Ich stelle mit Erstaunen fest, das es nicht nur mein Bewußtsein ist welches auf die Tasten drückt. Mit meinem Unterbebußtsein habe ich stark gerechnet, sogar darauf gehofft. Das aber auch Charaktere anfangen ihr Eigenleben zu entwickeln und ganz andere Wege einschlagen wollen macht mich baff. Das war gestern schlimmer als in meiner alten Rollenspielgruppe.
Das ist wohl ein bekanntes Phänomen. Schlimm wird’s, wenn Deine Figuren ein so starkes Eigenleben entwickeln, dass sie Dir die Geschichte in eine völlig andere Bahn lenken, als es geplant war, und man dadurch nicht weiterkommt und hängen bleibt.
Genau an den Stellen muss man aufpassen, dass man den Figuren nicht für sie völlig unsinnige Verhaltensweisen “vorschreibt” und sie Dinge tun lässt, die der Leser dann - zu Recht - als völlig unrealistisch empfindet und das Buch nicht mehr mag.
Solche “schwierigen” Handlungen müssen dann zur Not durch Umschreiben vorheriger Kapitel sehr gut vorbereitet werden, damit realistisch wird, dass der Held weinend zusammenbricht, dass der Feigling entschlossen mit grimmem Blick zur Kalashnikov greift etc.
Gelingt das, sind solche Wendungen natürlich genau die “besonderen” Szenen, wo der Leser “cool” denkt und das Buch toll findet.
Eigentlich alles ganz einfach X-)
Charaktere treffen ihre Entscheidungen immer aus persönlichen Gesichtspunkten. Da sie zumeist doch in irgendeiner Form menschlich sind, entscheiden sie manchmal (oder oft) auch nicht logisch und manchmal (oder oft) treffen sie sogar dumme Entscheidungen. Trotzdem gibt es immer einen Grund für ihre Entscheidungen. Wir treffen unsere Charaktere auch erst während der Geschichte und lernen damit auch erst dann ihre Persönlichkeit kennen. Dass die nicht immer zu den von uns vorgesehenem Verhalten für unseren übergeordneten Plot passt, ist damit schon wieder logisch
Wobei ich es nicht ganz so schlimm finde, wie bei meinen Rollespielgruppen, da hat man dann doch noch die Eigenarten der jeweiligen Spieler, die das Verhalten der Charaktere uU sogar umgehen.
Ja, das kann ich unterschreiben. Und das ist ja auch das Tolle, wenn man Autor ist.
Ich schreibe ja schon seit 20 Jahren hobbymäßig (vieles für die Schublade und einiges auch, damit es irgendwann mal veröffentlicht wird). Und ich habe schon oft festgestellt, dass die Geschichten sehr viel lebendiger werden, als sie im Vorfeld geplant wurden, weil gerade die auf dem Reißbrett noch unbestimmten Charaktere beim Schreiben plötzlich materialisieren und ein größeres Wörtchen mitreden wollen, als man das gedacht hat.
In meinem Epos (High Fantasy), dessen Plot ich schon vor 11 Jahren festgezurrt habe, ist vor einem Jahr endlich eine damals schon beschriebene Figur ins Spiel gekommen, die so bunt und schillernd ist, dass ich ganz von den Socken bin. Das hätte ich gar nicht gedacht, dass der beste Freund meines Protagonisten so ein netter, aber auch frecher Kerl ist. Er ist mit Leib und Seele Schmied und genießt sein Leben, auch wenn es ihm Zitronen schenkt. Dieses Postive färbt sehr auf mein Buch ab und macht es lebendiger und schöner, als ich es mir jemals vorgestellt habe.
Ist aber noch viel zu schreiben, bis der Wälzer im Kasten ist…
Wenn die Figuren alle brav täten, was ich mir für sie ausgedacht habe, würde ich mich so langweilen, dass ich wahrscheinlich gar nicht weiterschreiben würde.
Es ist das Vernünftigste, das Schreiben als eine Art Magie zu betrachten …
Das kann ich alles genau so unterschreiben… auch wenn es mich manchmal in den Wahnsinn getrieben hat, weil sich einer nicht an die (geplotteten) Regeln gehalten hat. Genau das macht das Scheiben für mich aus. Rückblickend waren dies die Momente, wo das Buch an Tiefe gewonnen hat und daduch weniger konstruiert wirkte. Mittlerweile lasse ich den internen Charakter"krisen" als Mittel gegen Schreibblockaden ihren Lauf (heißt ja, dass etwas nicht stimmig ist).
