Beweise für das Unbeweisbare?

Ich würde Dir Immanuel Kant und Georg Hegel als Sekundärliteratur empfehlen. Sie haben sich mit dem (Un)Beweis befasst. Kant: Der Beweisgrund von dem Dasein Gottes, den wir geben, ist lediglich darauf erbauet, weil etwas möglich ist.

Interessant mag in diesem Zusammenhang auch die tatsächliche Lebensgeschichte von Ignaz Semmelweis sein. Dieser lebte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, also in passender Zeit zu deiner Geschichte. Er war Assistenzarzt der Geburtsklinik in Wien und versuchte seine Kollegen von den Vorteilen der Handdesinfektion zu überzeugen. Er selbst hatte durch empirische Beobachtung festgestellt, dass die außerordentlich hohe Sterberate der Geburtsstation offenbar an den nicht desinfizierten Händen der Ärzte lag.

Nun sollte man meinen, dass seine Kollegen diese Erklärung wohlwollend zur Kenntnis genommen hätten, froh eine Erklärung und sogar schon eine Lösung zu haben. War aber nicht so. Die anderen Ärzte waren - im Gegenteil - erbost, dass sich da jemand erdreistete, sie für die Probleme verantwortlich zu machen. Es war da doch viel angenehmer, weiterhin an die etablierten Erklärungen, wie kosmische Strahlung oder irgendwelche Erdstrahlen zu glauben. Und das sogar, obwohl die nebenan liegende Geburtsstation 2, auf der nur Hebammen die Entbindungen durchführten, eine signifikant niedrigere (ca. 1/4) Sterberate hatte und niemand erklären konnte, warum die Erdstrahlen einen Bogen um diese Station machen sollten. Der Disput dauerte dennoch Jahre und bis sich die Idee von Semmelweis durchsetzen konnte, vergingen Jahrzehnte.

Langfristig betrachtet, kann Ignaz Semmelweis damit als einer der wesentlichen Begründer der evidenzbasierten, modernen Medizin gelten. Er selbst hatte allerdings nur Nachteile von seiner Entdeckung. Genauer gesagt, hat er die Nachteile dem Versuch zu verdanken, seine Kollegen überzeugen zu wollen.

Man kann also überlegen, ob es für den Protagonisten deiner Geschichte nicht nachteilig oder sogar ungesund sein kann, wenn er versucht, die Leute von ihrem liebgewonnenen Glauben abzubringen. Naturwissenschaftliche und logische Defizite bei der Erklärung von Werwölfen, Heinzelmännchen usw. hin oder her.

Im Übrigen zeigt diese Geschichte auch, dass der Bildungsstand nicht so entscheidend für die Akzeptanz neuer Ideen ist. Semmelweis’ Kollegen waren (für ihre Zeit) hochgebildete Ärzte. Es scheint sogar, als sei diese Tatsche eher hinderlich gewesen. Eben weil die Ärzte sich einfach nicht vorstellen konnten (oder nicht bereit waren, zu akzeptieren), dass ihre bisherigen, mit allem wissenschaftlichen Gewicht vorgetragenen Erklärungen falsch sein könnten.

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Atharod

Das hätte alles im Eröffnungsthread stehen sollen, so mäanderte der Thread im Ungewissen vor sich hin.

@ Don_Diego

Bei den Vermutungen über die Befindlichkeit der Vertreter der Wissenschaft im 19. Jahrhundert wäre ein ausreichendes Quellenstudium sinnvoll.


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Atharod

Ich bringe hier mal ein Zitat aus einem meiner Bücher zum Thema (was mich übrigens selbst viele Jahre beschäftigte - 19. Jhd., Technik, Wissenschaft, Aberglaube).

