Wandel der Sprache

Nachdem wir uns im Thema Rezensionen immer wieder auf Abwegen befunden haben und bei der Verwendung und Änderung im Sprachgebrauch gelandet sind, schaffen wir hier eventuell den passenderen Kontext.
Wie weit müssen wir uns im Ausdruck, in den Formulierungen und im Wortschatz anpassen? Oder ist es nicht so, dass wir schleichend angepasst werden?
Es sind nicht nur die Anglizismen und die Häufung von Akronymen die unsere Sprache zunehmend prägen sondern auch die Jugendsprache.

Oder nehmen wir „Show don‘t tell“ als überall propagiert Form des Schreibens?
Was macht das mit uns und unsere eigenen Vorstellung vom Geschichtenerzähler?

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Denke ich nicht drüber nach. Ich vermute, dass man mich die nächsten 80 bis 100 Jahre verstehen wird. Und viel länger will ich ja auch nicht mehr leben. Mit 140 wird es Zeit…

Das “Show dont tell”-Mantra sorgte bei mir nur dafür, dass ich genau überlege, wo Show besser wäre. Nicht aber, dass ich Tell unbedingt vermeiden wollen würde. Texte, die stur auf Show überarbeitet wurden, lesen sich lächerlich und die regeldevoten Autorinnen und Autoren dahinter tun mir leid. Sie haben dann was falsch verstanden (meiner Meinung nach).

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Ich lese sehr viele Romane und lasse mich als Leser sehr gerne auf ganz unterschiedliche Sprachstile ein, solange sie in dem Buch einheitlich sind.
“Das Marmorbild” von Eichendorff liebe ich inhaltlich und sprachlich, da kann ich förmlich in Sprache schwelgen. Aber ich ziehe mir auch immer mal wieder gern die gesammelten TKKG-Bücher von Stefan Wolf rein, mit den Einsprengseln aus der etwas schnoddrigen Jugendsprache der Siebzigerjahre, in die sich manchmal passend schnoddrige eigene Wortschöpfungen des Autors mischen, diese Sprache genieße ich auch.

Was ich überhaupt nicht mag, sind einzelne Ausdrücke in einem Buch, die vom Sprachniveau her nicht zum Rest passen. Beispielsweise wenn im TKKG-Buch immer mal ein gehobenes Fremdwort verwendet wird, das in den Zusammenhang gar nicht richtig reinpasst. Da wollte der Autor wohl seine Bildung unter beweis stellen, das nervt aber nur und stört den Lesefluss. Umgekehrt kenne ich auch Jugendbücher, die in gutem Deutsch verfasst sind, in denen der Autor aber mit ein paar eingestreuten Begriffen aus der Jugendsprache wohl zeigen wollte, wie “up to date” er ist. Das finde ich dann ebenfalls störend und peinlich.

Mein Fazit: Wenn man sich zu sehr um Anpassung bemüht, macht man sich schnell lächerlich.

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Unser Sprachstil ist von unserem Gegenüber abhängig, der Protagonist spricht in einem Roman also mit einem Bauern oder einem Adligen vielleicht auf ganz unterschiedliche Weise, dazu kommt Motivation, Stimmung, Alkohol, Müdigkeit… Es gab in der Antike bereits große Denker, warum sollen Figuren in einem Mittelalter-Setting nicht klug daherreden? Ob meine Figuren aber tatsächlich jeder ihren eigenen Stil haben, wage ich zu bezweifeln, im Grunde denke ich darüber kaum nach. Ein brauchbarer Trick wäre ihnen eine bestimmtes Lieblingswort anzuheften, dass sie wiederkehrend gebrauchen.
Was die Sprache des Erzählers anbelangt: ob nun flüssig und einfach oder gehoben und verschnörkelt, es muss sich einfach sympathisch anfühlen. Ab und an störe ich mich an einer bestimmten Formulierung oder mittlerweile auch Wörtern, die man wegkürzen könnte, aber ansonsten mache ich mir dazu wenig bis keine Gedanken. Entweder ich mag die Sprache des Autors Instinktiv oder eben nicht.
Persönlich nutze ich gerne aus der Mode gekommene Begriffe wie das berüchtigte Fräulein und verwende es auch für moderne Settings. Dieses Wort hatte einmal seine Berechtigung im Sprachgebrauch und ob es sinnvoll ist, es aus dem Wortschatz zu tilgen, darüber lässt sich streiten. So lange Rede- bzw. Meinungsfreiheit in diesem Land besteht, existiert auch Textfreiheit.

