Wir leben auch sehr ländlich. Bei meiner täglichen Gassirunde begegnen mir mehr Menschen als sonst. Kinder und Hunde, die ich noch nie zuvor getroffen habe.
Jemand hat mich daran erinnert, dass Klopapier schon früher eine Art Statussymbol war. Das lag – umhäkelt – auf der Hutablage im Mercedes meines Opas. Bewacht vom Wackeldackel.
Ich lebe ja auch hundert Meter vom Wald entfernt. Tatsächlich trifft man mehr Menschen mit Hunden als sonst. Die, die ihre Hunde zur Handtasche umfunktionieren, sobald sie mich mit meiner Hündin sehen, sind etwas nervig. Die laufen wahrscheinlich sonst nur in der Stadt mit ihren Lieblingen Gassi.
Aber die meisten sind in Ordnung und es gibt viele neue Hundebekanntschaften für meine Cailín.
Oder mit den Worten von Wolf Wondratschek: “Früher begann der Tag mit einer Schußwunde”…
Hier auf der Insel treffen mehrere Phänomene aufeinander, die gleichzeitig eigentlich völlig absurd sind:
Anfang April, strahlender Sonnenschein und menschenleere Strände und Einkaufspassagen. Wir haben gestern gut zwei Stunden im Strandkorb direkt am Wasser verbracht. Der Hammer! Normalerweise kannst Du jetzt vor lauter Menschenleibern kaum laufen, der Strand ist dreckig, man wird hemmungslos angerempelt und es gibt keine Parkplätze mehr. Hier ist von allem genug da, die Vermieter hatten vor Corona schon oft die Lager voll mit Klopapier etc… Ich mache mir ein bißchen Sorgen um die Möven, die normalerweise den Touris in der Einkaufspassage die Pommes klauen. Trotz aller Luxusprobleme - wir haben neun Corona-Infizierte und auf einem festgesetzten Kreuzfahrschiff hängen auch noch einige Sylter fest.
Ich denke an Euch.
Ich beobachte die Werbung in jeglicher Form seit Jahrzehnten recht intensiv. Zur Zeit sind in erster Linie Zahnpasta, Seife, Handyspiele, Waschpulver und Fressalien im Angebot. Aus ist´s mit Reisen, Autos und dergleichen und man scheint Werbetrailer mit mehr als drei Personen zu vermeiden. Ich weiß ja - Werbung ist generell rein manipulativ, aber das ist jetzt erstaunlich.
Auf meinem täglichen Weg, mit dem Rad zur Arbeit begegnete ich oft einem Mann, der für mein Empfinden stets einen mürrischen Ausdruck machte. In einem so kleinen Ort grüßt man sich oder man nickt sich einfach zu. Als ich heute an ihm vorbei fuhr, streckte er seine Hand und grüßte mich. Das hat mich wirklich sehr berührt. Solche Alltagsbegegnungen werden nun wohl für viele Menschen vielleicht auch sehr wichtig. Es gibt den Menschen um uns herum Halt und Struktur.
Wenn wir alle darauf acht geben und sensibel dafür werden, das die Menschen in unserem gemeinsamen und weiteren Umfeld wahr genommen, gut versorgt und geschützt sind werden wir das auch gemeinsam gut überstehen. Und es wird die kleine Welt in unserem Umfeld nachhaltig verändern. Ich kann nicht die ganze Welt retten, doch ich kann viel dazu beitragen, das es den Menschen um mich herum gut geht.
So etwas wird es vielleicht wohl lange Zeit oder gar nicht mehr geben. Mir ist das aber auch gar nicht mal so Unrecht, das mit dieser gesellschaftlichen Konvention endlich Schluss gemacht wird.
Ein freundschaftlicher, liebevoller, zärtlicher Knuff oder ein kräftiger, kraftloser oder mächtiger Hieb auf die Schultern sagt unserem Gegenüber doch viel mehr über unser Empfinden und unsere Wertschätzung aus als nur ein Händedruck.
Welche Strategien jene entwickeln, die einem den Händedruck aus Protest oder Trotz verweigern, wird sich noch zeigen.
Armdrücken wird es auch nicht mehr in seiner bisher bekannten Form geben. Vielleicht haut man sich einfach gegenseitig die Ellbogen solange aneinander, bis der Nervus ulnaris den Gegner ächzend in die Knie zwingt.
Endlich Schluss mit den Machtspielen. Der mit Fingerhandel, Gummibändern und Powerball aufgeputschte Händedrücker kann sich bald wieder am Ohr kratzen ohne den Impuls, daran reißen, quetschen oder kneifen zu müssen.
Ich bin für den vulkanischen Gruß, wobei die rechte Hand zum Gruß erhoben wird und die Finger nur zwischen Ring- und Mittelfinger gespreizt werden, so dass ein „V“ entsteht. Begleitet von den Worten: „Lebe lang und in Frieden“.
Heute schickte mir eine Freundin Bilder vom Hauptstrand vor Westerland, auf denen eine Kegelrobbe zu sehen war. Kaum zu glauben. Es werden auch vermehrt Schweinswale (Tümmler, die ein bißchen wie ein adipöser Flipper aussehen) gesichtet. Okay, mit den Delphinen in den Lagunen von Venedig können wir vielleicht nicht mithalten, aber immerhin. Wasser trägt Schall ja ausgesprochen gut und so müssen die armen Meeresbewohner natürlich auch unter der Action am Stand leiden. Jetzt ist Stille.