Es waren bürgerlicher Geist und bürgerliches Personal, die den grandiosen Aufstieg der Wissenschaften zu Wege brachten. Diese revolutionierten die Technik, Produktion und am Ende auch die Organisation der Großwirtschaft; sie begannen, den Alltag der Menschen zu verändern, man denke an Verkehr, Nachrichten, Nahrungsmittel und Unterhaltungsindustrie. Über Bildung und Publizistik drangen die Wissenschaften überdies in die soziale und kulturelle Lebenswelt ein, veränderten sie und halfen mit, traditionelle Deutungsmuster zu delegitimieren, neue Weltdeutungen hervorzubringen und die Fortschrittserwartungen der Menschen nicht nur zu steigern, sondern auch zu beglaubigen. In den Universitäten und Hochschulen, Akademien und Archiven, in den neu entstehenden natur- und technikwissenschaftlichen Forschungsinstituten und Industrielabors wurde Wissenschaft zum spezialisierten Beruf. Sie gründete auf einem neuen Begriff des Wissens, für den systematischer Erfahrungsbezug, spezifische Verfahren (Methoden) und die Kritik der Fachgenossen zentral waren. Quelle: Kampf um die Moderne : Das lange 19. Jahrhundert in Deutschland von Jürgen Kocka, Verlag: Klett-Cotta 2021

Das Zitat birgt schon einige Hinweise darauf, das das 19. Jahrhundert nicht gerade das Jahrhundert des Aberglaubens war. Eher das Gegenteil ist der Fall. Daher auch meine Vermutung, die Person in Deiner Geschichte, die vom Aberglauben befallen war, müsste eine sein, die im 19. Jahrhundert noch nicht angekommen ist. Das Wissenschafler untereinander die schlimmsten Feinde sein können, ist eine Binsenweisheit - siehe den Konflikt Drosten vs. Streeck.

Um sich audiovisuell in diese Zeit hineinzuschmecken, empfehle ich Dir den szenischen Dokumentarfilm 19. Jahrhundert: Fürth. Er beschreibt schön die Rahmenbedingungen unter denen die Menschen zu dieser Zeit lebten. Der Link führt in die Mediathek des BR.

Ein Roman, der zu dieser Zeit spielt und Wissenschaft und Aberglaube zusammenführt ist Der entfesselte Frankenstein von Brian W. Aldiss - von Roger Corman mit John Hurt, Raúl Juliá, Bridget Fonda und Jason Patric genial verfilmt. Spielt am Beginn des 19. Jahrhunderts und konfrontiert einen Wissenschaftler (Dr. Frankenstein) mit den Heinzelmännchen der Wissenschaft des 20. Jahrhunderts.

Ich würde gerne noch eine andere Sichtweise einbringen. Hier geht es nicht um den Beweis des Unbeweisbaren, sondern welche Vorteile habe ich, wenn ich an etwas Unbeweisbares glaube. Entscheidend ist hier, warum glaubt jemand an Kobolde, Feen oder Heinzelmännchen.

Es geht um die Pascalsche Wette des Philosophen Blaise Pascals.

Ich habe einfach mal die ersten beide Absätze aus Wikipedia kopiert.

Die pascalsche Wette ist Blaise Pascals berühmtes Argument für den Glauben an Gott. Pascal argumentiert, es sei stets eine bessere „Wette“, an Gott zu glauben, weil der Erwartungswert des Gewinns, der durch Glauben an einen Gott erreicht werden könne, stets größer sei als der Erwartungswert im Fall des Unglaubens.

Zu beachten ist, dass dies kein Argument für die Existenz Gottes ist, sondern für den Glauben an die Existenz Gottes. Mit diesem Argument zielte Pascal besonders auf jene Menschen ab, die durch traditionelle „Gottesbeweise“ nicht zu überzeugen waren.

Es gibt vier Parameter in der Argumentation.

Gott existiert oder Gott existiert nicht
Ich glaube an Gott oder ich glaube nicht an Gott

  • Man glaubt an Gott, und Gott existiert – in diesem
    Fall wird man belohnt (Himmel – man hat gewonnen).
  • Man glaubt an Gott, und Gott existiert nicht – in diesem Fall gewinnt man nichts (verliert aber auch nichts).

  • Man glaubt nicht an Gott, und Gott existiert nicht – in diesem Fall gewinnt man ebenfalls nichts (verliert aber auch nicht.

