Hallo LeonMalte,
hier eine kurze Rückmeldung zu meiner Überlegung, aus Sloterdijk zu zitieren:
Laut Verlag würde mir das Zitieren nur erlaubt werden, wenn eine bestimmte Auflagenhöhe im Vorfeld klar definiert ist (Preisfindung für die Genehmigung). Da ich das nicht definieren kann, verzichte ich auf das Zitieren. Der Titel „Zur Welt kommen - zur Sprache kommen“ gefällt mir aber so gut, dass entweder Dieter und Kurt oder (im Kapitel davor) Selma und Nathalie wahrscheinlich darüber reden werden. Der Gedanke ist einfach zu wertvoll, um sich von außen beschränken zu lassen.
Ich hatte zwar schon weiter oben das Urteil vom Landgericht Hamburg eingestellt, wonach man durchaus zitieren darf, aber herausfordern mag ich eine Auseinandersetzung nicht. Das wäre zu energiezehrend.
Von Martin Buber habe ich mir einen Vortrag angehört. Ich bleibe dabei: Ich fühle mich geehrt…
Gruß, Udo
Hallo Udo,
danke für die Info. Ich bin einigermaßen erstaunt - um es dezent zu formulieren - über die Reaktion des Verlages.
Nur so ein Gedanke: Wie Du gesehen hast, handelt es sich um Frankfurter Vorlesungen, die er 1988 im Rahmen einer Gastdozentur gehalten hat. Wenn nun - nur mal so angenommen - jemand diese Vorlesungen besucht und dabei Notizen über das Gesagte gemacht hat, dann stünde es doch m. E. dieser Person frei, aus den Notizen und dem Gedächtnis das Gehörte sinngemäß zu nutzen. Oder?
Ich kann das als Nicht-Jurist nicht mit Bestimmtheit sagen, aber die Erinnerung an Gehörtes oder Geschriebenes ist hoffentlich nicht untersagt.
In diesem Sinne weiterhin viel Spaß beim Schreiben!
Gruß,
LeonMalte
P.S.:
„Echte Verantwortung gibt es nur da, wo es wirklich Antworten gibt.“ (Martin Buber: Werke I. Schriften zur Philosophie, S. 85)
Hallo LeonMalte,
auch ich bin kein Jurist, stimme Dir aber absolut zu. Das ist ja genau der Kern dieser Vorlesungsreihe, dass sich - sanft gesprochen - Poesie aussetzt. Irgendwo habe ich mal gelesen, Literatur würde sich auch im „Grenzbereich“ bewegen müssen. (Sonst bleibt es ja Bespaßung…) In einem anderen Fall sagte jemand in einer Talk-Sendung (nach meiner Interpretation), dass die gesellschaftliche Relevanz - aus einem juristischen Aspekt - höher anzusiedeln ist. Damit werden doch Grenzen verschoben.
Was mich bei Sloterdijk angesprochen hat: Mit „Zur Welt kommen - zur Sprache kommen“ ist auch der einzelne Autobiograf gefordert. Ich möchte den Bogen gleich weiterspannen: Das war wie eine Bestätigung für mich. Beim Schreiben von „Der Bronzerücken“ hatte ich teilweise große Zweifel, meinen gesellschaftlichen Blickwinkel - weil nicht unbedingt Mainstream - niederzuschreiben. Vertreten kann ich diesen aber sehr wohl.
Und wie der Zufall es wollte, kamen an Heiligabend (!!!) zwei Entwicklungen zum Buch (Ying und Yang…) ins Haus. Auf Amazon bekam ich eine 1-Stern-Rezension („ein durch und durch entbehrliches Buch; selbstverliebte Biografie mit philosophischen Anwandlungen“). Wäre das meine erste Rezension gewesen, ich wäre wohl versunken… Nur Stunden später meldete sich ein Internet-Radiosender und wollte eine Stimmprobe von mir. Wer weiß, vielleicht wird es eine Lesung im Radio geben…
Wohin gebe ich meine Energie? Wohin gebe ich meine Gedanken und Gefühle? Um bei Sloterdijk zu bleiben: Natürlich wird „Zur Welt kommen - zur Sprache kommen“ sich im aktuellen Manuskript wiederfinden…
Und vielen Dank!