Ja, so geht es mir auch. Das ist aber auch wirklich das Spannende am Schreiben, und man sollte nie gegen den Charakter einer Figur anschreiben - das geht immer schief. Andererseits habe ich jetzt das Problem, dass zum Beispiel gerade in meinem jetztigen Buch der vorgesehene Mörder nicht der Mörder ist. Im Moment bin ich da ein wenig frustriert.
Da bin ich ja beruhigt, bei mir bricht gerade die Anarchie aus, dadurch das sich die Geschichte immer mehr von der angedachten Geschichte entfernt und weiterentwickelt, ploppen überall neue Möglichkeiten und Hindernisse auf, dadurch ist aber einer meiner 3 Hauptprotagonisten eigentlich überflüssig geworden, vielleicht haben deswegen einige Autoren einen so hohen Bodycount? Macht keinen Sinn mehr? Tot! Hält sich nicht an meine Vorgaben, Autounfall. Entwickelt ein Eigenleben? Kopf ab! Etwas frustrierend, weil man ja dann wieder hier umstricken muss und da umdenken muss und hier nicht weiterschreiben kann. Aber ein sehr spannender Prozess.
Das würde man daran merken, dass keiner der Tode nachvollziehbar ist und es dem Tod an Sinnhaftigkeit mangelt. Ich lese gerade zwei Buchserien mit einem sehr hohen Bodycount - Spiel der Götter von Steven Erikson und Lied von Eis und Feuer von G. R. R. Martin - und in beiden finde ich jeden (beinahe - bei einem von GRRMs Toten habe ich das Gefühl er hätte ein Buch zu spät bemerkt, dass ihn der zusätzliche Plotstrang behindert) Charaktertod konsequent und logisch erarbeitet.
Um eines meiner Lieblingslieder zu zitieren: “It’s burning down, it’s burning high / When ashes fall the legends rise”. Legenden mögen nie sterben, aber der Körper eben doch.
Tribute von Panem fällt mir noch ein, aber da finde ich auch jeden Tod nachvollziehbar und konsequent.
Du liest das Spiel der Götter??? Einfach großartig diese Serie, ich wollte nur nicht die Hälfte der Bücher nochmal auf Englisch lesen um fertig zuwerden. Diese Verlagsentscheidung war ja noch be… als bei dem Lied von Eis und Feuer.
Wie schon oben beschrieben, habe, oder denke jetzt hatte ich ein ähnliches Problem. Lass ihn einfach mal machen oder einfach in der Ecke stehen und beschäftige Dich mit etwas anderem. Oder lies ein wenig oder schau Dir was an. Ich stellte vorhin gerade fest das schreiben sehr viel mit dem Bau von Lego gemeinsam hat. Wenn Du einen roten Vierer suchst findest Du keinen, schwenkst Du um auf gelbe Sechser, findest Du den roten Vierer. So zumindest ging es mir gerade. Bei mir war es eine Folge von Agents of Shield, welche meine “Blockade” lichtete.
Das ist meine absolute Lieblings-Buchserie
Die Bücher kommen gerade alle nacheinander auf Deutsch raus, ich hatte tatsächlich vor 5(?) Jahren - nachdem die Übersetzung wegen Lied von Eis und Feuer erst einmal auf Eis (ha ha) gelegt wurde - auf englisch weitergelesen, aber nachdem jetzt einschließlich Band 16 rausgekommen sind und die restlichen drei feste Veröffentlichungsdaten haben, habe ich sie mir von Band 1 an nochmal vorgenommen. Die Kette der Hunde empfand ich beim nochmaligen Lesen - obwohl ich noch sehr genau wusste, was passieren wird - sogar noch erschütternder als beim ersten Mal, schon allein das empfinde ich als sehr große Kunst.
Eine sehr tolle Serie
Ja, auch mein absoluter Favorit. Ich bin damals durch den Buchhändler meines Vertrauens, drauf gestoßen worden, weil von R.R. Martin nichts mehr kam und das wann in den Sternen stand. Ich hatte noch die alte Erstauflage, lass das 8-9 Jahre hersein? Bevor sie Dann bei Band 13 oder so den Cut machten und das ganze neu aufgerollt haben. Aber die Kette der Hunde, sowas habe ich noch nicht gelesen. Ich habe echt fast geweint und ich kann mich nicht erinnern, wann diese Emotion mal bei einem Buch so stark war.
Neu aufgerollt haben sie es eigentlich nicht, sie haben nach Band 13 mit der Übersetzung einfach angehalten und haben vor etwa 2 Jahren wieder damit angefangen. Da spielten ein paar persönliche Umstände des Übersetzers mit rein, dann bekam Lied von Eis und Feuer so viel Publikum, dass sich das mehr lohnte und leider gibt es sehr wenige Fans der “Spiel der Götter”-Serie. Es ist ein - ich nenn das jetzt der einfachheitshalber so - Liebhaberprojekt des Übersetzers und seines Chefs, dass sie die Serie überhaupt übersetzen, finanziell lohnt es sich nicht. Allerdings ist es schon schwierig genug bei den epischen Maßstäben auf deutsch alles in den Kopf zu bekommen, mit Ericsons, nicht so ganz einfachem Englisch, ist das noch eine Schippe schwerer.
