaziert. Aber meine hohen Gehälter lassen hohe Limite zu. Die Seite verspricht, mir offiziell ein teures Coaching zu verkaufen. Etwas, das ich also nicht herzeigen muss, falls gefragt wird und das sich leicht erklären lässt.

Heute ist die Übergabe. Ich bin ganz aufgeregt. Es ist der Weihnachtstag und ich habe meiner Frau gesagt, dass ich eine Überraschung für sie holen möchte. So ist meine Heimlichtuerei gerechtfertigt und sie beruhigt. Ich starte los. Will mir ein Ticket an der Bushaltestelle holen, weil ich bei einem Kauf über das App Angst habe, dass ich Spuren hinterlasse. An der Haltestelle angekommen, stelle ich fest, dass ich kein Bargeld mehr habe. Mit der Karte kann ich nicht zahlen. Unauffällig will ich mich bewegen, also möchte ich auch nicht schwarz fahren. Ich gehe zurück zum Haus und in den Keller, um das Fahrrad zu holen. Dort im Keller habe ich mich auch umgezogen: Meine alten Carnevalssachen habe ich angezogen: Die blonde Perücke, die Damenhose, den Hut, das einfache Tuch um den Hals. Auch Pumps hatte ich noch in meiner Grösse. Diese hatte ich vor ein paar Tagen getestet. An dem Tag, an dem ich meinen Computer „gereinigt“ hatte. Erst hatte ich den Browserverlauf gelöscht, dann alle Notizen. Danach hatte ich noch verschiedenste Verläufe gelöscht. Panik war aber nicht zu vermeiden gewesen, weshalb ich trotzdem das Betriebssystem neu aufgesetzt hatte. Ich hatte dann aber immer noch gezittert, geschwitzt und mir überlegt, ob da nicht trotzdem noch was zu finden sein könnte. Weil ich aber eine gute Versicherung habe, hatte ich dann zu guter Letzt auch noch einen stark gezuckerten Kaffe über den Computer gegossen, um ihn endgültig entsorgen zu können. Schwer war es mir dann gefallen meiner Frau und meinen Arbeitskolleginnen, sowie der Versicherungsvertreterin ein Theater vorzuspielen. Wie lästig das wäre, dass mir das passiert sei, wie dumm ich doch gewesen war, blaba.
Erstaunlich, wie manche Frauen tagtäglich mit solchen Latschen unterwegs sein können. Ich bin am vereinbarten Platz. Es ist alles gut durchdacht: Das Theater. Eine einzige Inszinierung. Es hat geheissen, ich solle mich strikt an das „Drehbuch“ halten. Ich stelle mir also vor mich so zu verhalten, wie ich es von manchen Transvestiten kenne. Weil ich die Dragkunst faszinierend finde, fällt es mir nicht schwer. Da: Ich sehe ihn in der Menschenmenge. Er hat das Bündel in der Hand. Unauffällig, wie irgendein Vater. Ich gehe auf ihn zu. Crap. Da verschwindet sein Kopf wieder in der Menge. Viele Leute sollten als Ablenkungsmanöver dienen. Das durchschnittliche Aussehen des Herren ebenfalls. Um ihn unter all den Leuten wiederzufinden ist es aber nicht sehr dienlich.

Plötzlich steigt mein Blutdruck auf den doppelten an, als ich von hinten einen Händedruck auf die Schulter bekomme. Er ist es wieder. Ich bin erleichtert und aufgeregt zugleich. Mein Adrenalin wird weiter in erhöhtem Masse produziert. Er, ebenfalls mit Sonnenbrille und einfachem Hut bekleidet, sieht mich an, sagt das Codewort. Ich küsse ihn links und rechts auf die Wange, um Vertrautheit zu simulieren. Er umarmt mich sogleich sanft. Ein paar belanglose Sätze wechseln wir. Wie vereinbart: Nichts zum Thema. Das Wetter, wie der Verkehr hierher war. Nun bekomme ich es. Verzückt sehe ich es an. Ich frage ihn noch, wie es wohl auch eine Mutter tun würde, ob es schon lange schläft, schon gegessen hat. Er antwortet knapp und verabschiedet sich freundlich. Es sieht wirklich friedlich aus, das Baby. Meine Frau wird ausflippen.

Weihnachten

Heute ist Heiligabend. Susi ist schon ganz aufgeregt. Ihr gehen viele Gedanken durch den Kopf. War sie auch artig genug gewesen, das ganze Jahr. Sie hatte im Kindergarten gehört, dass der Weihnachtsmann nur zu den artigen Kindern kommt. Doch, was ist mit den Erwachsenen überlegte sie. Susi beschloss ihre Eltern zu fragen. Langsam schlicht sie in den Flur entlang und lugte um die Ecke zum Wohnzimmer. Es war verschlossen. Klar fiel ihr wieder ein. Heute ist Heiligabend. Papa kümmerte sich dann immer um den Weihnachtsbaum. Er schmückte ihn wundervoll mit den bunten Kugeln. Am liebsten hatte sie den Goldenen Engel, den Papa immer ganz oben auf die Tannenspitze setzte. Sie stellte sich oft vor, dass sie selbst dieser wunderschöne Engel mit dem goldbraunen Locken war. Außerdem hätte sie eine wunderbare Aussicht von der Tannenspitze. Für einen Augenblick schwelgte sie diesen Gedanken noch nach, bevor sie ihren Weg fortführte in Richtung Küche. Dort wütete ihr liebe Mama, um ein herrliches Weihnachtsessen herzurichten. Mama sah sehr lustig aus, währenden sie in der Küche herumwirbelte. Sie hatte ein Handtuch um den Kopf geschlagen, welches wie ein Turban aus Aladins Märchen aussah. Ihre Schürze war mit ihren eigenen kleinen Händchen übersäht. Es war ein Kunstwerk aus dem Kindergarten, welches sie dort gefertigt hatte. Es freute Susi, dass ihre Mama diese Schürze trug. Obwohl sie nicht zu ihre Kopfbedeckung passt. Eine Weile beobachtete Susi ihre Mama noch, bevor sie vor ihr trat. Mama, fragte sie mit viel Freude in ihre Stimme. Ihre Mutter drehte sich lächeln zu Susi um. Bekommen auch Eltern von dem Weihnachtsmann Geschenke? Mit großen Augen schaute sie nun ihre Mama an und wartete auf eine Antwort. Überrascht von Susis Frage, überlegte ihr Mutter für einen Moment. Mmh, brachte sie hervor und runzelte ihre Stirn dabei. Weißt du mein Liebling begann ihre Mutter. Der Weihnachtsmann hat zwar viele Helfer, doch es gibt auch sehr viele Kinder auf der Welt für die der Weihnachtsmann am Heiligabend die Geschenke austeilen muss. Das sind so viele Geschenke für die Kinder, das dem Weihnachtsmann leider keine Zeit bleibt auch noch die Erwachsenen zu beschenken. Nachdenklich hebt Susi den Kopf. Das ist aber gemein. Kann der Weihnachtsmann nicht noch mehr Helfer kommen lassen, damit auch die Eltern beschenkt werden. Ihre Mutter schmunzelt. Das ist ein netter Gedanke Schatz sagte ihre Mutter. Doch meinst du nicht, dass auch ein Weihnachtsmann mal Urlaub machen darf. Schließlich braucht jeder Mal eine Auszeit auch der Weihnachtmann. Susi fand den Einwand berechtigt. Schließlich freute sie sich jedes Mal auf den Urlaub mit Mama und Papa. Da waren sie ganz für sie da und mussten nicht arbeiten. Sie genoss die Ferien mit ihren Eltern, weil sie immer viel Spaß und Zeit füreinander hatten. Susi ging in ihr Zimmer zurück. Es ging ihr nicht aus dem Kopf, dass Mama und Papa keine Geschenke bekommen sollten. Also machte sie sich ans Werk und malte ein Bild für ihre Eltern. Der Weihnachtsbaum war fertig geschmückt, das Weihnachtsessen war auch fertig. Mama zog sich das Handtuch nun vom Kopf zog sich ein schönes Abendkleid an und richtet ihre Haar fein her. Anschließend kümmerte sie sich um Susi und zog ihr ein schneeweißes Kleid an. Ihr langes blondes Haar wurde zu einem Zopf geflochten. Sie ähnelte tatsächlich dem Engel auf der Tannenspitze. Papa zog wie jedes Jahr seinen dunkelbrauen Anzug an. Die Spannung steigt. Susi konnte vor Aufregung kaum noch still stehen. Mama und Papa nahmen sie jetzt an die Hand und gemeinsam betraten sie nun das Wohnzimmer. Susis Augen leuchteten vor Freude. Sie wusste einfach nicht wie ihr Papa es jedes Jahr aufs Neue schaffte, den Weihnachtsbaum wundervoller zu schmücken als zum Vorjahr. Susi drückte ihrem Papa ganz Doll an sich und gab ihn einen flüchtigen Kuss auf seine Wange. Danke Papa für den wunderschönen Baum flüsterte Susi ihm ins Ohr. Plötzlich polterte es an der Eingangstür. In großer Erwartung, dass dies der Moment war, dass der Weihnachtsmann seinen Weg zu Susi gefunden hatte, ließ Susi für einen Augenblick erstarren. Ihr Papa ließ Susi los und schritt zur Haustür. Mit einem großen Sack auf den Rücken stand der Weihnachtsmann plötzlich vor Susi. Sie schaute zu ihm hinauf. Ihr entging nicht, dass der Weihnachtsmann auch seine Rute in der Hand hielt. Ho, Ho, Ho, sprach nun der Weihnachtsmann mit einer sehr tiefen Stimme Susi an. Ich hoffe, ich bin hier richtig bei Susi Müller. Susi verschlug es die Sprache für diesen kleinen Moment und nickte nur. Gut sprach der Weihnachtsmann weiter, dann haben mich meine Rentiere gut geführt. Susi wurde langsam entspannter. Ihr Papa brachte dem Weihnachtsmann nun ein Stuhl, auf dem er sich niederließ. Den großen Sack stellte er vor sich ab und öffnete ihn. Susi macht vor lauter Neugier einen langen Hals. Der Weihnachtsmann holte ein großes goldenes Buch hervor und blätterte einige Seiten um. Achja, meldete er sich dann wieder zu Wort. Susi Müller, fünf Jahre, geht gerne in den Kindergarten und tanz wie eine Ballerina. Susi hörte genau hin und stimmte mit einem Nicken dem Weihnachtsmann zu. So, so, manchmal möchtest du aber nicht schlafen gehen, erhebt der Weihnachtsmann die Stimme. Susi grinst über beide backen, weil sie die Stimme des Weihnachtsmann lustig findet. Der Weihnachtsmann bemerkt dieses. Na, na, was ist denn hier so lustig, spricht der Weihnachtsmann Susi jetzt direkt an. Ich finde deine Stimme so lustig, sagt sie mit einem Grinsen auf den Lippen. Der Weihnachtsmann erwidert ihr lächeln. Nun gut, mein liebes Kind, wie ich sehe bist du ein sehr braves Kind gewesen und ich denke, dass ich diese hier nicht brauche und streckte die Rute hervor. Energisch schüttelte Susi den Kopf und antwortet, die kannst du gerne wieder wegstecken. Der Weihnachtsmann tätschelt Susi nun den Kopf. Na, dann wollen wir mal schauen, was mir meine Elfen für dich mit gegeben haben. Ein griff in den Sack und das erste Päckchen wird sichtbar. Freudestrahlen streckt Susi ihre kleinen Hände danach aus. Doch der Weihnachtsmann hält inne. Moment mal ich hatte gelesen, dass du noch ein Gedicht vortragen wolltest. Susi haut sich gegen die Stirn. Ja, klar das Gedicht, das hatte sie ganz vergessen. Doch mit viel Stolz trug sie nun ihr Gedicht vor.

Weihnachtsbaum

Ein Weihnachtsbaum erhellt den Raum,
schau nur hin man glaub es kaum.
Die Lichter strahlen kunterbunt,
und verzaubert uns die Stund`.
Das Lametta glitzert silbrig grau,
ja die Kinderaugen sah’s genau.
Oben auf der Tannenspitze,
war ein goldener Stern und blitzte.

