Wie bringt man als personaler Erzähler inkonsequentes Verhalten rüber?

Ich erzähle als personaler Erzähler eine Liebesgeschichte abwechselnd aus Sicht des Mannes und aus Sicht der Frau.
Der Mann ist ein sehr kopfbetonter und konsequenter Typ, die Frau soll eher gefühlsbetont und weniger konsequent sein.

Ich hatte (mit voller Absicht) einige Stellen verfasst, an denen die Frau ein bisschen inkonsequent wirken soll, auf sympathische Art. Sie sagt sich, dass sie auf Zucker verzichtet, und streicht sich dann dick Marmelade aufs Brot; sie stellt fest, dass sie über die Trennung von ihrem Exfreund hinweg ist, zwei Tage später kommt die Trennung in ihren Gedanken doch noch mal hoch und sie weint sich deswegen aus, solche Sachen.

Meine Testleser melden sich so nach und nach mit ihrem Feedback, und sie haben mir diese Stellen als Logikfehler angestrichen, die ich noch korrigieren muss. :rofl:

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Vielleicht in dem du es deutlicher machst: Sie wusste es war inkonsequent das und das zu tun…oder sich selbst zu belügen…

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Wenn diese Stellen als Logikfehler angemerkt werden, hast du sie möglicherweise zu unpersönlich gestaltet.
Ich würde z.B. nicht einfach sagen, dass Angelika grundsätzlich keinen Zucker in den Kaffee nimmt. Stattdessen eine Szene mit Dialog, wo ihr Tischnachbar ihr den Zucker hinüberreicht, sie empört ablehnt („Nein, vielen Dank, dieses Zeug ist das reinste Gift!“) - und sie sich dann eine zentimeterdicke Marmeladenschicht aufs Brötchen schmiert. Dann könnte er sich so seine Gedanken machen, dass sie manchmal eine etwas eigenartige Auffassung von Logik hat …

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Ja, du hast recht. Nur habe ich diese selbstreflektierte Art, ständig das eigene Verhalten zu hinterfragen, speziell dem Mann zugewiesen. Die Frau würde ich gerne so rüberbringen, dass sie eher spontan nach Gefühl handelt und - als Gegensatz zum Mann - nicht darüber nachgrübelt, ob sie gerade inkonsequent ist.

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Also zuerst aus Sicht der Frau einfach machen, und später aus Sicht des Mannes quasi dem Leser erklären, dass mir als Autorin bewusst ist, dass das inkonsequent war?

So in etwa. Aber versuche nicht, es zu erklären, zeige, dass deine Figur eben auch ihre inkonsequenten Macken hat, die halt einer anderen Figur auffallen.

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Ich sehe das wie @Yoro. Wenn du eine Figur und ihre Eigenarten an deine Leser bringen willst, ist das Spiegeln in einer anderen Figur ein sehr gutes Mittel. So vermeidest du Beschreibungen und lässt deine Protagonistin vielschichtiger werden. Ihr selbst muss nicht bewusst werden, wie inkonsequent sie ist - es sollte einer anderen Person auffallen.

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Das ist meiner Meinung nach in einer echt personalen Erzählweise überhaupt kein Problem. Handlungen, Gedanken und Gesagtes sind eben die Wahrnehmung des Protas und die kann beliebig erratisch sein. Dem Prota muss das Inkonsequente dabei auch keineswegs bewusst sein.

„Ich esse seit zwei Monaten konsequent keinen Zucker mehr“, führte Anni stolz aus und strich sich gedankenverloren noch eine Lage Nutella aufs Brot.

Das ist völlig ok.

Nicht ok wäre es nur, wenn du aus auktorialer Sicht schildern würdest, denn dann und nur dann ist der Erzähler im Besitz der absoluten Wahrheit und kann den Leser höchstens absichtlich täuschen.

Anni verzichtete seit zwei Monaten konsequent auf Zucker. Sie strich sich trotzdem noch eine Lage Nutella aufs Brot.

Ist NICHT ok, denn das ist ein Widerspruch in sich.