  • Man glaubt nicht an Gott, und Gott existiert – in diesem Fall wird man bestraft (Hölle – man hat verloren).

Gemäß der Logik von Pascal hat es für den Menschen Vorteile, wenn er an Gott glaubt. Auf das Buch bezogen könnte die Frage interessant sein, welchen Sinn hat es, an diese Zauberwesen zu glauben?

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Irgendwie habe ich immer mehr das Gefühl, dass man sich viel zu sehr auf den Punk:
mit dem Ziel den Aberglauben an Hexen, Übernatürliche Wesen und andere Kreaturen aus den Köpfen der Leute des 19.Jahrhunderts zu verbannen
Versteift. In einem Umfang eines Martin Luther, der sein Plakat an das Kirchentor schlägt.

Ich stelle mir das eher so ein bisschen mehr, wie bei Sherlock Holmes vor.
Holmes wollte ja auch nicht jedes Verbrechen aufklären, das ihm zu Ohren kommt. Sondern eben nur die Fälle, die er interessant fand. Andere Fälle nahm er höchstens an, um seine Forschungen und Unterkunft zu finanzieren.

Und ähnlich sieht es mit meinem Protagonist aus. Er versucht ein Werk zu schreiben, das mit dem Aberglauben aufräumt, ja, aber eben indem er es erklärt, hinterfragt, den Dingen auf den Grund geht und deren Ursprung ermittelt.
Quasi wie eine Art Enthüllungsjournalist.

Für dieses Werk (also dem des Protagonisten) wird es aber eben Schwierig, weil Aberglaube, Geschichten über das Übernatürliche, „Unerklärliche Wesen“, … eben meist durch Hörensagen und der menschlichen Fantasie verkrüppelt, verformt und teilweise sogar Umgedichtet wurden. Und dann kommen noch solche Sachen wie Neid, Missgunst und Angst mit rein.
Und wenn man dann noch bedenkt, das durch die Katholische Kirche verschiedene Sachen annektiert, Ursprünge verschleiert und alte Glauben vehement verfolgt hat…

Also ich denke das es da mehr als genug Ansätze gibt, um „dumme Fragen“ zu stellen.

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Ich verfolge diese Diskussion schon von Anfang an und bin verwirrt. @Atharod , du stellst eine Frage und hast im Grunde doch schon deine Antworten. Wo genau ist dein Problem?
Wenn ich dich richtig verstanden habe, schreibst du einen Roman. Ergo erschaffst du „deine“ Welt, in der dein Protagonist dem Aberglauben entsagt und sich öffentlich zum wissenschaftlichen Stand bekennt. Und nun ziehst du eine Schleife in die relle Vergangenheit. Ist doch kein Wunder, dass du dich verstrickst. Dein Protagonist kann sich wie Holmes bestimmte Themen des Aberglaubens herauszupfen, die ihn wirklich interessieren. Nun erschaffe ihm auch eine Welt, in der er das kann.
Wahrscheinlich denke ich zu simpel. Wenn er beweisen will, dass es keine Heinzelmännchen gibt, dann lass ihn die Eichhörnchen erwischen, die sich als Heinzelmännchen verkleidet haben. Wenn er die seltsamen Getreidekreise in Schottland erklären will, dann schenk ihm zwei Bauernlümmel, die nachts hoch kreative Fälscher wurden. Will er beweisen, dass eine schwarze Katze, die von links nach rechts deinen Weg kreuzt, kein böses Omen ist, dann erschaffe einen öffentlichen Glücksmoment. Ist doch deine Welt! Klar muss er so oder so mit allen möglichen Anfeindungen und Widerstand rechnen. So ticken die Menschen halt. Ich glaube, diese Realität findest du in so gut wie allen Romanen wieder.

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Mein Problem stellt es dar, das ich nicht weiß wie ich das „Beweisen“ soll.