Um mein Unverständnis über die Abschaffung des Fräuleins zu veranschaulichen:

Deutsch ist keine Silbensprache, sondern eine Wortsprache. Das Wort als Informationseinheit genießt Priorität. Deshalb sprechen wir weniger Worte im selben Zeitraum als beispielsweise Spanier, weil unsere Wörter effizienter sind, sie transportieren **mehr **an Informationen.

“Fräulein” transportiert folgende Informationen: weibliche Person, unverheiratet, aber heiratsfähig, junge Erwachsene, kinderlos. Das sind gut fünf Informationen in nur einem Wort, der Leser ist sogleich im Bilde. Um das Fräulein hingegen von einer Ehefrau (mit oder ohne Kinder) abzugrenzen, wenn ich es nur als Frau betitel, müsste ich es so bennenen: Eine Frau, jung, unverheiratet und ohne Kinder. In Frau steckt nur eine Information, nämlich die weibliche Person, deshalb brauche ich drei Zusätze, die ich dem Wort “Frau” hinterherschieben muss, nämlich jung, unverheiratet, ohne Kinder. Ineffizient, selbst wenn ich mir das heiratsfähig schenke, da man heutzutage ja auch Witwen und Geschiedene problemlos heiraten kann.

So ein effizientes Wort entsteht nicht durch Sexismus, sondern durch die Notwendigkeit ein solches Wort im Alltag zu gebrauchen um all den peinlichen Fragen zu Beziehungs- und Familienstand vorzubeugen. Gerade am Arbeitsplatz, wo sich viele Paare kennenlernten, machte dies durchaus Sinn.

Show dont tell wird überbewertet. So lange ich mir das Erzählte oder Beschriebene bildlich vorstellen kann - und dass geht meiner Meinung auch durch tell - macht der Autor alles richtig. Das Kopfkino muss laufen, nicht mehr, nicht weniger.

Show ist zwar etwas bildreicher, dafür aber auch länger und damit irgendwie ermüdender - für Autor und Leser - als tell.

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Will nicht auf alles eingehen … hass das Thema.

Da vermute ich mittlerweile, dass es bei vielen Leuten scheitert :kissing:

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So etwas kann man auch als Stilmittel einsetzen, um die Gleichförmigkeit in einer gewissen Gesellschaft zu skizzieren.

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Das halte ich für keine gute Idee. Solche häufigen Lieblingswörter nerven mich als Leser sehr schnell.

“Fräulein” impliziert, dass eine unverheiratete Frau keine ernstzunehmende Frau ist. Dass eine Frau also einen Mann braucht, um für voll genommen zu werden.

Ja, wenn du mich “Fräulein” nennst, werde ich dich nicht lynchen, ich toleriere das aus der Ferne und behalte mir meine eigene Meinung dazu vor.

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Ich halte das für eine gute Idee. Es kommt aufs Maß an. Außerdem ist es realistisch, dass jemand Floskeln verwendet, die ein anderer nie nutzen würde. Ich hatte mal einen Reitlehrer, der jeden fünften Satz mit “und hin und her und drum und dran” ergänzt hat, wenn er etwas erzählt hat.

Ein Bekannter leitet jedes neue Thema (nicht in der Literatur sondern im Alltag) immer mit "Weißt du, das ist so … " ein.

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Ja, realistisch ist das, ich kenne auch einige Leute, die in jedem Satz ihre Lieblingswörter benutzen (“… und so.” “Genau.” “…, oder?” fallen mir spontan ein). Aber das nervt total, im realen Leben ebenso wie in Büchern.

