Zähes Kapitel wie interessant machen?

Guten Morgen Schwarmintelligenz,
wie handhabt Ihr das, wenn Ihr ein Kapitel schreiben „müsst“, in dem nicht wirklich etwas passiert, das aber für die Handlung wichtig ist. Wie gestaltet man so etwas interessant?
Da ich bisher fast ausschließlich Kurzgeschichten geschrieben habe, hatte ich das Problem so noch nicht. Mir fällt der aktuelle Part unglaublich schwer, weil im Hintergrund so viel passiert. Theoretisch müsste ich ein Kapitel mit 3-4 kurzen Szenen schreiben, in denen mehr oder weniger alle relevanten Charaktere vorkommen und ihre Aktivitäten kurz angeleuchtet werden, aber das ist dann völlig verwirrend. Alternativ müsste ich alles im Nachhinein erzählen und hätte an der Stelle den einzigen Zeitsprung von mehreren Tagen in der ganzen Geschichte.
Habt Ihr vielleicht Tipps oder Erfahrungen?

Einen schönen Sonntag für Euch alle :slight_smile:

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So als Anregung - wenn du so ein Kapitel schreiben musst, bring doch einfach - falls der Kontext das hergibt - etwas Humor hinein.

Nachtrag: Das kann durchaus auch schwarzer Humor sein. Oder slapstickartige Szenen. Oder, oder …

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Emotionen. Humor ist sehr gut, da stimme ich @nolimit zu. Andere Emotionen gehen auch. Bring den Leser zum Schmunzeln, zu Mitgefühl, hol ihn mit etwas Vertrautem ab, in das er sich hineinversetzen kann, lass ihn in die inneren Konflikte der Protagonisten hineinschlüpfen, …

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Dialoge bringen Dynamik, wenn sie gut gestaltet werden.

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Was ist so schlimm an einem Zeitsprung? Wenn es die besser Alternative ist - was hindert dich denn daran? Denn wie du ja schreibst: Die aktuelle Lösung ist auch verwirrend. Dann würde ich abwägen, was verwirrender ist.

Ich persönlich sehe an Zeitsprüngen kein Problem. Man sollte generell bei allem, was deine Geschichte komplexer macht, darüber nachdenken, wie man die Komplexität so einfach wie möglich gestalten kann. Dir ist das Problem ja auch aufgefallen. Das ist gut. Dann solltest du nun eine Entscheidung treffen.

Sonst kann ich mich einem der Vorredner anschließen. Man könnte mit Humor eine langweiligere Szene auffrischen oder mit irgendetwas Dramatischem, das zwar die Aufmerksamkeit ein wenig von dem eigentlichen Sinn der Szene wegnimmt, aber den eigentlichen Szenensinn quasi als Randhandlung einschließt.

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Ich versuche immer Szenen aktiv zu schreiben und nicht nur zu berichten und vor allem versuche ich auch bei harmlosen Szenen auf einen Höhepunkt hinzuarbeiten, damit sie nicht einfach vor sich hinplätschern.

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Vielen Dank an Euch. Ihr habt mir da echt geholfen. Ich denke, ich versuche wirklich eine witzige oder vielleicht auch dramatische Nebenhandlung in dem Kapitel unterzubringen. Dann kann ich auch mehrere Szenen zu einer zusammen schreiben und es ist nicht ganz so viel: Hans ist zu Besuch bei Gerda und liest einen Liebesbrief, der eigentlich an die Katzengöttin Minka ging, aber die hat ihn nicht erhalten und liegt im Krankenhaus, während Karl-Thomas-Maximilian sich im Pub betrinkt und eine Stadt weiter Fritz seine Oma ärgert, die am nächsten Morgen Tod aufgefunden wird weil blablabla. Ihr wisst schon.

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Eine Katzengöttin im Krankenhaus, die Briefe erhält, wenn sie nicht im Krankenhaus ist? Das ist mal eine Idee! Sehr witzig.

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Was genau ist das Problem in dem zähen Kapitel? Vergeht Zeit, bis das nächste spannende Element passiert?