Gruß,
Udo
Mal etwas abseits vom Thema. Mit Philosophie kann ich wenig bis gar nichts anfangen. Es gibt eine Ausnahme. Jean-Paul Sartre. Wie findest du den? Ich kann mit seinem Werk ebenso wenig anfangen wie mit anderen, aber: „Das Spiel ist aus“ und „Geschlossene Gesellschaft“ haben mich nachhaltig beeindruckt.
Hallo Suse,
den Namen habe ich schon gehört, aber noch nichts von ihm gelesen.
Im Moment habe ich auch das Gefühl, dass LeonMalte viel weiter ist als ich…
Neulich sprach mich ein Kollege an, der viel belesener ist, als ich es bin, es gäbe kaum Frauen unter den Philosophen. Darüber hatte ich mir noch nie Gedanken gemacht. Ich stelle aber fest, dass Heidi - wir teilen uns nachts ein Zimmer - auch keinen Zugang zu meinen Überlegungen abseits des Familienlebens hat. (Bitte nicht falsch verstehen! Ich wollte nur die Heiterkeit bedienen…)
Deine Titel werden aber notiert. Und wenn LeonMalte helfen kann, könnte er sich ja schon mal melden…
Gruß, Udo
Wie gesagt, ich habe keine Ahnung von Philosophie und zugegebenermaßen auch keine Lust, mich näher damit auseinanderzusetzen, aber Sartre ist schon irgendwie ein Muss in dieser Richtung. So wie Dali für Kunst oder Heino für Volksmusik (ich selbst höre am Liebsten Alice Cooper). Ich denke Sartre ist ein Typ für Philosophie-Einsteiger. Anders formuliert: „Beim Fußball verkompliziert sich alles durch die Anwesenheit der gegnerischen Mannschaft.“ Quelle: Zitate von Jean Paul Sartre (381 Zitate) | Zitate berühmter Personen
Bin wieder zurück…
So, ich habe mich mal eben über Rezensionen zu den Werken ein erstes Bild gemacht und ein Gefühl bekommen, warum es Menschen anspricht.
Ganz ehrlich? Irgendwie wünscht man sich doch, dass auf der anderen Seite noch etwas ist. Warum? Weil man sich dann schon zu Lebzeiten (viel mehr) darüber Gedanken machen würde, wie wir miteinander umgehen.
Ich selbst gehöre keiner Konfession an, aber eine Hypnosetherapeutin bekam eine Gänsehaut, als sie spürte, was ich für eine „Bindung nach oben“ hätte. Vielleicht gehört es hier auch nicht hin. Eine sehr religiöse Freundin meinte einmal sinngemäß, meine Selbstreflexion sei ungewöhnlich. (Unter diesem Aspekt kann man die 1-Stern-Rezension auf Amazon ja schon fast „verstehen“, weil halt der Zugang fehlt.)
Aber ich bleibe dabei: Ich kann nur Udo. Das macht vieles leichter. Und wenn Du, Suse, es schon (unausgesprochen) ansprichst: Von der Therapeuthin bekam ich in der Auswertung zu hören, ich sei eine „alte Seele“. (Auch ich habe keine Erinnerungen, merke aber, dass ich eine „Wirkung“ auf andere Menschen habe. Im neuen Manuskript stellt Kurt diese Eigenschaft an seiner Tochter (Ronja) fest. Als er ihr den Spiegel vorhält und versucht, ihr klarzumachen, dass daran eine gewisse Verantwortung hängt, sie sich dieser stellen soll, wehrt sich Ronja, da sie andere Pläne hätte.)
In „Politeia“ beschreibt Platon sogenannte „Wächter“, die ein (kompetentes) Auge auf gesellschaftliche Entwicklungen haben. Er unterscheidet die wahren Philosophen von den Sophisten. Letztere tun nur so, als hätten sie den Durchblick…
„Man muss den Menschen nach seinem Eigenwert beurteilen, nicht nach seiner Aufmachung. […]
Wie steht’s mit seiner Seele? […] Ist sie reich an Eigenem oder nur an Angeeignetem.“
(Michel de Montaigne)
Weil man Angst vor Unbekanntem hat. Ganz ohne Mystik oder dergleichen.
Ich ebenso wenig.
Hab ich nicht. Ist das ein Nachteil?
Sartre beeindruckt mich in gewisser Weise. Nicht mehr und nicht weniger. Interessant ist es allemal. Einen speziellen Draht habe ich dennoch nicht.
Ich möchte auch niemandem zu nahe treten. Ein gewisses Urvertrauen wird mir nachgesagt. Selbst meine Heidi ist manchmal überrascht, wie schnell ich loslasse.
