Das muss ja auch nicht sein. Agree to disagree. So hab ichs im Kurs “Gesprächstechniken” gelernt: Jeder darf sein Gesicht wahren, egal, welchen Standpunkt er vertritt. Wir sind alle erwachsene Menschen (nehm ich mal an). Man kann äußern, was man von diesem Standpunkt hält, der einem nicht gefällt, aber man darf die Person nicht angreifen.
So habe ich das zumindest im Management-Studium gelernt. Aber die Sitten verrohen. Und mein Kurs ist auch schon 25 Jahre her. Bin halt langsam ein altes Haus…
Und - Ja! - auf dem Avatar-Bild bin ich auch 30 Jahre alt und nicht 53. Mir gefällt es trotzdem!
Ich habe den Thread gerade erst entdeckt und bin schön zwischen den Standpunkten hin- und hermäandert. Ich kann die Kritik an und den Unwillen über oktruierte Triggerwarnungen sehr gut nachvollziehen, aber ich finde auch eine gewisse Rücksichtnahme gegenüber den Erwartungshaltungen des Publikums durchaus begrüßenswert.
Wie bei so vielem macht auch hier wohl die Dosis das Gift. Es versteht sich von selbst, dass in Büchern mit pastellfarbenen, starkverblumten Covern psychisch belastende Inhalte zumindest überraschend und ein explizierter Hinweis entsprechend hilfreich wäre. Ist dieser nicht vorhanden, sind kritische Rezensionen genug Abstrafung für das Werk. Dann braucht es nicht noch eine Maßregelung des Autors.
Ich konsumiere in meiner Freizeit gelegentlich Battlerap. Ich liebe die Wortgewandheit und den Humor der Künstler, aber inhaltlich ist das mitunter wirklich grenzwertig. Triggerwarnungen sind da mittlerweile Gang und Gebe. Neulich war ein ausführlicher Artikel über einen sächsischen Battlerapper in der Mitteldeutschen Zeitung. Wenn ich mir vorstelle, dass da nun jemand unvorbereitet in ein Youtube-Video reinrutscht, in dem es von sexistischen und gewaltverherrlichenden Inhalten nur so strotzt, dann ist diese Art der (Vor)Warnung durchaus sinnvoll.
Im Endeffekt sollen alle Künstler in jedem Medium die Freiheit haben, ihre Werke nach eigenem Dafürhalten zu präsentieren. Aber in gleichem Maß haben die Rezipienten (ja, auch die woken und PCen) das Recht, sich kritisch mit diesen Werken auseinanderzusetzen. Die einen wollen das Happy End, die anderen den abgetrennten Arm, die einen wollen Überraschungen und die anderen auf keinen Fall. Und für all diese Bedürfnisse sollte es (Kunst)Werke als Diskussionsgrundlage geben. Wenn dies gesellschaftliche Debatten auslöst, ist das ja erstmal nichts Schlechtes. Die Diskussion darf nur nicht in Zensur und Cancel Culture ausarten.
Kurz gesagt: lasst die Leute mal machen. Ob mit oder ohne Triggerwarnung: der Erfolg wird ihnen Recht geben (oder eben nicht).
Aber sowas gibt es doch schon lange oder? Auf CD-Hüllen zum Besipiel gab es dafür immer ein mehr oder weniger standardisiertes Logo in Form eines Aufklebers. Ich sehe das Problem hier eher darin, dass mittlerweile so ziemlich jeder auf den Arm will. Wir können aber nicht jeden mit seinen Befindlichkeiten auf den Arm nehmen oder? Zumal ich das Gefühl habe, dass der ein oder andere Mensch einfach nur gesehen werden will und sich deshalb die ganze Menschheit gefälligst mit seinen Befindlichkeiten auseinandersetzen soll.
@AndreasE. hat es so formuliert und ich nehme das einfach mal her: “… Die Idee, man könnte ohne negative Erfahrungen und Gefühle leben zu können, ist absurd (was sie nicht daran hindert, inzwischen offenbar sehr verbreitet zu sein).”
Warnungen sind ja durchaus sinnvoll - siehe zum Beispiel Liedtexte. Aber Warnungen vor allem? Können wir neun Milliarden Befindlichkeiten und Probleme abdecken? Müssen wir jetzt zum Beispiel bei jeder Romantic Comedy eine Triggerwarnung platzieren?
Die meisten Menschen brauchen Schubladen. Das Untergenre, vom Untergenre, vom Untergenre - bei dem ich mich oft frage, was das jetzt schon wieder ist. Nicht nur in der Literatur. Sollte doch ersichtlich sein, auf was man sich einlässt. Wenn nicht, kann man im Internet nachschauen. Und trotzdem wird gegen dies und jenes gewettert. Wenn das Werk nicht gefällt, wird oft nicht nur die Geschichte kritisiert, sondern auch der Autor oder die Autorin angeprangert. Sehr unfair.
