Wie deine Geschichte im Kopf entsteht

Am Sonntag beim Aufräumen im Keller gefunden:

Christine und Heinrich, beide 21 Jahre alt. Das war 1925, kurz bevor sie heirateten.
Christine ist die Tochter steirischer Landarbeiter, Heinrich der Sohn böhmischer Weber. Ihre beiden Familien kommen 1904 in eine kleine Arbeitersiedlung im westlichen Niederösterreich, um dort in einer Hanfspinnerei Arbeit zu finden. Zehn Jahre später bricht „Der große Krieg“ aus. Die Väter der beiden Kinder fallen früh und 1916 sehen sich ihre Mütter gezwungen, die Kinder zu den Bauern zu geben, sie also quasi als billige Arbeitskräfte zu verleihen. Um ein halbes Schwein pro Jahr. Und damit ein paar unnütze Esser weniger sind.
Christine wird Magd und schon früh eine wunderschöne junge Frau, hinter der die Knechte her sind, wie der Teufel hinter der armen Seel’. Auch der Bauer. Die Bäuerin schickt Christine auf die Alm im Hochkargebiet, an der Grenze zwischen Steiermark und Niederösterreich. Zu Christines Schutz und zum Schutz ihrer Ehe.
Heinrich wird Hüterjunge. Aber er liest lieber Bücher, als auf die Kühe aufzupassen, die ständig ausbüchsen. Der Bauer kann ihn am Hof nicht brauchen und gibt ihn in den Holzschlag zu den Forstarbeitern im Mendlingtal, am Fuße der Ostalpen. Dort bleibt er sechs Jahre, genauso lange wie Christine auf der Alm. Irgendwann begegnen sie sich dort, verlieben sich und Christine wird schwanger.
Heinrich geht zurück in die Arbeitersiedlung, aus der sie herkommen, um seiner Mutter die Nachricht zu bringen, dass er Christine heiraten wird. Doch in der Arbeitersiedlung herrschen bürgerkriegsähnliche Zustände, sozialdemokratische und christdemokratische Milizen schießen aufeinander. Heinrichs jüngerer Bruder Karl wird erhängt im Wald aufgefunden. Eine unglückliche Liebe, heißt es. Aber wie kann man sich selbst erhängen, fragt sich Heinrich, wenn man beide Hände auf den Rücken gebunden hat?

100 Jahre später. Ich habe mit dem dritten Teil meines Romans „Hurenkinder“ begonnen. Und der nächste kündigt sich schon an. Die Geschichte meiner Großeltern will erzählt werden.

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Wow, der Klappentext liest sich spannend.
Gefällt mir jetzt schon.
Nach dem Tod meiner Oma haben wir auch so etwas wie ein Stammbuch, Familienbibel, Briefe, Urkunden und jede Menge Fotos gefunden.
Leider sind alle tot, die etwas darüber wussten.
Schön, dass du einen Bezug dazu hast.

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:sob: Christian, ich habe Gänsehaut. Mach das unbedingt. Fünftausend Ausrufezeichen.

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Mein Roman begann damit, dass ich schon immer Mystery in jeder Form mochte und dann mir das Videospiel ‚Deadly Premonition‘ über den Weg gelaufen ist. Zur gleichen Zeit lief auch ‚Haven‘ (die Serie, nicht der Schnulzenfilm) im TV (beste Serie aller Zeiten für mich). Spiel und Serie bestechen vor allem durch ihre Charaktere und dadurch, dass die Stadt, in der alles passiert, jeweils ein elementarer Teil der Geschichte ist. Neben dem Mystery-Zeugs wird bei beiden auch ein großer Fokus auf das Zwischenmenschliche gelegt.
Und da hab ich mich gefragt, warum es sowas nicht als Buch gibt. Irgendjemand meinte daraufhin mal, dann soll ich es doch schreiben. Hab ich dann auch gemacht :+1:
Die Hauptfigur (Una) ist an eine Gastdozentin aus meiner Studentenzeit angelehnt. Die Frau hat mich wirklich beeindruckt. Una war mir sofort als Hauptfigur ‚erschienen‘, da hab ich gar nicht drübernachgedacht. Sie war einfach da :smile: .
Die Stadt erinnert in meinem Kopf an Lunenburg (Kanada) oder Bergen (Norwegen). Die ist auch sofort in meinem Kopf entstanden. Ich kann die gesamte Stadt ohne Probleme in meinem Kopf begehen :slightly_smiling_face:

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