Wie strukturiert ihr eure Bücher?

Hallo Suse,

ich versuche zunächst aus einer Mischung aus Schneeflockenmethode und Heldenreise mir eine Struktur zu überdenken.
Hier meine persönlichen Überschriften:

  • Zusammenfassung

  • Problem

  • mögliche Problemlösung

  • mögliches Ende

  • Ort

  • Anlass (Was ist der Anlass tätig zu werden?)

  • Personen

  • Einleitung

  • Handlungsstrang

  • Ende der Geschichte

  • Aussage der Geschichte (wichtig! Was will ich erzählen?)

  • Szenenbeschreibung

  • Konfliktbeschreibung

  • Zeitraum (-rahmen)

  • Erzählperspektive

Diese Seiten fülle ich und lasse die Idee einfach einige Tage liegen, bevor ich überhaupt anfange zu schreiben.

Danach fülle ich Kapitel für Kapitel und überprüfe regelmäßig, ob der Text zur Idee passt und umgekehrt.

usw.

Lieben Gruß

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Interessante Vorgehensweise. Mir ist das zu durchgeplant, weiß es aber nicht wirklich. Habe ich noch nie ausprobiert. Mal sehen, wie ich es im nächsten Projekt mache.

Ich teile meine Geschichten in drei Akte, manchmal auch vier. Dazu habe ich vor Jahren zu den jeweiligen Szenen eine Struktur aufgebaut. Ich schenke es Dir/Euch hier. Vielleicht könnt Ihr damit etwas anfangen (natürlich für keine Sachbücher gedacht). Jede Überschrift lege ich einen eigenen Untertitel auf Papyrus an mit Zeilenumbruch. Dann fange ich diese zu befüllen und Schreiben an. Dadurch ergeben sich an die 22 Unterordner. Ab da kann ich zu unterschiedlichen Zeiten diese mit meinen Szenen und Erzählung befüllen, ohne jemals den Faden zu verlieren. Hier die Struktur:

  1. Erster Akt Exposition
    Stellt die Welt, den Protagonisten samt Bedürfnis, Motiv und Fehler vor, sowie weitere Charaktere und das zentrale Problem des Romans.

  2. Aufhänger, Hacken, auf erster Seite
    Hier ziehen sie den Leser in den Roman. Das geht besonders gut, wenn sie eine dramatische Frage stellen.
    Beispiel: Wer hat das Verbrechen warum begangen?

  3. Verweigerung des Rufes !
    Der Protagonist ist träge, will nicht in Aktion treten.
    Ausflüchte,

  4. Auslösendes Ereignis. Katalysator.
    Dramatisches Ereignis, das den Roman in Gang setzt, dieser Punkt dient dem Roman als der Über- oder Ur-Katalysator, da er nicht nur einen Meilenstein bedingt, sondern den ganzen Roman.
    Auch als Initialzündung des Romans.

Drängt den Helden zu einer Entscheidung. Aber so dramatisch, dass eine Verweigerung, sich der Aufgabe zu stellen, nicht länger möglich ist.

Es muss etwas passieren, damit der Held seine Verweigerungshaltung aufgibt. Und es muss etwas Großes passieren. Er braucht einen guten Grund. Ist der Grund gering, wirkt er unglaubhaft und nicht authentisch.

  1. Erster Plotpunkt am Ende des ersten Akts
  • zentraler Wendepunkt. PP1, Punkt ohne Wiederkehr nach etwa 20 bis 25% des Romans. Eine Entscheidung des Helden, sich dem zentralen Ziel des Romans verpflichtet.
  1. Zweiter Akt Eskalation
    Der Protagonist muss auf dem Weg zu seinem zentralen Ziel zunehmend größere Hindernisse überwinden.

Er wandelt sich vom Wanderer zum Krieger und erlebt eine bittere Niederlage, die infrage stellt, was für ein Mensch er ist.

  1. Erster Pinchpoint
    (Etwa in der Mitte zwischen erstem Plotpoint und Midpoint.)

Der Antagonist, Gegenspieler, Schurke, beweist dem Leser, seine Gefährlichkeit. Er tut das insbesondere hinsichtlich seiner Fähigkeit, die Prota am Erreichen ihres Zieles zu hindern.

  1. Katalysator des Midpoints
    (Kurz vor den Midpoint)

Ein dramatisches Ereignis, das die Ereignisse bis dahin auf den Kopf stellt. Auslöser für den Midpoint. Dieser Katalysator ist häufig positiv, etwa eine wichtige Entdeckung des Protagonisten.

(Er stößt auf einen Namen - jetzt kennt er die Identität des Mörders)

  1. Mirror
    (Blick in den Spiegel; etwa nach 50% des Romans und kurz vor den Midpoint) Bevor sich der Prota in eine neue Richtung bewegt, führt er eine Bestandsaufnahem durch.
    Was bin ich für ein Mensch?
    Wie weit bin ich gekommen?
    Was bedeutet die Entwicklung für mich ganz persönlich?