In solchen Phasen lasse ich meistens Charaktere miteinander interagieren, damit der Leser (und sie sich) besser kennen lernen. Sie könnten Geschichten aus der Kindheit teilen, oder etwas Essen etc. Damit kann man meist gut „Zeitabläufe überbrücken“

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Das Buch ist ein Krimi. An eben diesen 2-3 Tagen, die ich im Kapitel „füllen“ muss, passiert relativ viel, aber alles an unterschiedlichen Orten mit verschiedenen Charakteren.
Was oben witzig klingt ist im Wesentlichen mein Problem, wenn auch in einem weniger katzenhaften Szenario:
Person A erscheint an diesem Tag nicht zur Arbeit.
Person B hat Streit mit ihrem Ehemann.
Person C1 überredet Person C2 an einer Aktivität teilzunehmen, bei der sie eigentlich nicht mitmachen möchte.
Person D1 setzt sich bei Person D2 für jemanden ein und macht sich damit später im Buch zum Verdächtigen.

Entweder, ich schreibe jetzt ein Kapitel mit mehreren kurzen, völlig verschiedenen Szenen (eigentlich nicht mein Fall, weil ich das selbst oft verwirrend finde), oder ich schreibe mehrere Kapitel, in denen aber nichts wirklich aufregendes passiert, außer diversen Streitigkeiten und einem erkrankten Arbeitnehmer.

Möglichkeit drei wäre, ich lass das Kapitel weg und die Charaktere erzählen sich hinterher alles gegenseitig, beziehungsweise ich erzähle davon à la „Donnerstag war ich nicht arbeiten“ und „Philip seufzte und warf seinem Bruder einen genervten Blick zu. Wenn Marc ihn nicht zu diesem Treffen überredet hätte, säße er jetzt gemütlich zu Hause am Kamin“.

Finde ich alles irgendwie blöd.

Im Großen und Ganzen kenn ich das bei mir so:
Es ist gerade eine Szene passiert, die war einigermaßen spannend. Und die übernächste Szene ist auch gut. Aber die „Mittelszene“ die mich von der ersten zur dritten Szene bringt, ist lahm. Ich hab keine Idee, wie und was geschehen soll. Weglassen kann ich sie aber auch nicht, weil da drinnen etwas passiert, das für die Folgeszenen wichtig ist. Das ist zumindest bei mir meistens das Dilemma.

Wie löse ich das?
Ich versuche meistens „frei zu drehen“. Brainstorming. Je wilder und verrückter, desto besser. Absolut übersteigert, absolut übertrieben. Die Gedanken werden weitergesponnen, weg von der Story, oft haben sie nicht einmal mehr was mit dem Genre oder Setting zu tun.
Ist auch egal, nichts davon werde ich brauchen, nichts davon ist wichtig. Aber auf einmal kommt dann doch dabei so ein kleiner Funke „Und was wäre, wenn jetzt in meiner Geschichte …“

Dabei ist mir sogar einmal eine Idee für einen ganzen Handlungsstrang gekommen, der viel besser und interessanter war, als der bisherige.

Ich weiß jetzt dein Setting nicht … Aber was, wenn du genau das zeigst?
B hat mit ihrem Ehemann einen heftigen Streit? Das ist schon mal sehr aktiv. Während des Streits kommen die Probleme bei A, C1 und D1 zur Sprache. Entweder direkt - du baust es in das Streitgespräch ein - oder indirekt.

B seufzt während des Streits und dreht sich zum Fenster weg, um ihre Gedanken zu sammeln. Vor lauter Aufgewühltheit weiß sie nicht mehr, was sie denken soll. Dabei sieht sie ihren Nachbarn - Person A - den Müll rausbringen. Und das an einem Dienstvormittag! Er ist also wieder einmal nicht in die Arbeit gekommen. Dabei hat ihr D1 letztens erzählt, dass das in letzter Zeit durchaus öfter passiert.
Noch bevor B sich darüber länger wundern kann, werden ihre Gedanken unterbrochen. Ein weiterer Vorwurf - ihr Mann erzählt, dass C1 seinen Partner (?) C2 überredet hat, bei etwas mitzumachen. Sie hatte keinen Bock, und was ist geschehen? Sie hat trotzdem eingewilligt. Weil man das eben einfach so tut, wenn man jemanden mag. Man ist für einen da! Aber sie hingegen …
B verlässt wortlos das Haus - sie will nur mehr weg von ihrem Mann. Sie kennt ihn. Wenn er so drauf ist, kann er sich stundenlang in Rage reden. Ihr fällt ein, dass D1 bei ihrem letzten Treffen noch etwas erzählen wollte. Um sich abzulenken, greift sie zum Handy und ruft D1 an.
Die ist erleichtert von ihr zu hören und erzählt B sofort von den Problemen von D2. Die Vorwürfe gegen D2 hält sie natürlich völlig aus der Luft gegriffen, weil …