Der Weihnachtsmann bedankt sich für das schöne Gedicht und übergibt ihr nun das Päckchen. Susi fällt nun wieder ein, dass Mama und Papa ja gar keine Geschenke vom Weihnachtsmann bekommen. So bittet sie den Weihnachtsmann um einen kleinen Gefallen und flüstern ihm etwas ins Ohr. Susi verschwindet kurz in ihr Zimmer und kommt mit einer kleinen Überraschung zurück. Der Weihnachtsmann hatte in der Zwischenzeit die Eltern von Susi gebeten für einen Augenblick die Augen zu schließen, bis er ihnen erlaubt diese wieder zu öffnen. Susi übergibt ihm das Bild was sie für ihre Eltern gemalt hat. Der Weihnachtsmann legt es kurz in seinen Sack ab und ließ die Eltern wieder die Augen öffnen. Nun wandte der Weihnachtmann sich an die Eltern und sagte ganz überrascht. Es kommt nicht häufig vor, doch mir haben auch meine kleinen Elfen, etwas für sie mitgegeben. Ein Griff in den Sack und ein Bild kam zum Vorschein. Der Weihnachtsmann hielt es den Eltern entgegen und zwinkerte Susi zu. Susis Mama war so gerührt, das ihr einige Tränen über ihre Wange liefen. Susi freute sich und lächelte ihre Eltern an. Nun erhob sich der Weihnachtsmann und verabschiedete sich mit einem Ho, Ho, Ho, Frohe Weihnachten.

Weihnachtsschlaf

Es war einmal vor langer Zeit ein kleiner Bub in einem kleinen Dorf unweit einer kleinen Stadt irgendwo weit draussen auf dem Land. Der Bub war sehr, sehr herzig, und grosse braune Augen hatte er. Wann immer er jemanden ansah, wurden die Herzen weich. Es schien fast, als könne er haben, was er wollte. Wenn er einmal etwas nicht bekam, blickte er verständnislos in die Welt und fing an zu weinen. Und wenn er weinte, schien es als würde die Sonne nie mehr scheinen, auch nicht über den Wolken, und die Welt ginge unter. Er dachte wirklich nicht darüber nach, wie gut es ihm ging. Er freute sich einfach an allem und jedem. Weil er sich immer freute, hatten ihn die Leute sehr lieb. Menschen sind immer gerne bei Leuten die sich über alles freuen (ausser natürlich, es ist Schadenfreude. Aber Phileas war noch zu klein um zu wissen, was Schadenfreude ist).

Wenn er abends zu Bett musste, freute sich Phileas auf das Lied, das die Eltern sangen. Er schaute dann mit seinen grossen Augen vom Papa zur Mamma und zurück, und strahlte. Nur wenn sie weggingen aus dem Zimmer, und er alleine einschlafen musste, dann schrie er. Seine Eltern hatten ihn sehr lieb, und sie konnten noch nicht so gut streng sein. Sie dachten, er sei noch zu klein, um zu verstehen, dass er alleine einschlafen muss. Deshalb holten sie ihn wieder aus dem Schlafzimmer. Er war glücklich, und irgendwann war er so müde, dass er nicht einmal mehr schreien mochte, und schlief ein.

Der Papi von Phileas war schon ein alter Kerl und hinkte. Er war auf einem Berg umgefallen, und sein Fuss ging nicht mehr so gut. Phileas Mutter war auch nicht mehr so jung, aber sie sah so jung und schön aus, dass alle immer glaubten, sie sei noch gar nicht alt.

Eines Abends gab es viele schöne Lichter in der Stube, und Phileas dachte: Ich bin einfach zu glücklich, um zu Bett zu gehen. Deshalb lachte er immerzu und machte lustige Laute. Er durfte auf Papas Bein sitzen und half, Dinge zu machen. Als Mamma ihm den Pyjama anzog, gluckste er vor Freude und strahlte sie an. Doch Mamma und Papa waren so müde, dass sie schlafen wollten. Deshalb steckten sie ihn trotzdem schon ins Bett. Da fing er an zu schreien wie am Spiess. Die Eltern dachten: „Kann er denn nicht einfach ruhig sein und schlafen?“ Phileas konnte einfach nicht, weder ruhig sein noch schlafen. Er hatte nämlich den ganzen Tag immer wieder geschlafen, und er fand es einfach überhaupt nicht nach schlafen. Deshalb schrie er immer weiter, bis Mami ihn aus dem Bett holte. Sie setzten ihn in seinen Babysessel, und er sah wieder die vielen Lichter und freute sich. Doch Mamma und Papa waren sehr, sehr müde. Deshalb hörte Papa auf, diese Geschichte zu schreiben, und ging zu Bett. Er nahm Phileas mit und legte ihn zu sich auf den Bauch. Dort war es sehr kuschelig und warm.

Mamma kam dann später auch ins Bett. Sie braucht halt immer etwas länger, weil sie sich pflegen muss, damit sie schön bleibt und weiterhin alle Leute denken, sie sei noch ganz jung. Papis Brust hob und senkte sich regelmässig mit dem Atem, Phileas hörte aufmerksam zu, wie er ein- und ausatmete. Da machte ihn nun doch müde, und er schlief ein und hatte einen ganz schönen Traum und wachte nicht auf bis es Morgen war und die Sonne schien. Nicht einmal Papis Schnarchen weckte ihn auf.

Das Fest des Lichtes

Silas, der keltische Jäger, lag schon seit Stunden auf der Lauer. Wo blieb das Beuteltier, dass er so dringend brauchte. Neben ihm ruhte seine Jagdhündin Serai und tat, als würde sie schlafen. Er wusste, dass sie sich bei der geringsten Veränderung sofort rühren würde. Als Jäger war er Warten gewohnt, das war nicht das Problem. Aber er war in Zeitnot, denn in zwei Tagen war schon das Fest des Lichtes. Das hatte der Schamane schon lange bekannt gegeben. Und daran konnte man nichts ändern, denn von diesem Tag an kam das Licht zurück und es wurde wieder heller.
Es war in jedem Jahr dasselbe. Es ging einfach nicht ohne Stress ab. Jedes Mal dachte er, dass er rechtzeitig mit den Geschenken angefangen hätte und jedes Mal kam etwas dazwischen. In diesem Jahr, schienen die Beuteltiere ausgestorben zu sein. Und das war eine Katastrophe. Denn sie hatten in ihrem Beutel die Essenz, die so fantastisch gut roch und von seiner Frau geliebt wurde. Für sie gab es kein anderes Geschenk. Alle anderen Geschenke hatte er schon lange fertig. Wie immer hatte es Spaß gemacht für die Kinder das neue Spielzeug zu schnitzen. Der Lichterbaum war schon vorbereitet.
Trotz all dem Stress freute er sich auf das Fest. Sie würden an dem Tag alle zusammen in die große Halle gehen. Der Schamane würde sich freuen, denn da kamen viele, die man das ganze Jahr dort nicht gesehen hatte. Dann würden sie zu Hause nach dem Essen den Lichterbaum anzünden und die Geschenke verteilen. Alle würden sich riesig freuen und umarmen. Nur mit seinem Schwiegervater kam er nicht klar und seine Frau hatte in manchem Jahr schlichten müssen.

Schluss mit den Gedanken, denn jetzt rührte sich die Hündin. Wunderbar anzusehen, kommt doch da tatsächlich ein Beuteltier. Jetzt wird es ein wunderbares Fest des Lichtes.

Der Familenhelfer,

Freudige Gesichter der Mitarbeiter in Kaufhaus, bald haben sie Feierabend ihre Familien warten schon sie ,Um Weihnachten zu feiern ,. Die letzten Kunden und einige, von diesen Kunden in den letzten Minuten Geschenke kaufen . Und auch oft sehr zum Ärger der Mitarbeiter des Kaufhaus in en letzten fünf Minuten, durch die Kaufhaustür hereinkommen . Zweieinhalb Tage wird das Kaufhaus geschlossen sein…
Dem Chefs des Kaufhaus fiel ,in der Spielzeugabteilung des Kaufhaus eine Oma und ein älterer Mann auf, etwas jünger wie die Oma, Die aber noch sehr fit aussah und wie es aussieht auch sehr fit ist… Der älterer Mann und die Oma gehörten anscheinend nicht zusammen, Aber kannten sich flüchtig, so. wie es aussah, Die Oma starrte den älteren Mann mit wütenden Blicken an, und ihre Blicke sagten ungefähr , dir werde ich es zeigen … Der Chef des Kaufhauses dachte bei sich, hoffentlich ist das kein Ablenkungsmanöver, Und die beiden sind Diebe, auch wenn es schwer ist, in dem Kaufhaus zu klauen. Wenn es sehr geschickte Diebe sind, besonders in dem Trubel am 24. Dezember in dem Trubel, Haben manche geschickte Diebe ein leichtes Spiel: Die letzten drei Minuten bevor das Kaufhaus zumacht. Jetzt waren nur noch der ältere Mann und die Oma als Kunden da, Die Oma hatte schon eingekauft Spiele für ältere Kinder. und war am weggehen. Der Chef des Kaufhaues hatte nicht bemerkt, das sie Oma ihm den Schlüssel geklaut hatte. mit dem er das Kaufhaus abschloss., Untern an der Türe im Kaufhaus hatte Oma beobachtet, wie alle Kunden bis auf den ältere Mann , das Kaufhaus verlassen haben. Bevor der Mann nach unter kam, hatte Oma schnell das Kaufhaus abgeschlossen., Nur hatte Oma vergessen, das der Chef auch in Kaufhaus war, noch in der Spielzeug Abteilung mit dem älteren Mann zusammen. Die Oma hatte für den älteren Mann einen Brief hinterlassen

Sehr geehrter Herr Familenhelfer,

Durch ihre Schuld waren wir heute nicht bei dem Geburtstag meines Enkel der heute 13 geworden ist, Auch wenn mein Sohn ein behinderter Papa ist, liebt er seinen Sohn sehr Und mein Sohn ist fast wahnsinnige vor Schmerz geworden, das er heute nicht Geburtstag mit seinen Sohn feiern konnte, Natürlich ist es sehr weit bis zu dem anderen Bundesgebiet und das Wette. war auch ein wenig gefährlich , Aber mein Sohn hätte das alles in Kauf genommen für seinen Sohn um mit ihm Geburtstag zu feiern,. Auch wenn wir im Januar nachträglich feiern, ist das nicht das gleiche wie heute an seinem Geburtstag, Und auch sie können nachträglich Weihnachten feiern mit ihren Familien und deswegen habe ich sie eingeschlossen, sie haben einen behinderten Papa sehr verletzt…

     Frohe Weihnachten 

Und so kam es das der Chef aus den Kaufhaus au den sowie niemand wartetet um mit ihn Weihnachten zu feiern .Mit dem Familenhelfer zusammen, Zwischen den noch wenig verbleibenden Kuscheltiere, Puppen und andere Spielsachen Weinachten feierte.

  Frohe Weihnachten

Die Weihnachtsgeschichte

„Oh Gott, nächsten Monat ist schon wieder Weihnachten“, sagte Britta und sah durch die schlecht geputzten Fenster nach draußen auf die Straße, auf der sich graue Schneematschreste in einer Front aus Warmluft auflösten.
Wir wohnten damals in einem Hausprojekt, das aus unterschiedlichen, abgeschlossenen Wohnungen bestand. Ich wohnte mit Britta und Bernhard im Erdgeschoss, die große Fenster hatte und wo wir uns am meisten trafen.
Brittas Satz hing wie ein klebriger Streifen über dem großen Küchentisch aus schwarz gebeiztem Eichenholz und wollte sich nicht vertreiben lassen.
„Und wenn wir Weihnachten einfach einen Monat früher feiern?“, fragte Thomas aus dem ersten Stock und fuhr mit dem Daumennagel der Maserung der Tischs nach.
Der Satz verhallte und waberte durch den Raum wie ein Blitz, der noch nicht den Baum gefunden hatte, in den er einschlagen sollte.
„Du meinst“, sagte Kirsten und richtete sich unsicher aus der Haltung auf, mit der sie ihren Kopf auf der Tischplatte aufgestützt hatte, „am 24. November? Darf man denn das? Dann ist doch noch gar nicht Weihnachten!“
„Na und?“, sagte Bernhard, dessen Zimmertür offengestanden hatte und der sich zu den anderen an den Tisch setzte. „Wer sollte uns vorschreiben, wann wir Weihnachten zu feiern haben. Die Christen haben doch auch nur die Wintersonnenwende genommen und darauf ihr Geburtsfest moduliert.“
„Es gibt doch noch gar keine Tannenbäume“, sagte Britta.
„Keine gewachsenen“, sagte Thomas, „nur Gegossene aus Plastik.
„Und als Schnee nehmen wir Rasierschaum“, sagte Kirsten, die jetzt kerzengerade am Tisch saß.
„Und was machen wir am 24. Dezember?“, fragte Britta kleinlaut.
„Das sehen wir dann, wenn es so weit ist“, sagte Bernhard.

