Abgesehen von den relativistischen Argumenten, die nicht zur Frage der Quantenmechanik passen, ist die Schlussfolgerung nicht zulässig, dass kein Operator gleich Nichtexistenz von Zeit bedeutet. writers_headrooms Verweis auf die zeitabhängige Schrödingergleichung zeigt das. Trotzdem meine ich mal gehört zu haben, dass es bei Schleifenquantengravitation und anderen Theorien Ansätze gibt, die die Zeit auch als Parameter nicht benötigen. Da kenne ich mich aber null aus und populärwissenschaftlichen Erklärungen würde ich da auch eher ein wenig misstrauen. An geeigneten Erhellungen wäre ich aber sehr interessiert.
Vielleicht als Gedankenanstoß, warum ich (und das kann ja auch eine Inselmeinung sein) glaube, dass man sich mit populärwissenschaftlichen und pseudowissenschaftlichen Erklärungen womöglich keinen Gefallen tut: in dem Bereich interessierte Leser sind i.d.R. vorgebildet. Wenn die etwas entdecken, was ihnen komisch vorkommt, verliert man sie womöglich schneller als wenn man etwas postuliert. Ich glaube Suse(?) hat an anderer Stelle geschrieben, dass sie einen Mann, der eine Leiche über einen 1,80m Zaun wirft, unglaubwürdig findet. So ähnlich geht es mir, wenn ich von Dingen in historischen oder auch physikalischen Kontexten lese, die m. E. nicht funktionieren. Wenn es in Harry Potter einen Zeitumdreher gibt, akzeptiere ich das, wenn Marvel sagt das geht, weil Tony Stark halt intelligenter als alle anderen Wissenschaftler ist: ok. Aber wenn Interstellar etwas zeigt und begründet oder der Marsianer, um im Buchkontext zu bleiben, dann recherchiere ich nach und wenn dann nicht stimmt, was ich lese, nimmt mir das die Freude am Werk selber.
Kurzum: würdest du schreiben: unsere Top-Wissenschaftlerin hat mittels Schleifenquantengravitation eine Methode gefunden, die Zeit umzukehren, wenn wir riesige Mengen Energie einsetzen, ist das für mich ok. Wenn dann im Buch näher erklärt wird und gesagt wird, in der Quantenmechanik spiele Zeit keine Rolle, dann werde ich skeptisch und bin nicht mehr im Lesefluss.
Um noch etwas Asche auf mein Haupt zu streuen: Ein Beispiel für unsaubere Verarbeitung von Wissenschaft findet sich in meinem Seitenwind-Beitrag zu den Maschinen. Da wurde auf eine physikalische Schwachstelle hingewiesen, bei der ich mich im Nachhinein geärgert habe, nicht besser geschrieben zu haben.
Vielleicht noch ein paar Empfehlungen:
Brian Greene: "Der Stoff aus dem der Kosmos ist" S. 489-527 „Teleporter und Zeitmaschinen“
oder die gleichnamige vierteilige TV-Serie Folge 1 „Die Illusion der Zeit“ (auf dailymotion klick)
Auch nützlich: Richard P. Feynman: „Vom Wesen physikalischer Gesetze“ Kapitel 5: „Die Unterscheidung von Vergangenheit und Zukunft“
Du kannst die Geschichte auf der Oberfläche eines schwarzen Lochs spielen lassen. Nach Nikodem Popławski leben wir alle in einem schwarzen Loch! Nett!
@ Gretessa: Da Du in Deinem Eingangspost „Fantasyroman“ erwähntest vielleicht noch folgendes:
Mach es Dir einfach und verwende einen MacGuffin um das Problem der technischen Erklärung zu umschiffen.
