Trau dich ruhig. Du bist doch sonst nicht schüchtern. Kürzen tut überhaupt nicht weh.
Für meinen Geschmack brauchen deine Geschichten auch keine Kürzung. Deine veröffentlichten Bücher habe ich nicht gelesen, aber in den von dir hier im Forum veröffentlichten Kapiteln aus „Die Konferenz der Könige“ und „Uvalog Adventures“ hast du die Handlung recht schnell vorangetrieben und recht schnell ganz schön viele Personen eingeführt, da hätte ich die einzelnen Personen, ihre Beweggründe und ihr Denken, gerne näher und ausführlicher kennengelernt.
Wie gesagt, mein Geschmack, es ist halt Geschmackssache.
Okay, ein bisschen kürzen kann ich schon. Die Frage, wie man richtig kürzt, ohne Spannung rauszunehmen ist jedoch eine andere!
Ich wollte keinen neuen Thread eröffnen und irgendwie passt es zum Thema. Aktuell stehe ich an einem Punkt, an dem ich das Gefühl habe, es fehlt etwas. Ein Zwischenschritt, eine Szene, ein kurzer Einschub. Objektiv fehlt nichts, die Handlung schreitet logisch voran. Aber ganz ohne das „Außenherum“ entsteht ja auch keine Geschichte…
Ist Füllmaterial immer unnötig? Schreibt ihr Füllmaterial trotzdem und streicht es wieder? Oder lasst ihr es am Ende sogar im Buch?
Wie macht ihr das?
Wenn etwas fehlt, schreib halt etwas.
Lesen ist doch auch irgendwie eine Freizeitbeschäftigung ohne Sinn. Jemand setzt sich hin und liest etwas, das es nicht gibt, einfach nur, um etwas zu lesen. Ein ganzer Roman ist Füllmaterial
Sicher sollte alles auch zur Story passen. Und sicher soll man den Leser nicht mit einer undurchdachten Geschichte zuwerfen. Aber wenn ein Storyteil irgendwo hineinpasst, weil er einem vielleicht die Charaktere näherbringt oder hilft, sich besser darauf einzulassen - was ist daran schlecht?
Was man vermeiden sollte, ist in meinen Augen etwas anderes: Dass du nicht weißt, wo du hinwillst und nun herumeierst und irgendetwas schreibst, einfach nur, um etwas geschrieben zu haben. Und später findest du diesen sinnlosen Abschnitt dann irgendwie zu schade, um ihn zu entsorgen und redest ihn dir schön. Das haben wir sicher auch alle erlebt.
Hier muss man halt abwägen, welchen Sinn der Abschnitt hat, den man da vor sich hat. Und wie er sich in die Gesamtstory einfügt.
Ich schreibe tendenziell etwas „knapp“ in der Rohschrift. Beim Überarbeiten kann es dann schon passieren, dass ich Szenen erweitere. Oftmals sind es nur Kleinigkeiten oder Elemente, um die Stimmung des Ortes besser auszudrücken. Z.b habe ich letztens einen Dschungel beschrieben, und dabei die Szene um eine fleischfressende Pflanze erweitert, die ein kleines Nagetier ins Verderben lockt.
Warum?
Es ging darum, die Gefährlichkeit und die Eigenarten des Ortes zu beschreiben, ohne die Protagonistin in Gefahr zu bringen. Zuvor hatte meine Protagonistin den Wald nur durchquert.
Unnötig? Durchaus.
Füllmaterial ist manchmal nötig, um die Stimmung des Lesers zu beeinflussen. Wie ich anderswo schon mal erwähnte, baue ich manchmal Szenen mit gemeinsamen Essen, oder Gespräche mit Kindern ein, wenn ich die Laune heben will - oder Charaktere teilen eine Erinnerung miteinander.
Bei mir ist das gerade umgekehrt. Meine ersten Fassungen enthalten meist sehr ausführliche Schilderungen von Ereignissen oder Orten. Erst in der x-ten Überarbeitung fallen dann inzwischen als zu viel empfundene Sätze weg.
Ich kenn es auch, aber da ich bislang nur für mich geschrieben habe, weiß ich nicht ob ich helfen könnte. Da es ein Krimi ist, bin ich aus diesem Genre raus.
Aber um vielleicht etwas zu helfen. Mir wäre jetzt auch die Idee gekommen, alles irgendwie miteinander zu verbinden. Ich kenne dein Setting und die Handlung nicht. Aber vielleicht gibt es Charas, die sich irgendwie kennen, oder eine Nachbarschaft, die sich eher so sporadisch kennt. Eine Szenerie, die „so nebenher passiert“ also das einer der Charas die anderen Szenen beobachtet würde auch noch gehen.
Alternativ wäre es, jede einzelne Szenerie in ein kurzes Kapitel zu fassen, oder Blockweiße es zu machen. Also je nachdem wie gut die einzelnen Szenen dann untereinander zusammen passen könnten.