Ich hatte nun vor als „ersten Fall“ die Hexenprozesse in Salem aufzugreifen.
Mit dem Verfahren von 1692 bis 1693 ist es ja auch recht gut dokumentiert. Eine Familienaufstellung, in Verbindung mit dem versuch zu erklären ob die Vorwürfe auf Echte Hexerei, oder Wissen beruht, ob die Angeklagten vielleicht Geistige Probleme hatten, oder ob die Gegebenheiten anderweitig erklärt werden könnten.
Ich meine: Eine Heilerin aus einer Familie in der Ärzte, Heiler und Kräuterkundigen wegen Hexerei anzuzeigen weil sie sich mit Kräutern auskennt… Nicht schlau…
Und wenn dadurch eine ganze Hysterie erwächst…

Also nur mal als Beispiel:

„Aber sie sagte die Kuh wird sterben. Und keine drei Tage später war die Kuh Tod. Sie hat die Kuh verflucht!“
Resultat: Kuh hat an einer Stelle gegrast, wo Schlangen waren und eine Schlange hat zugebissen…

Das ist noch einfach, das klappte auch.

Doch als ich dann versuche Obskure Sachen aufzudecken, wie etwa Banshees, Leprechaunts, Kobolde, Trolle, Drachen, Wiedergänger, Aufhocker,…

Bis zu dem Punkt, als der Protagonist erkennen sollte; das Monster, Götter, und diverse andere Kreaturen nicht nur echt sind, sondern teilweise Riesige Areale beherrschen (Zum Beispiel: Die Nornen (Nordische Mythologie), Parzen (Itallienische/Römische Mythologie), Moiren (Griechische Mythologie), sowie Samsin Halmeoni (Koreanische Mythologie)… Es sind immer drei, das Schicksal bestimmende Frauen. Teilweise werden auch noch mehr angedeutet, teilweise sind in bestimmten Arealen nur eine oder 2 vertreten, aber im Grunde immer drei.)

Und diesen Sprung schaffe ich nicht.

Eben von einer kriminalistischen Aufklärung, in der die ganze Geschichte von einer Objektiven Position aufgearbeitet wird. Zu dem Punkt, wo eine Hetzjagd nach der Wahrheit in der Historie entbrennen soll.

Denn den Leichenraub zwielichtiger Halunken mit den Wiedergänger-Glauben über einen Kamm zu Schären finde ich zu simpel, nicht zuletzt weil die Angst vor Wiedergängern nicht nur Hundert Jahre, oder so, alt ist, sondern auch schon in der Antike gefürchtet wurde.
Aber selbst wenn ich nun die Untoten ausklammere, dann bleibt die Frage wie man dann Kobolde, Goblins, Trolle, Wechselbälger, … nachgehen soll.

Mir fällt da nichts ein, was den Protagonisten nicht inkonsistent wirken lassen würde.
Ich meine wie sieht das denn dann aus, wenn einer, der vehement versucht Kreaturen zu widerlegen, sich grundlos mit allerlei Hokus Pokus auf die „Jagd“ begibt?
Da muss erst der Anreiz her, der den Protagonist in seinen Ansichten erschüttert.

Ich finde den Ratschlag von @KayGee gut: Wenn du dir eine Fantasy-Welt ausgedacht hast, in der Heinzelmännchen real sind, dann gilt für deine Fantasy-Welt doch in allen Punkten: „Ich mach mir die Welt, widde-widde-wie sie mir gefällt“.

Du brauchst nicht das „Unbeweisbare“ zu beweisen, du brauchst nur deine Fantasy-Welt so zu stricken, dass das, was in der realen Welt unbeweisbar ist, dort beweisbar ist.

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Etwas ähnliches als Reihe (18 Jahrhundert) hat Robert MC Cammon mit seiner „Matthew Corbet“ Reihe gemacht. Lies das doch mal. Vielleicht ist da ein Ansatz, der sich dem selben Problem stellt…

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Man kann das Unbeweisbare nicht beweisen, sonst wäre es nicht unbeweisbar. Aber, man kann dem Denken keine Grenze ziehen. Denn um so eine Grenze ziehen zu können, müsste man nicht nur wissen, was man weiß, was unproblematisch ist, sondern auch, was man nicht weiß. Letzteres ist logisch unmöglich (Wittgenstein). D. h. man kann im Vorhinein nicht bestimmen, was beweisbar ist und was nicht. Setzt man die Unbeweisbarkeit einer Sachlage voraus, behauptet man zu wissen, was man nicht weiß. Einstein hielt beispielsweise den Nachweis von Gravitationswellen für unmöglich, aber siehe da, clevere Wissenschaftler konnten das doch, wenn auch sehr viel später.

