Hallo Knöpfchen,
auch wenn ich finde, daß @Palinurus Deinem Text mit seinen Änderungen viel Gutes getan hat, nehme ich mir Dein Original vor; denn was (und ob überhaupt) Du von diesen Änderungen übernehmen möchtest, weißt nur Du. Da ich aber bei @DuaneHanson bin, was die Absätze angeht, füge ich erst einmal welche ein (an zwei Stellen mußte ich dafür Sätze trennen). Dann liest sich der Text so:
Hellgraue Wolken stapelten sich vor einer dunkelgrauen, fast schwarzen Wand, glatt abgetrennt vom noch blauen Himmel, rollten sie wie gekämmt, stetig aufbrausender werdend, auf das Dorf **und **seiner Waldung zu. Blitze zuckten aus ihnen, Donner grollte **und **aus dem Hintergrund strahlte die Sonne nebelhafte Bindfäden von Gewitterregen, den die Ansammlungen frei gaben, an **und **kraftvolle Winde wirbelten tobend die Dächer der Häuser **und **die Felder durcheinander.
Im Verborgenen schlich sie aus der Burg, in die Stallungen, sattelte ihren Schimmel **und **galoppierte in den Wald, auf eine Lichtung, in die Nähe einer armseligen zerfallenen Hütte. Zweige brachen, Äste krachten lautstark **und **donnerten zu Boden, ihre Stute kreiste, schnaubte, war aufgewühlt **und **stampfte heftig kratzend mit seinen Hufen auf den Grund, mit Mühe behauptete sie sich im Sattel **und **hielt mit aller Kraft die Zügel eisern in ihren Händen.
Ein reifes, friedfertiges, knittriges Weib, bepackt mit Reisig **und **Holz, trat lautlos aus dem nebligen Unterholz hervor. „Was sucht ihr hier?“, fuhr sie die Fürstin an.
Diese erschrak, Regen peitschte ihr ins Gesicht **und **rann an ihr herab. „Das Kind!“, schrie sie gegen die tosende Brise.
„Macht kehrt!“,schlug dem Ross aufs Hinterteil **und **entwich ins finstere Dickicht.
Ein rasch rotierender Wirbel, aus Wasser, Wind **und **Geröll, der von der Unterseite der Wolken bis zum Erdboden reichte **und **am unteren Ende alles mitriss, gewaltig **und **ohne Nachsicht, bildete sich **und **ihr Pferd scheute, wieherte **und **stieg mit den Vorderbeinen hoch in die Luft, Angst stand ihr im Gesicht, rechtzeitig riss sie die Zügel herum **und **ritt ins Kloster.
In der dortigen Kapelle entledigte sie sich ihres vollkommen durchnässten Umhanges, kniete sich vor das Kruzifix **und **flehte, bettelte geradezu, den Herrgott an, Gnade über das Kind **und **dem alten Weib walten zu lassen. Sie verharrte die Nacht betend vor dem Kreuz auf dem harten kühlen Steinboden, im zugigen Oratorium.
Kurz vor Dämmerung entdeckte eine Nonne die Fürstin liegend **und **schlafend auf einer Bank im Gestühl. „Durchlaucht, bitte steht auf, es ist kalt, nehmt diese Decke **und **trinkt einen wärmenden Tee mit uns!“
Andächtig schlichen sie auf leisen Sohlen durch die hohen Gänge, entlang an biblischen Fresken von Auferstehung, in des Klosters Küche.
Der Fürst wartete auf seine Gemahlin Franziska, empfing sie mit offenen Armen, drückte **und **küsste sie. „Du glaubst nicht, welche Befürchtungen ich mir ausgemalt habe. Dort wo sie jetzt ist, wird sie es gut haben.“
„Die Amme hat bei mir keine Sorgen erzeugt! Du hast sie für Tot erklärt **und **auf dem Scheiterhaufen verbrennen lassen, ohne sie in den Arm genommen **und **angesehen zu haben. Sie war nicht tot, sie lebte **und **jetzt ist sie fort. Schwester Agnes, die bei der Geburt dabei war **und **ich haben sie Maria-Johanna getauft **und **sie wird, egal wo sie jetzt ist…!“.
Erbost rannte sie **und **ließ den Fürsten fragend zurück.
Deine Ausgangsfrage war, warum die wörtliche Rede Deinen Lesbarkeitsindex aus der Balance bringt, und wie das zu ändern sei; Du willst die wörtliche Rede spannender gestalten, ohne daß die Lesbarkeit darunter leidet. Ich muß gestehen, auch mit Deiner Passage, verstehe ich die Frage nicht richtig. Was ist Dein Lesbarkeitsziel; in Worten oder auch in Zahlen? Möchtest Du eher eine 80 erreichen oder eher eine 20? Willst Du einfacher schreiben oder komplizierter?