Das, was er im Spiegel sieht beeinflusst seine Entscheidung und die Art, wie er weiter vorgeht.

  1. Sex at sixty
    Nach etwa 50% des Romans und kurz vor dem Midpoint.

Sie zeigen zwei Hauptfiguren in einem emotionalen, intimen Moment. Der Moment spiegelt das Happy End wieder oder deutet es voraus.

  1. Midpoint, Dreh- und Angelpunkt
    in der Mitte des Romans.
    Die Ereignisse ändern die Richtung. Der Jäger wird zum Gejagten. Der Protagonist wird proaktiv. Der Prota wird vom Wanderer zum Krieger. Oder vom Krieger zum Wanderer.

Nach dem Midpoint startet häufig ein neuer Subplot.

  1. Zweiter Pinchpoint
    (etwa in der Mitte zwischen Midpoint und zweitem Plotpoint)

Eine zweite große Erinnerung für den Leser. Der Schurke ist nicht nur immer noch lebendig und aktiv, er ist so gefährlich wie eh und je - oder, nein: Er ist sogar noch gefährlicher.
Womöglich hat man ihn überschätzt. Ein fataler Fehler wie man hier zeigt.

Die Ereignisse eskalieren. Die Gefahr wächst, die Einsätze steigen.

  1. Katalysator der Krise.
    (Zwischen zweitem Pinchpoint und zweiten Plotpoint)

Das kann ein dramatisches Ereignis sein, oder eine Schlacht oder entscheidender Kampf. Der Held wirft alle seine Klugheit in diesen Konflikt - und verliert. Die notwendige Wandlung bekommt ihre Quittung. Eine Katastrophe der Held verliert etwas Entscheidendes. Ein Selbstverständnis oder im Außen einen Verbündeten oder geliebten Menschen.

Er gewinnt hier, was falsche Hoffnungen in ihm weckt. Nur um in der finalen Schlacht im Höhepunkt doch und endgültig zu verlieren.

  1. Kriese dunkelste Stunde
    (All ist lost; Fegefeuer; direkt nach dem Katalysator)

Auf die Niederlage folgt die Krise. Der Held erlebt seine dunkelste Stunde. Das ist der emotionale Tiefpunkt des Romans. Doch erst, wenn der Held diese Talsohle durchschreitet, ist er bereit für den dritten Akt.
Wichtig ist, dass die Krise nicht bloß ein trauriger Moment ist. Hier ist alles tatsächlich verloren. Der Held hat seinen Traum aufgegeben. Eine Rettung ist tatsächlich unmöglich.

  1. Katalysator des zweiten Plotpoints
    Direkt nach der Krise.
    Der Held erhält eine Information, die alles verändert, ihre Überzeugung über den Haufen wirft oder ihr die Chance zur Veränderung eröffnet.

Hier durchschaut der Held seinen entscheidenden Webfehler seiner Persönlichkeit.

Eine neue Information, die ihn schon den geglaubten Fall neu aufrollt.

  1. Zweiter Plotpunkt am Ende des zweiten Aktes
    (Etwa 75% bis 80% des Romans)

Er steht am Ende des zweiten Aktes und katapultiert den Roman in den dritten und letzten Akt.

Hier trifft der Held die Entscheidung, die die Handlung in den finalen Akt schubst. Nur weil er seinen entscheidenden Fehler erkannt hat, kann er jetzt die richtige Entscheidung treffen.

  1. Dritter Akt Resolution
    Moment der Wahrheit. Ein Bruder des Mirror-Momentes, eine letzte, oft sehr persönliche und intime Bestandsaufnahme, bevor die Hölle des Höhepunkts losbricht.
    Der Held bekennt an dieser Stelle seinen entscheidenden Fehler.
    Hier erklärt auch der Antagonist seine Pläne, dem Leser werden viele Dinge klar.

Durchstehen eines Höhepunkts erreicht der Protagonist das zentrale Ziel, oder er scheitert.

  1. Twist
    (Third Act Twist; ein wichtiger Punkt für Drehbuchautoren)

In diesem Wendepunkt folgt die in vielen Fällen krasseste Enthüllung des Romas. Sie stellt den kompletten zweiten Akt auf den Kopf. Im Idealfall löst sie im Leser dieses Gefühl aus, das wir alle kennen: »Wow!«, zweitens ein »Natürlich! Wie konnte ich das übersehen!«

Häufig erweist es sich hier, dass der vermeintliche Oberschurke gar nicht der Oberschurke ist, sondern womöglich nur ein Helfershelfer.

Hier entpuppt sich der oder die, scheinbar ein netter kuscheliger, und fügsames Schaff, als der eigentliche Strippenzieher des zentralen Verbrechens.

Oder es wird eine Information enthüllt, die den Leser die Handlung mit neuen Augen sehen lässt.

  1. Höhepunkt
    (Klimax; im Drehbuch auch »obligatorische Szene«, nahe am Ende des dritten Aktes.

Hier findet die alles entscheidende Auseinandersetzung zwischen Protagonisten und Gegenspieler statt.

Es werden keine Stellvertreterkriege mehr ausgefochten. Held und Oberschurke treffen direkt aufeinander.

Häufig kracht es in dieser Szene am lautesten. Alle Fäden laufen zusammen, von beiden Seiten wird das letzte an Reserven mobilisiert.

Alle noch nicht aufgelösten Subplots haben an dieser Stelle / in dieser Szene ebenfalls ihren Höhepunkt.

Der Protagonist kann diesen Kampf nur deshalb gewinnen, weil er sich verändert hat - er ist nicht mehr dieselbe Person wie die, die im Katalysator der Krise verloren hat.

Während der Held den Schurken bekämpft, kämpft ein Verbündeter des Helden gegen den Adjutanten des Oberschurken, mit dem er noch ein Hühnchen zu rupfen hat.

Das direkte aufeinander wird im Film häufig dadurch gezeigt, dass alle Waffen Leergeschossen sind, die Schwerter in den Abgrund gefallen - jetzt bleibt nur noch die nackten Fäuste.

Direkter geht es nicht. Gut darüber nachdenken, wie ein unmittelbares Aufeinanderprallen der Gegner noch aussehen könnte.

  1. Emotionaler Höhepunkt
    (Während des Höhepunktes oder direkt danach)

Neben dem zentralen Plot (sagen wir einer Geiselbefreiung) findet in Höhepunkt des Romans auch die Emotion ihren intensivsten Moment. Das kann einen Liebessubplot abschließen (Einer der Geiseln ist der Geliebte des Helden) Eine Liebes oder Kussszene. Oder was anderes.

  1. Dénouement

(Nach dem Höhepunkt, ganz am Ende des Romans)

Hier fällt die Spannung ab. Insofern ein wichtiger Punkt, als dass dort die Stimmung gelegt wird, mit der der Leser den Roman am Ende zuklappt.

Die Stimmung hier melancholisch, aber hoffnungsvoll.

Beispiel: Es wird gezeigt, wie der Held trotz ihren im Höhepunkt erlittenen Verletzung im Alltag zurechtkommt, und er seinen neuen Hund erzieht, nachdem der alte im Höhepunkt des Romans sein Leben für ihn ließ.

Zu tief sitzen die Wunden - um einfach so wie immer weiter zu machen.

In vielen Fällen ist das Dénouement jedoch überflüssig, ja, es schadet sogar, weil es den Leser noch im Roman hält, obwohl die Geschichte zu Ende erzählt ist.

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Gehört jedoch zur klassischen Typologie des Dramas. Das nur in Ergänzung zu deinen detaillierten Ausführungen. Danke!

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Genau. Anderseits, muss man nicht alle Punkte beachten, es kommt auf die Geschichte an, die man erzählen möchte. Sich aber grundsätzlich über die Stationen meines Romans auseinanderzusetzte macht Sinn… Aber sehr gerne…

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Ohne Struktur wäre ich echt aufgeschmissen, leider neige ich dazu mich zu verzetteln.

Es ist ja nicht so, dass ich keinerlei Struktur hätte. Es ist eben nur nicht hundertprozentig durchgeplant. Das lässt einem gewisse Freiheiten. Ich plane auch immer entsprechend nach und kontrolliere die Handlung auf Plausibilität, nicht erst am Ende, sondern immer mal wieder.

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@Miki Danke für deine ausführliche Liste zur Struktur!

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Aber sehr gerne… @_Corinna Meine ersten drei Romane schrieb ich in einem Zug ohne diese Struktur. Bei dem Wiener Krimi und dem Historischen ging es nicht ohne Struktur. Da die Gefahr groß war, einiges, was Spannung erzeugte oder den Faden der Geschichte förderte, auszulassen. Es ist nur ein Werkzeug und auch am Anfang des Schreibens wichtig. Irgendwann hat man diese Stationen so verinnerlicht, dass man vieles noch im Kopf hat und frei schreiben kann. Aber jedem so wie er es am besten findet und letztendlich geht es auch um die Freude des Schreibens - und die ist immer - wenn man drauflosschreibt…

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Also es gibt ja diese Schneeflocken-Methode. Wenn ich das vergleichen sollte, so hab ich wohl den nächtlichen Schneesturm entwickelt.
Ich habe eine Grundidee - auf der baue ich auf, schreibe was - dann kommen Gedanken dazu, die ich ebenfalls notiere - und dann kommen die Ideen, wie ich diese Teile zusammenbastele oder auch nicht.
Zum Glück muss ich keinem erklären, wie er ein Buch zu schreiben hat.

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