(Funktioniert natürlich so nur, wenn sich die alle kennen und ich hab natürlich keinen Plan, wie das bei dir so aussieht :sweat_smile:)

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Meine Herangehensweise - die im Ergebnis der Lösung von @LazyBastard ähneln könnte - wäre, die einzelnen Ereignisse möglichst durch einen roten Faden miteinander zu verbinden.
Meine erste Wahl für einen verbindenden roten Faden ist normalerweise eine Figur, die alles aus ihrer individuellen Sichtweise heraus [im Schreibratgeber „Handwerk Humor“ wird diese Sichtweise als die „komische Perspektive“ bezeichnet] erlebt oder beobachtet. Spontan fällt mir als Beispiel dafür Dr. Watson ein, der vieles richtig beobachtet, aber falsch interpretiert, bis Sherlock Holmes die richtigen Schlussfolgerungen zieht. Der Leser wird sozusagen von Dr. Watson an die Hand genommen und durch die Einzelheiten geführt.

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Die Frage ist, ob „alles“ den Rahmen sprengt, wenn man das Kapitel überspringt. Je nachdem wie relevant die Handlung ist.

B steht bei Beginn des nächsten Kapitels auf einem Hügel und sieht die Straße hinab. Der schwarze Audi schlängelt sich die Kurven nach oben, bald ist er bei ihr. Ihre Hände sind in der Manteltasche, damit man ihre abgenagten Fingernägel nicht gleich sieht. Die letzten Tage waren nervenaufreibend und eigentlich nur von dem Streit mit ihrem Mann geprägt.
[hier 1-2 Sätze zum Streit reingeben]
Sie kommt nicht mehr dazu, sich länger darüber den Kopf zu zerbrechen. Mit einem lauten Knirschen hält der Audi ein paar Schritte neben ihr auf dem Schotterplatz.

Da wäre die Rückblende nur 2 Absätze lang und man ist schnell wieder im Geschehen. Du musst nur aufpassen, dass du das nicht zu oft machst, sonst wird es repetitiv.

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Okay wow. Vielen vielen Dank für Eure Ratschläge, und die Mühe, die ihr Euch beim ausformulieren gegeben habt. Ich denke, ich verstehe, wie Ihr das meint.
Man liest solche Stellen immer mal wieder in Büchern mit kurzen Rückblenden, die stören auch nicht so wie lange Erzählungen im Nachhinein. Wenn verschiedenen Ansätze kombiniert werden, muss man ja auch nicht „alles“ erzählen.
Ich könnte den Streit im Kapitel ausformulieren, meinen Dr. Watson den kranken Arbeitnehmer irgendwo antreffen lassen und gleich im Anschluss hört er, wie C1 und C2 aus diskutieren, ob sie nun mitkommen oder nicht. Das läuft dann vielleicht unter „komischer Zufall“ und ist nicht ideal, aber wenn sich das im Buch nicht häuft (tut es nicht), wahrscheinlich vertretbar.
Dann fehlen nur noch D1 und D2, aber das kann ich auch noch an anderer Stelle im Buch bringen, das ginge tatsächlich gut als Rückblende.

Kurzgeschichten sind da echt einfacher. Keine richtige Einleitung, es geht los, alles passiert Schlag auf Schlag, Ende.

Verstehe ich das richtig, und das ist ein geläufiges Problem beim Schreiben von Büchern? Fällt Euch das mit zunehmender Erfahrung einfacher? :smile:

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Das ganze Leben ist eine Ansammlung von Zufällen :sweat_smile: Aber ich weiß, was du meinst.