Der Plan war gefasst, die Vorbereitungen liefen auf Hochtouren, die anderen Wohnungen aus dem Haus waren mit dabei, jeder übernahm eine Aufgabe. Mit den Eigentumsrechten nahmen wir es damals nicht so genau, doch die Alltagsmäntel waren bestens dafür vorbereitet.
„Die beiden Kisten Bier habe ich nur umsonst bekommen, weil ich die Kassiererin eingeladen habe. Ist das in Ordnung?“, fragte Bernhard.
„Ist sie hübsch?“, fragte Thomas.
„Natürlich ist sie hübsch. Hätte ich sie sonst eingeladen?“
„Na ja, für zwei Kisten Bier?“

Der 24. November war ein Dienstag. Wir fingen früh mit den Essensvorbereitungen an, überall brannten Kerzen in der Küche. Der ‚Tannenbaum‘ war klein für die hohe Zimmerdecke. Wir bauten ihm ein Podest und verlängerten ihn nach oben mit einer Lichterkette, die bis zur Decke reichte. Der Duft des Rotkohls zog durch die Wohnung und vermischte sich dem der Gans, die im Ofen schmorte.
Dann war alles fertig und zu dem Gesang zu ‚süßer die Glocken nie klingen‘, machten wir uns über das Essen her und beglückwünschten uns für unsere mutige Entscheidung, uns dem Diktat der Kirche widersetzt zu haben.
Am nächsten Morgen, ‚unserem‘ 1. Weihnachtstag waren alle Cafés offen und wir brunchten ausführlich. Danach machten wir einen langen Spaziergang. Am 24. 12. aßen wir gemeinsam, kamen uns jedoch wie ein Filmteam vor, das bei den Resten der Hauptszene saß. Wir hatten zwei Erlöser geboren und mussten uns für einen entscheiden. Wir diskutierten lang und nahmen dann den vom 24. November, weil der schon sprechen konnte.

Die dunkle Jahreszeit

Die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr war für mich immer die schönste und zugleich schlimmste Zeit des Jahres. Es verhielt sich ähnlich wie mit meinem Geburtstag. Ich freute mich auf Heiligabend und Silvester, doch war der Tag gekommen, wünschte ich, er wäre noch meilenweit entfernt. Der Grund dafür war einfach: Es konnte niemals so schön werden wie in meiner Phantasie, denn der Mensch, der mir mehr als alles andere im Leben bedeutete, fehlte bei diesen Festen, stets jedes Jahr aufs Neue. Der Gedanke daran schmälerte jede Lebensfreude, jedes Lächeln, das ich aufsetzte, den Geschmack des Essens und ließ mein Herz von den Geschenken, die ich erhielt, unberührt. Ich wünschte mich an einen anderen Ort, mit anderen Menschen, zu einer anderen Zeit. Es war nicht fair gegenüber den Verwandten, welche die Feste tatsächlich mit mir feierten, sie konnten nichts dafür, dass ich ihre Gesellschaft, die Realität, als ungenügend empfand. Sie waren nicht die Menschen, die ich mir ersehnte und doch waren sie hier, die einzigen, die wahrhaftig für mich da waren, auch wenn egal was sie sagten oder taten, es mein Leid niemals in dem Maße linderte, wie das Loch in meinem Herzen es brauchte. Vielleicht, nein ganz gewiss, sollte ich ihnen dankbar sein. Doch ihnen das zu zeigen, da fangen die Schwierigkeiten des Lebens an.
Die Hoffnung auf ein Weihnachtswunder hat sich noch nie erfüllt. Der Trost zu Silvester, das Feuerwerk am Nachthimmel, gehört bald der Vergangenheit an. Bei so viel Trübsal bleibt wenigstens genug Spielraum, um Vorsätze fürs neue Jahr zu beschließen. So träume ich weiter von dem Moment, in dem es an der Tür klingelt und du vor mir stehst und wir einander in die Arme fallen, auch wenn der rationale Teil meines Verstandes sagt, dass dieser Tag niemals kommen wird. Doch habe ich mich in meinem Leben schon oft geirrt. Also wer weiß… Eines Tages… Wer weiß… Vielleicht gibt es dann auch endlich wieder weiße Weihnacht.

Eine blonde Elfe in einem Weihnachtskostüm, das aufregend viel Haut unbedeckt ließ, saß auf meiner Bettkante, derweil ein Julbock den Tannenbaum fraß. Ich rieb mir schläfrig die Augen.
„Dein Wunsch wurde erhört“, erklärte sie und leckte an einer Zuckerstange.
„Was soll das heißen?“, fragte ich verwirrt.
„Du hast dir ein Rollenspiel gewünscht“, erinnerte sie mich. „Nun hol schon die Rute raus. Ich habe nicht die ganze Nacht Zeit, um deinen Sack zu leeren. Es gibt noch genug einsame Frauen und Männer, die auf mich warten.“

Erneut erwachte ich, diesmal weil es an der Tür läutete. Oh man, was für ein feuchter Traum. Im Schlafanzug gehe ich an die Tür und plötzlich stehst du vor mir. Fuck.

„Frohe Weihnachten“, sagst du und musterst neugierig mein Outfit. „Gehst du immer so an die Tür?“

Am liebsten würde ich vor Scham im Boden versinken, denn eines habe ich immer gewusst: Wenn es passiert, dann gewiss zu einem unpassenden Zeitpunkt.

Euch allen einen guten Rutsch.

Inspiriert durch die Beobachtungen in den vergangenen Tagen ein Haiku.

Vorweihnachtszeit

Hektisches Treiben.
Festlich geschmückte Fenster.
Es wird Weihnachten.

„Papa…,dieses Jahr wird der Weihnachtsmann nicht kommen“.
Dicke Tränen kullerten über die Wangen des kleinen Jungen.
„Wie kommst Du darauf mein Süßer?“
Georg nahm seine geliebte Kochmütze ab und legte sie auf den Küchentisch. Nina fand diese Kochmützen-Tradition immer zum schreien komisch, und auch etwas peinlich. Aber sie gewährte Georg diesen Spaß, weil sie wusste, dass dieses Erbe seines Vaters, ihn sehr glücklich machte.
Oft sagte sie: „ Vielleicht kochst Du ja damit auch mal so sensationell wie dein alter Herr“, dann umarmte sie ihn immer so fest, dass er ihren türkisfarbenen Lieblingsedelstein an seiner Brust spürte. Lebensfreude, Vitalität und gute Laune soll er schenken, aber Georg sagte oft, dass mit großer Wahrscheinlichkeit Nina all die Eigenschaften an den Stein weitergibt. Seine Nina.
Wie er das vermisste, wie er sie vermisste, wie er seine kleine Familien Idylle vermisste.
Um so mehr schmerzte ihm das Herz, den Kleinen so traurig zu sehen, das größte Geschenk ihrer Liebe.
Niko schaute aus dem Fenster, draußen pfiff ein eisiger Wind durch den Garten. Der Schnee wirbelte auf und legte sich an anderer Stelle wieder nieder. Die Lichterketten wackelten gefährlich, und der Sturmgesang klang beängstigend.
„ Weißt du Niko, der Weihnachtsmann hat einen absoluten Hightech Schlitten, dem macht so ein bissl PustePusteWind nichts aus.“
Niko drehte sich zu seinem Papa und sah ihn aus kleinen braunen Pfützchen an.
„Als ich mit Tante Lina in der Stadt war, habe ich ihn gesehen. Er hatte nur noch alte Sachen an, die nicht mal dick genug waren. In seinem Bart hingen Schneeflocken und seine Finger waren schon ganz doll gefroren. Ich habe ihn angeschaut und gesehen, dass seine Augen sehr traurig waren. Ich glaube, er hat alles verloren und nun sitzt er neben dem Einkaufszentrum und hofft, dass er mal ein paar kleine Geschenke bekommt, aber alle Leute sind nur hektisch vorbeigelaufen. Tante Lina hat ihm dann etwas Geld in seine Sparbüchse gesteckt.
Vielleicht kann er sich ja eine Decke davon kaufen.“
Niko senkte die Äuglein und drehte sich wieder zum Fenster, Georg stand wie erstarrt hinter ihm.
Er brauchte ein paar Minuten um die Worte zu verarbeiten, aber dann fällte er einen Entschluss.
„Weißt Du was? Wir feiern dieses Jahr mal ganz anders Weihnachten. Geh und zieh dich ganz dick an, wir besuchen den Weihnachtsmann und bringen ihm Geschenke.“
Niko strahlte und rannte sofort los, Georg packte währenddessen Schlafsäcke, Decken, Socken Handschuhe und noch einiges mehr zusammen.
Das Essen verstaute er in Wärmeboxen und dann machten sich die Zwei in ihrem kleinen Fiat auf den Weg in die Innenstadt.
Dort trafen sie auf den „Weihnachtsmann“ und luden ihn zum Essen ein.
Dankbar nahm Fred“Weihnachtsmann“ die Geschenke entgegen und meinte, dass er sie auch gern mit seinen Elfen teilen möchte. Niko sprang vor Freude in die Luft. Langsam gesellten sich diese dann zu ihnen und gemeinsam ließen sie sich das Kochmützenmenü schmecken.
Interessiert blieben nun auch einige Spaziergänger stehen, manche hatten Kleinigkeiten dabei, die sie spontan teilten, ein junger Mann holte seine Gitarre heraus und stimmte Weihnachtslieder an.
Ein Gastwirt, der schon eine Weile das Treiben beobachtete, öffnete seine Türen und winkte alle in sein warmes Kaminzimmer.
Später am Abend nahm Fred „Weihnachtsmann“ den kleinen Niko an die Seite und schenkte ihm einen türkisfarbenen Stein.“ Von Deiner Mama“.

Das Gericht zum Feste
(ein unfertiger Entwurf – hab einfach keine Lust mehr, daran weiterzuschreiben)
Und bitte beachten: Papyrus 11 hab ich ja nun schon. Darum möge die Losfee an meinem Los bitte vorbeigreifen!

Richter
Herr Angeklagter. Als Ihren Namen haben Sie Babo Natale angegeben. Bezüglich Ihres Wohnortes verweigern Sie seit Ihrer Inhaftierung jede Aussage. Ebenso verhält es sich mit Ihrem Geburtsdatum und Ihrem Geburtsort. Das Gericht geht aufgrund Ihres Namens jedoch davon aus, dass sie italienischer Herkunft sind. Sind diese Angaben korrekt?

Weihnachtsmann
Ihre Daten sind korrekt bezüglich der Tatsache, dass Sie von mir keine Angaben über meine Herkunft und meinen Wohnort bekommen. Was meinen italienischen Namen angeht, so ist das nur einer von vielen. Ich verwende mehrere und dieser macht mir seit einigen Jahren am meisten Spaß. Es lässt sich von ihm aber auf keine Herkunft schließen. Das liegt übrigens nicht an mir – aber das habe ich ja schon mehrere Male zu Protokoll gegeben – sondern einfach daran, dass ich keine wirkliche mir bekannte Herkunft habe. Ich war einfach schon immer dort, wo man an mich glaubte.

Richter
Nun gut. Soweit hierzu. An dieser Stelle konstatieren wir einfach mal, dass uns über den Angeklagten keine Informationen über ihn selbst zugänglich sind, mit denen das Gericht gut arbeiten kann. Ich muss Sie, Herr Natale, aber dennoch darauf hinweisen, dass im Falle einer verweigerten Aussage, die hier im Gerichtssaal vorgetragenen Fakten zu Ihren Ungunsten ausgelegt werden können. Haben Sie das verstanden?

Weihnachtsmann
Natürlich. Ich bin ja nicht blöd. Doch frage ich mich, ob Sie, Herr Richter, eigentlich in der Lage sind, mein Anliegen wirklich zu verstehen.

Richter
Wenn ich Sie darum bitten dürfte, Ihren Ton ein wenig zu bändigen!

Weihnachtsmann
Ich meinte das nicht despektierlich. Ich meinte das ernst und wollte damit nur eine wichtige Tatsache feststellen.

Richter
Wie dem auch sei. Die Staatsanwaltschaft wird nun die Anklageschrift verlesen. Herr Staatsanwalt, wenn ich bitten dürfte.

Staatsanwalt
Aber sicher. Dem hier anwesenden Herrn Babo Natale wird vorgeworfen, die saisonal über das Maß ansteigende Umweltverschmutzung durch Papier- und Plastikmüll sowie den Klimawandel maßgeblich mitverursacht zu haben. Ferner habe er den Klimawandel irreversibel gemacht, indem er den Menschen die Fähigkeit genommen habe, sich von dem Weihnachtsfest zu distanzieren.
Zur näheren Erläuterung sei das Folgende zu sagen: Herr Natale betätigt sich schon sein ganzes Leben lang als derjenige, in dessen Namen sich die Menschen gegenseitig Geschenke machen, miteinander Weihnachten feiern, dabei viel essen und trinken, außerdem übermäßig viel Beleuchtungsmittel betreiben. Dies führt auf mehreren Ebenen zu einem äußerst klimaschädlichen Verhalten, das sich in maßlosem Konsum äußert. Außerdem hat er es bewerkstelligt, dass die Menschen, die das Weihnachtsfest in seinem Sinne begehen, nicht mehr in der Lage sind, von den damit verbundenen Strapazen abzusehen. Das wiederum führt zu vielen mit dem Weihnachtsfest verbundenen Leiden wie Stress und Aggressivität in den Familien, zwanghafter Konsum verbunden mit einem Wettbewerb, sich im Konsum zu überbieten. Wiederum damit verbunden sind Schuldgefühle bei denen, die im Konsumwettbewerb unterliegen sowie eine sukzessive Steigerung narzisstischer Spannungen, die schon früh als Disposition an die nächsten Generationen weitergegeben werden, welche wiederum …

Richter
Danke, das reicht. Ich glaube, das Problem hat hier im Saal jeder verstanden. Wir müssen an dieser Stelle nicht vom Hundertsten ins Tausendste kommen. Dazu wird im weiteren Verlauf der Verhandlung noch Zeit sein. Herr Natale, haben Sie die Anklage verstanden.

Weihnachtsmann
Ich habe im Prinzip natürlich verstanden, worum es geht, halte diese Anklage jedoch für an den Haaren herbeigezogen. Aber auch um das zu erläutern wird im weiteren Verlauf der Verhandlung sicher noch Zeit sein.

Richter
Dann kommen wir nun zur Beweisaufnahme. Ich bitte den ersten Zeugen in den Zeugenstand, Herrn Detlev Müller. (Herr Müller nimmt Platz.) Herr Müller, Sie treten in diesem Verfahren auf eigenen Entschluss und Wunsch sowohl als Zeuge als auch als Nebenkläger auf. Können Sie das erläutern?

Herr Müller
Sicher! Ich bin sowohl Vater von drei Kindern als auch selber eines von fünf Kindern. Ich bin in einer kinderreichen Familie großgeworden; und das im Wesentlichen in der Zeit nach dem Wirtschaftswunder. Können Sie sich vorstellen, was das heißt?

Richter
Das kann ich sicherlich. Möchten Sie dies bitte dennoch für alle Anwesen erläutern!

Herr Müller
Das will ich gerne tun! Noch meine Großeltern haben immer von einer unbeschwerten Kindheit gesprochen. Und das taten sie, obwohl sie im selben Atemzug immer hervorhoben, dass es nichts gab und dass der Krieg eine schwere Zeit für sie war. Meine Generation dagegen ist in stabilen Zeiten aufgewachsen: ohne Krieg, in materiellem Wohlstand und mit allen Vorzügen, die das Leben der Nachkriegsgeneration nun einmal so ausmachte. Der Generation meiner Kinder geht es ähnlich. Auch sie wachsen eigentlich wohlständig auf. Es fehlt ihnen an nichts … naja … an manchem vielleicht schon. Und trotz allen Vorzügen, die die letzten Generationen so genießen konnten und können, stimmt einiges nicht. Es ist schwer zu beschreiben. Es durchzieht den Alltag von uns modernen Menschen. Es klebt an unserer Oberflächlichkeit. Es beeinflusst, wie wir denken, schauen, gehen und gestikulieren. Es ist etwas, das keine Farbe hat, etwas, das nach nichts riecht, etwas Zähes, das uns hemmt und unzufrieden macht. Es sorgt dafür, dass unser Alltag von Bitternis durchdrungen ist. Es macht uns unzufrieden, immer, latent. Und weil es das macht, sind wir immer ein wenig gierig. Ich habe mich lange gefragt, woher das kommt und warum es so sein muss, dass wir heute eigentlich nichts mehr wirklich können müssen außer Geld verdienen und Geld ausgeben, und warum es so sein muss, dass wir nicht anders können, als uns über das zu definieren, was wir haben und das immer das Resultat einer nicht aus uns selbst stammenden Gier ist, die sich tief in uns eingenistet hat und sich dort verbirgt, weshalb wir nicht mehr in der Lage sind, sie genau zu bezeichnen.

Richter
Verzeihen Sie, wenn ich Sie hier einmal unterbreche. Doch bevor Sie sich noch weiter in Enzensbergersche Hypotaxen verlieren, können Sie bitte zu dem Punkt kommen, der für Sie bestimmend war und der letztlich dazu geführt hat, dass wir heute hier in dieser Gerichtsverhandlung sitzen!

Herr Müller
Ja, klar kann ich das. Es liegt doch offen zutage. Man muss sich nur fragen, an welchem Punkt das von mir geschilderte Szenario seinen bitteren Höhepunkt erreicht und die Menschen bis zur Selbstauflösung dazu bringt, viel Geld in die Kaufhäuser zu bringen.

Richter
Würden Sie uns das auch bitte sagen?

Herr Müller
Es ist Weihnachten! Weihnachten ist der Punkt in jedem Jahr, an dem uns am stärksten spürbar wird, woran wir alle und vor allem unsere Kinder leiden. Es ist der Zwang, irgendetwas sinnlos Verpacktes in der Hand zu haben, um es an jemanden weiterzugeben, von dem wir denken, dass er enttäuscht wäre, wenn wir das nicht tun würden, und der wahrscheinlich genau dasselbe aus genau denselben Beweggründen zuhauf im Kreise seiner Verwandtschaft wieder tut. Können Sie ermessen, welches zahllose Leid damit verbunden ist … und wie dieses Leid proportional zur Größe von Familienmitgliedern wächst und wie es noch zusätzlich proportional zu der Anzahl derer wächst, die wir eigentlich nicht mögen und bei denen wir im Grunde unseres Herzens froh sind, dass wir sie zwischen den Weihnachtsfesten nicht sehen müssen? Haben Sie eine Ahnung, wie wenig unbeschwert der Gegenwartsmensch lebt?

Richter
Wenn ich Sie also richtig verstehe, beschuldigen Sie Herrn Natale, dass er Ihnen Leid zugefügt hat. Im Sinne einer Körperverletzung?

Herr Müller
Nein! Das ist keine Körperverletzung. Es geht hier um wesentlich mehr. Es geht hier um einen Raub an einer ganzen Generation … was sage ich; um Raub an mehreren und wahrscheinlich auch an kommenden Generationen. Herr Natale hat uns Unbeschwertheit geraubt und die Fähigkeit, uns auf das zu konzentrieren, worauf es wirklich im Leben ankommt. Das sollten wir doch eigentlich am Weihnachtsfest zelebrieren, oder?

Richter
Herr Staatsanwalt, haben Sie Fragen an den Zeugen?

Staatsanwalt
Danke, Herr Richter. Viele sind es nicht, da der Sachverhalt aus meiner Sicht recht klar ist. Herr Müller, wie hoch ist Ihr Müllaufkommen?

Herr Müller
Bitte? Ich verstehe Ihre Frage nicht. Soll das eine Anspielung auf meinen Namen sein?

Staatsanwalt
Bei dieser Frage gibt es nichts zu verstehen. Ich meine sie wirklich so, wie ich sie gestellt habe. Unter Müll verstehe ich das, was sie täglich in die Mülltonne tun, in das Altpapier und dergleichen sowie all das, was Sie zuhause liegen haben, jedoch nicht mehr benutzen, und das damit gewissermaßen in der Warteschlange steht, um bald selber auf den Müll zu wandern.

Herr Müller
Nun … wir haben als fünfköpfige Familie natürlich jeden Tag ungefähr einen Sack Müll, der in den Müllcontainer kommt. Dazu kommen ein Altpapierstapel, den wir einmal die Woche in den Altpapiercontainer bringen sowie alle möglichen Flaschen und Gläser, die ins Altglas kommen … bis natürlich auf das, was wir als Pfand zurückgeben. Und die von Ihnen angesprochenen Dinge, die wir nicht benutzen und die daher im Grunde auch schon eine Art von Müll sind – die haben wir natürlich bei uns auch. Da sind viele Kleidungsstücke, einige elektronische Geräte, Schuhe, Spielzeug, ein paar alte Fahrräder, nicht ausgepackte Kartons im Keller vom letzten Umzug, Geschirr, das wir nicht wirklich benutzen sowie auch einige Küchengeräte, die nach einer kurzen Phase der Faszination in Vergessenheit geraten sind.

Staatsanwalt
Wenn Sie all dies zusammennehmen, kommt also eine Menge zusammen, oder?

Herr Müller
Gewiss. Und ich bin nicht wirklich stolz darauf.

Staatsanwalt
Können Sie beschreiben, auf welche Weise sich das Müllaufkommen bei Ihnen um die Weihnachtszeit herum verändert?

Verteidigung vom Weihnachtsmann
Einspruch! Das ist doch jetzt vollkommen suggestiv!

Richter
Einspruch abgelehnt. Das dient der Einschätzung der mit Herrn Natale in Verbindung gebrachten Probleme. Sie werden später noch Gelegenheit haben, Fragen an den Zeugen zu stellen, die der Verteidigung von Herrn Natale dienen. Herr Müller, fahren Sie bitte fort.

Herr Müller
Das Müllaufkommen wächst natürlich spürbar. Das fängt schon bei dem ganzen Geschenkpapier an, bei dem ganzen übrig gebliebenen Essen, hinter dem ja keiner hinterherkommt. Das geht weiter bei all den Dingen, die die Kinder geschenkt bekommen und eigentlich dann doch nicht benutzen, oder bei den Dingen, die sie benutzen und für die dann etwas anderes in den Müll wandert, obwohl es eigentlich noch gut in Schuss ist. Man muss sich nach dem Fest immer ganz gut beeilen, um noch etwas in den Container zu bekommen. Denn andere Familien geraten ja wohl ähnlich in Müll-Not.

Staatsanwalt
Sie würden das also als einen Notzustand bezeichnen.

Herr Müller
Na, lagern Sie mal gammelnde Essensreste in der Wohnung. Wohlgeruch ist etwas anderes. Aber abgesehen davon: Was hat das mit dem eigentlichen Thema zu tun?

Staatsanwalt
Das möchte ich Ihnen im Zusammenhang mit meiner nächsten Frage erläutern: Sie stimmen mir doch zu, dass all der Müll nicht gut für die Umwelt ist.

Herr Müller
Natürlich. Unsere Kinder werden es uns danken.

Staatsanwalt
Und nun möchte ich etwas Wichtiges von Ihnen wissen: Haben Sie das Gefühl, dass Sie über Ihr Müllvolumen frei entscheiden können?

Herr Müller
Nein, natürlich nicht. Wie schon gesagt: Man wird ja in diese ganze Weihnachtskaufrauschtradition hineingeboren. Es geht einem in Fleisch und Blut über. Und außerdem ist da der ganze permanente Druck, der auf einem lastet, all die Geschenke schnell und teuer zu erstehen; und weil die Leute eben ein Geschenk haben wollen und sich dieses in entscheidender Weise über das Eingepackt-Sein definiert, so investiert man eben auch noch in Geschenkpapier und all diesen Schnick-Schnack.

