Liebe @Füchsli,
ich glaube, jeder (angehende) Autor hat früher oder später mit Selbstzweifeln in Bezug auf sein Können und auf die Tauglichkeit des aktuellen Projekts zu kämpfen. Ullis Rat ist auf jeden Fall gut und richtig: Schreiben! Schreib Dich aus diesem Tal der Selbstzweifel wieder raus. Es kommen auch bessere Zeiten. Und die Wahrscheinlichkeit, dass die Geschichte besser (und überhaupt mal fertig) wird, steigt mit jedem geschriebenen Wort.
Ich finde es sehr selbstkritisch und wunderbar von Dir zu sagen, “nach einem spannenden Start dümpeln die Protagonisten so vor sich hin”. Nicht viele Autoren sind bereit, ihren eigenen Text so kritisch einzuschätzen und zu sagen: Das ist langweilig. Hut ab davor! Und diese Selbsterkenntnis ist schon der erste Schritt zur Besserung.
Wenn Ullis Rat auch gut ist, ich denke, dass so eine Schreibkrise in vielen Fällen auch durch ungenügende Planung entsteht. Wenn der Spannungsbogen und die Konflikte fehlen, dann sollte man sich vielleicht noch mal ans Reißbrett begeben und diese Dinge gezielt angehen.
Ich muss gestehen, dass ich @Palinurus’ Frage, warum Action nicht ohne Konflikt entstehen kann, nicht ganz verstehe. Konflikt ist ein Muss in jeder Szene, um Spannung hineinzubringen. Konflikt muss aber nicht gleich Mord und Totschlag bedeuten. Konflikt entsteht dann, wenn zwei Figuren unterschiedliche Ziele verfolgen, Ziele, die einander entgegenstehen. Die Figuren müssen einander nicht einmal hassen, um einen Konflikt auszutragen. Wenn ein junges Mädchen abends mit seinen Freunden in die Disco gehen möchte, die Mutter dies aber aus Sorge um ihre schulischen Leistungen und vielleicht auch aus Sorge darüber, dass sie mit diesen “Freunden” in eine Szene abrutschen könnte, die ihr nicht guttut (Drogen, Alkohol etc.), verbietet, gibt es einen Konflikt. Die Tochter möchte ausgehen, die Mutter sagt, morgen in der Schule müsse sie ausgeschlafen sein und dürfe keinen Kater haben. Die Mutter verbietet ihrer Tochter diese Dinge, weil sie sie liebt und das Beste für sie will, die Tochter hat im Moment aber kein Verständnis dafür und sieht die Beweggründe nicht ein. Ihr ist in diesem Moment das Vergnügen wichtiger. Je nach Charakter und Temperament der Figuren kann das in einem hitzigen Streit enden, es kann aber auch “nur” eine kurze Auseinandersetzung mit anschließendem Schweigen geben. Auch in so einem Schweigen, wenn es von entsprechenden Handlungen und Blicken begleitet wird, kann der Konflikt durchscheinen. Und das ist u. U. nicht minder spannend als eine wilde Verfolgungsjagd à la James Bond.
An Deiner Stelle würde ich die Szenen so planen, dass in jeder ein Spannungsbogen vorhanden ist. Ich mache das in meinem Projekt so, wobei ich jedesmal erst einen Szenenplan erstelle, bevor ich losschreibe. Beschrieben habe ich das hier: https://www.papyrus.de/forum/threads/meine-methode-einen-roman-zu-planen.7896/#post-63488
Es ist mir ganz wichtig, Ziel, Motivation und Konflikt in jeder Szene zu definieren. So wichtig, dass ich auch meine Figurendatenblätter so gestaltet habe, dass ich nachsehen kann, welches Ziel die Figuren in dem Roman jeweils verfolgen. Das übergeordnete Ziel, das den ganzen Roman überspannen sollte (manchmal ändert es sich auch im Laufe des Romans), gibt die Leitlinie vor, der sich die Szenenziele unterordnen müssen. Danach kann man entscheiden: Wenn eine Szene das große Ziel des Romans nicht unterstützt bzw. dazu beiträgt, ihm näherzukommen (manchmal auch auf Umwegen), dann sollte man die gesamte Szene streichen.
Die Sache mit den Szenen und ihrer Abfolge ist sehr gut erklärt in K.M. Weiland “Structuring Your Novel” und in Randy Ingermanssons “How to Write a Novel Using the Snowflake Method”.
Und dann wäre es wirklich ganz gut, mal eine Leseprobe im offenen Lesezirkel einzustellen. Dann können wir Dir genauere Rückmeldungen geben.
Bleib tapfer und hab vor allem Spaß am Schreiben! Immer locker durchfedern!
LG
Pamina