Hallo Udo,
Kritik ist nicht immer wertfrei. Natürlich ist eine solche Kritik sehr hart.
Würde der Verfasser sich die Wertung „entbehrlich“ sparen, könnte ich als Leser dieser Rezension sogar etwas abgewinnen - selbstverliebt - für mich nicht zwingend negativ!
In der Form ist die Kritik nicht sehr hilfreich.
Wichtig, für dich - du kannst auf solche Aussagen reflektieren. Ja, da ist etwas im inneren Diskurs und das ist perfekt.
Ich muss nicht zwingend das mögen, was du schreibst, aber ich finde es trotzdem spannend!
Liebe Grüsse
LonesomeWriter
Stimmt. Das liefert null Aussage zur Qualität (siehe Filmbeispiel: „Frankenstein“ von und mit Kenneth Branagh)
Hallo LonesomeWriter,
Deine Nachricht wollte ich noch abwarten, bevor ich mich wieder zu meiner Familie begebe.
Das „selbstverliebt“ habe ich prompt im neuen Manuskript aufgenommen. Fiktiv ist Kurt doch der Autor von „Geraderücken - ein Rückgrat“. Wenn man so will, habe ich ihn zur Welt und zur Sprache kommen lassen. Im Dialog zwischen Selma und Nathalie erwähnt Selma eine Rezension, in der Kurt vorgeworfen wird, er sei selbstverliebt. Sein Buch sei ganz und gar überflüssig. Darauf steigt Nathalie ein. Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Sie meint, dass auf der Welt Millionen von Menschen wären, die am liebsten einklagen würden, geliebt zu werden. Und sie fragt Selma, ob sie mit jemandem zusammen sein könnte, der sich nicht einmal selber liebt.
(Ich muss schon zugeben, dass es Kurts Familie zuweilen aufstößt, welch gutes Verhältnis Kurt zu sich selber hat…)
Gruß, Udo
Hallo Udo,
ein Text, der seinen Inhalt mit Selbstverliebtheit präsentiert reflektiert vielleicht ebenso ein positives Körpergefühl, wie es viele junge Menschen noch für selbstverständlich ist.
Selbst wäre der einfache Inhalt nur die Selbstverliebtheit, könnte ich dem a priori auch noch kein negatives Verdikt daraus ableiten.
Natürlich kann ich ein Buch inhaltlich bewerten, aber es sollte schon so dargestellt werden, weshalb etwas als negativ gesehen wird. Es kann ja durchaus sein, dass aus diesem oder Grund etwas als negativ empfunden wird. Es kann auch jenseits aller inhaltlicher Bewertungen eine rein sprachlich indizierte negative Bewertung geben.
Liebe Grüsse
LonesomeWriter
Hallo Udo, hallo @Suse, hallo @LonesomeWriter,
ich möchte mich - von Udo ermuntert - kurz melden und aus meiner Sicht etwas zu Sartre sagen. Ich hatte vor vielen Jahren einen tollen Französischlehrer, der uns forderte und in der Oberstufe Jean-Paul Sartres Literatur (neben Albert Camus) lesen, analysieren und interpretieren ließ. Damals noch als anspruchsvoll aber interessant empfunden, später dann bis heute als überaus lohnende Literatur, die ich nur empfehlen kann. Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir (m. E. eine große Schriftstellerin) sind auch in ihrer Lebens- und Liebesbeziehung interessant. Sollte sich jemand intensiver mit Sartre beschäftigen wollen, dem kann ich die hervorragende Biographie von Annie Cohen-Solal (Rowohlt Verlag) ans Herz legen.
Gruß,
LeonMalte
Hallo LeonMalte,
hallo an alle, die diesen Thread noch immer besuchen. Mir fällt es immer „schwerer“, an Zufall zu glauben. (Eigentlich wird das Leben dadurch eher leichter.) „Wehre dich nicht, siege nicht!“, heißt es wohl in der Verfassung eines inoffiziellen baltischen Ministaates (Dokumentation im TV vor einigen Jahren).
Inspiriert durch den Papyrus-Auswertungsthread habe ich heute nicht abschalten können. (Nebenbei habe ich Solarpanele verlegt.)
Ich dachte darüber nach, ob ich in Anlehnung an Sloterdijks „Zur Welt kommen - zur Sprache kommen“ einfach mal das Nachwort aus meinem „Der Bronzerücken“ hier einstellen sollte. Wir könnten auf mehreren Ebenen die Energie fließen lassen.