Meiner Meinung nach interpretieren wir zu viel in zu vieles hinein. Leben, und leben lassen sollte die Devise sein.
ich schreibe einfach keine Romane mehr, in denen jemand namens Karl-Heinz vorkommt, basta. Ist eh ein Name, der sich nicht gut für Romanfiguren eignet, wegen des Zets am Schluss („Da stand Karl-Heinzens Auto“ – wer will sowas lesen??).
Und das ist das wirklich Bedenkliche an der aktuellen Entwicklung. Ein Roman kann schlecht, unrealistisch, langweilig oder sonstwas sein, aber mittlerweile findet man es oft, dass man dem Autor dahinter persönliche Defizite und finsterste Absichten unterstellt.
Schreib einen Roman über eine glückliche Hausfrau und Mutter, und die feministische Fraktion wird dich und dein “vermufftes Frauenbild aus den fünfziger Jahren, das der Autor propagiert” zerreißen. Schreib über eine erfolgreiche Geschäftsfrau, die ihr Leben fest im Griff hat und für ihre Kinder Kindertagsstätten und Nannys nutzt, und du hast die Konservativen an der Backe, die deine Protagonistin (und dich gleich mit) Rabeneltern schimpfen, die traditionelle Familienwerte verachten. So ist es auch mit jedem anderen der kontroversen Themen, die aktuell rauf und runter diskutiert werden. Man trennt nicht zwischen Autor und Werk.
Fazit für mich: Tu, was du willst, du wirst es bereuen. Also mache ich das, was mir gefällt.
Die länge dieses Threads zeigt schon, wie kontrovers dieses Thema doch ist. Was ich allerdings sehr schade finde ist, dass (wenigstens ist das mein Eindruck beim ersten Überfliegen) viele Diskutierende der “Triggerwarnungen sind unnötig”-Fraktion sich eher über Argumente anderer lustig machen, anstatt eigene Argumente liefern zu wollen.
Letztendlich sehe ich überhaupt kein Problem darin im Vorwort oder Klappentext zu vermerken, dass körperliche/psychische/sexualisierte Gewalt in einer Geschichte dargestellt wird, damit jeder potentielle Leser selbst entscheiden kann ob er oder sie Lust darauf hat.
Ah ja, und die Befürworter der Triggerwarnungen schütten ein Füllhorn an Argumenten aus? Das einzige Argument, was ich dort immer lese, ist “Ich bin der Mittelpunkt des Universums und alle haben auf mich Rücksicht zu nehmen”.
Ginge es nur darum körperliche/psychische/sexualisierte Gewalt im Klappentext zu deklarieren, gäbe es kaum Diskussionen. Aber es wird ja auch gefordert, Warnungen auszusprechen, wenn ein Liebesroman kein Happy-End hat, eine Nebenfigur eine Krankheit bekommt oder stirbt oder auch wenn der Prota eine Einstellung hat, die persönlichen Überzeugungen widerspricht (siehe Beispiel Atheist).
Gänzliche Irreführungen im Klappentext gehen nicht, das ist Betrug am Leser, aber wer immer nur seine Sicht der Welt lesen will und nicht offen für andere Erfahrungen und Bewältigungsstrategien macht, wird sich nicht weiterentwickeln. Und Stillstand ist Rückschritt.
Dann hast du eben nicht sorgfältig genug gelesen. Die Argumente sind einfach die, dass, je genauer die Warnung sein muss, desto mehr von der Geschichte verraten wird, bis hin zum Spoiler ob nun das Ende happy ist oder eben nicht. Und in einem weiteren Post schrieb ich, dass durch die überbordende Sensibilität Triggerwarnungen bei Textstellen erscheinen müssten, an die ich niemals im Leben denken würde.
Klar kann man die überbordende neue Empfindlichkeit als das neue Normal akzeptieren. Oder mal hält es wie ich und sagt den so überaus Empfindlichen, sie sollen sich nicht so anstellen. Man muss als Leser auch mal etwas aushalten. Man hat schließlich immer die Wahl, etwas abzubrechen, das Buch zuzumachen und es sogar wegzuwerfen.
So lange ich mir als Autor Kritik von Leuten gefallen lassen muss, die das Buch nicht einmal gelesen haben, habe ich das Recht, nicht auf alle potenziellen Leser Rücksicht nehmen zu müssen. Was man, aus bereits geschilderten Gründen, auch überhaupt nicht kann. Rein technisch geht das nicht!
Wahrscheinlich würde es bei einem Blowjob als Pornographie bezeichnet?
Was heisst “woke Fraktion”? Ein Wok ist für mich eine Art chinesischer Kochtopf. Hab sogar Herrn oder Frau Google gefragt: “Die Definition von Wok im Wörterbuch ist ein großer metallischer chinesischer Kochtopf mit einer gekrümmten Basis wie eine Schüssel und …”
Nette Diskussionsart von dir, Unbefleckte. Wer deine Denkweise nicht akzeptiert, ist auf dem Holzweg.