Wohingegen Folgendes auch in der auktorialen Perspektive wieder völlig ok wäre:

Anni war der Überzeugung, seit zwei Monaten konsequent auf Zucker zu verzichten. Dabei reflektierte sie allerdings ihre Essgewohnheiten nicht besonders und wenn sie sich selbst gegenüber ehrlich wäre, hätte sie zugegeben, dass das Verdrängen dieser Überlegungen Absicht war. Entsprechend strich sie sich noch eine Lage Nutella aufs Brot, während sie gegenüber Tom ausführte „Ich esse übrigens keinen Zucker mehr!“

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Ich finde es beim Lesen schade, wenn Dinge, Eigenheiten oder Offensichtliches zu sehr erklärt werden. So als gehe der Schreiber davon aus, dass der Leser es ansonsten nicht versteht.
Meine Einstellung zu deiner Frage ist folgende:
Schreibe es genau so, wie du es vorgesehen hast. Überlass es der Geschichte, das zu erklären. Wenn das inkonsequente Verhalten immer wieder auftritt, versteht man es mit der Zeit. Ich mag es, wenn mir solche Feinheiten während dem Lesen klar werden. Diese Aha-Momente.
Ich habe mal in einem historischen Roman eine Stelle gelesen, wo der Schreiber dem Leser erklärt, warum frische Binsen auf dem Boden verteilt werden. Wenn alte durch frische Binsen ersetzt werden, ist mir als Leser doch klar, dass sie wie ein Teppich den Schmutz auffangen und irgendwann erneuert werden sollten. Das muss mir keiner erklären.
Wenn die Story am Ende auf Fehler überprüft wird, kann man die eine oder andere Stelle noch nachbessern, so das deine Ideen Sinn ergeben.

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Wie soll der Leser das erkennen?

Manche verstehen es tatsächlich nicht, was mir bei einem Roman zum Teil herbe Kritik eingebracht hat. Nicht jeder Leser ist ‚doof‘, aber auch nicht jeder ist intelligent oder auch nur willens sich darsuf einzulassen.

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Beziehst du dich auf das hier?

Ich schildere die ganze Zeit die Gedanken der Personen. Und diese Gedanken sollen sich möglichst so unterscheiden, dass der Leser nie überlegen muss, in wessen Kopf er sich gerade befindet. Gegrübel ist halt im Kopf des Mannes. :wink:

Ich beziehe mich darauf, dass der Leser die Intention deiner weiblichen Figur in der gewünschten Form nicht erkennt oder nicht erkennen kann ohne weitere Erklärung. Das ist schwierig zu beurteilen, wenn man den Gesanttext nicht kennt.

Entweder ist das nicht gelungen oder deinen Testlesern fehlt die entsprechende Affinität dazu.

Ein Beispiel: Die Frau war nach einem Erlebnis in ihren Gedanken zu der Schlussfolgerung gekommen, dass sie über ihren Exfreund hinweggekommen war. Ein paar Tage später, in einer anderen Situation, kommt in ihren Gedanken noch mal Trennungsschmerz hoch.

Mein Ziel war, die Frau dadurch als jemanden zu charakterisieren, der unmittelbar auf seine Gefühle hört. Die Testleser haben das aber als Logikfehler der Autorin angesehen.

Ein Rückbezug könnte trotzdem sinnvoll sein, selbst, wenn sie nicht aktiv irgendetwas reflektiert.
„Sie aß ja eigentlich zuckerfrei, aber gerade hatte sie wirklich Lust auf Marmelade. Das Glas mit dem verführerisch roten Aufstrich winkte ihr förmlich zu. Noch einen Moment zögerte sie, dann griff sie zu. Der Rest des Tages würde dann eben wirklich zuckerfrei werden, versprach sie sich.“
„Und schon wieder drehten sich ihre Gedanken nur um ihn! Dabei war sie doch überzeugt gewesen, über ihn hinweg zu sein! So ein Mist! :sob:
So vielleicht? Es wäre zwar nicht zwangsläufig ein „unmittelbar auf ihre Gefühle hören“, aber vielleicht ist sie da ja auch nicht ganz konsequent und der Leser merkt nimmt die Inkonsequenzen bewusst als solche wahr

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Sag ich ja: Dein Ziel wurde nicht erkannt.
Möglicher Grund A: Der Autor, also du, konnte es nicht rüberbringen.
Möglicher Grund B: Der Leser ist aufgrund seiner Persönlichkeit überfordert.

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Ja, ich werde mal schauen, dass ich es deutlicher rüberbringe.
Wenn sie allein ist, in ihren Gedanken, wie von Bommel und CO2 vorgeschlagen, und ansonsten durch die Sichtweise des Mannes.
Danke für eure guten Tipps!

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Eventuell den Logikfehler konsequenter durchziehen und die Leser die Inkonsequenz als Charakterschwäche selbst entschlüsseln lassen.

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Vermutlich hast Du mit Deinen Testlesern besprochen, dass sie Dich auf jegliche „Logikfehler“ hinweisen. Testleser haben eine andere „Brille“ auf, als normale Leser. Besprich Dich doch erstmal mit ihnen - womöglich haben sie ja wahrgenommen, dass die Inkonsequenz Deiner Protagonistin Teil ihrer Persönlichkeit ist, sind sich aber bloß unsicher, ob das von Dir beabsichtigt war?

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