Hat der Autor noch alle Latten am Zaun, oder kam er unbewußt (!) Sloterdijk und dessen Forderung, dass auch der Autobiograph eine gesellschaftliche Verantwortung hätte, schon entgegen?
Die 1-Stern-Bewertung auf Amazon ist nachvollziehbar, weil eine Biografie nicht für jeden zugänglich ist.
Ich will ehrlich sein: Mir geht es ein wenig wie Goethe, der zwar gesellschaftliche Entwicklungen sehr wohl registrierte, sich aber wohl weigerte, im „Mainstream“ mitzuschwimmen. Soll heißen; Ich bin mir sehr wohl im Klaren darüber, dass das Nachwort nicht bei jedem eine (positive) Resonanz auslöst. Aber bedenkt bitte, dass niemand für mein Leben die Verantwortung übernehmen wird. Und das ist auch gut so! (Im Zweifel bleibt ja immer noch Konfuzius - mit der Aufforderung, sich selbst zu prüfen…)
Gruß, Udo
Nachwort
„Weißt du, Rosi, wir sind älter geworden. Auch du siehst nicht mehr ganz so frisch aus.
Mit der Zeit sind nicht nur unsere Ideale gestorben, nee irgendwie sieht es rund rum nicht mehr ganz so rosig aus.
Wir haben uns oft mit jedem Idioten geschlagen und dabei alles riskiert.
Jetzt hör´ ich uns über unsere Zähne klagen. Wir überlegen, ob man sie nicht irgendwann mal weiß lackiert.“
(aus ´Rosi´ von Keimzeit)
Das Zwischenmenschliche hat mich schon immer irgendwie bewegt. Dass man im Laufe des Lebens verschiedene Entwicklungsstufen durchmacht, kann ich inzwischen für mich annehmen.
Seit dem Lesen von Hermann Hesses „Der Steppenwolf“ habe ich das Gefühl, dass sich ein Teil meines Wesens gegen das gesellschaftliche Spiel von Konsum und Haben auch sträuben darf. Es ist legitim. Es ist zwar nicht für jeden nachvollziehbar, aber ich darf so bleiben, wie ich bin.
Und, haben Sie für sich herausgefunden, ob es in Ihren Beziehungen einen ´Grad der Unterjochung´ (nach Erich Fromm) gibt? Wenn Sie im Alltag Ihrer Inspiration folgen können und dürfen, dann sollte alles händelbar sein. Aus meiner Sicht läuft es im Endeffekt darauf hinaus, ob und wie IHRE eigene Energie fließt. Es nützt Ihnen einfach nichts, wenn Sie nur konsumieren. Vielleicht kommen Sie für sich auch an einen Punkt, an dem Sie das Gefühl haben, irgendwo in Ihnen schlummert noch etwas. Und vielleicht wissen Sie nicht, ob Sie anfangen sollten zu graben oder nicht. Das kann Ihnen auch keiner abnehmen. Vielleicht fangen Sie erst einmal mit Stille an. Der Lärm wird Sie nicht vermissen. Wenn da etwas ist, dann wird es sich vielleicht melden. Wie es bei mir weitergeht, weiß ich ja auch noch nicht. Vielleicht behält Heidi Recht. Dann wäre diese Niederschrift eine Beschäftigung gewesen. Durch das Einholen der Autorisierungen habe ich aber bemerkt, dass das ganze Projekt nicht so anonym verlaufen würde, wie ich es ursprünglich gedacht hatte. Vielleicht sollte es so sein. Vielleicht behält Adrean Recht und das Buch wird ein Bestseller. Das wäre noch kein Grund zum Durchdrehen. Mein Smart hat ja schon vier Türen und eine Heizung und eine Klimaanlage (und auf der Fahrerseite ein von mir mit (DDR-)Klammerdraht aus der Zahntechnik repariertes Seil zum Öffnen der Tür – und das, obwohl mein Motor mit einer Mercedes-Benz-Prägung versehen ist). Und unser soziales Umfeld mag ich auch. Es gibt keinen Grund dieses abzustreifen. Vielleicht würde ich aber öfter in den Spiegel schauen und mein eigenes Urteil regelmäßig hinterfragen.
Auf ein Experiment würde ich mich einlassen. Vor einiger Zeit sah ich eine Reportage über die texanische Band ´ZZ Top´. Als der Manager der Band in frühen Tagen deren Potential erkannte, verbot er seinen drei Männern, Interviews zu geben und Werbung zu schalten. Er setzte voll auf Mund-zu-Mund-Propaganda. Das finde ich wirklich spannend. Und was für Texas funktionierte, sollte für Schöbendorf–Baruth auch funktionieren.
