Bin ich unsensibel, oder alt? Oder beides?

Als Leser zahle ich ja nicht nur Geld für ein Buch, sondern stecke auch 3-4 Stunden meiner Freizeit hinein und setze mich innerlich mit den Vorstellungen auseinander, die der Autor hat.
Wenn ich dann erst nach zwei Stunden merke, dass das gekaufte Buch mir meine Stimmung verdirbt und meine Laune runterzieht, oder mir Bilder in den Kopf setzt, die mich später im Schlaf verfolgen werden, finde ich das gar nicht gut.
Das kann unabsichtlich mal vorkommen, aber

so etwas finde ich sehr unfair mir als Leser gegenüber.

Ja, genau so!

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Wenn sich ein Buch als Mogelpackung erweist - also Cover, Titel und Klappentext etwas anderes versprechen - stört mich das auch. Ging mir letztes Jahr so. Wenn ich das Nachwort zuerst gelesen hätte, hätte ich das Buch gar nicht in die Hand genommen.

Lesen ist für mich in erster Linie Entspannung. Wie ein kleiner Kurzurlaub, einfach in eine andere Welt eintauchen.
Und ja, ich suche eher die schönen Ecken . Über Mord und Vergewaltigung lese ich in der Zeitung genug.

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Aber wie will ich als Autor wissen, was konkret dir die Stimmung und die Laune verdirbt? Du hast geschrieben, du schreibst einen heiteren, christlichen Roman. Gut, dann mal folgendes Beispiel:
Ich schreibe einen heiteren Liebesroman, in dem sich Eva in einen schmucken Adam verliebt, der atheistischer Aktivist ist, was durch ziemlich krasse Vergleiche, despektierliche Sprüche und abwertenden Bemerkungen zum Ausdruck kommt. Davon abgesehen handelt der Roman aber von amüsanten Verwicklungen und Missverständnissen, bis sie sich dann schließlich kriegen und sich dann - ganz romantisch - am Ende im Schein einiger brennender religiöser Schriften zu küssen.
Cover: Ein küssendes Paar im Flammenschein
Genre: Heiterer Liebesroman
Klappentext: “Als die Jurastudentin Eva auf den politisch interessierten Adam trifft, ist sie sofort hin und weg. Doch Adam hat nur Augen für seine Mission. Erste Versuche, sein Interesse zu wecken, werden ignoriert. Doch so leicht gibt Eva nicht auf. Um ihre große Liebe zu erobern, ist sie bereit, auch nachhaltigere Massnahmen zu ergreifen. Doch nichts ist jemals einfach und so stolpert sie von einem Chaos ins nächste.”

Und nun die Preisfrage: Würde dir so ein Roman die Laune verderben? Wäre es eine Mogelpackung?

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@RalfG - Wie schaffst du das nur immer, die Dinge so plastisch darzustellen?

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Mir helfen da wirklich die Leseproben, die man in Zeiten von Kindle mittlerweile für fast jedes Buch erhält. Sie umfassen in etwa 10% des jeweiligen Buches. Ich lese zuerst die kostenlose Leseprobe. Falls mir das Buch dann immer noch gefällt, ist der Kauf dann eine Sache von Sekunden.

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Ja, das Beispiel ist nicht schlecht erdacht. Nur frage ich mich gerade, warum Adam so krass gegen den christlichen Glauben wettern muss, wenn es so unbedeutend ist, dass das Thema noch nicht einmal im Klappentext vorkommt.
Wenn eine besondere Eigenschaft im Roman eingeführt wird, dann ist sie auch für den weiteren Handlungsstrang wichtig. Wenn sie nichts dazu beträgt, kann sie weg. So hab ich’s gelernt.
Es ist ja wohl jedem klar, dass sich ein gläubiger Mensch von solchen Schmähreden angegriffen fühlt. Und Gläubige gibt es noch genug in unserem Kulturkreis. Das weiß auch der Autor dieses Liebesromans. Warum verheimlicht er es also im Klappentext? Die einzige Antwort, die mir dazu einfällt: Um die Gläubigen zu schocken. Deshalb sollte die Bezeichnung “Atheist” für Adam unbedingt auf den Einband des Buches. Tut nicht weh, weiß jeder, was ihn erwartet.
Oder eben Content Notes im Innenteil, wo jeder nachlesen kann, der sie braucht: “Verballhornung des christlichen Glaubens”.
Das tut auch keinem weh. Denn wer’s nicht lesen will, der liest es halt nicht.

Spätestens in den ersten bösen Rezensionen von Gläubigen wird der Inhalt des Buches publik. Ob sich das dann noch gut verkauft, wenn doch einige Ein-Sterne-Bewertungen dabei sind, weil man vom Inhalt enttäuscht wurde?