Nur weil etwas nach Jahren nervender Zeitgenossen und Zeitgenössinnen durchgesetzt wird, muss es nicht gut, richtig und sinnvoll sein. Für manche Änderungen wurde mit viel Kraft und Energie über Jahre hinweg gekämpft, das Frauenstimmrecht beispielsweise.
Bleib doch, Kady. Diskutier doch mit dem Rest von uns weiter.
Woke, nicht Wok.
Woke (englisch ,erwacht’, ,wach’, Aussprache: ˈwoʊk]) ist ein im afroamerikanischen Englisch in den 1930er Jahren entstandener Ausdruck, der ein „erwachtes“ Bewusstsein für mangelnde soziale Gerechtigkeit und Rassismus beschreibt. [Zitat aus Wikipedia.]
Wahrscheinlich wurde das Bewusstsein mittlerweile auch auf andere Bereiche ausgedehnt.
Das Problem bei diesen Anglizismen ist oft, dass sie sich nicht immer so problemlos flektieren lassen, wie es in einem deutschen Satz nötig wäre.
Meine Meinung: Ich finde das Wort scheußlich und verstehe nicht, warum man nicht auch “aufgeweckte Gesellschaft” sagen kann.
Thema Woke:
Ach, ich hab da mal einen lustigen Film auf Youtube gefunden. Allerdings reden die Herren sehr schnell. Ich hab es mir etwas langsamer gestellt:
@Füchsli Nun, was Pornografie betrifft, irrst du dich. Der Unterschied zwischen Erotik und Pornografie sind weder die Sexualpraktiken, noch ausschließlich das Vokabular. Das höchste Deutsche Gericht hat ein Urteil gesprochen, was in juristischen Zirkeln und Urteilen immer wieder zitiert und zur Urteilsbegründung diverser Rechtsstreitigkeiten herangezogen wird.
Die Rechtsprechung definiert wiederum Pornografie „… als grobe Darstellung des Sexuellen in drastischer Direktheit, die in einer den Sexualtrieb aufstachelnden oder die Geschlechtlichkeit in den Schmutz ziehenden oder lächerlich machenden Weise den Menschen zum bloßen (auswechselbaren) Objekt geschlechtlicher Begierde oder Betätigung jedweder Art degradiert“ (Freiwillige Selbstkontrolle). Quelle: Wikipedia
Das sind jene, die sich selbst so bezeichnen. Ich habe mir das weder ausgedacht, noch würde ich es in einem anderen Kontext verwenden. Sie wollen so bezeichnet werden und der Menschen Wille ist ihr Himmelreich. Da ich sonst auf keinerlei Wokeness Rücksicht nehmen will, bleibt mir das als einzige Möglichkeit, Respekt zu bekunden. Da das Wort woke mittlerweile und in beeindruckender Geschwindigkeit zum Schimpfwort mutierte, ist auch klar, wie groß mein Respekt ist.
Erst die Geschichte wird zeigen, ob es so sein wird. Aber meine Meinung darf ich sagen, oder? Ich verstehe nicht, warum du darauf kommst, dass ich glaube, meine Meinung wäre die einzig Richtige. Ich versuche, mit Nachdruck zu argumentieren und Nachdruck ist kein unerlaubtes Stilmittel, es verdeutlicht nur, wie einseitig meine Meinung ist. Die Gegenpartei hat auch eine Meinung. Nur zwei Diskutanten vertreten einigermaßen gemäßigte Positionen. Der Ausgang ist noch völlig offen.
Logischerweise entwickelt sich alles. Irgendwohin. Früher war ich klein, jetzt bin ich groß, die Leute waren so, jetzt sind sie So. Zuerst sind wir auf die Bäume, und vor lauter Schiss, da oben zu verhungern, sind wir wieder runter.
Die Welt dreht sich, die Kultur entwickelt sich, und irgendwann scheint die überbordende Empfindlichkeit das neue Normal zu sein.
C’est la fucking vie.
ABER: Sprechen wir mal über Verantwortung. Verantwortung der Menschheit gegenüber. Muss ich jeden trösten, jeden verstehen, muss ich mir dauernd genau überlegen, wie ich kritisch meine Meinung äußere, wie viele der zehn Anwesenden ich verletzen könnte und in welchem Grad? Gibt es nicht auch eine Verantwortung den Anderen gegenüber in Menge und Art und Weise von Verständnis. Ich denke, man muss Menschen auch mal sagen, wo ihre überbordende Emfindlichkeit grad nervig ist, eben um sie vor ihrer eigenen nicht funktionierenden Reflexion zu schützen.
Es hilft den Leuten nicht, wenn wir ihnen in ihrem Leben alles durchgehen lassen. Denn dann hören sie auf zu lernen, durch Kritik kann man lernen, ja. Und lernen ist wichtig. Das Kind von den Eltern, der Azubi vom Meister, der Student vom Prof und so weiter.
Und jeden Scheiß mitzumachen, alles abzunicken, ohne mal sagen zu dürfen: “Sei mir nicht böse, aber du bist total woke bekloppt.”, ist meiner Meinung nach total verantwortungslos meinen Mitmenschen gegenüber.