Wenn man an das Übernatürliche glaubt, dann zieht man in dem Bereich, über den wir nichts wissen, eine willkürliche Grenze. Ist ein neuer Komet, den man entdeckt, natürlich oder übernatürlich? Solange man ihn nicht gefunden hat, gehört er zu dem Bereich, über den wir nichts wissen. Sobald man ihn entdeckt, gehört er zum Bereich des Wissens, daher ist er natürlich. Wie kann man da zwischen natürlich und übernatürlich unterscheiden, wenn man darüber nicht Bescheid weiß?

Rein sprachlich ergibt der Begriff „übernatürlich“ keinen Sinn. Wieder Wittgenstein: Die natürliche Welt ist alles, was der Fall ist. Also die Summe aller Tatsachen, ob bekannt oder nicht. Unbekannte Tatsachen existieren und können einen Einfluss auf uns haben. Was ist jetzt übernatürlich? Entweder, es gehört zu den Tatsachen, dann ist es natürlich. Oder es gehört nicht zu den Tatsachen, dann ist es vorgestellt, imaginiert, aber nicht real vorhanden. Ein Zwischending gibt es nicht, Existenz ist binär. Entweder, etwas existiert, oder es existiert nicht.

Etwas Übernatürliches, dass zu den unbekannten Tatsachen gehört, kann nicht von generell unbekannten Tatsachen unterschieden werden. Denn das hieße, eine willkürliche Grenze zu ziehen in einem unbekannten Gebiet. Der Begriff übernatürlich ist entweder ein Synonym zu „unbekannt“, oder ein in sich widersprüchlicher leerer Begriff ohne Bedeutung.

Anhänger des Übernatürlichen behaupten zwei widersprüchliche Dinge gleichzeitig:

  1. Hier ist ein Phänomen, das wir nicht erklären können.
  2. Aber ich habe eine Erklärung, nämlich, dass es eine übernatürliche Ursache hat.

Hat man eine Erklärung oder hat man keine: Wenn man keine hat, hat man keine, so einfach ist das! Man nimmt aus dem Unbekannten eine Tatsache, die natürlich wäre, wenn sie wahr wäre, und erklärt sie zu einer Tatsache, die aber keine ist, weil sie übernatürlich ist. Das ist reiner Unsinn.
Einschub: Allgemein meint mit man „natürlich“ alles, was nicht von Menschen fabriziert, hergestellt oder manipuliert wurde. Der Gegensatz dazu ist kulturell. Das beeinflusst den Einwand jedoch nicht.
Nun zu den Heinzelmännchen. Das hat Carl Sagan sehr gut erklärt in „Der Drachen in meiner Garage“. Man kann grob unterscheiden: Es gibt Tatsachen, die wir kennen, und wir wissen, wie sie uns beeinflussen. Es gibt Tatsachen, die wir nicht kennen, und von denen wir nicht wissen, wie sie uns beeinflussen. Es gibt Tatsachen, von denen wir nichts wissen, und die keinen Einfluss auf uns haben, wie etwa der berühmte umfallende Sack Reis in China.

Hat eine Tatsache einen Einfluss auf das uns umgebende, beobachtbare Umfeld, dann kann man von der Beobachtung auch auf unsichtbare Tatsachen schließen. Jede Wahrnehmung ist entweder ein logischer Rückschluss von einem Sinnesreiz auf das, was den Reiz verursacht hat, oder ein Produkt unseres Gehirns (wie Einbildungen oder Halluzinationen, Gefühle etc.). Beides kann sich mischen, wie beispielsweise bei optischen Täuschungen.

Wenn es also Heinzelmännchen gäbe, müssten sie etwas in der uns beobachtbaren Welt bewirken.

