Zerstören Bilder die Fantasie?

Das kann ich SO nicht “unterschreiben”.
Ich denke, es ist eine Frage der Effektivität.

Beispiel:
Ich muß für meinen historischen Roman deutlich über 4000 Jahre überbrücken und heute bedeuten die SELBEN Worte teilweise etwas ganz anderes. Dann habe ich die Wahl die Unterschiede SEITENLANG zu erklären (damit der Leser sie auch versteht, denn das ist sehr oft handlungsrelevant) oder mit zwei Sätzen und einer Skizze des Gegenstandes. Die Skizzen können dabei auch als Kapitel-Signets verwendet werden. Dadurch wird der Unterschied zu einem Grabungsbericht verstärkt, auch wenn das notwendige Wissen von der Kultur vermittelt wird.

Und in einigen Fantasy-Welten dürfte es ähnliche Ansetze geben.

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gibt es echt so dermaßen komplizierte (handlungsrelevante) Gegenstände, dass man seitenlang erklären muss, bis der Leser versteht, wozu das Teil nütze ist? Faszinierend, hättest du mal ein Beispiel? Nicht polemisch gemeint, das interessiert mich jetzt wirklich.

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Siegel. Schriftstück, Tontafel, Schreibgriffel, Schreibtechnik, Schreibvorgang, Keilschrift, Brot, Ernte …

Die Problematik dabei ist, dass unser moderne BILD das wir von den Begriffen oder Vorgängen haben nicht mit den alten übereinstimmt.
Es ist sehr viel einfacher eine kurze Erklärung durch ein Bild zu ergänzen, als ausführlich den Unterschied zu beschreiben.
Der Unterschied in den Kulturtechniken ist sehr groß.

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ok, wenns ein Fachbuch werden soll, sehe ich das ein. Es dürfte auch jedem klar sein, dass man z.B. Brot vor x hundert Jahren anders gebacken hat als heutzutage, auch der gängige Mähdrescher dürfte sich ziemlich verändert haben. :wink:
Aber ist es für ein belletristisches Werk für die Story so derart wichtig, jeden der damaligen Handgriffe detailliert zu beschreiben?

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JAP - ist es, denn es soll genau die Brücke schlagen und beides vermitteln:
Das fachliche Wissen über die alte Kultur.
Und ebenso erzählerisch die Historie berichten …
so wie das Ganze in eine Geschichte einbetten.

DAS ist nicht ganz leicht … :wink: :slight_smile:
Aber mit weniger gebe ich mich in diesem Fall ungern zufrieden :stuck_out_tongue:

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Sorry, wenn es dieses Mal länger wird: Ich bin eigentlich hier gelandet, um besser mit Papyrus klarzukommen und stelle nun fest, dass ihr hier total spannende Themen behandelt.

Zum Beispiel die Frage nach Text oder Bild. Eine Frage, die mich schon sehr, sehr lange beschäftigt und da in diesem Zusammenhang auch noch „Tim und Struppi“ erwähnt werden, kann ich mich nur schwer zurückhalten.

Ich halte ich es zunächst mit Ephraim Lessing. Seinem Laokoon (über die Grenzen der Mahlerey und Poesie aus dem Jahre 1766) ist zu entnehmen, dass „die Malerei eine stumme Poesie, und die Poesie eine redende Malerei“ ist.
Oder kurz: Ein Bild ist ein Text und ein Text ist ein Bild. Beides sind Kommunikationsformen, um etwas zu erzählen - für welche man sich entscheidet, hängt wohl von den persönlichen Vorlieben und Fähigkeiten ab.

Eine Geschichte kann demnach sowohl in Bildern erzählt werden, wie auch Bilder beim Erzählen erzeugen. Hergé war genial. Er hätte TIM & STRUPPI vermutlich auch als Erzählung verfassen können. Aber der Comic war nun mal sein Stilmittel und so wurde es eine Bildergeschichte - für mich immer noch der beste Comic überhaupt - fachlich und künstlerisch gesehen (wenn auch manches heute nicht mehr als politisch korrekt angesehen wird, aber diese Diskussion hat ja längst auch Pippi Langstrumpf erfasst).