Staatsanwalt
Gehe ich also recht in der Annahme, dass Ihr Müllaufkommen ohne den Weihnachtsmann geringer wäre?

Herr Müller
Ja, wesentlich geringer.

Staatsanwalt
Ich habe keine weiteren Fragen.

Richter
Dann hat jetzt die Verteidigung das Wort.

Verteidiger
Danke, Herr Richter. Herr Müller, den Kern Ihrer Anklage bildet die Aussage, Herr Natale würde Ihnen Leid zufügen. Können Sie das bitte näher beschreiben?

Herr Müller
Äh … ja. Also im Grunde ist Herr Natale ja gewissermaßen der Urheber des ganzen Weihnachtsfestes. Ohne Weihnachtsmann würde es das ja nicht geben. Und ohne Weihnachtsfest würde es schließlich auch nicht diese ganzen Leiderfahrungen geben, die die Menschen so unzufrieden machen.

Verteidiger
Sie meinen also, dass Sie hier für alle Menschen sprechen können?

Herr Müller
Ja, schon. Irgendwie. Ich bin ja kein Einzelfall. Wie schon gesagt. Schauen Sie sich doch mal die Innenstädte in der Vorweihnachtszeit an. Sehen Sie in die getriebenen Gesichter. Und schauen Sie danach in die …

Verteidiger
Mülltonnen?

Herr Müller
Genau! Ich alleine könnte die Welt doch nie in den Zustand bringen, in dem sie sich jetzt befindet. Davon sind doch alle betroffen.

Verteidiger
Sie behaupten also, Herr Natale würde alle Menschen dazu bringen, den von Ihnen beschriebenen Zustand herbeizuführen? Sie behaupten also ferner, Herr Natale würde den Menschen Leid zufügen?

Herr Müller
Ja, nicht direkt. Aber indirekt schon. Er hat ja das Weihnachtsfest gemacht. Und er hat dadurch auch die Regeln geschaffen, nach denen wir zu Weihnachten handeln und unter denen wir leiden müssen.

Verteidiger
Wenn ich Sie also richtig verstehe, dann ist es Ihr eigenes Handeln, durch das Sie und viele andere Menschen …

Herr Müller
Alle Menschen eigentlich!

Verteidiger
…, durch das also alle anderen Menschen eine Leiderfahrung machen und das von Regeln abhängt, die nicht Ihre eigenen sind, sondern die, die Herr Natale geschaffen hat?

Herr Müller
Ja, so kann man das sagen.

Verteidiger
Finden Sie das nicht etwas absurd?

Herr Müller
Was meinen Sie?

Verteidiger
Beim Mensch-ärgere-dich-Spiel gibt es auch Regeln und durch die konsequente Anwendung dieser Regeln machen einige Menschen Leiderfahrungen, ebenso durch die Befolgung der Straßenverkehrsordnung und des internationalen Kriegsrechtes. Nur weil es Regeln gibt, bedeutet das doch nicht, dass wir nicht anders können, als nach ihnen zu handeln.

Herr Müller
Ich verstehe die Vergleiche nicht. Was hat denn die Straßenverkehrsordnung mit Weihnachten zu tun?

Verteidiger
Nun, Sie könnten sich dazu entscheiden, kein Auto mehr zu fahren. So entgehen Sie allen damit verbundenen Problemen.

Herr Müller
Und wie soll ich meine Kinder dann zur Schule bringen? Aber was soll das? Sie verwirren mich! Von Weihnachten können wir uns nicht freimachen. Wir müssen das alles mitmachen. Wie viel Leid würden wir verursachen, ließen wir uns nicht auf den ganzen Rummel ein.

Verteidiger
Das heißt, Sie wiegen hier ein Leid gegen ein anderes auf?

Herr Müller
Ja, klar.

Verteidiger
Und Sie halten das für vernünftig?

Herr Müller
Ja, scho… na, was soll das? Was hat denn der ganze Weihnachtstrubel noch mit Vernunft zu tun?

Verteidiger
Ich habe keine weiteren Fragen.

Richter
Danke, Herr Verteidiger. Herr Natale, möchten Sie zu den Schilderungen von Herrn Müller etwas sagen?

Weihnachtsmann
Die Ausführungen machen mich ratlos. Wenn ich das richtig verstehe, dann sitze ich hier, weil man mir vorwirft, ich würde Leid verursachen. Dieses Leid wiederum hinge damit zusammen, dass ich die Regeln für Weihnachten gemacht hätte. Und ferner würde sich niemand gegen den weihnachtlichen Zwang wehren können.

Richter
Halten Sie das für falsch?

Weihnachtsmann
Es ist falsch, objektiv. Ich habe die Regeln für Weihnachten nicht gemacht. Das waren die Menschen. Wenn jemand unter den Regeln für Weihnachten leidet, dann bin ich es.

Richter
Würden Sie das bitte begründen.

Weihnachtsmann
Seit ich denken kann, halte ich mich im Verborgenen. Ich Grunde will ich gar nicht erkannt, noch gesehen werden. Denn ich weiß ja, was die Menschen mit Autoritäten machen. Aber darum kennt eigentlich auch niemand meine Adresse. Und trotzdem schaffen es unzählige Kinder und zum Teil auch Erwachsene, meinen Briefkasten mit Post zu fluten. Das meiste davon sind sogenannte Wunschzettel. Als ob ich etwas zu verschenken hätte! Das schenken die sich doch alle selber untereinander. Da habe ich überhaupt keine Aktien drin. Und haben Sie mal das Müllaufkommen gesehen, das DAS verursacht? Dagegen sind überfüllte Müllcontainer lächerlich. Das sind die Regeln, die man MIR aufzwingen will. Aber das ist noch das Geringste. Schauen Sie mich an. Denken Sie, dass ich mir diese Farbe hier selber ausgesucht hätte?

Richter
Ich verstehe Sie nicht. Was missfällt Ihnen an dem Rot?

Weihnachtsmann
Einfach alles. Ich bin ein einfaches Gemüt. Und entsprechend kleide ich mich auch. Ich trage in der Regel Grau oder andere Naturtöne. Ich achte auf nachhaltige Stoffe ohne Farbe und Chemikalien. Das hier ist das Ergebnis einer Werbeveranstaltung von Coca Cola. Seitdem die mich einmal nur in rote Klamotten gesteckt haben, denkt alle Welt, ich würde einen roten Mantel tragen. Ähnlich verhält es sich mit meinem Bart und meinen Rentieren. Können Sie sich vorstellen, was für ein Leben ich führen muss? Bitte sprechen Sie mir nicht davon, ich würde jemandem etwas vorschreiben. Die ganze Menschheit ist doch irre geworden. Versteht noch irgendjemand von denen die eigentliche Botschaft hinter dem Ganzen? Nein. Und das ist ja auch kein Wunder. Die ganze Erzählung hat man zu einem Krippenspiel, zu einem Märchen gemacht.

Richter
Herr Natale, bitte mäßigen Sie sich. Wir können verstehen, worum es Ihnen geht. Aber wir müssen die Dinge hier vernünftig klären. Herr Müller, Herr Natale, ich muss Ihnen diese Frage jetzt einmal stellen: Glauben Sie, es wäre möglich, in diesem Fall eine außergerichtliche Einigung herbeizuführen?

(Gelächter im Saal)

Aschenbrödel und der magische Spiegel Teil 1- Fortsetzung folgt weiter unten

24.12… Heiligabend. Alle Jahre wieder ist die Zeit zu knapp, um all das zu erledigen, was noch erledigt werden müsste. Vielleicht nehme ich mir auch jedes Jahr zu viel vor, mag ja sein. In meinem Kopf eiert eine Platte mit Sprung „Still schweigt Kummer und Harm.“ Aus welchem Weihnachtslied ist das gleich? Ich versuche, mir die Zeilen zusammenzureimen, während ich im Badezimmer mit der Ampulle aus dem Kalender versuche, das Altern zu bremsen. Alt werden wollen alle, alt aussehen - relativ.

„Bis gleich, Schatz …“ Tönt es über den Flur. Die Tür fällt ins Schloss. Der Mann macht immer dasselbe am Heiligabend: Mal schnell einkaufen, was fehlt. Irgendwas fehlt immer. Ist offenbar auch Tradition. „Mama - Pulli hat an den Weihnachtsbaum gepinkelt!“ Beschwert sich das liebe Kind aus dem Wohnzimmer heraus über den Flur.

„Pulli ist eine Katze. Katzen pinkeln nicht an Bäume. Hunde tun das.“ Rufe ich zurück, schnappe mir die Futterdose und eile zum Apfelbaum. Draußen warten schon meine Hühner. Genauer gesagt in ihrer Vogelschutzhecke. Unten die Fasane, oben die Spatzen - Gang und die Meisen. Die Kleinen begrüßen mich flötend und stürzen sich in das Futterhaus am Baum, sobald ich ein paar Schritte zurückweiche. Die Fasanendamen warten immer, bis ich wieder in der Küche angelangt bin. Dann frühstücken wir zusammen. Nieselregen. Na, welch ein Weihnachtswetter. Das Kind hatte sich Schnee gewünscht, um mit seinem neuen roten Hörnerschlitten von letztem Weihnachten den Berg unsicher zu machen. Ich hoffe, das bleibt die einzige Enttäuschung heute. Ich warte auf den Paketboten. Den, der meist innerhalb eines Tages kommt. Das Kind kam auf die Idee, dem Weihnachtsmann einen Brief zu schreiben. Natürlich kriegt er den. Auch noch vier Tage vor Weihnachten. Er ist der Weihnachtsmann. Er ist magisch. Sicher liest er den, höre ich mich selber sagen. Zwei Tage vorher erzählt meine Tochter mir dann stolz, dass sie dem Weihnachtsmann übrigens geschrieben hat, dass sie sich eine Eisenbahn wünscht- und ein Pad aus ihrer Lieblingsserie mit den kleinen Rettungshunden. Während ich mein Handy zücke und hoffe, dass Jeff zufällig eine kleine Eisenbahn im Angebot und Sofortversand hat, lächle ich tapfer. „Ja, dann mal schauen, ob die Elfen das so schnell zusammenbauen können …“

„Aber die können doch Magie …“ Recht hat sie. Aber er kann ja auch noch kommen, der Bote. Und ich kann schlecht draußen auf ihn warten. Drinnen wieder angekommen, rappelt das Handy. Die reumütige Patentante, die am zweiten Feiertag mit ihrem Liebsten im Romantikurlaub weilt, anstatt uns zu besuchen, schickt nun ständig Nachrichten vom Schnee. Ich schleppe derweil unseren singenden Elchkopf mit Leuchtgeweih und einen Hammer. Den wollte ich gefühlt seit drei Wochen aufhängen, aber ich hatte bisher kein Stromsuchgerät gefunden. Und danach werde ich schnell die Geschenke für die Cousins einpacken. Morgen ist für Oma und das Schwägermonster reserviert. Immerhin Heiligabend haben wir seit einiger Zeit für uns, murmele ich düster, während ich den Nagel in die Wand malträtiere. Stahlnägel zählen zu den besten Erfindungen unserer Zeit. Und ab dem 26. werde ich dann Urlaub machen. Yoga, mit den Kleinen kuscheln, essen, meditieren und die Rauhnächte feiern. Die Zeit zwischen den Jahren, außerhalb der Zeit. Eine herrliche Zeit. Der Elch hängt. Und er singt. Das macht der Bewegungsmelder. Genauer gesagt die kleine Katze davor, die sich gruselt. Die Große findet ihren vollen Teller interessanter.

„Mama, es hat geklingelt!“ Auf der Couch diskutieren gerade die kleinen Rettungshunde aus dem Adventskalender mit den bunten Ponys aus dem Land der Freundschaft, was es zu Weihnachten gibt, und ob die Eisenbahn rechtzeitig ankommt.

„Ich habe gar kein Auto gehört …“ Geistesgegenwärtig lege ich meinen Hammer schnell auf der Konsole ab, bevor ich öffne.

„Was zum-?“ Weit und breit ist kein Mensch zu sehen. An der Wand gegenüber unserer Haustür lehnt ein riesiges, zerfleddertes Paket.

Ich habe keine Ahnung, was das ist. Und es ist auch keiner mehr da, den ich fragen kann.