Ich hatte ebenfalls mit diesen ganz alten Taschenbüchern angefangen, aber habe mich für den erneuten Start für eBook entschieden. Nachdem ich die Serie jahrelang nicht gelesen hatte, lohnte es sich einfach inhaltlich am Anfang zu beginnen. Schon die ersten Einleitungs-Gedichte sind plötzlich eine ganz andere Form von Offenbarung
Ich bin sehr enthusiastisch mit der Empfehlung dieser Buchserie, aber leider scheint es die meisten abzuschrecken, dass es 19 Bände á ~800 Seiten sind. Aber es lohnt sich wirklich. Jeder Fantasy-Leser in diesem Forum sollte Spiel der Götter kennenlernen
Epos, eine Welt im Wandel und unvergessliche Charaktere. Wie könnte man dazu Nein sagen?
Hallo Nina, ich glaube dir das sofort.
Und vor 25 Jahre hätte ich mich drauf gestürzt. Aber im Moment kann ich leider kaum was lesen, weil ich jede Minute zum Schreiben nutze. Selbst der Fernseher und der DVD-Player brauchen wegen mir zur Zeit keinen Strom. Ich will einfach endlich ein ENDE unter meinen Roman schreiben können.
Aber wenn ich euch so lese, dann wird es mir schon ein bisschen schwer ums Herz
Liebe Grüße,
Vroni
Ich zitiere hier nur zu gerne Stephen King
„Wer keine Zeit zum Lesen hat, der hat auch keine Zeit zum Schreiben.“
Wohl wahr, aber leider bin ich nicht Stephen King und muss meine Zeit auch noch für andere Dinge - zum Beispiel Geld-Verdienen - verwenden.
Ja, das ist teilweise schon krass, vor allem wenn man nebenbei, bzw. Hauptberuflich ja Geld verdienen will/muss. Und dann vielleicht noch einen Partner und maybe ein Kind. Lesen tue ich nebenbei immer ein bißchen, einfach weil ich es will. Filme und Serien treten aber definitiv kürzer. Klar will ich auch irgendwann mal Ende schreiben können, aber das scheint noch in weiter ferne. Aber vielleicht steigert sich der Output ja je weiter die Geschichte voranschreitet!?
Ich habe ja eigentlich einen Thread zu einer anderen Frage von mir gesucht, aber dabei hier drüber gestolpert bin. Und dein Thread @Lusmore hilft auch gerade.
Ich habe früher meine Geschichten immer von der Geschichte aus gedacht. Figuren waren Nebensache und mussten sich der Geschichte unterordnen. Ich weiß, dass andere das anders machen. Aber für mich ging das nicht. Die Geschichte war immer zuerst da und sie wollte raus.
Jetzt beim Neustart hatte ich ja beschlossen, dass mal anders zu probieren. Also mal Figuren auszuarbeiten. Ich habe ja, dass eine oder andere Fachbuch, wo auch drin steht, wie man das macht. Name, Aussehen … was echt eine zähe und uninspierierende Angelegenheit ist.
Und als ich hier in deinem Thread schmökerte, fiel mir auf, dass ich es doch wieder nicht so gemacht habe. Die Figuren sind nicht im Mittelpunkt meines Interesses. Ich habe sie zwar ausgearbeitet, aber doch irgendwie nur halbherzig. Und Spaß hat mir das auch nicht gemacht.
Aber hey, in den letzten Tagen habe ich gemerkt, dass macht ja doch richtig Spaß. Z.B wenn man mit seinen Figuren über die Geschichte diskutiert, die man schreiben will. Wollte ich nur mal erwähnen, denn ohne Lusmores Thread hätte ich das vielleicht nie so gemerkt.
@Friese Vielen Dank.
Protagonisten sind auch nicht immer leicht zu erschaffen und NSC´s erst recht nicht. Ich hatte eine mit der wurde ich gar nicht warm.
Musste aber sein. Als ich dann ihren Tod schrieb, dann kam hier noch was und da noch und ich könnte doch vorher noch das getan haben und dieses und vielleicbht muss ich ja gar nicht sterben. Toll jetzt ist sie coloriert und dreidimensional und liegt da röchelnd am Boden. Aber da sie nie mein Darling war, sollte ich sie vielleicht doch verschonen?