In Stephen Kings Roman „Der Anschlag“ war die Ursache der Zeitreise der Gang über eine dunkle Treppe im Keller eines Diners. Bedingungen: 1. Der Held kann die Zeit verändern, kehrt jedoch dann nicht mehr in seine Zeit zurück / 2. Der Held geht zurück in den Keller des Diners und die Zeit hat sich nicht verändert, der Held ist jedoch um die Zeit seiner Abwesenheit gealtert - somit ist die Kellertreppe ein MacGuffin.
In Ken Grimwoods Roman „Replay - Das zweite Spiel“ (dieses Buch gilt als die Vorlage zu dem Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“) stirbt der Protagonist auf der ersten Romanseite an einem Herzinfarkt und erwacht augenblicklich in seinem eigenen Körper vor 25 Jahren wieder.
In der TV-Serie Outlander ist es ein mystischer Steinkreis, der die Krankenschwester aus dem Jahr 1945 ins Jahr 1743 katapultiert.
In diesen o.g. Beispielen wird nichts technisch erklärt, Fantasy eben.
Hard Science-Fiction erfordert eine sehr umfangreiche Recherche. Etwa in Gregory Benfords Zeitschaft. Hier reist nur Information auf einer Tachyonwelle in die Vergangenheit in ein wissenschaftliches Experiment und wird dort durch Zufall korrekt als Morsezeichen interpretiert.
Benford ist ein Emeritus Professor of Physics and Astronomy at the University of California, Irvine und langjähriger Berater der NASA. Für ihn ist es ein Klacks, Themen aus seinem Fachgebiet in Fiction zu gießen, da er die nötigen Basics bereits studiert hat.
Zum Schluss noch ein Unikum: bei einer Veranstaltung zu einer wissenschaftlichen Studie in der Messe Düsseldorf begegnete ich dem Doktorvater des Autors der Studie. Er selbst war Historiker und erklärte mir, dass die „Viele-Welten-Theorie“ in seinem Fachgebiet eine Entsprechung hat - die Kontrafaktische Geschichte. Ich hatte zuvor nie davon gehört. Die kontrafaktische Geschichtsschreibung geht vom „what if“ aus. Was wäre z.B. mit der Welt geschehen, wenn die Kugel aus dem Gewehr des Polizisten beim Hitlerputsch: 8./9.11.1923 Hitler nicht knapp verfehlt hätte…usw. (Tipp: TV-Serie The Man in the High Castle nach P.K.Dick - empfehlenswert!)
In diesem o.g. Fall beschäftigt sich die Wissenschaft durchaus mit den Konsequenzen einer Zeitreise.
Wer eher ein absoluter Realist ist (mit heutigem Wissensstand), sollte die Finger von Zeitreisen lassen. Bei dem Bestreben, der Wahrheit so nahe, wie nur möglich zu kommen, verknotet sich tatsächlich das Gehirn und man kann die sich daraus ergebenden Widersprüche nicht auflösen. Dass solche Zeitreisen eher unfreiwillig geschehen sollten (im Roman) ist naheliegend, da sich dadurch ein wahrer Wust von Fehlinterpretationen ergeben kann. Außerdem muss der Autor nicht alle aufkommenden Fragen logisch beantworten (können). Hier ist eher die Frage interessant: Es ist nun einmal aus unerfindlichen Gründen passiert. Jetzt aber muss man sich um die Auswirkungen kümmern, was sehr interessant werden kann.