Ja, ich habe auch mit Kurzgeschichten angefangen. Alle spielten im selben „Universum“, aber immer andere Protagonisten etc. Irgendwann wurde mir nahegelegt, daraus mehr zu machen. Weil man auch wissen wollte, wie die Geschichten weitergingen. Jede meiner Kurzgeschichten endete mit einem großen Cliffhanger.

Nun muss ich die Geschichten zwar nicht fertigerzählen, aber weitererzählen. Das ist etwas, da tat ich mir schwer. Und bei den Kurzgeschichten musste ich meine Charaktere nicht einführen, nicht vorstellen.
Hier hatte ich die größten Probleme mit dem Umstieg. Ich hab die Geschichte zuerst völlig links liegen gelassen und sie dann einfach mal zahlreiche Szenen erleben lassen, damit man sie alle kennenlernt. Leider war nichts davon irgendwie für die Story relevant :sweat_smile:
Inzwischen gehts besser …

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Wie läuft das dann bei Dir mit den ganzen Kurzgeschichten und dem Roman? Fasst du alle Geschichten zusammen oder schreibst Du in Deinem Universum etwas Neues? Hast Du immer die selben Charaktere verwendet?

Die meisten dieser Kurzgeschichten waren im Grunde dann die „Eröffnungsszene“ für diesen Charakter. Viele andere Kurzgeschichten musste ich ordentlich anpassen und umschreiben, damit sie dazu passen, bei manchen blieb am Ende nur die Grundidee. Einige andere passen einfach gar nicht dazu, die bleiben wohl für immer in der Schublade.

Ich habe solche Sachen in einer kleinen Kurzgeschichtensammlung zusammen mit neueren Geschichten zusammengestellt.

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Ich hab in einer Schreibgruppe mal ein Paar entworfen, das ich in einem Dutzend einzelner Shortstorys verschiedene Abenteuer erleben ließ. Eine Zeit lang spielte ich mit den Gedanken, diese Shorties mit einem übergreifenden Handlungsstrang zu verbinden. Aber länger ich darüber nachdachte, desto weniger gefiel mir das; ich fürchtete einen Qualitätsverlust der guten Kurzgeschichten nur um dann eine mittelmäßige lange Geschichte zu haben.
Beim Roman hingegen muss dieser oa Faden, die Prämisse, Kernaussage, Message, wie auch immer, in jedem Kapitel auftauchen, wenigstens in einer kurzen Szene oder einem Dialog. Sonst wäre dieses Kapitel ja nichts, was die Story vorantreiben würde und könnte gestrichen werden. Also zurück zur eigentlichen Frage: Was wollte ich wirklich erzählen und hab ich das hier schon gemacht oder schreib ich grade ganz was anderes? In diesem Fall würde ich es wie @Suse machen: Die Szene fertig schreiben und in den Kurzgeschichtenordner ablegen. Vielleicht kann man sie ja andernorts noch brauchen.

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Ich persönlich finde Möglichkeit zwei (mehrere kurze Kapitel) am reizvollsten. Das könnte doch ein Stilmittel sein. Wenn das häufiger vorkommt, wird das dein Markenzeichen. Mit „öfter“ meine ich so selten wie möglich aber so häufig wie nötig. Kann ja sein, dass du solche Stellen öfter im Buch hast / haben wirst. Dann böte sich dieser Weg doch an?

Aber für die Figuren, bzw. für dich? Ein Weg, dass die Figuren Fleisch auf die Knochen bekommen und nicht der schlechteste wie ich finde.

Wie sagte schon Goethe: „Ich hatte keine Zeit einen kurzen Brief zu schreiben, darum schreibe ich einen langen.“ Oder so ähnlich. Ich habe grosse Mühe, eine Kurzgeschichte zu verfassen die ich auch selber würde lesen wollen.

Frage an @Arletta und @LazyBastard : Wie macht ihr das mit den Kurzgeschichten? Ich meine, da soll doch alles weg, was nicht absolut zwingend notwendig ist, kaum bis kein Spielraum für „Überflüssiges“.
Ist nicht exakt das Thema, aber irgendwie schon. Bei der KG geht es nur nicht um ein Kapitel, sondern ums Ganze.