Innere Bilder erzeugen
Wenn ich mich recht erinnere, gab es in Frankreich zu deren Lebzeiten einen lebhaften Streit darüber, wer der bessere Schriftsteller sei: Dumas oder Balzac. Eine Zeitung rief daher zum Wettbewerb auf und beide sollten zum selben Thema ihre Geschichte schreiben, die von den Lesern bewertet wurde. Einige Leser begründeten ihre Entscheidung für die Version von Dumas mit dem Hinweis: „bei dem anderen sieht man ja nichts.“ (hab gegoogelt, konnte aber keine Quelle mehr finden. Wäre schön, wenn jemand mehr darüber wüsste - bin für jeden Hinweis dankbar!)

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Um beim ursprünglichen Thema zu bleiben - Ja und Nein!

Ja definitiv deshalb, weil gerade was das Aussehen von Charakteren angeht, die Vorstellung im Kopf sich zwar den Fakten im Buch (äußere Beschreibung, Verhalten usw.) annähert, jedoch von Leser zu Leser sehr unterschiedlich ausgeprägt sein kann - das sieht man ja bei den vielen Fan-Arts. Die sind irgendwo ähnlich, aber nicht gleich (bsp. Ciri von den The Witcher Romanen … seit dem erfolgreichen The Witcher 3 hat sich auch die Fan-Art dahingehend angepasst, dass sie sich an dem Computerspiel Charakter orientiert und nicht mehr so „frei“ an der Romanvorlage.).

Persönliches Beispiel von mir (ja ich weiß!): A Song of Ice and Fire von GRRM.
Ich habe die Romane ewig oft gelesen und irgendwann auch mal als Hörbuch gehört. Schon damals ist mir aufgefallen, dass ich den Klang des Sprechers beim nochmaligen Lesen bei einigen Charakteren im Kopf nachklang - was mich also schon beeinflusst hat.

Ganz schlimm war es aber, als ich irgendwann mal auf das Artwork von Roman Papsuev aka AMOK gestoßen bin, dessen Darstellung der Charaktere sich zwar weitestgehend mit meinen Vorstellungen gedeckt haben, jedoch auch dazu geführt haben, dass beim Lesen (und Hören) ich nur noch diese Bilder im Kopf hatte und keine eigenen mehr.

Noch schlimmer hat es die Serie Game of Thrones gemacht, die mich immerhin auch jahrelang begleitet hat und die selbst die Charakterdarstellungen von AMOK so aus dem Kopf entfernt hat, dass ich meist nur noch die Schauspieler und deren Schauspiel im Kopf habe, wenn ich die Bücher lese oder höre.

Das ist sehr schade, aber vermutlich sind wir einfach zu visuell veranlagt, so dass das Gehirn bekanntes Visuelles schneller verknüpft als die eigene Fantasie nochmal zu bemühen und sich selbst anzustrengen … lazy brain oder so :kissing:

In diesem Sinne
Matthias

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oh ich hab meine Begründung zum Nein vergessen :roll_eyes:

Nein deshalb, weil Bilder auch unterstützend statt zerstörend wirken können. Hier würde ich explizit auf offizielles Kartenwerk verweisen, entweder im Buch selbst oder auf der entsprechenden Homepage des Autors oder des Werkes. Man kann eine Welt noch so toll beschreiben und man kann sich einzelne Orte noch so detailiert vorstellen, aber die Beschreibung einer kompletten Weltkarte mit ihren Entfernungsbezügen ist immer etwas schwierig.