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Ich fand es vor allem in einer Übersetzung sehr nervig. In “Gottes Werk und Teufels Beitrag” sagt Homer immer wieder “right”, was in der deutschen Version mit “Richtig” übersetzt wurde. Das passt in den meisten Fällen aber überhaupt nicht. Meistens hätte man das “Right” mit “In Ordnung” oder “Einverstanden” oder so ähnlich übersetzen müssen.
Im Original fand ich es schon nicht sooo toll, aber in der Übersetzung bin ich bei jeder (falsch übersetzten) Wiederholung regelrecht zusammengezuckt.

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Oha, ein Welterklärer. Ein Mann sicherlich…
:slight_smile:

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Deine Vermutung ist richtig @-prh . Und genau daran sieht man, wie nützlich man so etwas einsetzen kann. Ohne jeden Hintergrund hast du mit der “Figur” des Bekannten eine Charakterisierung verbunden.

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„Ohne jeden Hintergrund“…
Na ja: Nennen wir es Lebenserfahrung.
:slight_smile:

Peter

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Och, uns Frauen blieb ja auch nichts anderes übrig als solche ‘peinliche Fragen’ zu stellen, weil es zwar ein Fräulein, aber kein Herrlein gab. Und auch wenn mir die ganze Genderei zutiefst auf die Nerven geht, das ‘Fräulein’ hat mich schon immer gestört. Ausdrücke wie ‘das Fräulein Mutter’ gibts ja zum Glück nicht mehr, sie trugen allerdings auch nicht gerade dazu bei, dieses Wort zu mögen.

Übrigens bezeichnete dieser Begriff ursprünglich (~ zu Goethes Zeiten) eine unverheiratete Dame von Stand. Fehlte Letzteres, war es halt kein Fräulein.

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Genau so sollte man da ja auch herangehen (finde ich jedenfalls). Keinesfalls alles gewaltsam auf show trimmen, sondern abwägen, wo sich was am besten macht. Auch hier ist eine gut ausbalancierte Mischung das A und O, zu viel show kann für einen Text genauso tödlich sein, wie zu wenig.

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Tut mir Leid, aber das ist ein äußerst billiges Argument, dass ich in diesem Zusammenhang schon häufiger gelesen hab… Laut Duden existiert das Wort Herrlein durchaus, es bedeutet junger Herr, fand aber so gut wie keine Verwendung, vermutlich weil es sich im Vergleich zu Fräulein einfach bescheuert anhört.

Ansichtssache :D. Ich finde beides gleich bescheuert, aber egal, jedem das seine.

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Lassen wir das Thema Fräulein ruhen. Ich ärgere mich sonst nur über diese Welt.

Ich denke, es ist - abgesehen vom Geschmack - eine Frage der Gewohnheit, was sich bescheuert anhört, und was nicht. Und bei manchen Ausdrücken scheint es die Leute gar nicht zu interessieren, wie sie sich anhören, sie benutzen sie trotzdem.

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Meine Großeltern wohnten in den Siebzigern im dritten Stock. Im zweiten wohnte Frl. Johannson. Sie hatte noch keine elektrische Klingel, sondern so ein Drehding und wird heute sicher tot sein und nichts dagegen haben, dass ich ihren Namen schreibe.

Das Wort Fräulein verwendete man damals durchaus auch für ältere unverheiratete Damen, denn Frl. Johannson war bestimmt schon um die Siebzig. Und auch ihre Schneiderin mit weißen Haaren redete meine Mutter mit Fräulein Irgendwie an – Name hab ich vergessen.

In meiner Ausbildung zu Beginn der Achtziger wurden dort alle weiblichen Auszubildenden mit Fräulein angesprochen. Als in meiner ersten Arbeitsstelle danach Ende der Achtziger diese Anrede geändert wurde und 15-jährige Mädchen plötzlich als Frau angesprochen wurden, erzeugte das ein bis heute anhaltendes Störgefühl, obwohl es natürlich konsequent ist und Fräulein für mich heute auch nicht mehr passen würde.

Tatsächlich halte ich es auch für Gewohnheit, was sich komisch anhört und was nicht. Hab leider eben erst gelesen, dass du dich darüber nicht mehr ärgern wolltest. Also sorry, ignorier mich einfach. :slight_smile:

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