Wechsel der Erzählstils

Servus zamm!

Kann man innerhalb einer Geschichte/eines Buches den Erzählstil wechseln oder ist das ein big no-no? Gemeint ist nicht die Erzählperspektive (dazu habe ich im Forum bereits einen Thread von Suse gefunden), sondern vom persönlichen Erzählstil zum auktorialen Erzählstil. Zum Beispiel wenn eine öffentliche Hinrichtung stattfindet und man wechselt vom Henker zu den Zuschauern und beschreibt in einer Szene die allgemeine Stimmung und die Auswirkungen.

Ich persönlich bin eigentlich strikt gegen den Wechsel der Erzählstils, aber an manchen bestimmten Stellen, wenn etwa ein Ereignis Auswirkungen auf das Volk oder eine Masse von Menschen hat, bekommt man das durch die Augen einer einzelnen Figur nicht unter einen Hut, wenn die nicht eine ausufernde Studie betreibt. Dass man den Stil nicht willenlos wechseln soll, ist mir klar, aber geht es als Stilmittel durch, wenn man das für ein, zwei Szenen macht, wenns der Geschichte dient?

Danke schon mal für die Antworten! :slight_smile:

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Hi,
ich verstehe nicht, wie du Erzählstil und Erzählperspektive voneinander abgrenzt.

Das genau ist doch die Erzählperspektive.
Der Erzählstil ist für mich, ob man lange, kurze, verschachtelte Sätze baut, viele Fremdwörter oder eine einfache Sprache, Amtsdeutsch, etc. verwendet.
Wenn du das meinst, dann würde ich sagen, der Stil dürfte nur in wörtlicher Rede wechseln. Er muss es mglw. sogar, um die Charaktere voneinander abzugrenzen.

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Mit *Erzählperspektive *meine ich die Perspektive, durch welche Augen (also Charaktere) die Geschichte erzählt wird. Die wechselt beim personalen Erzähler immer wieder.

Mit *Erzählstil *meine ich die drei gängigsten Erzählweisen: Ich-Erzähler, personaler Erzähler und auktorialer Erzähler.

Ich möchte wissen, ob das Wechseln von Erzählweisen/Erzählstilen erlaubt ist oder ob man dafür aus dem Dorf gejagt wird. :wink:

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Gut. Dann ist das geklärt. Ich finde, ein Wechsel ist durchaus legitim, wenn es zur Szene passt. Das scheint bei deinem Beispiel der Fall zu sein.

Man muss es eben genau abgrenzen und sinnvoll einsetzen. Das ist meine persönliche Meinung. Ich bin gespannt, wie die anderen Forianer das sehen.

Moin,

ich würde es noch ein bisschen eingrenzen. Ist aber nur mein persönliches Empfinden. Ich glaube, wenn eine Geschichte von einem Ich-Erzähler erzählt wird, fände ich das merkwürdig, wenn man plötzlich in eine andere Erzählweise schlüpft. Das ist ja schon ein relativ großer Bruch. Geht natürlich, aber erscheint mir erst einmal nicht so elegant. :wink: Personaler und auktorialer Erzähler, da fände ich das völlig okay, wenn es einen guten Grund gibt. Wie Suse schon sagt, sinnvoll eingesetzt mag es passen.

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Kommt mir mal gerade so spontan in den Kopf. Vielleicht würde sich ein solcher Wechsel bei einem Rückblick anbieten. Nur, wer blickt dann da genau zurück? Das müsste sehr fein justiert werden. Ist nur eine Idee.

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Das ist m.A.n. gar nicht geklärt.

Das, was du anführst, Maxe, nennt man Erzählerperspektive. Aus welcher Perspektive sollte denn ein Ich-Erzähler erzählen, wenn nicht aus der 1. Person. Und ein personaler aus der 3. Person, aus er, sie, es? Und ein auktorialer aus der* allwissenden*?
Mit Stil hat das nix zu tun.

Es gibt hier im Forum eine kurze Geschichte von mir, die auktorial beginnt, ich aber immer wieder in die Ich-Perspektive des Kindes wechsle. Bewusst die Perspektive breche, als Stilmittel. Natürlich kann man das machen. Nur zu. Bisher wurde ich noch nicht aus dem Dorf gejagt. :wink:

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Perspektivwechsel mache ich. Aber sehr sparsam.
Ich nutze einen auktorialen Erzähler, der Szenen ab und an (natürlich nicht immer) einleitet. Meist geht es dabei um den Schauplatz. Eine Leerzeile trennt spürbar genug ab, dass der Erzähler die Bühne wieder verlässt. In der Szene ist es dann die personelle Perspektive - wobei jede wirkliche Szene nur aus einem einzigen POV besteht.