Wenn Sie das Buch bis hier gelesen haben, dann möchte ich Ihnen auch nicht vorenthalten, wie ich wirklich zum Schreiben kam. Im Jahr 2018/19 hatte ich eine Phase, in der es mir seelisch nicht sehr gut ging. Nennen wir die Phase einfach Krise in der Mitte des Lebens. Von ärztlicher Seite habe ich den Vorfall nicht einmal abklären lassen. Die Ursache kannte ich ja einerseits. Andererseits sagt wohl ein altes Sprichwort, dass derjenige keinen Therapeuten brauche, der Freunde habe. Oft genug ist es nicht so einfach, ich weiß. Und: mit Freunde sind wohl eher diejenigen gemeint, die nicht über Piktogramme in sozialen Medien zu generieren sind. Eines Tages ließ ich los. Ich setzte mich auf den Klodeckel. „Hilf mir!“ Jeder spirituelle Mensch - die Naturvölker sind wahrscheinlich die spirituellsten (Bitte lasst sie am Leben!) - wird wissen, welche Kraft ich wohl anrief. Es ist nicht entscheidend, ob ich daran glaube. Die Ereignisse in der Folge können Zufall gewesen sein oder nicht. Vor der seelischen Unwucht hätte ich die Ereignisse eher dem Zufall zugeschrieben. Aus meiner Sicht war die Schlüsselsituation die Dokumentation über den inoffiziellen baltischen Ministaat mit dem Zitat aus seiner Verfassung: „Wehre dich nicht. Siege nicht.“ Für mich war es ein Leichtes, die anfangs zitierte Zeitung mit den Buchempfehlungen und die Bücher selbst anzunehmen. Ab hier kennen Sie meine Geschichte. In einer Phase des Zweifels (Was mache ich hier eigentlich?), ob eine Selbstbiografie überhaupt interessant sein könnte, kam ungefragt von Dr. Christoph Spielberg genau zu diesem Punkt ein Hinweis aus einer Bearbeitung (von 1926) zu „Dichtung und Wahrheit“ (Johann Wolfgang von Goethe). Meine freie Interpretation zum Hinweis: Es ist nicht erforderlich, sich für eine solche Kühnheit zu rechtfertigen. Meine Zweifel gingen so weit, dass ich überlegte, diese Niederschrift zu einem unpersönlichen Roman umzuschreiben. Dr. Spielberg erklärte mir jedoch sinngemäß, es wäre dann nicht mehr meine Geschichte. Recht hat er! Keine Mutter käme auf die Idee, dem eigenen Kind das Herz herauszureißen – außer im Film.
Sinnvolles, sinnreiches und vor allem energiegebendes Denken halte ich für (ehrliche) Arbeit. Das hat nichts mit Geld im Sinne von Einkommen zu tun.
Vielleicht bin ich noch viel zu jung, um mich in dieser Form - ohne Maske - zu zeigen. Wenn der Seitenwechsel schon am Horizont erkennbar wird, dann ist das Risiko, daran gemessen und eventuell vorgeführt zu werden, geradezu bedeutungslos. (Das Vorführen halte ich übrigens für eine mediale und viel zu weit verbreitete Unart unserer Gesellschaftsform – Meinungsfreiheit hin oder her.) Tiziano Terzani war für mich die Inspiration, diesen Weg trotzdem zu wagen.
Sie haben es längst bemerkt – in mancher Hinsicht sehe ich mich eher in einer gesellschaftlichen Randgruppe. Inzwischen gefällt es mir sogar. Vielleicht hat Ihnen auch schon jemand gesagt: „Willst du die Welt verändern, so fange bei dir an.“ Wenn das nur so einfach wäre! Von einem Podest - und nicht in die Verantwortung genommen - ist es immer leicht, einen schlauen Spruch zu machen. Zumal das Leben für jeden anders aussieht. Es ist für jeden einzelnen Menschen ein separates Soziologiestudium. Trauen Sie sich ruhig, sich außerhalb Ihrer eigenen Komfortzone berühren zu lassen. Sie werden wahrscheinlich daran wachsen.
Ob ich für Heidi eine Herausforderung oder Zumutung bin, kann sie für sich nur selbst beantworten. Erfragen will ich es nicht.
