Der Feind in der Finsternis

Hallo,

in meinem Begrüßungsbeitrag, worin ich ein wenig (oder eigentlich viel) über meinen Stil erzähle, schlug @a-i-brecht mir vor mal eine Probe zu teilen. Hier also ist eine Kurzgeschichte, die ich vor einiger Zeit nebst einem Gedicht in Reimprosa für den Wettbewerb „Wortgewandt“ von Treffpunkt Schreiben verfasste (man durfte mehrere Texte einsenden). Das Thema war „aufblitzen“. Gewonnen habe ich leider nichts, aber vielleicht gefällt er euch ja besser, als der Jury. Schreibt mir gern eure Meinungen.

Hier sind drei der Gewinnertexte zu lesen.

[Ich habe die Kurzgeschichte entfernt, da ich nicht möchte, dass sie zu lange öffentlich zugänglich im Internet herumfliegt. Das führt zu verschiedenen Problemen, wie ich erst kürzlich von Sachverständigen erfuhr. Denke, ich habe genug Meinungen eingeholt. Sollte jemand sie (nochmal) lesen wollen, kann ich sie gern privat (über Papyrus) zusenden. Danke.]

3 „Gefällt mir“

Hallo @H.al-Rawi danke für das Teilen.
Ich stelle fest, dass bei einem solchen Text für mich schnell der Inhalt an Bedeutung verliert und ich beginne, in Sprache zu schwelgen. Und dann - wie ein Schwall kalten Wassers - reißt mich „noch bevor ich ihm bewusst geworden“ aus der Schwelgerei. Bitte, dann bleibe auch durchgehend beim Genitiv: noch bevor ich seiner bewusst geworden. :wink:

1 „Gefällt mir“

Oh, tatsächlich - da hat sich ein Fehlerchen eingeschlichen. Rasch behoben, danke für den Hinweis. Bitte sag mir aber nicht, dass der ganze Text bei dir an einem Flüchtigkeitsfehler gescheitert ist? :sweat_smile:

1 „Gefällt mir“

Ich gehe als Leser häufig mit ganz verschiedenen Erwartungshaltungen an ein Buch heran.
In einem Liebesroman verzeihe ich Logikfehler und ein gewisses Maß an Grammatikfehlern, solange ich Emotionen, die großen Gefühle, geliefert bekomme.
In einem Krimi verzeihe ich flache Charaktere, aber keinen Logikfehler.
Beim Schwelgen in Sprache finde ich jeden Grammatikfehler furchtbar schlimm, dafür ist mir der Inhalt fast egal…

Bin ich seltsam? Vielleicht. :upside_down_face:

3 „Gefällt mir“

Das ist mir persönlich zu gewollt mystisch, was es kurioser Weise entmystifiziert.
Bei einem Make-up würde ich sagen: etwas weniger wäre mehr gewesen.
Allein die Adjektive im ersten Absatz überfrachten die Stimmung völlig.
Aber das ist ja Geschmackssache - und da kann ich völlig daneben liegen.

3 „Gefällt mir“

Das ist ganz verständlich und gar nicht seltsam. Es beantwortet aber eigentlich nicht meine Frage, wie Du den Text sonst findest.

1 „Gefällt mir“

Das ist tatsächlich Geschmackssache. Die Regel des Adjektive-Sparens ist eine Idee, die ich grundsätzlich völlig ablehne. Es ist eine verhältnismäßig neuere Idee. Wer einmal Hoffmann und co. daraufhin absucht, wird erkennen, dass sie Adjektive nach der Regel „viel hilft viel“ anwenden. Wer das nicht gewohnt ist, dem mag es sauer aufstoßen. Ich habe zu Beginn den Begrüßungsbeitrag verlinkt, damit man sich ein besseres Bild der Zielsetzung machen kann.

Das leuchtet mir nicht ganz ein. Muss man denn einen Effekt ungwollt erzeugen, um ihn erzeugen zu können? Aber das ist natürlich eine Empfindungssache, und Empfindungen kann man nicht immer leicht erklären. Wenn du beim Lesen eine bestimmte Emfindung hattest, lässt sich das nicht durch Argumente aushebeln. Gerade diese Leseerfahrungen einzuholen, ist ja eben sehr wertvoll. Danke also, für deine Meinung.

Mir ist es viel zu überfrachtet. Du schmeißt hier mit dermaßen vielen Adjektiven um dich, dass sich jedes einzelne gar nicht so richtig ‚entfalten‘ kann.

Auf mich wirkt der Text wie eine ungeheuer massive Front, die mir zwar Gefühle vermitteln möchte, durch ihr ‚Vollgestopftsein‘ aber irgendwie abstumpft. Man hat nach dem Lesen den Eindruck, von einer Dampfwalze überrollt worden zu sein, weiß aber gar nicht so recht, worum es eigentlich geht.

Dieses Viel hilft viel kann ordentlich nach hinten losgehen, ich denke, das ist hier passiert. Emotionale Schilderungen können großartig sein, sie sollten dem Leser aber auch die Möglichkeit geben, mitzufühlen und Schritt zu halten. Wenn man nur gewaltige Adjektive am laufenden Meter um die Ohren gehauen bekommt, verpufft die ganze Wirkung.

Ich hoffe, du kannst damit etwas anfangen; ich habe versucht auszudrücken, wie dein Text bei mir ankommt. Und natürlich ist es meine ganz und gar subjektive Meinung.

3 „Gefällt mir“

Du teilst die Meinung von Michel, die der allgemeinen modernen Meinung zu dem Thema entspricht. Ich weiß genau was ihr sagen wollt, bin aber künstlerisch in einer anderen Richtung aufgestellt. Der Grund, warum ich immer wieder auf meine künstlerischen „Vorbilder“ verweise, ist, dass es dabei eben nicht nur hohe Sprache geht, sondern um Sprachgefühl und Stilentscheidungen. Viele heutige Leser sehen in einer intensiven Verwendung von Eigenschaftswörtern eine Überladung, was damals offensichtlich nicht der Fall war, sonst wäre es nicht gemacht worden. Das ist eine Sache des Sprachgefühls. Ich habe den heute gängigen Lehrsatz über Adjektive nie teilen können, und fühle mich daher zu den alten Romantikern hingezogen. Im Gegenzug dazu, fühlen sich moderne Texte für mich meist sehr farblos an, weil mir unter anderem die Eigenschaftswörter fehlen. Daher betone ich immer wieder, welchen Sprachgebrauch ich bevorzuge. Weil jemand durchaus sprachlich bewandert und in der Lage sein kann Werke älterer Epochen zu verstehen, während ihm aber die Stilentscheidungen nicht zusagen. Es braucht ja niemand ein Werk zu lesen, wenn es eigentlich von vornherein klar ist, dass ihm der Stil nicht behagt.

Ich hoffe, es ist verständlich, was ich sagen möchte. Ich kenne eure künstlerische Meinung und verstehe sie, habe mich aber schon vor langem ganz bewusst dagegen entschieden. Deshalb werde ich auch in dieser Hinsicht an meinem Stil nichts ändern, da mir die Debatte über das Thema schon lange bekannt ist, ich quasi schon lange meine Seite gewählt habe. Danke aber trotzdem, dass ihr euch die Zeit genommen habt, zu schreiben.

1 „Gefällt mir“

Mich fesselt der Text leider nicht. Mir geht es ähnlich wie Vorschreibern: man merkt, dass der Autor Spass an der Formulierung hatte. Und das liest sich alles sehr schön, vermittelt MIR aber keine Emotionen - Beispiel hier:

inhaltlich vllt noch ein Gedanke:

das ist ein Ansatz, wie das ablaufen könnte. Oftmals starren Menschen allerdings nicht nur, sondern das Adrenalin führt dazu, dass sie nach einem Moment des Schocks handeln.

Das kurz meine Gedanken.

Es gibt in unserer Sprache eine Menge andere Möglichkeiten, um Eigenschaften auszudrücken. Dazu nur auf Adjektive zu setzen und diese dann inflationär zu verwenden, erscheint mir etwas sehr einseitig.

Ja, das ging schon deutlich aus Deinem vorherigen Kommentar hervor. Wie gesagt, ich habe schon verstanden, was Du vermitteln möchtest, und kann es nachvollziehen. Es gibt jedoch große Autoren, die es darin so wie ich hielten. Das muss einem natürlich nicht gefallen, aber es gibt unterschiedliche Stile und jeder hat seine Vertreter. Davon, dass man nur auf Adjektive setzt, war übrigens nie die Rede. Es ging nur darum, ob man sie viel verwendet oder nicht, abgesehen von anderen Stilmitteln.

2 „Gefällt mir“

Da ich dir diesen Weg quasi anempfohlen hatte, werfe ich nun auch noch meinen Hut in den Ring.

Ich bin jemand, der auch sehr gerne aber auch sehr bewusst mit Füllwörtern arbeitet. So ist es durchaus möglich, dass ich manchen Leser durch zu viele davon überfordere.
Genauso ergeht es anscheinend meinen Vorrednern … und ich muss gestehen … auch mir sind es zu viele.

Deine Geschichte könnte durch das Streichen durchaus gewinnen. Aber es ist die Deine und du musst tun, was du für richtig hältst.
Noch kurz ein visueller Effekt:
Beim Lesen habe ich die ganze Zeit einen Schwarzweiß-Stummfilm, der sich durch große körperliche Gesten auszeichnet, vor meinem geistigen Auge.