Beispiel auf die Schnelle:
Szene 1:
Das „Es war einmal ….- BlaBla“ und Ähnliches würde mein Erzähler übernehmen, den ich liebevoll Kamermann nenne. Denn er ist quasi die Kamerafahrt, die sich dem Hexenhaus im Märchen nähert. Er weiß, dass dort eine Hexe wohnt und teilt dieses Wissen (auch schon mal unzuverlässig).
Jetzt, wo die Bühne flüchtig bereitet ist, zieht sich der Kamermann zurück und überlässt den FIguren seinen Platz, daher:
→ LEERZEILE/SZENENTRENNER <-Die wirkliche Szene beginnt danach:
Nun kommt Protagonist Eins und sucht im Wald Pilze … bla bla blubb - und siehe da, er/sie stößt auf ein Haus und denkt noch so bei sich XYZ….

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Deswegen hab ichs im Eingangspost erklärt mit einem Beispiel und dann nochmal, als Suse fragte, weil es vermutlich so oder so für Verwirrung gesorgt hätte, aber danke fürs Aufklären, auch wenn ich mich sehr getadelt fühle. :wink:

Das zusammen mit @Stolpervogels Post gibt mir Sicherheit, dass ich da eine Szene auch mal zweckentfremden darf, danke sehr!

Wieso das denn? Du hast mich ja auch damit verwirrt. Hast ja keinen Eintrag ins Klassenbuch bekommen.

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Das habe ich in einem Buch genau so erlebt. Da wechselte die Perspektive von der Ich-Erzählerin einmal zur Mutter, und einmal zum Pfleger des Protagonisten. Erst dachte ich, och nöö, aber es war dann okay, und ging irgendwie nicht anders.

Die Kunst ist wahrscheinlich, es so gut zu machen, dass die Leute es nicht merken, weils grad eh so spannend ist, oder zwar merken, aber gar keine Zeit haben, sich drüber aufzuregen, weils grad eh so spannend ist. :smiley:

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Also ich denke auch, dass du durchaus die Erzählperspektive meinst. Erzählstil ist was anderes.

Wenn ich dich richtig verstehe, möchtest du von dem personalen Erzähler in den auktorialen Erzähler wechseln, d.h. aus der der sog. “Third Person Limited”-Perspektive in die allwissende Perspektive übergehen, um Dinge und Gefühle zu beschreiben, die der POV-Charakter nicht wissen kann.

Also es kommt vermutlich ein bisschen darauf an, wie stark die Geschichte bis dahin in der personalen Perspektive geschrieben wurde. Mich persönlich würde es aber vermutlich schon ziemlich “rausbringen”, wenn plötzlich Dinge beschrieben werden, die der Erzähler, den man zuvor stets aus der “Third person limited”-Perspektive begleitet hat, nicht wissen kann.

Vielleicht lese ich da auch nur mit den Augen eines Autoren, möglicherweise fällt einem weniger “vorbelasteten” Leser ein solcher Sprung nicht so stark auf… aber ich stelle mir gerade vor, bei George R. R. Martin - sicher ein Meister der “Third person limited”-Perspektive - wechselt die Perspektive plötzlich in die Allwissenheit. Das würde für mich die Immersion einfach stören.

Erschwerend kommt sicher hinzu, dass der allwissende Erzähler heutzutage nicht mehr sonderlich “en vogue” ist, zumindest in der Unterhaltungsliteratur für die breitere Masse. Während der auktoriale Erzähler vor einigen Jahrzehnten noch üblich war, ist der Leser heute nicht mehr so sehr daran gewöhnt. Wenn du dann auch noch unangekündigt von der gewohnten Perspektive in die allwissende springst, könnte das Probleme bereiten.

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Kann auch daran liegen, dass man sich am Anfang zuwenig Gedanken über die Perspektive gemacht hat.