Gestatten Sie mir eine Empfehlung? „Die Bürgschaft“ von Friedrich Schiller gibt es auch als Hörvariante. Das geht schneller. Der Inhalt ist aber derselbe.
Einen wunderbaren Ausspruch habe ich kürzlich gelesen:
Die Menschen werden vergessen, was du gesagt hast.
Die Menschen werden vergessen, was du getan hast.
Aber die Menschen werden nie vergessen,
wie sie sich in deiner Gegenwart gefühlt haben.
(Maya Angelou)
Ich höre schon meine Kollegen: „Udo, wie konntest du nur so ein Buch schreiben?!“ Ganz ehrlich? Das Buch schrieb ich nicht, um jedem zu gefallen. Aber es fühlt sich wirklich gut an, sich einmal in der Tiefe zu zeigen. Irgendwie konnte ich gar nicht anders, als meinen inneren Impulsen zu folgen. Die ganze Niederschrift kam von innen. Halleluja!
Ich möchte mich bei meiner Familie und den Freunden bedanken, die meinen Weg begleiten und die Wertigkeit unserer Beziehungen spiegeln.
Danke an den Reclam-Verlag, der nur kurz mit „Einverstanden.“ reagierte. Ich schickte einen frühen Entwurf des Kapitels „Macht Euch nicht verrückt!“ zur Autorisierung an das Haus. Ich war so überrascht, das Zitat mit den Philosophen und dem ´Strahl des Lichts´ zu lesen, sodass ich es unbedingt verwenden wollte.
Danke auch an alle Unterstützer, Gegenleser, autorisierenden Personen und Verlage, der Band „Keimzeit“, Hobby- und Berufshistoriker und Nachbarn!
Herzlichst,
Udo Krüger
P.S.: Sind Sie noch da? Darf ich den verbliebenen Lesern noch einen meiner liebsten Keimzeit-Verse mitgeben? Für unsere Kinder war der Vers sehr erheiternd. Mir gibt er noch ein wenig mehr. Wir leben am Waldrand.
„Mit List und Tücke gut bedacht, hat´s auf den Jäger Jagd gemacht.
Sein Horn ihm in die Rippen schoss, sodass das Blut in Strömen floss.
So wurde aus der Not ´ne Tugend, Vorteil war des Nashorns Jugend.
Im Galopp die Flucht nach vorn, dem Schurken das begehrte Horn.“
(aus ´Urwaldnashorn´ von Keimzeit)
Ende. Конец. The End.
Hallo @Bronzerücken,
Danke für das Teilen deines Nachwortes.
Ich möchte mal etwas reflektieren, wie dieses Nachwort bei mir ankommt.
Die Vermischung der Schriftsprache mit dem ungenierten umgangssprachlichen Jargon, stört mich persönlich nicht so sehr. Viel eher fällt mir die Verwendung der direkten Rede auf, die mal mit " und dann wieder ohne daherkommt.
Die Vermischung der verschiedenen Schreibweisen „Ihrer Inspiration“ vs. „IHRE eigene Energie“ stört mich persönlich. Wie wohl es dafür Gründe gibt.
Die inkonsequente Anwendung der Bindestriche mal als Gedankentstrich und dann wieder als normale Bindestriche ist schlicht weg störend und im Kontext auch nicht richtig.
Klammern sind so ziemlich der Graus jeden Lesers
Welchen Wert hat der Einschub (Was mache ich hier eigentlich?)? Oder Was mach der „Hinweise aus einer Bearbeitung (von 1926)“ so herrausragend, dass es in eine Klammer verpackt gehört. Einzig die pseudowissenschaftliche Zitierung Goethes ist für ich nachvollziehbar. Pseudowissenschaftlich deshalb, weil weder ein Verlag, ein Erscheinungsdatum angegeben sind.
In sprachlicher Hinsicht schlampig und sehr inkonsequent. Würde ich es bewerten, …
Inhaltlich ist es ein schwer lesbarer Monolog mit inhaltlichen Sprüngen. Mal ein Zitat von Goethe, dann Schöbendort-Baruth, Spielberg, Manager von ZZ Top, …
Auch hier ist die Bewertung nicht sehr vorteilhaft.
Rechtschreibung, Grammatik und Zeichensetzung sind annehmbar.
In Verbindung mit dem restlichen Buch abgeglichen, würde ich davon ausgehen, all diese Kritikpunkte ziehen sich durch das ganze Werk hindurch. Quasi passend!