So jetzt :stuck_out_tongue:

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Ich gehe gerade den Thread durch für die nächste Podcast-Folge und sehe das erst jetzt. :scream:

Junji Ito ist absolut großartig! Nicht nur aufgrund seiner extrem verstörenden Bilder, sondern wie du sagst, als jemand, der einen beim Seitenumblättern in Schreck versetzen kann. Sowas wie ein Jumpscare auf Buchseiten. :smiley:

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Hier die Folge unseres Podcasts zu dem Thema, wer da gerne noch etwas tiefer reingehen möchte :slight_smile:

https://www.youtube.com/watch?v=BOOrAfLqHPQ

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Hi, Maxe,

Kommt immer auf den Standpunkt an, würde ich sagen. Sicher kann ein Bild mehr aussagen, als tausend Worte. Doch ich habe kein Problem damit, mir auch alles bildlich vorzustellen. Immerhin sehe ich vor meinem geistigen Auge ja auch einen Film laufen, wenn ich schreibe.
Gefühle zu beschreiben und richtig auszudrücken liegt mir nicht, da ich eher der … Hau-drauf-Typ bin.
Daher sehe ich es als Herausforderung romantische Geschichten zu schreiben und Gefühle mit Worten auszudrücken.

In dem Fall ist es wirklich von Vorteil, selbst so etwas zu machen, oder sich das anzusehen. Wenn du über einen Schwertkampf schreiben willst, kann ich dir nur raten, probiere es selber mal aus. Bei Mittelalterveranstaltungen sind immer mal wieder Showkämpfer dabei, die hinterher auch gerne den Leuten einige Kniffe zeigen und ihnen ein Schwert in die Hand drücken.

Bezüglich Paraden und Pirouetten:
Ich hoffe du meinst blocken und Drehungen. Denn … wenn ein Schwertkämpfer eine Pirouette macht, DAS will ich sehen :rofl: Das könnte den Gegner so irritieren, dass er gar nicht mehr weiß, was er machen wollte. :laughing:

Bezüglich deiner Grundfrage:
Ich mag es, in einem guten Buch zu versinken und mich von schwarzen Buchstaben tragen zu lassen.
Gleichzeitig schalte ich auch gerne mal bei Mangas ab und lasse mich von den Bildern tiefer in die Welten hineinreißen.

Vermutlich kommt es immer auf den Leser selber an. Da gibt es kein Richtig oder Falsch.
Manchmal können Bilder die Fantasie aber auch unterstützen und ich denke, dass auch Comics ein Medium der Literatur sind.
Immerhin erzählen auch sie eine Geschichte. Nur wird diese durch Bilder unterstützt.
Es gibt eine Handlung, einen roten Faden, eine Wendung und ein Finale. Also nichts anderes, wie bei einem normalen Buch auch.

LG Tessley

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Mit der ursprünglichen Aussage meinte ich, dass man Gefühle „augenblicklicher“ oder „ruckartiger“ darstellen kann. Wo man manchmal ein, zwei oder gar drei Sätze braucht, um eine komplexe Gefühlslage zu beschreiben, reichen bei Bilder einige wenige gut geführte Pinselstriche. Ich behaupte auch, dass man als Mensch eher geneigt ist, mitzufühlen, wenn man etwas sieht, anstatt es sich nur vorzustellen. :slight_smile:

Ist ja nicht so, als dass ich das noch nicht gesehen hätte. :smiley:
Schwertkämpfe sind eine schnelle Abfolge von Aktion und Reaktion, da Übersicht, Verständnis und Schnelligkeit gleichzeitig unter einen Hut zu bekommen, ist schwierig. Daher präferiere ich in diesem Fall Bilder. :slight_smile:

Parieren = blocken. :wink:
Und ich verweise an dieser Stelle breitbrüstig auf die Hexer-Bücher, wo im Schwertkampf auch mal Piouretten verwendet werden. :stuck_out_tongue:

Ich sehe es genauso! :slight_smile:

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Ich bin mir ziemlich sicher, dass man vieles in einem Buch nicht so exakt und detailliert beschreiben muss, wie man es in einem Film sehen würde.

In der Werbepsychologie spricht man von „inneren Gedächtnisbildern“, die durch bestimmte Signale ausgelöst werden können. Gerade bei Actionszenen wie Schwerkämpfen könnte das eine interessanten Rolle spielen.

Eine genreaffine Zielgruppe weiß sicher selbst, wie so ein Schwertkampf aussehen müsste. Beschreibt man den Rahmen, in dem das Gefecht stattfindet, können die Leser:innen ihre eigenen Bilder dazu beisteuern, was ihnen die Geschichte somit auch ein gutes Stück näher bringen könnte und die sogar zu ihrer „eigenen“ Geschichte machen könnte.