Allerdings überlegen die Verantwortlichen - ich liebe dieses Wort -, den alljährlichen Surfcup im Mai tatsächlich stattfinden zu lassen. Klar, das ist ne Menge Kohle. Wie sie da den Abstand von 1,5 m einhalten wollen, ist mir ein Rätsel. In der Friedrichstraße ist das Gedränge so dicht wie in München auf dem Rathausplatz. D. h. man könnte zwar ohne weiteres sterben, aber nicht umfallen.
Ich bin mal sehr gespannt, wie die Entscheidungen fallen. Nach meinem persönlichen Urteil wäre es noch viel zu früh, alle aus der Ausgangssperre rauszuholen. Es ist auf der Insel auch etwas anders, man kann sich relativ frei bewegen, man kann an den Strand und in den Garten, das ist kein Problem. Wie ich lese, ist das keineswegs überall der Fall. Nur die Kohle ist eben etwas knapp.
Historisch gesehen, war das sich die Hände schütteln nur dafür da, um dem anderen zu zeigen, daß ich unbewaffnet bin. Der militärische Gruß der Bundeswehr entsprang der Handbegung, die man ausführt, wenn man das Visier der Ritterrüstung nach oben schiebt. Schon, um mal nachzuschauen, wer sich dahinter verbirgt und wer ich bin. Heute gibt es die Bussi-Gesellschaft oder die Ghettofaust zur Begrüßung, oder das immer falsch interpretierte Peace-Zeichen.
Es ändert sich eben immer mal, da müssen wir wohl durch.
Mein Vorschlag zum Unwort des Jahres: Die Hamster-Familie (nicht die niedlichen Tiere)
hamstern
Hamsterer
Hamsterkäufe
Hamstervorrat
Was bei Toilettenpapier vielleicht noch belächelt werden kann, hört bei lebenswichtigen Medikamenten für chronisch kranke Menschen leider nicht auf - und es ist - zumindest vorläufig - kein Ende in Sicht, solange immer neue Ideen durch die virtuellen Dörfer getrieben werden, welcher Wirkstoff vielleicht - VIELLEICHT!! - gegen bzw. bei Covid-19 helfen könnte.
Ein paar von uns sitzen vermutlich brav zuhause und klöppeln im Moment mit der linken Hand einen mausgrauen Mundschutz. Andere sind schon fertig und pressen schwer atmend mit der rechten Hand den Höhepunkt ihrer autobiographischen Midlifecrisis in die wehrlose Tastatur.
Zur selben Zeit kämpfen kleinere Betriebe in der realen Welt mit allen Händen um ihre Existenz. Panik pur und da hilft auch kein Handtuch.
Was kann man tun? Klar: Kohle ist immer knapp. Ich habe mich trotzdem entschlossen, wenn möglich, nicht selbst zu kochen oder zu backen. Habt ihr auch schon erlebt, wie dankbar Pizzerien und Bäcker für eine telefonische Bestellung sind? Es ist beinahe unangenehm berührend. Bezahlung per Paypal (Emailadresse reicht). Lieferung vor die Haustür ohne Aufpreis wie ausgewiesen auf der Speisekarte. Kontaktlos und so risikoarm wie möglich[FONT=-apple-system].
Dienstleister wie z.B. Friseure bieten 5-er und 10-er Karten an und gewähren dafür 10% Nachlass. In der Hoffnung, sofort etwas Geld reinzubekommen, um wenigstens Miete zahlen zu können. Eine solche Karte zu kaufen, kann in der Masse einen echten Unterschied machen.
Wir sind alle schon groß und selbstbestimmt. Ist es trotzdem ok, wenn ich vorsichtig anrege, mal drüber nachzudenken, auf solche Weise Kleinbetriebe zu unterstützen?
Belohnung ist das Gefühl, etwas versucht zu haben. Sich nicht über letztlich harmlose Hefehamster erregen zu müssen. Beides beruhigt ein wenig und lenkt von der eigenen Besorgnis ab. Mit etwas Glück braucht dann auch niemand das Handtuch zu werfen.
In ein paar Wochen sehen wir alle aus wie Hippies. Die große Nachfrage wird sich vom Klopapier auf Haarschneidemaschinen und Staubsaugerbeutel verlagern?
Ja sicher… hab mich schlecht ausgedrückt: eben weil sie jetzt geschlossen haben und niemandem die Haare schneiden, verkaufen sie die 10er Karten. Sie bekommen dadurch JETZT Geld und arbeiten die Karten ab, wenn nach Corona[FONT=-apple-system] die große Welle an Kunden anrollt.
Das ist bei uns genauso. Wir haben dazu allerdings mit Absicht einen unserer üblichen Italienier ohne Lieferservice gewählt. Unsere zwei Lieferservices sind über unsere Stadt hinaus bekannt und man merkt das bei beiden auch an den Lieferzeiten, unser üblicher Italienier liefert nicht, ist sehr klein und versteckt und - leider - auch nicht besonders marketing-affin. Der hat beistand dringend nötig und wir lieben sein Essen. Ostersonntag wird allerdings beim Griechen abgeholt.
Hefe hätte ich trotzdem gerne mal wieder, allerdings habe ich da den Tipp bekommen, dass Bäckereien (also ein Bäcker-Bäcker) tatsächlich auch Hefe zu einem günstigen Preis abgeben.