Vor einigen Jahren schrieb ich mal eine Geschichte, in der sich die junge Witwe eines verunglückten Bauarbeiters aus den 20er Jahren plötzlich in der Jetztzeit wiederfand, als Opfer eines heutigen Verkehrsunfalls. Sie fiel einem Zeitungsreporter buchstäblich vor die Füße und er erkannte als erster, dass da etwas nicht mit normalen Dingen vor sich ging. Er witterte die Story seines Lebens und sie konnte die heutige Welt nicht verstehen. Kaum jemand kümmerte sich darum, wo sie nach ihrer Genesung wohnen würde. Na ja, ich will hier nicht die ganze Geschichte skizzieren. Jedenfalls gibt es einen Haufen Bürokratie zu überwinden und auch die Polizei war trotz seiner Bekanntheit als Reporter mehr als skeptisch …
Ich finde es schade, dass, trotz die TE erwähnt, dass es sich um eine Fantasy-Geschichte handelt, hier sofort die Nachschlagewerke der Physik bemüht werden und gleich darauf hingewiesen werden muss, was alles nicht geht. So wird am Ende JEDE Idee kaputt gemacht. Denn, selbst wenn ein Autor sämtliche wissenschaftlichen Schriften dafür recherchieren würde, käme am Ende sowieso wieder jemand um die Ecke, der es besser weiß.
Von daher - einfach machen und festlegen, was in Deiner Welt geht und was nicht.
Ein gutes Beispiel war die Serie „Dark“, in der gezeigt wird, dass man die Vergangenheit nicht mehr ändern kann, da sie bereits unabänderlich geschehen ist und sonst nicht zu den zukünftigen Ereignissen geführt hätte.
Deinen Ansatz mit den jeweils neu entstehenden Zeitebenen würde ich deshalb unterstützen.
Ein eher schlechtes Beispiel ist „Replay“ von Grimwood, bei dem es um etwas völlig anderes geht.
Es wurde weiter oben schon erwähnt, dass man bei „Zurück in die Zukunft“ und auch den Marvelfilmen eher simple Erklärungen benutzt - und es funktioniert.
Erstmal Danke für jeden dieser Beiträge. Jeder ist interessant für mich. Aber das Beste ist, dass die vielen Antworten mir gezeigt haben, dass eine Zeitreise durchaus ein Thema ist, über das sich zu schreiben lohnt.
Ich bleibe dran und werde mir Mühe geben eine spannende Geschichte daraus zu machen.
… die Zeitmaschine, oder auch „wenn der Schläfer erwacht“ - allerdings hält Wells sich meiner Erinnerung nach an keiner Stelle mit theoretischen Erklärungen auf, ihn beschäftigt vielmehr der Blick in künftige Epochen.
Wells weiß jedenfalls zu unterhalten. Bei ihm stellt man sich gar nicht die Frage, ob irgendwas geht oder nicht, man glaubt es ihm einfach. Das ist in meinen Augen (eine Form der) Kunst!
Wenn man sich immer nur strikt dran halten würde, was tatsächlich geht und was nicht, hätte sich ein Großteil der Science Fiction eh erledigt - eine entsetzliche Vorstellung!
Richtig, allerdings ist es schwierig, glaubwürdig zu sein mit Dingen, die eh nicht funktionieren. Das ist fast noch interessanter als die eigentliche Geschichte, die erzählt wird.
Ich finde (technische) Glaubwürdigkeit in der SciFi gar nicht so erstrebenswert, außer, wenn wir über Hard-SciFi sprechen - dort ist es ein Muss. Aber für alle anderen Ableger der SciFi ist mir nur wichtig, dass es mir Spaß macht.
Das Genre trägt das Wort „Science“ auf seiner Schublade auch meist zu Unrecht, aber damit haben wir uns doch schon lange arrangiert. Es geht einfach besser über die Zunge als sowas wie „Zukunftsroman“ und dergleichen.
Darf ich mal ganz höflich ein Filmzitat anbringen aus „Jede Menge Kohle“? Wenn ich mal was nich weiß, ne, dann frag ich einfach dich., sagt Kadlewski zur Ulli, wenn ich mich richtig erinnere.
Um es vorweg zu nehmen, die technische Umsetzung einer Zeitreise liegt ganz in der Kreativität des Autors. Betrachtet man jede Science-Fiction-Geschichte als eigenständiges Universum, kann man darin die Physik gänzlich neu schreiben. Sofern man entsprechend leidensfähig ist. Siedelt man die Geschichte jedoch in der „Realität“ an und hat auch einen entsprechenden Anspruch an das eigene Werk, dann viel Spaß mit der Fachliteratur.
Aber das ist ja nicht der Punkt.
Ob eine Zeitreise in einer Geschichte so eine gute Idee ist, muss man als Autor selbst entscheiden. Gute Geschichten gibt es reichlich dazu. Meinem persönlichen Empfinden nach sind Zeitreisen aber eine Möglichkeit zum „Cheaten“. Wenn die Charaktere beim ersten Versuch scheiterten, reist man schlicht zurück und versucht es erneut. Das nimmt dann so viel Spannung weg…
Um ein Beispiel zu bemühen, aus Avengers (Marvel ist echt plump darin):
Als Thanos von Strange den Zeitstein erhalten hatte, musste einem als Zuschauer doch klar sein, dass egal, wer auch immer und wie auch immer etwas versuchen würde, um Thanos aufzuhalten, er schlicht den Zeitstein nutzt. Strange tat es zuvor schon gegen Dormammu. Dennoch waren sich die Marvelschreiber nicht zu fein, um unmittelbar danach die Szene mit Scarlet Witch und Vision einzublenden. Ein riesen Drama, das die Geliebte ihren Geliebten töten muss, um das Universum zu retten. War halt nur von vorneherein völlig sinnlos.
Zeitreisen können spannende Geschichten sein, aber allein die Möglichkeit der Manipulation der Zeit zerstört meiner Meinung nach jede halbwegs glaubhafte Dramaturgie.
(Außer natürlich man schreibt das Schicksal als Antagonisten hinein. Siehe „The Time Machine“)
Genau so sehe ich das auch. Andreas Eschbach hat das sehr eindrucksvoll umgesetzt.
Das heißt nicht, dass es nicht auch langweilige Geschichten in dieser Richtung gibt. Ich sehe da keinen Unterschied zu anderen Genres. Und auch hier: Was den Einen packt, lässt den Anderen kalt oder Schulter zuckend zurück.
BTW: bei Eschbachs Büchern - so weit ich mit seiner SF vertraut bin: Solar Station, Mars-Projekt, Perry Rhodan - schimmert sehr viel technische Fachkompetenz durch, er hat einige Semester Luft- und Raumfahrttechnik studiert.
Zeitreisen unterliegen besonderen Regeln. Man muss sich mit diesen beschäftigen.
Kleine Hilfestellung auf diesem Weg: Handbuch für Zeitreisende
In der Netflix-Serie Travelers übernehmen die Zeitreisenden die Körper von Menschen in dem Moment ihres Todes. Interessanter Ansatz, auch wenn hier dadurch nicht das Großvater-Paradoxon überwunden wird. Regeln halt.
Noch ein Buch mit gleichem Titel - jedoch ein Roman: KLICK
Doc Brown rotiert gerade, weil er nicht darauf gekommen ist.
Travellers hab ich gesehen. Da haben sich die Autoren einige grobe Schnitzer erlaubt: Als die Zukunft verändert wurde und sich die Menschen im Schutzraum gegen den Direktor stellten, bildeten sie damit eine weitere Fraktion unter den Zeitreisenden. Wie aber kann es sein, dass die ersten Reisenden immer noch existierten und Erinnerungen ihrer eigenen Vergangenheit/Zukunft hatten? Was nicht stattfindet, kann nicht Ausgangspunkt einer Handlung sein.
Naja, linear gedacht.
Auch hier wieder der Hinweis, dass die Gesetze der Physik des Universums, das ein Autor beschreibt, allein seinem Anspruch unterliegen.
Interessant ist hier auch „The Crossing“ zu erwähnen, die leider nur eine Staffel lief. Menschen fliehen aus der Zukunft in die Vergangenheit, weil eine künstlich hervorgebrachte Evolution den Großteil der Menschheit vernichtet.