Insofern wäre es also wichtiger, die richtige Atmosphäre und ein angemessenes Zeitfenster für die Handlung zu formulieren und damit Raum zu schaffen, für die Gedächtnisbilder der Leserschaft.

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So liest sich übrigens eine Fechtszene bei Dumas, dem Meister des visuellen Schreibens:

// Als der Edelmann das sah, zog er seinen Degen und fiel gegen d’Artagnan aus, doch er hatte eine schwere Arbeit. In drei Sekunden versetzte ihm d’Artagnan drei Degenstöße und sagte bei jedem derselben: »Einen für Athos, einen für Porthos und einen für Aramis.« Beim dritten Stoß sank der Edelmann wie ein Klumpen nieder. D’Artagnan hielt ihn für tot oder mindestens für ohnmächtig und trat zu ihm hin, um ihm den schriftlichen Auftrag abzunehmen; doch in dem Moment, wo er die Hand ausstreckte, um ihn zu durchsuchen, versetzte ihm der Verwundete, der seinen Degen nicht losgelassen hatte, einen Stoß in die Brust und rief: »Einen für Sie.« »Und einen für mich! zuletzt kommt erst das Beste!« schrie d’Artagnan wütend, bohrte ihm die Klinge in den Bauch und spießte ihn so in die Erde. Jetzt schloß der Edelmann die Augen und sank in Ohnmacht. // Aus Die drei Musketiere

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Während der letzte Teil sehr visuell ist, fehlt mir das zum Beispiel bei “In drei Sekunden versetzte ihm d’Artagnan drei Degenstöße”. Das ist mir zu allgemein. Wohin stößt er den Degen? In Schulter, Gesicht oder Brust? Immer dieselbe Stelle? Ich wünsche mir da mehr bildhafte Umschreibungen: "Die feine Klinge des Degens stieß beim ersten Hieb durch den Stoff seines Hemds, direkt ins Fleisch. Der zweite prallte am Schlüsselbein ab, doch der dritte traf ihn direkt in den Bauch. Mit jedem Stoß sagte d’Artagnan: »Einen für Athos, einen für Porthos und einen für Aramis.«
(Dadurch geht natürlich die Schnelligkeit flöten, aber das taugt mir persönlich viel mehr.

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Ich finde Alexandre Dumas toll.

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Sorry, Maxe, aber das liest sich für mich wie der Bericht eines Gerichtsmediziners :wink: … Action ist gut, wenn sie Dramatik erzeugt. Besser finde ich persönlich, wenn Dramatik ohne allzu offensichtliche Action zustande kommt. Ich glaube deshalb gefällt mir das Dumas-Bespiel so gut, weil die heftige Auseinandersetzung durch die Dialoge dramatisiert und untermalt wird – da schwingt Rache mit und die beherzte Entschlossenheit von d’Artagnan.

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Da zeigt sich nur, dass Geschmäcker verschieden sind. :wink:
Denn wie du siehst, musst du dir bei einem Comic überlegen, wohin denn nun d’Artagnan schlägt und je nachdem hat das eine Bewandtnis (vielleicht hat der Bösewicht einem Freund das Auge ausgestochen, dann zielt er aufs Auge zum Beispiel). Ich verstehe deinen Punkt, ich mag es anders lieber, weil ich es mir besser vorstellen kann und Dramatik kann ich auch anders erschaffen als durch einer saloppe Beschreibung dessen, was der Degenfechter tut. :wink:

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da gebe ich dir Recht, Maxe. Den Comic hatte ich hier gar nicht auf dem Schirm. Sorry. :wink:

Ich bin mir nicht sicher, ob dein Gegenbeispiel so passt. Wo durchstößt die Klinge beim ersten Hieb denn das Hemd? Wie kann sie am Schlüsselbein abprallen? Und trägt der Gegner ein bauchfreies Top, oder wieso durchstößt der erste Hieb den Stoff, der dritte aber direkt in den Bauch?