Ich bitte um Nachsicht, aber das ist meine Sicht auf den Text und meine ganz persönliche Meinung.

Hier ein kleines Beispiel von Hoffmann:

„Endlich rief es leise, leise, aber mit hässlicher, heiserer, stammelnder Stimme hinter einander fort.“

Hier werden beispielsweise drei Eigenschaftswörter in einer Reihe gebraucht. In seinen Beschreibungen geht es genauso.

Aber ganz gleich. Ich möchte hier keine Verteidigungsschrift für den Text schreiben. Ich habe diesen Text vor über einem Jahr an einem Abend geschrieben, und war ganz zufrieden damit - ist aber sicherlich nicht das beste, was ich geschrieben habe. Daher kann ich damit leben, dass er nicht wohlwollend aufgenommen wird. Mir ging es hier eigentlich gar nicht um einen speziellen Text - ich habe einfach nur etwas aus meinem Ordner herausgesucht, weil nach etwas gefragt wurde. In Zukunft werde ich mir genauer überlegen, was ich dem strengen Richterstuhl des Papyrus-Forums forsetze. :+1:t2:

Ich habe diesen Text gern gelesen und das Ende genossen. Du schreibst so, wie Du es angekündigt hast und erreichst damit ein Publikum in einer Nische. Das ist Dir bewusst und wenn es dir Freude bereitet, so zu formulieren, ziehe es durch. Dem „Nischen-Publikum“ wird es gefallen. Mir nicht täglich, aber es war ein schöner Ausflug, siehe oben.

5 „Gefällt mir“

du hast nach Meinungen gefragt, nicht nach einem Richterspruch :wink: Ich habe dir meine kurz geschrieben - das ist keine Wertung deines Textes, sondern wie er bei mir ankam. Vllt liegt es auch in der Natur der Sache, dass man bei einem ungewohnten Schreibstil automatisch etwas an diesem hängen bleibt.

6 „Gefällt mir“

Ein Meinungbasierter Richterspruch XD. Das deutsche Wort für Kritiker ist schließlich „Kunstrichter“. Alles gut! Wie es bei Dir ankahm, ist genau das, was wichtig zu wissen ist. Genauer werde ich mir zukünftig trotzdem überlegen, was ich hier reinsende. Man soll den selben Fehler schließlich nicht zweimal machen.

Zunächst einmal: wenn Du mit Deinem Text zufrieden bist, ist das doch gut so! :+1: :smiley:
Aber mein Leseempfinden hat sich nicht nur durch die Adjektive gebildet. Es ist der Gesamteindruck. Und da ist es dann doch ein Unterschied zwischen damals (19.Jh.) und heute.
Zwischen dem Leseerlebnis heute und damals liegen über 250 Jahre Literaturgeschichte.
Der Text ist szenisch die 100te Variante von „it’s a dark and stormy night“. Die gewählten Bilder des Themas sind seit Walpole, Poe, Shelley, Polidori, Hoffmann, Kleist, Tieck, Kloppstock ein wenig überstrapaziert worden. Nehmen wir die bildende Kunst dazu, fände die Diskussion kein Ende. Wenn Du für jede szenische Gewitternacht 10ct bekommst, brauchst Du nicht mehr zu arbeiten. Nimm einsame Gestalten (mit oder ohne Pferde) dazu und Deine Kinder haben ebenfalls ausgesorgt.
Das war damals nicht so, weil das Genre „Schauerroman“ oder auch nur die Bildhaftigkeit noch orginell war. Das von a-i-brecht genannte Bild des s/w-Stummfilms trifft es perfekt - es ist der Rückgriff auf ein kollektives Bildergedächtnis der letzten 250 Jahre (länger, wenn man ein richtiges Fass aufmachen will).

Wie gesagt, wenn Du mit dem Text zufrieden bist und ihn so wolltest, dann ist ja alles gut. Wenn nicht, solltest Du vielleicht an ein paar Schräubchen drehen - ich will Dir da nichts aufdrängen. Nur - meine Kritik auf die Adjektive zu reduzieren, entspricht nicht dem von mir Gemeinten.
Nicht böse sein - war nur ehrlich gemeint.

4 „Gefällt mir“

Schon verstanden. Ich habe mich auf die Adjektive konzentriert, weil es der herausstechendste Punkt war.

Das spielt für mich nicht unbedingt eine Rolle, ehrlich gesagt.

So ist der Text wie gesagt zu verstehen. Ich hatte keine überbordende Begeisterung erwartet, aber auch nicht so vehemente Kritik. Daher war ich ein wenig verblüfft.

Keine Sorge, Michel. Es war nicht mein Herzensprojekt - sonst wär ich jetzt ganz wild geworden. Nein, kleiner Scherz. Jeder kann seine ehrliche Meinung sagen.