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Danke für das Kompliment, @Suse. :slight_smile: Die Antwort ist Übung. Ich durfte jahrelang komplexe IT-technische Projekte gegenüber dem Management vertreten und im Gegenzug esoterische Entscheidungen und Befindlichkeiten des Managements meinen Techies erklären. Da lernt man, mit Metaphern, Vergleichen und bildhaften Beispielen zu arbeiten - ob man will oder nicht.

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@Zauberfrau:
Es dient zur Charakterisierung. Ist es notwendig, beispielsweise Eva als resolut darzustellen? Nö, sie könnte genauso ein schüchternes Mäuschen sein, würde für den Plot selbst keine große Rolle spielen, sondern nur die Art und Weise verändern, wie sie mit bestimmten Situationen umgeht. Es sollte in dem Fall gezeigt werden, dass Adam auch bis zu einem gewissen Grad fanatisch ist und für so “Nebensächlichkeiten” wie Liebe eigentlich keine Zeit hat, weil es ihm ja “um die Sache” geht.

Du kannst das auch austauschen. Dann ist er halt kein engagierter Atheist, sondern ein SUV-fahrender Vielflieger, Sammler von Weltkriegsdevotionalien, Fleischesser oder - ganz aktuell - schlicht russischer Abstammung.
Jedes einzelne dieser Merkmale ist legitim und gleichzeitig geeignet, einigen Leuten die Stimmung zu verderben und deswegen böse Rezensionen zu provozieren.
Soll jede Kleinigkeit in den Klappentext?

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Ich mag Überraschungen. Fragt sich nur, welche.
Wahrscheinlich werde ich nie ein Buch von dir lesen, Unbefleckte. Scheint nicht meins zu sein, muss es ja auch nicht. Du wirst auch nie was von mir lesen, weil es zwar viele Überraschungen und Wendungen hat, sogar ein wenig Drama und Schock, Kampf und Tod. Doch “pures Dynamit” ist es definitiv nicht.

Ja, ich gehöre auch zu denen, die ein Buch mit Happy End wollen. Ich mag keine Dramen, keine Krimis und lese höchst selten mal einen Thriller.
Vielleicht hat es was mit dem Lebensalter und den Erfahrungen zu tun, die man schon hatte?
In meinem persönlichen Umfeld gab es viele Todesfälle, Scheidungen, Lügen und Betrügen, Burnout und Depressionen, Suizidversuche, Überfälle, Krankheiten, Konkurse, … name it.
Da will ich wenigstens beim Lesen das Gefühl haben, “alles wird gut”. Im realen Leben ist das nämlich nicht unbedingt der Fall.
Deshalb liebe ich Fantasy, weil sie so weit weg vom realen Leben ist. Und ich lese gerne Romancy und Liebesromane mit Happy End.

Und zurück zum Topic des Thread (blöde Anglizismen…): Ich lese den Klappentext, die Genre-Zuordnung, die Alterszuordnung und schaue in die Rezensionen. Ich schaue in die Leseprobe oder schlage das Buch irgendwo auf und lese einen Absatz oder zwei, um zu sehen, ob mir der Schreibstil gefällt.
Eine zusätzliche Triggerwarnung brauche ich nicht.

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Es braucht auch Zeit für Erholung und Entspannung. Wer immer nur aktiv etwas möglichst Sinnvolles tut, hetzt sich u.U. zu sehr. Covey nannte die bewusste Erholung “die Säge schärfen”. Ohne diese Pausen läuft man Gefahr, auszubluten.

Dann sollte meiner Meinung nach der Klappentext so lauten: Als die Jurastudentin Eva auf den radikalen atheistischen Aktivisten Adam trifft, …

Ich bin 55. Habe im Bekannten- und Familienkreis die gleichen Erfahrungen machen müssen. Leider. Schrecklich. Dennoch liebe ich Thriller, Dramen, Horror (wenn er denn gut gemacht ist). Liebesschnulzen und Happy Endings mag ich gar nicht. Aber auch hier: Wenn’s denn gut gemacht ist …

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Können wir uns nicht darauf einigen, dass jedes Tierchen sein Plaisierchen hat?
Manche Menschen lieben das Happy End, manch mögen es nicht. Manche Menschen wollen Triggerwarnungen/Content Notes in ihrem Buch, manche wollen das nicht. Ist doch alles legitim!
Wer halt meint, mit einer irreführenden Information auf dem Klappentext seine Leser schocken zu wollen, dann ist das sein Problem. Kann er machen, braucht sich dann über schlechte Rezensionen nicht zu wundern.
Wer mit Triggerwarnungen oder Content Notes arbeiten will, kann das auch machen. Damit vergrätzt er vielleicht ein paar Leser, weil sie das Buch nicht einmal mit der Beißzange anfassen wollen, aber solche “Leser” schreiben ja keine Rezensionen. Zumindest in der Regel nicht, es sei denn, sie wollen dem Autor eins auswischen.

Es gibt hier kein Richtig und kein Falsch, muss ich feststellen. Jeder kocht das Süppchen, mit dem er zufrieden ist. Wenn es nach einem sanften Karottensüppchen aussieht und dann beim Genuss mindestens 100.000 Scoville aufweist, dann ist das schlicht ne Mogelpackung. Kann sein, dass der Koch seine Suppe dann in den Haaren wiederfindet. Aaaber es ist sein gutes Recht das so zu machen. Ich will das für mich nicht.

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Nee, also wenn ich der geschockte Leser bin und beispielsweise im anscheinend heiteren Roman, der mich von einer Krebserkrankung im echten Leben ablenken sollte, plötzlich jemand an Krebs erkrankt und stirbt, dann finde ich das definitiv falsch!

Jeder Autor darf gerne alles schreiben was und wie er will, aber für den Leser muss vor dem Kauf und vor dem Lesen deutlich erkennbar sein, was für eine Art Buch er bekommt.

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Wir drehen uns im Kreis.

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Richtig, und das ist dein gutes Recht.
Aber zu erwarten, dass die Welt sich gefälligst um Dich, deine Meinungen, Vorstellungen und Befindlichkeiten zu drehen hat und alles andere “falsch” ist, ist eine Selbstüberhöhung und wird zwangsläufig zu Enttäuschungen führen. Wir alle haben unsere traurigen Geschichten und können nicht erwarten, dass alle darauf Rücksicht nehmen. Schreib deinen Roman und sobald ich dort drin ein Wort von Rhabarber lese, schreibe ich einen Verriss dazu, der sich gewaschen hat, da ich als Kind traumatische Erfahrungen damit gemacht habe und man mir dieses Zeug, nur weil es angeblich “gesund” ist, mehrfach gegen meinen Willen aufgenötigt hat. Sollte ein Hinweis auf Rhabarber im Klappentext fehlen, werde ich dir auch Heimtücke und böswilliges Verschweigen vorwerfen. Und bevor das Argument kommt, dass man das nicht vergleichen kann: Gibt es ein Ranking der traumatischen Erfahrungen oder eine Befindlichkeitsolympiade? Ist meine schmerzhafte Erinnerung weniger wert als deine?

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@Lusmore - Sind deine Fragen jetzt eigentlich beantwortet?

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Wow. Ich habe noch nie so viele Bekenntnisse zum Wunsch nach Happy End auf einmal gesehen. Das macht mich richtig nachdenklich, ganz im Ernst.

In Verlagen kursiert übrigens als Ratschlag an Autoren: “Möglichst viel Blut und Splatter reinpacken, gern auch abgeschnittene Körperteile, je grausiger, desto besser – vor allem Frauen stehen da total drauf!” Wobei ich mich damit auch nicht anfreunden kann (nur, weil ich ein Mann bin, womöglich?), ich mag sowas meistens auch nicht so gern lesen.

Bücher erfüllen deutlich ganz verschiedene Funktionen; das sollte man beim Marketing besser berücksichtigen.

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Es sind nicht wirklich viele. Die, die es sich wünschen, pochen „nur“ vehement darauf. :slight_smile: Zumindest in diesem Thread.

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Ich hatte immer schon den Eindruck, die Leute wollten Happy Ends.Vor allem auch bei Filmen.
Als ich vor Jahren einen Schreibkurs mitgemacht habe, hatte ich den Eindruck, die Kursleiterin wollte mich auch in Richtung Happy End bei meinem historischen Roman drängen. Sie meinte, Verlage hätten das lieber. Bei meiner Romanidee fände ich das kitschig.
Vielleicht ist es auch eine Frage der Definition? Bei „Ein ganzes halbes Jahr“ hatte ich gar nicht den Eindruck, dass das Ende so schlecht ist. Er kriegt, was er die ganze Zeit wollte, und sie bekommt einen guten Start ins Leben.
Vielleicht denke ich so, weil ich auch so entschieden hätte wie Will Traynor. Vielleicht auch, weil ich es nicht per se als happy betrachte, wenn zwei Personen am Ende zusammenkommen.

Au weia. Hier bin ich ja mal über eine Tücke der deutschen Rechtschreibung gestolpert. Das kann ich einfach nicht unkommentiert lassen.
Ich stelle beim Lesen von Internetbeiträgen aber auch in Texten meiner Schüler immer wieder fest, dass Zusammen- und Getrenntschreibung ein echtes Problem ist.
Was ist der Unterschied, ob zwei Menschen zusammenkommen, oder ob sie zusammen kommen?

Ich sage nur so viel: Wenn man es getrennt schreibt, bedeutet „zusammen“ gemeinsam. Das wäre dann definitiv nicht meine Definition von einem Happy End … :rofl:

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