Wenn du als Autor sagst, das ist genau das, was ich wollte, ist das so in Ordnung. Für mich ist es sprachlich nicht dem gehobenen Inhalt entsprechend.
Liebe Grüsse
LonesomeWriter
PS: bitte missversteh mich nicht. Das ist kein „Verriss“, denn das steht mir nicht zu. Es ist lediglich meine Einschätzung der sprachlichen, inhaltlich und stilistischen Elemente in punktuellem Kontext.
Hallo LonesomeWriter,
vielen Dank für Deine Rückmeldung!
Dieses Risiko des schwer Nachvollziehbaren musste ich schon eingehen. Du hast es ja erkannt. Es wird erst schlüssig, wenn man auch das Buch kennt.
Mir ging es um Sloterdijks Vorlesungsreihe aus dem Jahr 1988, die LeonMalte ins Spel brachte. Ich kannte nichts von ihm, hatte mir dessen Buch besorgt, gelesen und fühlte mich inspiriert. Ich hatte das Gefühl, seiner Forderung, die er an einen Autobiographen stellt, vielleicht nicht unbedingt gerecht zu werden, diese aber dennoch irgendwie zu bedienen.
Was die Qualität des Buches angeht: Ich bin wirklich jungfräulich (geradezu blauäugig) ans Werk gegangen, hatte keinerlei Erfahrungen, auch keine Projekte vorher (nicht einmal zum Üben). Erst im Nachgang kam das Rechtschreibprogramm, weil ein Kollege (Gegenleser) nicht locker ließ. Und die Papyrus-Mitgliedschaft gibt es erst seit Oktober.
Die Thematik „Fehler“ zieht sich als roter Faden durch das Buch. Auch das Manuskript ist nicht sauber…
Aber es nützt alles nichts. Es gibt für mich inzwischen eine Erkenntnis, die ich nicht mehr missen möchte: Diejenigen, die aus meinem Umfeld das Buch gelesen haben, reden seitdem anders mit mir, weil sie mich in einer Tiefe gesehen haben, mit der man gewöhnlich nicht hausieren geht. Hier hängt eine Entwicklung dran. Die 1-Stern-Rezension auf Amazon hätte nicht als erste kommen dürfen. Zweifel hätten mich vielleicht übermannt.
Das Buch ist für mich nur ein Mosaikstein in einer Metamorphose, in der ich mich seit einigen Jahren befinde. Und wenn ich mich hier im Forum so offen zeige, dann deshalb, weil ich damit anderen Energie geben kann. Weiterhin dient es mir selbst als Basis zur Reflexion. Was ist Kritik? Was nehme ich als Kritik? Nehme ich es persönlich? Es ist eine Entwicklung.
Für mich geht wirklich ein verrücktes Jahr zu Ende - ein Jahr mit viel Selbsterkenntnis, mit neuem Umgang (mein erstes Netzwerk), mit neuen Horizonten und der Erkenntnis, dass irgendwie alles einen Sinn ergibt, selbst, wenn man es (noch) nicht versteht.
In diesem Sinne - nochmals vielen Dank!
Gruß, Udo
Hallo Udo,
wie gesagt, es ist ein auch in Ordnung. Es sind einfach meine Eindrücke, die ich aus dem Nachwort gewonnen habe.
Es tut vielleicht weh, wenn man mal so etwas um die Ohren geschmissen bekommt. Es ist aber auch kein Weltuntergang. Erstens erhebt nicht jeder den Anspruch den Duden als verbessertes Werk herauszubringen, andererseits verleiht es dem Text auch Charakter. Und insbesonders dann, wenn das Werk nicht gleich mal allgemeintauglich sein muss, kann man gewisse Sachen ja auch mal etwas salopper handhaben.
Bücher schreiben ist etwas, das man entweder gleich auf einem sehr hohen Niveau macht und dabei eben auch einiges an Aufwand investiert (Lektorat, Korrektorat, Testleser, …) oder man geht recht schmerzbefreit dran heran und entwickelt sich. Beide Varianten sind legitim.
Ehrlicherweise muss man je nach Publikum auch damit leben, dass man das eine oder andere ziemlich heftige Feedback abbekommt.
Liebe Grüsse
LonesomeWriter
Hallo Udo,
neugierig geworden, hatte ich gestern bei Amazon nach Deinem Buch geschaut und dort ein paar Seiten online gelesen. Ich wollte einen besseren Eindruck bekommen. Jetzt lese ich hier im Forum das Nachwort und die Diskussion mit @LonesomeWriter.
Ja, ich stimme LonesomeWriter in vielen Punkten zu. Nach der Lektüre des Auszugs auf Amazon und des Nachwortes vermute auch ich, dass das ganze Buch in diesem Stil geschrieben ist. Interessanterweise nutzt Du den Ausdruck „Niederschrift“ für den Text. Treffender kann man es m. E. nicht ausdrücken. Ich lese es als Niederschrift Deiner Biographie, stelle mir dabei jedoch vor, dass Dich jemand interviewt und Dir beim Gespräch immer wieder Dinge einfallen, Bezüge zu anderen Autoren etc., die für Dich große Bedeutung haben, die jedoch für den Zuhörer/Leser manchmal nur schwer nachvollziehbar sein könnten, weil sie eben nur angerissen, aber kaum vertieft werden. Insofern ist der Schreibstil sicher nicht dem Standard entsprechend.
Aber, und dies ist entscheidend, darum geht es Dir offenkundig gar nicht. Du hast Dir nach meinem Verständnis für Dein Leben Wichtiges, Dich im wahrsten Sinne des Wortes Berührendes von der Seele geschrieben und damit den Lesern erlaubt, Dir sehr nahe zu kommen. Dies ist eine Leistung, die ich bewundere, denn dies tun und können nur wenige Menschen!
Dabei kommt mir ein Autor in den Sinn, Karl-Ove Knausgard, einem bis zur Veröffentlichung seiner Biographie unbekannten norwegischen Autor, der mittlerweile international sehr bekannt und erfolgreich ist. Knausgard hat in 6 Bänden und mehreren tausend Seiten sein Leben bis ins kleinste Detail beschrieben. Ich konnte mir so etwas nicht vorstellen, es war zuvor auch nicht die Art zu schreiben, die ich schätzte. Zudem hatte ich gelesen, dass es zwei Fraktionen gibt, diejenigen, die sie bereits beim ersten Band weglegen und nichts damit anfangen können; auf der anderen Seite diejenigen, die gleichsam in den Sog seines Lebens gezogen werden und fast ein Gefühl entwickeln, mehr von Knausgards Leben zu erfahren und zu wissen als vom eigenen…
Unschwer zu erahnen, dass ich zur zweiten Fraktion gehöre. Ich bin diesem Autoren komplett verfallen und habe jede einzelne Seite genossen. Wer dieses mehrtausendseitige Lesevergnügen bisher nicht kennt, jetzt neugierig geworden ist und es sich antun will, dem kann ich es nur empfehlen.
Viele Grüße,
LeonMalte
Hallo LeonMalte,
irgendwie hast du es auf den Punkt getroffen!
Aus einer Krise heraus kam ich zum Schreiben, hatte es wirklich nicht geplant. Aber es war so viel zu verarbeiten. Schon mit dem Beginn des Schreibens ging es mir besser, noch immer ohne Gefühl eines Autorenbewusstseins, aber schon mit dem Gedanken, eines Tages unseren Kindern etwas Spezielles überreichen zu können.
Es waren Rückmeldungen aus meinem Umfeld, die mich aufforderten, weiterzugehen. Sowohl in Hesses „Steppenwolf“, als auch in Platons „Politeia“, als auch in Nietzsches „Zarathustra“ fand ich mich wieder. (Und falls jemand von Jack London „Martin Eden“ kennt: Ich liebe die Stelle, wie Martin zum ersten Mal Ruth begegnet und seine Gefühle für sie beschrieben werden. Sie hat etwas Göttliches! Es gibt F… rei, und es gibt vereinigte Seelen. Als Martin ihr begegete, fing er an, an etwas Höheres - auch auf der Ebene vereinter Körper - zu glauben.)
Und dann kommst Du mit Sloterdijk, der den Autobiograhen fordert. Das war irgendwie der Auslöser, mich hier im Forum auf dieser Ebene zu zeigen (als hätte ich Sloterdijk erhört). Dass die technische Umsetzung nicht absolut „rund“ geworden ist, ist aus meiner Sicht nicht so entscheidend, weil es mir inzwischen aber sowas von besser geht, ich auf dieser Ebene anderen etwas mitgeben kann, sofern sie es wünschen.
Und nicht zuletzt hat sich seit meiner Mitgliedschaft hier im Forum der Horizont erweitert. Ich war noch nie auf einer Buchmesse.