Nur von einer solchen Wirkung könnte man auf ihre Existenz schließen. Was nicht existiert, bewirkt auch nichts, außer in der Einbildung von Leuten. Aber eine Einbildung ist eine Idee, die von unserem Gehirn produziert wurde, sie kann daher etwas bewirken - in uns. Aber für andere ist sie nicht nachvollziehbar, nicht bemerkbar, sondern unsichtbar und nicht wirksam. Es sei denn, jemand redet uns diese Einbildung auch ein.

Wenn Heinzelmännchen existieren, hinterlassen sie Spuren. Aus dem Fehlen dieser Spuren kann man schließen, dass sie nicht existieren.

Obskurantisten aller Art versuchen gerne, diese Zusammenhänge zu verwischen. Sie behaupten, dass man etwas Negatives nicht beweisen könne, was totaler Quatsch ist. Wenn ich beweise, dass 1 + 1 = 2 ist, dann habe ich unendlich viele Dinge negativ bewiesen: 1 + 1 = 0 ist falsch, 1 + 1 = 1 ist falsch, 1 + 1 = 3 ist falsch, usw. usf. Oder man behauptet, man könne Nichtexistenz nicht beweisen. Das ist zwar schwer, aber es geht: Wenn X die Konsequenz Y hat, und nichts anderes mit derselben Konsequenz existiert, dann kann man aus dem Nichtvorhandensein der Konsequenz Y schließen, dass kein X mit der Konsequenz Y existiert. In der Logik nennt man das „modus tollens“. Die zweite Methode, Nichtexistenz zu beweisen, ist sogar noch viel stringenter: Wenn X logisch widersprüchliche Eigenschaften hat, existiert X nicht.

Die Methode der Obskurantisten, das zu verschleiern, sind vielfältig. Man nennt die Verfahren Immunisierung gegen Kritik. Ich will jetzt nicht zu weit gehen, ich schreibe gerade ein Buch darüber, und könnte noch viel mehr darüber sagen. Aber nur so viel: Was kritikimmun ist, ist zugleich reiner Unsinn. Was wahr ist, kann man auch ohne Folgen kritisieren, denn Wahrheit gibt es nur da, wo es auch Falschheit gibt.

Man kann unsinnige Behauptungen leicht finden: Frage den, der die Behauptung aufstellt, welche beobachtbaren Bedingungen gegeben sein könnten, die seine Behauptung falsch machen? Kann er das nicht, oder will es nicht, dann handelt es sich vermutlich um Bullshit (d. h., eine kritikimmune Aussage). Den Begriff Bullshit hat der Philosoph Harry Frankfurt in die Debatte eingeführt, siehe sein Buch „On Bullshit“. Zitat daraus: „Der Bullshit ist ein schlimmerer Feind der Wahrheit als die Lüge“ (Anspielung auf Nietzsche, der von Überzeugung sprach als Feind der Wahrheit).

Der Philosoph Hans Albert hat dafür die Bezeichnung „kritikimmune Aussage“.

Wenn man also behauptet, es gäbe Heinzelmännchen, so ist der, der dies sagt, in der Pflicht, das nachzuweisen. Zudem muss er angeben, unter welchen Umständen er seine Behauptung als falsch anerkennt. Kann oder will er das nicht, dann ist seine Behauptung Bullshit, und eine weitere Beschäftigung damit unsinnig. Obskurantisten können, wie Vince Ebert sagte, in fünf Minuten mehr Behauptungen aufstellen, als ein Wissenschaftler in seinem ganzen Leben widerlegen kann.
Die Widerlegung ist jedoch nicht Sache der Kritiker oder Skeptiker, sondern wer etwas behauptet, muss es auch beweisen. Das ist nämlich leichter. Bürdet man dem Kritiker die Beweislast auf, so ist das nicht nur intellektuell faul, sondern auch unredlich.

Hätten wir in der Schule gelernt, was Bullshit ist, unser aller Leben wäre viel einfacher …

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Herrlich! Nach wie vor eines meiner Lieblingsthemen. Nicht nur seit Twin Peaks, Akte X und Fringe!