Die Sache mit dem Zeitsprung kann auch sehr gefährlich werden. Denn wenn man es zu oft macht finde ich, verliert man den Anschluss und nicht immer passt ein Zeitsprung in ein Geschehen hinein.
Aber ist dein Krimi wirklich nur abgespielt in 2 Tagen? Soll echt in diesen 2 Tagen alles passieren? Wenn ja, find ich schon dass es irgendwie zu eng getaktet ist. So ist Kriminalarbeit bei der Polizei ja irgendwie auch nicht. (Wäre zwar schön manchmal, aber nee)
Und wenn nicht, dann vergiss was oben steht
Ich bin hier vielleicht ein bisschen spät dran bei der Party, aber ich bediene mich hier gerne dem Small-Talk.
Szene 1:
Erich und Vlad sind am Ort A fertig und müssen zu Ort B. Man könnte nun beschreiben, wie sie zum Parkplatz runtergehen, vielleicht beschreibt man den roten Mustang, und dann düsen sie davon.
Außer, dass das Bild von A nach B schwenkt, hat die Szene keinen Mehrwert.
Szene 2:
Erich und Vlad gehen zum Parkplatz runter.
„Was hältst du von der Neuen?“, fragt Erich.
Vlad runzelt die Stirn. „Jessica? Tom sagt, sie war mal ne Schlampe. Also eine Richtige, vom Strich und so.“
„Pah. Tom kommt eben nicht damit klar, dass sie hübsch ist UND Schneid hat. Und dass sie mit Carsten geht.“
„Carsten?“ Vlad lacht kurz auf und spuckt auf den eisigen Boden. „Da hat der Typ aber nichts anbrennen lassen.“
„Neeeee …“ Erich hat endlich die Schlüssel gefunden und sperrt die Tür zu seinem roten Mustang auf. „Die beiden haben eine Vergangenheit. Von damals, du weißt schon. Und jetzt …“ Er macht eine drehende Handbewegung. „Da hat halt schnell mal das eine zum anderen geführt. Wahrscheinlich hatten die zwei schon davor was am Laufen.“
„Ahhhh. Das erklärt einiges.“
„Ich erzähl dir den Rest während der Fahrt, und jetzt steig ein, bevor mir die Eier abfrieren.“
Der Dialog ist natürlich jetzt nur hingeballert, aber hier würde man erfahren, dass es arschkalt ist, ohne dass es erwähnt wird, es wird ein neuer Charakter eingeführt, ein kleiner Konflikt aufgebaut und nebenbei schon etwas Hintergrund geschaffen, während man dazu eine Art „technische Szene“ > wie kommen Charaktere von A nach B dazu nutzt.
Ohne jetzt alles gelesen zu haben:
- Weglassen und im nächsten Kapitel eine kurze Rückblende, was dazwischen passiert ist.
- Zusammenfassen & Kürzen: Mehr Tell, weniger Show verwenden
- Etwas einbauen, damit der an sich langweilige Ablauf doch interessant wird, z.B.
- ein Dialog, in dem man die Figuren, ihre Ängsten, Nöte, Ideen, Haltungen etc. besser kennenlern
- Charakterentwicklung: Wir erfahren mehr über eine der wichtigen Figuren
- Mini-Konflikt einbauen (wenn es gut passt, nicht auf-Teufel-komm-raus)
- abgefahrenes, kreatives Reframing: z.B. eine langweillige Autofahrt, wird wie eine aufregende Reise zum Mond beschrieben: „Als alle an Bord waren zündete ihr Vater das Triebwerk. Das Auto vibrierte, als sich das Hangartor öffnete…“
Das wären mal die Optionen, die mir spontan dazu einfallen, bzw. wie ich es mache.
Liebe Grüße,
Sven
Ich mache das ganz ähnlich wie @Phalke: Rückblenden, Dialoge und Nebenszenen, die aber für das Verständnis der Protagonist:innen und ihres Verhaltens in der erzählten Geschichte wesentlich sind. Das heißt, dass ich nicht bereits im ersten Viertel der Geschichte alles von jeder Figur verrate, sondern erst später in einem geeigneten Moment einbaue.
So ist etwa der Mentor meiner Heldin ein siebzigjähriger Zeitzeuge, der ihr im Lauf der Story immer mehr aus seinem Leben und damit den historischen Ereignissen, an denen er beteiligt war (von der Ausrufung der Republik über den spanischen Bürgerkrieg und die französische Resistance bis hin zur allgemeinen Geschichtsklitterung der 1950er und -60er Jahre), erzählt. So entsteht in der Heldin meines Romanes ein Verständnis, warum Menschen und Verhältnisse so sind, wie sie sind (Stichwort Charakterentwicklung), und, was ich sehr hoffe, auch bei denen, die meinen Roman lesen.