„Na, der wird wissen, warum er direkt wieder abgehauen ist. DAS ist KEINE Eisenbahn! So ein verdammter Mist!“ Fluchend renne ich um das Paket herum. Mir wurde mal gesagt, dass man es in meinem Beruf geschafft habe, wenn ein Stammkunde anrufe und man, auch wenn der seinen Namen sage, ihn beim besten Willen erstmal nicht zuordnen könne. Offenbar habe ich es bei den Kleinanzeigen endgültig geschafft. Ich habe keine Erinnerung daran, sowas Großes bestellt zu haben. Ich zupfe an der kaputten Verpackung. Gold, Stuck und Glas- und als Empfänger bin zweifellos ich eintragen. Siedend heiß schießt mir durch den Kopf, dass das jetzt bitte kein Weihnachtsgeschenk von denen ist, über die wir kein Wort mehr verlieren. Es gibt Menschen, in denen will ich mich auf keinen Fall geirrt haben. Und es regnet. Wenn ich das nicht bald hier wegschaffe, ist es hinüber. Falls der Transport es nicht schon dahingerafft hat. Ich hebe vorsichtig eine Seite an. Irgendwo kräht einer unserer Raben.

„Ich glaube kaum, dass Du mir dabei helfen kannst! Es sei denn, Du bringst Deine 29 Brüder mit und ihr könnt zufällig zaubern!! Scheiße, ist das schwer! Wie kriege ich das jetzt bloß durch die Tür?“

„Mama, ich will einen Kakao!“ Tönt es über den Flur.

„Zwergi, nein!“ Gerade noch geschafft, die Tür zu zu schubsen. Die kleine Katze wollte schauen, wo ich bleibe. Sie ist ein Kuschel-Kontrolletti. Eins ist klar, wenn der Mann das sieht, kennt seine Begeisterung keine Grenzen.

„Kann ich Euch vielleicht helfen?“ Als ich erschrocken herumfahre, steht vor mir ein Hüne in merkwürdiger schwarzer Kleidung. Sein Gesicht ist alterslos, und er trägt eine Augenklappe. Mit dem heilen Auge zwinkert er mir zu und greift direkt nach dem Paket. Er hebt es mühelos an. „Wo soll es denn hin?“

„Äh. Ja. Das soll rein. Ich habe zwar keine Ahnung, wo es herkommt, aber hier im Regen kann es nicht bleiben. Für den Fall, dass ich ein Widerrufsrecht haben sollte, darf es sich nicht verschlechtern. Wo kommen Sie eigentlich so plötzlich her? Ich habe Ihren Lieferwagen gar nicht gehört … Oder haben Sie so ein E-Auto?“ Murmele ich und öffne die Tür.

Er lacht leise vor sich hin und trägt das Paket rein.

„Sowas Ähnliches. Ach, ab und zu bin ich hier im Wald. Wir sind quasi Nachbarn. Ich gehe gern im Nebel spazieren um diese Zeit, wenn noch alles ruhig ist. Abends ist ja so viel zu tun.“

„Wohl wahr.“ Ungläubig schaue ich zu, wie er das Paket an der freien Wand anlehnt und von der großen Katze begrüßt wird. Sie schnurrt um seine Beine herum und hinterlässt weiße Haare auf seiner Kleidung.

„Normalerweise ist sie eher skeptisch, wenn sie jemanden nicht kennt …“

Offenbar bei ihm nicht. Er hebt sie auf seinen Arm und krault sie, während die kleine Katze um die Ecke kommt und dort weitermacht, wo die Große eben aufgehört hat.

„Mama, mein Kakao …“ Meine Tochter lugt neugierig um die Ecke, dann hüpft sie auf den Fremden zu, nimmt seine Hand und zeigt ihm den Weihnachtsbaum und die Sammlung der Rettungshundefiguren.

Ich löse vorsichtig die durchweichte Verpackung. Ein mannshoher Wandspiegel kommt zum Vorschein. Wunderschön verziert. Mit Sicherheit antik.

„Ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern, den bestellt zu haben …“ Kopfschüttelnd stehe ich vor dem Spiegel und knülle die Verpackung. „Was mache ich jetzt damit? Bei den Kleinanzeigen gibt es kein Widerrufsrecht…“

„Vielleicht kann unser Nachbar Dir den aufhängen? Dann musst Du nicht wieder Hämmern!“ Meine Tochter versorgt den Fremden bereits mit selbstgebackenen Keksen. „Und dann zeige ich Dir meine Bilder!“

„Wo soll er denn hin?“ Der Fremde nimmt schon den Hammer von der Konsole und greift nach dem Spiegel.

Wortlos deute ich auf die einzige freie Wand. „Brauchen Sie das Stromsuchgerät? Es muss hier irgendwo -“

Doch ehe ich danach greifen kann, hängt der Spiegel schon.

„Du kannst das viel besser als Mama …“ Meine Tochter klatscht strahlend in die Hände. „Ich mache uns einen Kakao. Weißt Du, dass unser Nachbar auch ein Pferd hat? Wie Deinen Kapitän Schwarzohr?“

„Schön“ flüstere ich mit zusammengepressten Lippen und spüre, wie meine Augen feucht werden.

„Was macht Euch so traurig? Mögt Ihr keine Pferde?“

„Im Gegenteil- nur an Weihnachten bin ich immer zuerst zu meinem Pferd gefahren.“

„Heute ist Weihnachten.“

„Und mein Pferd ist tot.“

Unser seltsamer Nachbar mustert mich und legt ungläubig den Kopf schief.

„An Eurer Tür steht Meditation. Ihr seid eine Heilerin. Und ihr glaubt ernsthaft, dass der Tod das Ende ist?“

„Da steht Mediatorin. Das bedeutet, dass ich in zwischenmenschlichen Konflikten vermittle, und hat nichts mit Meditation zu tun. Auch, wenn ich privat gerne meditiere.“

„Ah, Buddha! Guter Mann!“ Begeistert greift er nach einer Statue.

„Ja, der steht da, weil ich seine Denkansätze ungemein schätze …“

„Shiva!“ Er deutet auf den Fernseher. Ich habe keine Ahnung, wieso das Kind statt der Rettungshunde nun den Guru eingeschaltet hat.

„Ja, das- schauen viele Leute, der ist ein Meister - Yogi-“ stöhne ich augenrollend.

„Jesus!“

„Ja, der steht auf unserem Kamin, weil wir auch seine Gedanken sehr“-

Unser Nachbar eilt zum Wohnzimmertisch, schnappt sich mein altes Räuchergefäß und hält es unter meine Nase.

„Rauchnächte?“ Erwartungsvoll mustert er mich. „Was fällt Euch dazu ein? Die, die alle möglichen alten Gegenstände in ihr Haus trägt und mit den eigenen Händen restauriert? Das spürt man- Ihr habt sie mit neuer Energie beseelt!“

„Ja. Schön. Und weiter?“

„Was gehört dazu? Wer reitet nachts durch Wald und Wind? Aktuell meine ich! Wer? Hm?“

„Jedenfalls nicht der Erlkönig …“ Brumme ich genervt und schnappe mir das Gefäß. „Ich reflektiere gerne in dieser Zeit. Ich bilde mir ein, dass mir das guttut … Das alte Jahr abschließen und verarbeiten, dann schleppt man über die Jahre weniger Ballast mit sich rum. Und wenn Ihr es gerne esoterisch mögt - weniger feinstofflichen Müll. Und um Eure andere Frage zu beantworten: Bifröst, Nornen, Yggdrasil, die wilde Jagd, Sleipnir, Hugin, Mugin und Odin - zufrieden???“

Keine Antwort. Der Fremde scheint sich in Luft aufgelöst zu haben.

„Du hättest unserem Nachbarn einfach Danke sagen können …“ Konstatiert meine Tochter trocken, zwei Kakao-Becher in den Händen. Pulli sieht das offenbar ähnlich. Laut knurrend rennt sie an mir vorbei und verschwindet durch die Katzenklappe im Auslauf.

„Tut mir leid.“ Im Fernsehen flimmern wieder die Rettungshunde. Zwergi schnüffelt interessiert an dem Baum.

„Untersteh Dich! Das ist KEIN Pipi, das ist nur Wasser! Und Wasser muss man keinesfalls übermarkieren, Zwergleinfein!!!“ Brummend schnappe ich mir Reiniger und Küchenrolle. Und wo ich schonmal dabei bin, beginne ich auf dem Rückweg zum Putzschrank, den Spiegel zu Säubern. Als ich die erste Staubschicht beseitigt habe, fällt mir auf, dass an meiner Nase Ruß klebt. Von der Weihnachtskerze. Ich muss lächeln und wische ihn mit dem Ärmel ab.

„Ach, Genoveva, was hast Du immer gesagt? Mit dem Reflektieren ist das so eine Sache. Wer kann sich schon ohne Spiegel selber in die Augen schauen? Und selbst mit Spiegel ist es oft noch so, dass die meisten versuchen, den Dreck auf der Oberfläche des Spiegels abzuwischen, anstatt direkt bei sich selbst. Das Außen. Es ist nur ein Spiegel. Vergiss das nie.“ Mir kommen schon wieder die Tränen.

„Ich vermisse Dich. Ich hoffe so, dass es Dir besser geht. Ich wünschte, Du wärst hier. Mit wem sonst kann ich so offen über Gott und die Welt und das Universum sprechen, wie mit Dir?“

„Na, vielleicht mit MIR?“ Ich fahre entsetzt zusammen. Hinter mir steht das Aschenbrödel. Das mit den drei Haselnüssen. In seinem Hochzeitskleid. Allerdings ohne das weltbekannte, unschuldige Lächeln. Eher angesäuert.

„Hast ja lange gebraucht, Schwester!“

„WAS? Was – wieso redest Du so? Du bist im Fernsehen- wie jedes Jahr an Weihnachten.“

„Ja, genau. Ungefähr seit fünfzig Jahren rette ich Euch allen an Weihnachten Euren Glauben an das Gute, die Liebe und die Romantik. Was ist mit mir, hm? Hat sich je einer von Euch Gedanken gemacht, was ich sonst so tue? Wenn ihr wieder Eurem Alltag nachgeht und mehr oder weniger unachtsam miteinander und Euch selbst seid? Du hast da was!“

Aschenbrödel schnappt sich die Küchenrolle und putzt den letzten Ruß von meiner Nase. Dann lächelt sie.

„Ja, lange ist es her. Die letzten Jahre hast Du mich an Weihnachten nicht mehr besucht. Wieso?“

„Ich dachte - es ging mir gut. Und Du bist eine Märchenfigur. Dich gibt es im Grunde ja nur im Märchen…“ Stammele ich.

„Ja. Es ging Dir besser. Zum Glück. Bis dahin habe ich Dir jedes Jahr geholfen, Weihnachten zu ertragen. Erinnerst du Dich? Du hast mal gesagt, dass erst Weihnachten ist, wenn wir uns getroffen haben. Du hast Dir sogar die DVD gekauft, damit Du mich nie verpassen würdest. Ich habe gewartet. Auf Dich. Jedes Jahr. Ich dachte, wir wären Freundinnen. Schwestern. Aber Du bist nicht mehr gekommen. Also komme ich heute zu Dir. Was ist los? Was ist so witzig?“

„Ach, ich bin nur gerade heilfroh, dass Du es bist. Und nicht die böse Stiefmutter. Sonst müsste ich jetzt den Hammer suchen.“

„Richtig. Die blöde Nuss. Meine habe ich im zugefrorenen See geparkt. Wo steckt Deine?“

„Ich habe keine Ahnung, und es ist mir auch egal. Hauptsache weit weg.“

Aschenbrödel nickt. „Gute Lösung.“

„Zugefrorener See ist besser. Da können sie nicht einfach auftauchen, wie es ihnen passt. Allerdings ist das in unserer Welt strafbar. Und in Deiner auch, es sei denn, man ist zufällig mit dem Prinzen verheiratet. Oder?“ Ich zwinkere ihr belustigt zu. „Ich freu mich, dass Du da bist. Ich hatte keine Ahnung, dass Du merkst, dass ich Dich anschaue.“

„Genau das ist das Problem. Ihr seht mich alle nur als Projektionsfläche. Und übrigens:

Glühende Pantoffeln hätten mir besser gefallen. Aber leider war nur noch der See verfügbar. Aschenputtel war schneller.“

„Warum bist Du ausgerechnet heute gekommen? Du hättest schon viel früher -“

„Weil ich Deine Hilfe brauche. Weiß Du, an Weihnachten beobachtet ihr mich- wie ich immer wieder dasselbe tue. Den Rest des Jahres beobachte ich Euch. Und zu dieser Zeit sind die Schleier zwischen den Welten dünn, und da habe ich jemanden um Hilfe gebeten … Deinen Nachbarn.“

„Den seltsamen Paketboten, der in seinen Pausen gerne durch unseren Wald rennt?“

„Eben diesen.“ Aschenbrödel mustert mich skeptisch.