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Sooo, jetzt habe ich noch mal in meinem Bücherregal geforstet und tatsächlich einen solchen Fall gefunden, hatte mich also richtig erinnert.
In Guy Gavriel Kays Roman “Die Löwen von Al Rassan” (vor langer Zeit mal aus der Grabbelkiste gegraben, es geht im Prinzip um das maurische Spanien) wird aus vielen unterschiedlichen Perspektiven erzählt.
In einem Kapitel geht es um eine Stadt, die nahe der Grenze liegt und mit einem Angriff rechnen muss. Zuerst erfährt man etwas zur Lage der Stadt aus den Augen des Statthalters. Und dann geht es so weiter:


“Manchmal weisen verschiedene Ereignisse an weit voneinander entfernten Orten wie mit einer Stimme darauf hin, dass die Welt sich ändert, dass sie sich dem Licht zuwendet, oder der Finsternis. Noch Jahre später sprach man davon, dass zwischen den Kindath-Progromen in Sorenica und Fenzana nicht mehr als ein halbes Jahr gelegen hatte. …]
In Fenzana begann alles mit einem fiebernden Kind, der Tochter eines Gerbers Ibn Sapur. …] Da sich die Eltern keinen Heiler leisten wollten oder konnten, griffen sie zu einem altbewährten Hausmittel und stellten das Mädchen auf einer Pritsche in die Gerberei. Die giftigen Dämpfe sollten den bösen Geist der Krankheit austreiben - eine Methode, die seit Jahrhunderten in Gebrauch war.
Nun ergab es sich, dass ein Kindath-Heiler, Ben Mores mit Namen, in der der Gerberei aufhielt. …] Während er im Hof stand und fachkundig die gebeizten Ledersorten begutachtete, hörte er das Kind…”

Jetzt nur mal aus Ausschnitt (bin zu faul, noch weiter zu tippen). In dem Abschnitt eskaliert die Situation komplett und es kommt zu einem wütenden Mob, der durch die Straßen zieht. Dann folgen wieder Szenen aus der Sicht einzelner Figuren. Ich finde, damit hat sich der Autor sehr geschickt aus der Verantwortung gezogen, sich in diese Leute, die mordend durch die Straßen ziehen, emotional hinein zu versetzen. Er wechselt in die Vogelperspektive und beschreibt “von oben”, ehe er ranzoomt und in die Figurenperspektive switcht.
An einer anderen Stelle wechselt er in einer besonderen Situation vom Präteritum ins Präsenz, nur ein einziges Mal im ganzen Buch. Auch sehr gelungen. Der Roman ist sehr “amerikanisch”, aber wie man sieht, versteht der Autor sein Handwerk. Kann man also definitiv so machen.

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Ich kenne das Buch leider nicht, und ich kann daher auch nicht einschätzen, wie sehr die Perspektive davor oder danach ändert. Allein aus deinem Zitat würde ich aber noch nicht pauschal sagen wollen, dass der Verfasser hier in den auktorialen Erzähler wechselt, auch wenn es ein wenig so erscheint. Tatsächlich zieht sich der Autor hier recht clever aus der Affäre, indem diese Erzählung mit “Noch Jahre später sprach man davon…” einleitet. So wirkt der Fortgang der Geschichte so, als würde der eigentliche personale Erzähler hier nur das wiedergeben, was er Jahre später gehört hat. D.h. es wechselt nicht zwingend von personal in auktorial, sondern der personale Erzähler erzählt selbst eine Geschichte in der Geschichte - sozusagen.

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Ja, das wäre ein wenig viel Tipperei geworden. :roll_eyes: Auf jeden Fall ist auf den nächsten Seiten nicht klar, aus wessen Perspektive hier erzählt wird. Dann kommt eine neue Szene, es geht wieder mit dem Statthalter weiter.

Das wäre dann quasi wie ein Bericht des Statthalters, wie er die Ereignisse zugetragen bekommen hat. Aber wie gesagt, von dem hört/liest man erst in der nächsten Szene wieder was. Es ist also nicht hundert Prozent eindeutig, aber es geht auf jeden Fall in die Richtung eines auktorialen Erzählers. Und die Szene funktioniert damit sehr gut.

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Am Cleversten umgeht man eine solche Situation freilich, indem man einfach eine Figur einführt, die stellvertretend für den Erzähler herhält. Damit kann man zwar keine “Es war einmal”-Epen beginnen, aber man kommt auch nicht auf das schmale Brett, die Erzählerperspektive zu wechseln (zumal ich finde, dass solche Infodump-Einleitungen einfach überholt sind, daran kranken auch viele Popcorn-Kino-Filme, die mal noch schnell vor dem eigentlichen Film die Vorgeschichte erzählen).

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Das hat die Autorin bewusst so gemacht, um wohl die Ausweglosigkeit des Protagonisten zu verdeutlichen. Das Buch ist ein internationaler Bestseller.

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Grundsätzlich kann man alles machen, es muss halt nur funktionieren.

Was man oft erst hinterher weiß. Weswegen solche Experimente mit der Bereitschaft einhergehen sollten, notfalls auch viel Text wieder zu streichen und neu zu schreiben.

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