So, ich bin jetzt durch mit Bruno Kosmalla. Mein erster Gedanke dazu: Positiv, aber auch zwiegespalten.
Aber der Reihe nach.
Ich habs unter Spoiler gesetzt, wer das Buch noch lesen möchte, klinkt sich hier jetzt besser aus.
[SPOILER=“Rezension zu Bruno Kosmalla”]Die Grundidee finde ich gut und tragfähig, auch wenns mir etwas heftig vorkommt, dass Fabelholtz damals völlig ohne Folgen davongekommen ist.
Geschubst werden oder Kreide an den Kopf geschmissen bekommen, sowas kenne ich auch noch aus meiner Grundschulzeit, aber wenn da ein Auge weg gewesen wäre, hätte es selbst bei uns im ländlichen Bayern, wo die Obrigkeitshörigkeit quasi erfunden worden ist, gröberen Ärger gegeben.
Egal, wo kein Kläger, da kein Richter, also ist das ausgeschlagene Auge von Heiko für den Plot vertretbar.
Ein bisschen irreführend kommt mir im Nachhinein der Titel vor, weil es ja nicht nur um Bruno, sondern genauso auch um Kalle geht.
Richtig klasse finde ich deinen Erzählstil, der sehr individuell, witzig/humorvoll und ausdrucksstark rüberkommt. Wie schon gesagt, du beherrschst die seltene Kunst, auch einen an sich völlig nebensächlichen Sachverhalt als spannende, wichtige Sache darzustellen.
Dein Hang zu verschachtelten Sätzen unterstreicht das optimal. Diese witzig-bedächtige Entwicklung der Handlung ist sicher nicht jedermanns Sache, ich fand es sehr unterhaltsam zu lesen und hatte viel Spaß dabei.
Dazu gleich ein erster Kritikpunkt:
Mit der Kommaregelung stehst du gelegentlich auf Kriegsfuß. Wenn man aber als Autor der Verschachtelungsfraktion angehört, sollte man gerade das möglichst sicher beherrschen, schon alleine der Lesefreundlichkeit zuliebe. Schlechte oder sogar falsche Interpunktion bei Bandwurmsätzen kann echt höllisch sein. Ok, so schlimm ist es bei dir nicht, aber da gibts noch einige Luft nach oben.
Bei deinem Szenenaufbau bemerkt man sehr häufig deinen Hang zur Situationskomik, die von einfach witzig bis hin zu haarsträubend komisch reicht. Ganz besonders die Szene, in der Morten Totschlag Manni besuchen kommt und durch einen total bekloppten Zufall für Gott gehalten wird – Spitze!
Und deine Vergleiche (ich könnte ja auch ganz profimäßig ‘Metaphern’ sagen g) lesen sich einfach genial gut und sind erfrischend un-abgedroschen.
Von deinen Figuren ist jeder auf seine Weise ein Unikum, was ein gutes Zeichen ist. Jeder ist so herrlich schrullig angelegt, dass der Verdacht von Klischee oder Stereotype gar nicht erst aufkommt.
Im Gegenzug hat man als Leser ein paar Probleme, für sich eine Identifikationsfigur auszumachen (selbst der gutmütig-naive Bruno als Antiheld taugt dafür nicht so recht), aber drauf ist dieser Roman auch nicht ausgelegt. Dafür kann man sich seinen persönlichen Kotzbrocken küren ;).
An ein oder zwei Stellen sind noch ‘Bearbeitungsfehler’drinne, die passieren, wenn man einen Satz oder Absatz im Nachhinein ändert und vergisst, den Anfang anzugleichen.
Über ein paar wenige Schreibfehler bin ich gestolpert, manchmal haut es mit der Grammatik nicht absolut hin, und Sätze wie »… je weiter er sich der Glastür näherte …« gehören mehr in die unfreiwillig - komisch - Ecke.
Aber das sind alles Peanuts.
Ein echtes Problem sehe ich nämlich auch, und das ist an manchen Stellen die Logik, bzw. die Nachvollziehbarkeit.
Größere Zusammenhänge möchte der Leser schon stimmig erklärt bekommen, warum das jetzt so ist und was danach passiert. Wenn das fehlt, und das tut es hier mehrmals, wirds problematisch.
So z.B. Silke, wie kommt die eigentlich in Brunos Leben? Angeblich ist sie Bruno auf einer Party begegnet – auf der Bruno weder gewesen ist, noch den Gastgeber überhaupt kennt. Woher hat sie also seine Handynummer und seine Adresse? Und was will sie überhaupt von ihm? Die große Liebe ist es nicht, und selbst Silke, die sicher nicht die hellste Kerze auf der Torte ist, dürfte sofort geschnallt haben, dass bei Bruno nichts zu holen ist.
Oder Kalle, der die Pistole, die ja angeblich geladen ist, auf Bruno anlegt, abdrückt – und dann?
Schnitt, Perspektivenwechsel, und es wird nie wieder erwähnt. Kalle ist dann mit Silke unterwegs, während Bruno alleine in seinem Lieferwagen heimschippert. Ich hab dreimal zurückgeblättert (echt nervig bei einem EBook), ob ich da nicht was überlesen habe, aber da ist nichts.
Eine klasse Wendung fand ich, als bekannt wurde, dass Fabelholtz’ Ehefrau viel jünger ist als er, eine ehemalige Schülerin ist und Caro heißt. Natürlich denkt man da sofort an Brunos Jugendliebe, aber dann wird auch das nie wieder angesprochen. Ist in diesem Fall nicht weiter tragisch, aber hier hast du viel Potenzial verschenkt.
Völlig unverständlich war aber für mich, warum Snoopy dann Fabelholtz so grausam ermordet. Er war ja wohl kein ehemaliger Schüler, er kannte den Doktor nicht einmal und war eigentlich auch gar kein Killer. Also warum hat er das gemacht?
Unklar bleibt auch die Flughafenszene. Hat Silke jetzt Kalle verpfiffen und wenn ja, an wen?
Ich meine, bevor er sich festnehmen lässt, hätte Kalle doch lieber auf Silkes Anteil verzichtet, wäre getürmt und alleine geflogen, ganz pleite war er ja nicht. Und wie kommt dann plötzlich Dimitri in den Polizeiwagen?
Mein Fazit:
Das Buch hat mir trotz der genannten Schwächen gut gefallen, ich finds nur ein bisschen schade, denn da wäre noch sehr viel mehr drinne gewesen.
Anyway, beim nächsten Mal dann.
Erzählen kannst du, richtig gut sogar. Ich empfehle dir für das nächste Buch ein paar erfahrene Testleser, die dann auch den Finger drauflegen und sagen können, da und da ist es noch nicht stimmig, da fehlt eine Erklärung oder da hängt die Logik.[/SPOILER]