„Möchtest Du einen Tee? Ich habe auch Kekse …“ Ich rappele mich auf und wir zwei gehen in die Küche. Während ich Tee koche, schlendert Aschenbrödel ins Wohnzimmer. Von weitem höre ich, wie sie sich meiner Tochter als meine Schwester vorstellt und sogleich in die Geheimnisse der Rettungshunde eingeweiht wird. Anschließend möchte meine Tochter wissen, ob sie auch von den bösen Eltern aus dem Krankenhaus mitgenommen wurde und noch ihre guten Eltern sucht. Aschenbrödels Antwort kann ich nicht verstehen. Als ich mich zum Tisch drehe, entgleitet mir fast die Kanne. Aschenbrödel steht vor mir und mampft mit Hamsterbacken Kekse, Zwergi auf dem Arm.

„Ich will auch ein Kind. Und eine Katze – und diese Kekse sind himmlisch!“

Ich schenke Tee ein und wir setzen uns gemütlich an den Tisch.

„Ich will auch ein Leben“ wiederholt sie ernsthaft.

„Das verstehe ich gerade nicht, Du hast doch Deinen Prinzen, wieso hab ihr-“ Ihr Blick bringt mich zum Schweigen.

„Denk mal nach. Was ist die letzte Szene in meinem Film, der gleichzeitig mein Leben ist?“

„Na, Du galoppierst sehr emanzipiert auf Deinem eigenen Pferd neben Deinem Prinzen durch den Schnee unter einem strahlend blauen Himmel.“

„Eben. Das ist das Ende. Und dann springt alles wieder auf Anfang. Jedes verdammte Jahr. Und dazwischen ist nichts. Null.“

„Ich dachte, ihr lebt dann glücklich auf Eurem Schloss bis ans Ende -“

„Bla, bla. Jeder von Euch denkt sich das, was er sich denken will. Aber keiner hat sich je die Mühe gemacht, mir ein Leben „danach“ zu schreiben. Deswegen bin ich heute hier. Bei Dir. Hast Du noch Kekse? Die sind so lecker!“ Aschenbrödel stopft sich weiter fröhlich Kekse in den Mund. „Eine Katze will ich auch. Besser zwei.“ Wie auf Kommando hüpft Pulli auf ihren Schoß.

„Wieso kommst Du denn damit zu mir?“

„Na, weil Du Märchen schreibst?! Und weil unsere Geschichten uns zu Schwestern machen. Wenn einer mir ein Leben schreiben kann, dann einer, der mich versteht und das geschafft hat, was ich will. Ein neues Leben. Und ganz viele von denen.“ Aschenbrödel angelt nach der nächsten Keksdose.

„Sag mal, weißt Du, dass Kekse Kalorien haben?!“

„Keine Ahnung, was Du meinst.“

„Davon nimmt man zu, wenn man zu viele davon isst. Dann passen Dir Deinen tollen Klamotten bald nicht mehr. Wie schaffst Du es, bei dem Kohldampf so schlank zu bleiben?“

„Na, hast Du mich in meinem Film jemals essen sehen? Beantwortet das Deine Frage?“

„Also alles, was da nicht ist, ist auch nicht? Ich meine -“

„Ja. Ich schiebe seit fast 50 Jahren Nulldiät. Oder hast Du mir jemals Kekse in meine Geschichte geschrieben? Immernoch so angetan von meiner Figur?“

Ich schüttele entsetzt den Kopf und schiebe ihr die Dose hin.

„Das tut mir leid. Nimm so viele Du willst.“

„Halb so wild, jetzt bin ich ja hier.“

„Und Dein Prinz? Wollte der nicht mit?“

„Was soll mit dem sein? Ich habe ihn gefragt. Aber er ist zufrieden da, wo er ist. Der Hahn im Korb, alle himmeln ihn an. Und seine Kumpels, die konnte er unmöglich alleine lassen.“

„Das tut mir leid.“

„Na komm, Du weißt doch, worum es im Märchen wirklich geht, oder? Im symbolischen Sinn meine ich. Oder habe ich nur geträumt, dass Du jahrelang diese Bücher verschlungen hast?“

„Der weibliche und der männliche Anteil eines Menschen müssen sich finden, gegenseitig retten und vereinen, damit die Wunden heilen, die das Leben schlug. Alles muss in Einklang kommen. Und in Märchen wird diese Symbolik mit dem Prinzen und der Prinzessin, die sich gegenseitig kriegen müssen, damit es gut ausgeht, verkörpert. Es geht in diesem höheren Sinn niemals wirklich darum, dass erst ein anderer Mensch kommen und einen befreien und erlösen muss. Man rettet immer nur sich selbst. Zufrieden?“

„Sehr gut. Nun haben wir Euch fast fünfzig Mal aufgezeigt, dass durch emotionalen Missbrauch und Misshandlungen seelische Verletzungen entstehen und wie man sie heilen kann.“

„Fort von den Tätern, indem der männliche Anteil erwachsen wird und sich den weiblichen schnappt, und die Täter schiebt man in einen zugefrorenen See.“

„Mindestens. Apropos, was hast Du eigentlich mit Deinen gemacht?“

„Unspektakulär. Einen bösen Brief geschrieben. Den Kontakt abgebrochen. Mit strafrechtlichen Konsequenzen gedroht, falls sie sich mir noch mal nähern.“

„Kommen sie dann in den Kerker und kriegen glühende Pantoffeln?“

„Eher vor den Kadi. Und kriegen einen mächtigen Rüffel.“

„Enttäuschend.“

„Ach, es kommt immer drauf an, was man zu verlieren hat. Und manchen Leuten ist ihr - vermeintlich - guter Ruf ihr ein und alles- und Einziges. Das schöne Bild, was sie allen anderen gerne vorgaukeln wollen, weißt Du? Die meinen tatsächlich, wenn sie nur überzeugend genug schauspielern, dass der Rest der Welt so doof ist, und ihnen auf den Leim geht, weil sie sich für die Allerschlausten und Gerissensten halten!“

„Also sind die sowas wie die Könige in Eurer Welt?“

„Eher Vollblutnarzissten. Aber das mit der königlichen Attitüde passt schon. Die sind gefühlt irgendwie alle Könige und halten sich gegenseitig und alle anderen für Idioten.“

„Das klingt stark nach meiner Stiefmutter und ihrer blöden Tochter. Aber egal, schreibst Du mir nun mein Leben? Bitte.“

„Ich glaube, Du verstehst nicht. Es ist wahr, dass ich versucht habe, ein Märchen zu schreiben, nachdem ich so viele gelesen hatte, die dann vom Autor psychologisch eingeordnet wurden. Ich war schon immer fasziniert von Märchen. Und später von Psychologie. Und seit meiner Kindheit schreibe ich Geschichten, aber -“

„Aber was?“

„Naja, ich bin gescheitert.“

„WAS???“

„Weißt Du, mir ist in der Mittagspause mal der Kragen geplatzt, da kam mir die Idee, mich auf dem Papier auszukotzen. Weil mir plötzlich der Narzissmus an allen Ecken ins Gesicht sprang. Nachdem ich verstanden hatte, was mit meiner Stieffamilie falsch war. Dass man mir immer weismachen wollte, dass, wenn ich nur alles richtig machen würde, sie auch besser mit mir umgehen würden. Es war immer meine Schuld, wenn sie mich demütigten und beleidigten. Ich hatte es mir verdient, dass man mich mit Büchern bewarf und Treppen runter schubste, nur weil ich gerne las und mir zu sagen erlaubte, dass ich Dinge unlogisch fand. Seltsam war nur, dass die Menschen draußen genau das an mir schätzten, wofür ich zu Hause bitter bestraft wurde. Und ich habe einige kluge Menschen getroffen, die mich ermutigt haben. Und irgendwann hatte ich begriffen, dass man mir immer nur vorgaukelte, dass ich den Fehler bei mir finden müsste, damit ich nicht durchschaue, dass ein paar Verrückte mich die ganze Zeit ausnutzen und verarschen. Knüppeldicke kam es auf der Beerdigung meiner Oma. Ich verabschiedete mich damals von unserem Dorfpastor. Ich sagte ihm, dass er bitte künftig immer meinen Opa zum Geburtstag besuchen solle. Auch wenn der natürlich immer schimpfte, er wolle keinen Pfaffen im Haus, der ihm nicht mal garantieren könne, dass er in den Himmel komme. Weil ich nun mit dieser Familie durch sei. Daraufhin freute sich der Pastor und sagte nur, dass es auch irgendwann mal gut sei und ich mal an mich denken müsse. Immerhin hätte ich den Laden die ganzen Jahre zusammengehalten. Ich war entsetzt. Denn der hatte mich nicht mal konfirmiert und konnte mich gar nicht so gut kennen. Offenbar hatte ihn der Rest des Dorfes fleißig auf dem Laufenden gehalten.“

„Ich kann da kein Scheitern erkennen“ Aschenbrödel hebt ihre Schultern und mustert mich fragend.

„Ich meine ich habe versucht, ein normales Märchen zu schreiben. Eine kurze Geschichte mit tiefer Symbolik. Ich wollte Narzissmus und Borderline kurz und knackig dort hineinpacken. Und dann zur Tagesordnung übergehen. Heraus kam, dass dann täglich irgendwelche Gestalten auf meiner geistigen Matte erschienen und mir Sachen erzählten. Einfach so. Egal, ob ich Auto fuhr oder abspülte oder Blumen einbuddelte.“

„Und dann?“

„Dann habe ich das aufgeschrieben. Neben der Arbeit, neben dem Alltag. Jahrelang. Heimlich. Und ich habe noch keinen müden Cent damit verdient. Will sagen, wenn Du jemanden suchst, der Dir ein Märchen schreibt- dann nimm lieber jemanden, der das kann.“

Aschenbrödel schmunzelt.

„Fein. So wie ich das sehe, sitze ich auf Deiner Matte und erzähle Dir gerade mein Problem. Wenn das so viele vor mir getan haben, bin ich hier goldrichtig. Und ich will ums Verrecken kein Märchen, ich will ein echtes Leben. Apropos. Ich habe leider kein Gold dabei, aber tut es meine Halskette?“

Ich schüttele den Kopf.

„Ich werde bestimmt keine Halskette vom Aschenbrödel -“

„Scheiß jetzt mal auf Aschenbrödel!“ Wütend schlägt sie auf den Tisch und knallt mir eine lange, weiße Feder vor die Nase. „Schreib! Damit. Das ist eine magische Feder. Was Du damit schreibst, wird wahr. Ich will leben. Hilf mir. Jetzt!“

„Kannst Du das nicht selber damit?“ Ich wiege die Feder nachdenklich in meiner Hand.

„Ich bin eine verdammte Märchenfigur! Glaubst Du denn, ich hätte das nicht versucht? Jedes Mal, wenn ich das tue, verschwimmt es vor meinen Augen und ich lande wieder auf dem schneebedeckten Feld mit meinem Prinzen.“ Tränen stehen in ihren Augen.

„Wo hast Du das Ding her? Ich frage nur, damit wir nicht im Nirvana landen, wenn ich -“

„Vom Berggeist.“ Kleinlaut dreht sie die Hände ineinander.

„Etwa dem aus Schneeweißchen und Rosenrot?? Der mit dem Bart, den die ständig abschneiden?? Der Typ ist ein Arschloch! Was wollte er dafür haben?“

„Meine Armbrust?! Die brauchte ich eh nicht mehr, ich hatte ja den Prinzen -“

„Das bedeutet, dass wenn Du wieder in Dein Märchen zurückgehst, Du Deinem Prinzen nie auf der Jagd begegnest, und dann bist Du auf ewig bei Deiner grässlichen Familie gefangen.“

„Scheiße.“

Ich schüttle die Feder und setzte sie aufs Papier.

„Da kommt nichts raus.“

„Vielleicht musst Du stärker drücken.“

„Vielleicht brauchen wir Tinte.“

„Deswegen hat er gelacht, als er sie mir gab. Er hat sie absichtlich zurückbehalten. Warum macht der sowas?“

„Vermutlich will er Deine Rolle übernehmen und am Ende mit dem Prinzen tanzen?! Ich habe keine Ahnung, vielleicht ist er einfach nur frustriert und bösartig. Aber wir brauchen diese Tinte.“

„Bis Mitternacht.“

„Wieso das?“

„Na, ich bin Aschenbrödel?“

„Ich hatte ja keine Ahnung, dass wir dieses Weihnachten Besuch bekommen. Möchtest Du uns nicht vorstellen, Schatz?“ Der Mann stolpert in die Küche, beladen mit einer Wasserkiste und den letzten Einkäufen.

„Das ist Aschenbrödel!“ Flötet schon meine Tochter, schnappt sich einen Schokoladennikolaus von ihrem Vater und hüpft von dannen.

„Der ist für Deinen Cousin!“ Ruft er ihr noch hinterher.

„Das ist – also- das ist mein Mann- und das ist das Christkind. Genaugenommen hat sie sich so verkleidet …“ Ich ringe die Hände.

„Wegen der Kleinen. Als Überraschung!“ Pflichtet Aschenbrödel bei.

„Für mich sieht das eher aus wie Aschenbrödel“ kommentiert der Mann, während er die Einkäufe sortiert.

„Ja, das sagten die im Kostümverleih auch. Flügel halt waren aus.“

„Und wie heißt das Christkind ohne Flügel?“

„Das ist A-“ ihr Ellbogen trifft meine Rippen und sie zischt gänzlich unmärchenhaft. „Angela. Aus - Köln. Deswegen das Kostüm. Karneval. Vom Mediationskurs.“

„War der nicht in Hamburg!?“

„Ja, aber sie ist halt von Köln dorthin gereist. Und dann hatten wir mal wieder geschrieben und sie hat mich heute spontan besucht. Kann sein, dass sie ein paar Tage bleibt.“

„Überraschung“ trällert Angela alias Aschenbrödel.

Der Mann schaut, als hätte ich den Verstand verloren.

„Du hast nie was von ´ner Angela erzählt, und nun soll sie ein paar Tage bleiben? Über Weihnachten? Hier übernachtet sonst nie einer, ohne dass wir darüber gesprochen haben. Und das alle Jubeljahre. Hat sie denn keine Familie? Keinen Mann?“

„Genau das ist ja das Problem!“ Knurre ich lauthals, während ich der kreischenden Angela vors Schienbein trete und ihr ein Stück von der Küchenrolle ins Gesicht drücke. „Sie haben Stress. Er hat Schluss gemacht. Wegen einer anderen. An Weihnachten! Und sie hatte sich gerade einigermaßen beruhigt. Das war sehr einfühlsam. Danke, Schatz!“

Auf Kommando heult Angela zum Steinerweichen in ihre Küchenrolle.

„So ein – so ein Arschloch!“ Jammert sie.

„Tut mir leid! Soll ich Euch vielleicht allein lassen?“

„Schon gut, ich glaube, wir machen mal einen Spaziergang! Bis später!“ Ich zerre Angela aus der Küche und drücke ihr ein paar Klamotten von mir auf den Arm. „Nicht ganz Deine Größe, aber Hauptsache, es erkennt Dich niemand. Du hattest Dir ja ein normales Leben gewünscht, jetzt fangen wir mit normalen Klamotten -“

„Hosen!!! Ich liebe Hosen!!!“ Angela strahlt und schlüpft in Jeans, Wollpulli und Boots. Ihre Sachen verstauen wir in einem Rucksack.

„Mama, ich will mit!“ Meine Tochter kommt gelaufen, ihre Mütze in der Hand.

„Na gut, wir wollen ein bisschen in den Wald!“

Sie strahlt. Eine Rettungshunde-Winter- Garnitur später laufen wird zu dritt durch den Wald. Es wird allmählich dunkel.

„Hast Du eine Ahnung, wo der Typ wohnt?“

„Na, im Berg? Er ist der Berggeist.“

Das Christkind

(Nun noch die, mit Papyrus korrigierte Version):

Das beste Weihnachtsgeschenk aller Zeiten wird es werden! Oh Mann, ich bin so aufgeregt, seit ich den Entschluss gefasst habe. Es wird einfach nur genial. Sicher ist niemals zuvor jemand auf die Idee gekommen. Sie wird begeistert sein! Nichts ersehnt sich meine Frau so sehr! Ich liebe sie und sie soll das bekommen, was sie sich schon lange am meisten wünscht. Jetzt ist noch Zeit. Ich werde alles passend aufbereiten und genau einfädeln. Logisch ist das Geschenk so speziell, dass es kein Geschäft dafür gibt. Klauen wäre eine Möglichkeit. Hm. Aber da hätte ich so meine Schwierigkeiten. Ganz einfach könnte ich erwischt werden. Gewiss liesse sich alles und jedes vorzubereiten: Die Sicherheitsleute betäuben, mich verkleiden. Ein Alibi verschaffen wäre von Nöten. Klingt aufwändig. So hätte ich andererseits mit niemandem Kontakt. Es gäbe keine Spuren. Nichts würde auf den Diebstahl hindeuten. Dagegen ich bin doch kein Dieb! War es bisher nie! Zwar könnten die Bestohlenen leicht zu einem Ersatz kommen, hätten daher keinen Verlust zu beklagen, aber, na ja, so ist die verdrehte Moral der Gesellschaft; hinter mir her wären sie schon. Ich würde zu viele Fehler fabrizieren. Die paar Krimis, die ich im Fernsehen geschaut habe, sind nicht der Ersatz für eine Lehre als Einbrecherin und Dieb. Daher, so denke ich, werde ich mal das Internet konsultieren. Hier habe ich das Problem, dass Verkäuferinnen im Hintergrund sind. Illegale Händlerinnen. Aber was soll‘s. Diese haben schliesslich nebstdem einen Ruf zu verlieren. Daher werden sie mal fein säuberlich ihre Spuren verwischen.

Ich surfe herum. Ist nicht gerade „Ware“, wie sie vom Goole-Algorythmus gefördert wird. Ich entschliesse mich dazu, alternative Suchmaschinen zu suchen. Jetzt fällt mir ein, dass es sich nebstdem empfehlen würde, einen VPN-Client herunterzuladen, um erst mal im Netz die Nachverfolgung meiner IP, meiner virtuellen DNA, zu verunmöglichen. Das Ding ist schnell installiert und ich turne am Schirm zwischen Hong Kong, Vancouver, Wu-Han, Tokyo und Perth herum. Ein Skandal: Denn doch der siebte Kaffee. Was werde ich meiner Frau am Morgen erzählen? Hm: Das Projekt in der Arbeit liess mich grübeln und wach halten. Womöglich ein paar Seiten. Das ist doch gar nicht so schwierig. Schliesslich finde ich hier im Dark-Net, in dem ich schon angekommen bin, Sklavinnen, Kinderpornofilme und so Zeugs. Schrecklich! Wie kann man das nur erzeugen! Wenn ich mit meinen Weihnachtsbesorgungen fertig bin, werde ich mir diese Seiten vornehmen und sie zur Strecke bringen. Konzentrieren fällt schwer. Ich beschliesse, morgen weiterzusuchen. Das würde genügen.
Dark-Net heisst das hier, so komme ich drauf. Meine Frau hat es mir abgenommen: wegen des Projektes. Schliesslich belügen wir uns nie. Das ist nur eine kleine Notlüge. Unbedeutend. Jetzt bin ich aber fündig geworden. Jawohl. Das ist es. Ohnehin gib es offenbar nur die eine Seite, die in meine Region liefert. Zu weit will ich ja zwecks Risikoverringerung nicht weg. Es gibt keine grosse Auswahl. Bloss das macht nichts. Es wird sich im Laufe der Zeit so oder so an uns anpassen. Ich nehme das Durchschnittlichste, das es gibt. Meine Kreditkarte wird aufs Äusserste strapaziert. Aber meine hohen Gehälter lassen abgöttische Limite zu. Die Seite verspricht, mir offiziell ein teures Coaching zu verkaufen. Etwas, das Herzeigen irrelevant macht, falls gefragt wird und das sich leicht erklären lässt.

Heute ist die Übergabe. Ich bin aufgeregt. Es ist der Weihnachtstag und ich habe meiner Frau gesagt, dass ich eine Überraschung für sie einheimsen will. So ist meine Heimlichtuerei gerechtfertigt und sie beruhigt. Ich starte los; … beschliesse mir ein Ticket an der Bushaltestelle zu holen, weil ich bei einem Kauf über das App Angst habe, Spuren zu hinterlasse. An der Haltestelle angekommen, stelle ich fest, dass ich kein Bargeld mehr habe. Mit der Karte kann ich nicht zahlen. Unauffällig gilt es, mich zu bewegen, so gefiele es mir, nicht schwarz zu fahren. Ich gehe zurück zum Haus und in den Keller, um das Fahrrad zu holen. Dort habe ich mich umgezogen: Meine alten Karnevalssachen habe ich angezogen: die blonde Perücke, die Damenhose, den Hut, das schlichte Tuch um den Hals. Pumps hatte ich sogar in meiner Grösse. Diese hatte ich vor ein paar Tagen getestet. An dem Datum, an dem ich meinen Computer „gereinigt“ hatte. Erst hatte ich den Browserverlauf gelöscht, dann alle Notizen. Anschliessend hatte ich verschiedenste Verläufe eliminiert. Panik war nicht zu vermeiden gewesen, weshalb ich freilich das Betriebssystem neu aufgesetzt hatte. Ich hatte gezittert, geschwitzt und mir überlegt, ob da nicht trotzdem was zu finden wäre. Weil ich aber eine erstklassige Versicherung habe, hatte ich zu guter Letzt einen bombig gezuckerten Kaffe über den Computer gegossen, um ihn endgültig entsorgen zu können. Schwer war es mir dann gefallen, meiner Frau und meinen Arbeitskolleginnen sowie der Versicherungsvertreterin ein Theater vorzuspielen. Wie lästig das wäre, dass mir das passiert sei, wie blödsinnig ich doch gewesen war, blaba.

Erstaunlich, wie manche Frauen tagtäglich fähig waren, mit solchen Latschen unterwegs zu sein. Ich bin am vereinbarten Platz. Es ist alles einwandfrei durchdacht: das Theater. Eine einzige Inszenierung. Es hat geheissen, ich solle mich strikt an das „Drehbuch“ halten. Ich stelle mir vor, mich so zu verhalten, wie ich es von manchen Transvestiten kenne. Weil ich die Dragkunst faszinierend finde, fällt es mir nicht schwer. Da: Ich sehe ihn in der Menschenmenge. Er hat das Bündel in der Hand. Unauffällig, wie irgendein Vater. Ich gehe auf ihn zu. Crap. Da verschwindet sein Kopf wieder in der Menge. Viele Leute sollten als Ablenkungsmanöver dienen. Das durchschnittliche Aussehen des Herren ebenfalls. Um ihn unter all den Menschen wiederzufinden ist es aber nicht dienlich.

Plötzlich steigt mein Blutdruck auf den doppelten an, als ich von hinten einen Händedruck auf die Schulter bekomme. Er ist es wieder. Ich bin erleichtert und aufgeregt zugleich. Mein Adrenalin wird weiter in erhöhtem Masse produziert. Er, ebenfalls mit Sonnenbrille und schnörkellosem Hut bekleidet, sieht mich an, sagt das Codewort. Ich küsse ihn links und rechts auf die Wange, um Vertrautheit zu simulieren. Er umarmt mich sogleich sanft. Ein paar belanglose Sätze wechseln wir. Wie vereinbart: Nichts zum Thema. Das Wetter, wie der Verkehr hierher war. Ich bekomme es. Verzückt sehe ich es an. Ich frage ihn, wie es eine Mutter heucheln würde, ob es schon lange schläft, längst gegessen hat. Er antwortet knapp und verabschiedet sich freundlich. Es sieht durchaus friedlich aus, das Baby. Meine Frau wird ausflippen.