Ich habe Deinen ursprünglichen Absatz einmal in ein neues Papryrus-Dokument eingefügt und bekomme 58 angezeigt. Dann habe ich meine Version mit den Absätzen (wie gesagt, zwei Sätze mußte ich dazu trennen) eingefügt und bekomme je nach Absatz Lesbarkeiten zwischen 20 und 90 angezeigt. Das ist tatsächlich sehr heterogen, wobei die Absätze ohne wörtliche Rede auf Werte von 20 bis 42 kommen; die mit auf 64 bis 80. Die Analyse bewertet also die wörtliche Rede als deutlich einfacher als Deine übrigen Passagen. Dich stört dieser Unterschied offenbar; mich zum Beispiel nicht. Um aber auf Deine (vermutete) Frage einzugehen, meine Gedanken:
- Es spricht zu Beginn eine Frau in einer Extremsituation, emotional aufgewühlt. Daß sie keine syntaktischen Gebilde formuliert, wie Dein Erzähler das tut, erscheint mir logisch; es wäre in ihrer Situation unnatürlich, überlegt und konstruiert zu formulieren. Wenn Du also hier etwas ändern möchtest, dann könntest Du ihre Worte so gestalten, daß sie mehr ihrem Innenleben entsprechen: abgehackt, sich beim Formulieren ins Wort fallend, nach Worten ringend. Bisher sagt sie nur „Das Kind!“
- Das Weib hat nur zwei Sätze, beide sehr kurz: „Was sucht Ihr hier?“ und „Macht kehrt“. Ich kenne die emotionale Verfassung des Weibes nicht; ist sie überrascht vom Auftauchen der Fürstin? Sie läuft Holz sammelnd durch ein Unwetter (gibt es dafür einen entsprechend wichtigen Grund?) und ist pitschnaß; ist sie verärgert? Genervt? Frustriert? Das weißt nur Du als Autor; entsprechend könntest Du auch hier ansetzen und ihre Sätze an ihre Gefühlswelt anpassen. In jedem Fall kommen sie mir bisher extrem knapp vor; falls das zur Figur paßt und gewünscht ist, wäre hier eine Gelegenheit, die Lesbarkeit (64 bzw. 80 bei den beiden Weib-Absätzen) durch längere Sätze abzusenken.
- Nonne, Fürst und die letzte (längere) Äußerung der Fürstin sind mit 72, 74 und 74 quasi auf demselben Niveau. Wobei mein subjektives Empfinden hier, was innerhalb der Geschichte auch nur logisch zu sein scheint, den Fürsten und die Nonne als wesentlich ruhiger wahrnimmt als die Fürstin.
Schlußfolgerung: Du hast als wörtliche Rede zwei Zwei-Wort und einen Vier-Wort-Satz in einer Passage, die ansonsten durch sehr lange Sätze auffällt. Da letztere gewollt sein dürften, kannst Du also, wenn Du hier eine Annäherung erreichen willst, bei der wörtlichen Rede definitiv drauflegen.
Noch eine Nebenbemerkung zu etwas, das mir beim Lesen sehr aufgefallen ist: Du hast für meinen Geschmack sehr viele „und“ in Deinem Text; ich habe sie oben gefettet. Teilweise für Aufzählungen, teilweise leitest Du damit auch Hauptsätze ein. Stilistisch fände ich es gelungener, wenn Du von diesen „unds“ gut und gerne 80, 90 Prozent entfernen könntest. Oft liest es sich besser, wenn statt des und ein neuer Satz folgt, etwa:
„Blitze zuckten aus ihnen, Donner grollte **und **aus dem Hintergrund strahlte die Sonne nebelhafte Bindfäden von Gewitterregen, den die Ansammlungen frei gaben, an **und **kraftvolle Winde wirbelten tobend die Dächer der Häuser **und **die Felder durcheinander.“ Hier finde ich die ersten beiden „unds“ verzichtbar:
→ „Blitze zuckten aus ihnen, Donner grollte. Aus dem Hintergrund strahlte die Sonne nebelhafte Bindfäden von Gewitterregen, den die Ansammlungen frei gaben, an. Kraftvolle Winde wirbelten tobend die Dächer der Häuser **und **die Felder durcheinander.“
Im Journalismus lautet eine Regel: ein inhaltlicher Aspekt pro Satz. Klingt wenig, kann man gewollt gegen verstoßen, hier aber finde ich, stärken die drei einzelnen Sätze Deine Beschreibung: ein Satz für Blitz und Donner, einer für Regen und Sonne, einer für den Wind. Ich jedenfalls kann die Szene beim Lesen so besser visualisieren.
Viele Grüße
Buchling