Zuerst einmal auch guten Tag.
Du stellst da eine interessante Frage. Nun weiß ich zwar von mir, dass ich ein eher visueller Mensch bin und dass andere teilweise weniger visuell denken. Allerdings hätte ich nicht gedacht, dass
Jemand so etwas von sich sagen würde.
Nach meiner Erfahrung gilt grundsätzlich für alle Beschreibungen, egal ob Personen, Orte oder Begebenheiten: soviel wie nötig, aber auch sowenig wie möglich.
Nötig sind Beschreibungen immer, wenn das beschriebene später noch mal wichtig wird. Also die Gasse rechts, in die sich der Held verkrümelt, sollte nicht überraschend, wie Kasper aus der Kiste plötzlich da sein, sondern in der Beschreibung vorher vorkommen. Ob es noch andere Gassen gibt, ist hingegen entbehrliches Wissen für den Leser.
Wichtiger finde ich, eine Stimmung zu erzeugen. Wenn ich also schreibe: quietschende U-Bahn fährt über die Hochgleise, darunter dampfende Gullydeckel und überquellende Mülleimer und ein halb demontiertes Auto, dann haben die meisten von uns Bilder oder zumindest eine grobe Vorstellung zu einer entsprechenden Stimmung im Kopf. Haben wir in vielen Filmen gesehen. Ob die Hochgleise schmiedeeiserne Stützen haben oder welche aus Beton ist aber völlig unwichtig.
Zu deinen Fragen:
Ich habe eigentlich immer eine Art von Filmszenen im Kopf, wenn ich etwas lese. Das muss nicht besonders detailliert beschrieben sein (s. o.). Insofern bewegen sich Figuren nie durch leere Räume. (Wenn das der Fall sein sollte, würde ich das Buch sofort wegwerfen.)
Für das Aussehen gilt das gleiche, wie für die Szenerie. Echte Gesichter habe ich nie im Kopf. Eher Typen. Daher stören mich Details dann später auch nicht so. Es sei denn, sie passen nicht zu dem Typ meiner Vorstellung. Als Beispiel sah der Legolas in meiner Vorstellung beim lesen anders aus, als später im Film. Trotzdem war Orlando Bloom genial in der Rolle und passte vom Typ her in meine Vorstellung. Match!
Ab wann stelle ich mir etwas vor? Das ist schwer zu sagen. Eigentlich immer. Figuren materialisieren sich ja nicht einfach irgendwo. (Außer beim Beamen natürlich.) Figuren bewegen sich ja in ihrer Welt. Protagonist sitzt in der Taverne, geht hinaus, die Straße entlang, durch das Stadttor, zwischen Wiesen und Feldern entlang in den Wald. Zu jeder Station habe ich ein mehr oder weniger genaues Bild im Kopf.
Zeichnungen oder Bilder stören mich nur dann, wenn sie nicht zu meiner Vorstellung passen. Bilder von Protagonisten mit Gesicht stören mich fast immer. Ich glaube, weil sie meine Vorstellung mehr festlegen, als mir lieb ist.
Wenn ich darüber nachdenke, scheint mir meine Vorstellung ähnlich zu funktionieren, wie mein Sehen. Im Fokus ist alles scharf und detailreich, weiter außen im Gesichtsfeld nimmt die Genauigkeit stark ab. Und wie es hinter mir aussieht, davon habe ich nur noch eine grobe Vorstellung.
Wenn ich weiter darüber nachdenke, glaube ich, Beschreibungen sind immer dann gut, wenn es dem Autor gelingt, das zu beschreiben, was sich der Leser auch ansehen würde in dem
Moment. Der Rest, sozusagen der Rand des Gesichtsfeldes , den kann der Autor auslassen.
Tja, das sind so meine Gedanken zu dem Thema. Ich hoffe, es hilft dir weiter.