@VolkerD: Du hast hier schön die wissenschaftliche Methode erklärt, von der viele Menschen heute glauben, sie wäre längst aus der Zeit gefallen, also obsolet.

Die Harvard-Wissenschaftler Dr. Tim Lomas, Brendan Case und Michael P. Masters stellten erst kürzlich eine Hypothese auf, dass Außerirdische längst auf unserem Planeten leben – hier der Link zur Studie. Leider nur in englischer Sprache, man bediene sich ortsüblicher Übersetzungstools.

Lustig auch, dass die Wissenschaftler ihre eigene Studie als falsch einstufen, jedoch betonen, dass der Sachverhalt wissenschaftlich untersucht werden sollte. Das forderte vor über einhundert Jahren Charles Fort, der mit seinen Büchern über unerforschte Phänomene damals auf viele Ungereimtheiten in der Beobachtung der Natur einerseits und der Ignoranz der Wissenschaft gegenüber diesen Phänomenen andererseits referierte. (Charles Fort: Das Buch der Verdammten; Verlag Zweitausendeins).

Letztendlich bleibt uns nur die wissenschaftliche Methode, um krudem Denken unserer Zeit zu begegnen.

Oder, um es mit Wittgensteins Schlusssatz im Tractatus zu sagen: Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen.

Die Ironie ist: GENAU SO HATTE ICH AUCH GEDACHT!!! :sweat_smile:
Und dann dachte ich weiter: Ist die Herangehensweise nicht vielleicht falsch? Ist das Heinzelmännchen vielleicht in der überprüften Zeitspanne einfach nicht hier gewesen?
Wie weit kann die „Legende“ deren ausbleiben erklären?

Hatte mich daraufhin in den Protagonisten hinein versetzt, wie er das bewerkstelligen wollen würde.

Ich ging somit davon aus die Geschichten zu vergleichen. Herauszufinden welche davon wohl die Ursprüngliche ist, welche Sachen hinzu gesponnen wurden, welche weggelassen wurden, …
Quasi einen „Familienstammbaum“ der Geschichte.
Das war zumindest Ebene 1.
Da viele Geschichten eben auch Mündlich überliefert und erst viel Später schriftlich festgehalten wurden, sind eben auch die festgehaltenen Geschichten fehlerbehaftet.

Ebene 2 war es über „Agenturen“ (Eben ein entsprechendes Informationsnetzwerk) ein breites Spektrum an Familiengeschichten zu untersuchen, um Belege auf solche Begebenheiten in den entsprechenden Regionen zu finden. Einfach um die Region weiter einzuschränken und mögliche Ungereimtheiten aufzudecken.

Und schlussendlich eben Ebene 3: Die eigentliche Untersuchung.
Doch wie ich anfangs ja schon einem Freund des Protagonisten zitierte:

" …
Willst du dich in der Nacht auf die Lauer legen und wenn keine Heinzelmännchen auftauchen, sagst du dass es keine gibt? Damit erreichst du gar nichts. Du gibst dich bestenfalls der Lächerlichkeit preis. …"

Bei „physischen“ Wesen, wie Heinzelmännchen, Bigfoot, Wolpertinger …hat man je nach Umgebung und „Legende“ ja noch so seine Möglichkeiten. Mehl ausstreuen für Fußspuren, Spuren finden in Schlamm und anderen umgebungstypischen Stellen.
Man stellt Fallen, …
Bei fliegenden Wesen, wie Feen, Harpyien, Phönixe, … sieht es schwerer aus.
Bei Gespenstern, Phantomen, oder etwaigen, Wesen, die sich sogar durch Wände bewegen können, oder generell nicht „fassbar“ sind…

Aber dann bleibt natürlich immer die Frage: Wie kriegt man das Wasserdicht?
Mai-Käfer sind immer um den Anfang bis Mitte Mai.
Zikaden schlüpfen sogar nur alle 13 bzw. 17 Jahre.
Wenn das mit Sagengestalten ähnlich laufen kann (Und zumindest bei den Heinzelmännchen hatte ich mal eine Geschichte gelesen, die die Heinzelmännchen nur einmal alle 50 Jahre auftreten lassen kann), dann wäre mein Protagonist aufgeschmissen mit seinen Untersuchungen.

Die „Gegner“ sagen einfach: „Ja in dieser Zeit kann man auch nichts finden…“ und damit ist die Untersuchung hinfällig.

Gut, ich hatte nun eh nicht die Heinzelmännchen im Blick. Nicht zuletzt weil die nach dem Entdecken ja eh verschwinden sollen.

Aber nein Grober Plan war erst einmal, das die Hexenprozesse in Salem unter die Lupe genommen werden. (Zum einem, weil das in der Neuen Welt liegt und auf der anderen Seite eben noch sehr aktuell, mit einem Alter von Ca. 150 Jahren in der Story.)
Von da aus sollte der Protagonist zurück nach Europa und findet dort schließlich einen Anhaltspunkt, der seine Grundthese ins Wanken bringen soll. Eben indem er auf ein paar Erzählungen/Märchen/Sagen stößt, die eine Verkettung von Sagengestalten trifft.
Und so versinkt er immer weiter im Sumpf der Mystik und der Kreaturen, die er zu widerlegen suchte.

Aber man hat mir nun erstmal einige Werke empfohlen die ich nun erst einmal durcharbeiten darf.

Dieser Lee Strobel hat sich dann auch an andere übernatürliche Themen rangewagt: Wunder, was ist wirklich dran? // Dem Himmel auf der Spur: Ein Journalist auf der Suche nach Indizien für ein Leben nach dem Tod

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Stimmt so auch nicht. Natürlich gibt es zwar keine Beweise für das Unbeweisbare, aber es gibt sehr wohl Beweise, dass etwas unbeweisbar ist. Der bekannteste ist Gödel’s Unvollständigkeitssatz.

Ich bin mal auf ein A**och von Arzt getroffen, der mir sinngemäß sagte: „Wenn Sie tatsächlich starke Schmerzen hätten, würde ich bei der Untersuchung körperliche Spuren [„Spuren“ war natürlich nicht sein Fachausdruck] finden, aber weil ich keine Krankheitsursache finde, weiß ich, dass Sie nur simulieren. Sie haben gar keine Schmerzen.“

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Das erinnert mich an meine Kindheit. Thema Essen.
Doch, das schmeckt dir.
@_Corinna

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… was natürlich Quatsch ist, wenn man sich mit Schmerzpatho und - therapie auseinandersetzt.
Aber leider ist mitunter ein klassisches Denken: keine Strukturschädigung, kein Schmerz möglich. Natürlich Blödsinn.
Schmerz ist ein hochkomplexes Thema!

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Oh Gott, ja! Kann ich toppen. Mir haben meine Großeltern eine Allergie gegen Tomaten eingeredet.
Bis zu meinem 40. Lebensjahr hab ich quasi keine Tomaten essen können, ohne dass mir (wirklich) schlecht wurde. Ich bin das einzige psychosomatische Tomatenkindheitstrauma, das ich kenne. :joy::tomato:
Therapie war der eigene Gartenanbau und bewusste Exposition. (Ja, wir sind alle ein wenig ‚Psycho‘)

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Oh ja, Story of my Life. Ich bin seit 2015 Schmerzpatient. 20 Ärzte in 2,5 Jahren - alle „0“ Ahnung. Nur durch meine Androhung bei meiner KK, dass ich bis in alle Ewigkeit weitere Ärzte aufsuchen würde und ein MRT nach dem anderen provoziere und letztendlich eine Schadenssumme im sechsstelligen Bereich der KK drohe, veranlasste diese, mich in eine Privatklinik zu überweisen. Die überwiesen mich sofort zu einem Neurologen - Privatarzt, alles auf Kosten der KK. Ergebnis: ein korrekter Befund! Mein Tipp: Scheißfreundlich bleiben, nüchternen, seriösen Tonfall pflegen. Auch bei offenen Drohungen! Lerne vom Paten! :wink:

Ja, wir sind alle verletzte kleine Kinder. :joy::face_with_peeking_eye: