Hallo zusammen. Mein Name ist Sebastian und ich klopfe heute das erste Mal bei Euch an die Forumstür. Ich arbeite gerade an meinem ersten Buchprojekt. Einem Urban Fantasy Roman für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren. Es fühlt sich für mich ein wenig so an, als ob ich mein Herz auf einen Teller lege. Da ich aber insbesondere „Handwerklich“ besser werden möchte, ist mir ein ehrliches Feedback total wichtig. Unten findet ihr mein erstes Kapitel (ca. 1400 Wörter), welches den Grundplot hoffentlich verständlich einführt.
- Infernalien
„Unglaublich“, zischte Agrata, „du hast noch weniger Punkte bekommen als bei den beiden anderen Prüfungen, die du abgelegt hast. Du bist wieder durchgefallen.“ Das war Levia schon klar, als sie das Zimmer der Prüferin betreten hatte. So war sie nicht überrascht. Dennoch war es ein ernst zu nehmendes Problem. „Was bedeutet das jetzt für mich?“, wollte Levia wissen und versuchte, so gleichgültig wie möglich zu klingen. Es ziemt sich nicht für Dämonen, Angst zu empfinden, aber wenn sie ehrlich war, dann empfand sie im Moment genau das. Die Luft war stickig und schwer, es roch nach verbranntem Pergament und einem dezenten Hauch von Schwefel, wie es in der Hölle üblich war.
Der Raum war klein und dunkel, er roch nach verstaubten Vorschriften und aufgegebener Hoffnung. Über dem Schreibtisch schimmerte ein vergilbter Kristall, dessen unnatürliches Flackern Levia schon immer Kopfschmerzen bereitete. An den kahlen Wänden hingen die uralten Verordnungen in schiefen Rahmen, jede eine in Tinte gegossene Drohung. Es gab keine Fenster. Wozu auch? In dieser Verwaltungshölle gab es nichts, was es wert war, gesehen zu werden. Draußen war nur Dunkelheit.
„Das werde ich in der Prüfungsordnung 4V-HPV nachlesen müssen“, antwortete Agrata mit einem genervten Ton. Levias Misserfolg und die zusätzliche Arbeit ließen ihre Augen grimmiger als sonst erscheinen. Vor Levia saß eine lange in die Jahre gekommene Dämonendame. Das Alter von Dämonen ist schwer zu schätzen. Diese aber war alt. Agrata musste schon Hunderte Dekaden in dieser Hölle festsitzen und viele junge Dämonen kommen und gehen sehen. Offensichtlich hatte sie sich damit abgefunden, dass sie nur die Paragrafen hatte. Außer einem Bild an der Wand, das Agrata mit Belphegor, einem der sieben Höllenfürsten, zeigte, gab es nichts. Nur den nackten schwarzen Basalt. Beide guckten leidenschaftslos auf dem Bild, während Belphegor ein Schild mit der Aufschrift „Mitarbeiterin des Jahres 1971“ zeigte. Wenn man bedachte, dass Belphegor der Herr der Faulheit war, war das selbst für Dämonen keine gelungene Auszeichnung.
Sie lugte über ihre dick gerahmte Brille und schnaubte wieder, wobei kleine graue Dampfwolken aus ihrer langen Nase stiegen. Ihre schiefen Hörner standen in einem Winkel von 45 Grad von ihrem großen, massiven Schädel ab und sie setzte sich schwerfällig in Bewegung.
Agrata saß im Hohlkreuz, gebückt über den Schreibtisch, als wäre sie längst Teil des Mobiliars. Levia war unzählige Male bei ihr gewesen, um ihre Ergebnisse abzuholen – jedes Mal dasselbe Bild. Dieselbe Haltung, derselbe Stuhl, derselbe leere Blick. Levia fiel auf, dass sie Agrata noch nie hatte aufstehen sehen.
Agrata legte ein schweres, ledergebundenes Buch in die Mitte des Tisches - „Prüfungsordnung 4V-HPV“ stand in fetten Buchstaben darauf. Fast so dick wie das Buch selbst. Der Einband schien zu atmen, als sei er lebendig. Levia spürte, wie der Boden unter ihren Füßen vibrierte, als wären selbst die Fliesen aus rotem Rhyolith mit Leben erfüllt und erbost, genau wie die Dämonin vor ihr.
Nach einer Weile, in der sie das Werk studiert hatte, hob Agrata langsam den Kopf. Sie räusperte sich. Mit einem grollenden Seufzer und kratziger Stimme begann sie die Verordnung vorzulesen. Emotionslos und monoton:
Gemäß § 13, Abs. 7 der Höllenprüfungsordnung gilt: Jeder Jungdämon, der in drei aufeinanderfolgenden Prüfungen die Mindestpunktzahl von 666 nicht erreicht, wird automatisch zur zeitweiligen Erdverweisung verurteilt. Diese Verbannung dauert exakt sieben Höllentage.
Während dieser Zeit ist der Betroffene verpflichtet, seine infernalischen Fähigkeiten durch das Sammeln von Infernalien (vgl. § 66b) zu schärfen. Für eine erneute Zulassung zur Höllenprüfung müssen mindestens 33 dieser Punkte erfolgreich eingebracht werden.
Bei erkennbarer Nicht-Leistung kann die Verbannung vorzeitig beendet werden. Die Entscheidung darüber obliegt dem zuständigen Prüfungsagenten und ist endgültig.
Bleibt die geforderte Punktzahl aus – sei es am Ende der Frist oder durch Abbruch – folgt die Ladung zur allgemeinen Höllenqualifikation, Schicksalstribunal genannt.
Dort fällt das letzte Urteil: höllentauglich – oder verworfen.
Agrata schloss das Buch mit einem hörbaren „Bumm!“, als wäre das es selbst erleichtert, dass der Absatz zu Ende war.
Levia Herz setzte einen Moment aus: „Und was bedeutet das jetzt genau?“, fragte sie mit zitternder Stimme und versuchte nicht mehr, ihren Schock zu verbergen. Sie war sich nicht sicher, was dieser Paragrafenwirrwarr zu bedeuten hatte. Aber Erdverweisung, Infernalien sammeln und Schicksalstribunal klang nach echtem Ärger. Panik stieg in ihr auf. Der Raum schien enger zu werden. Die Temperatur, die in der Hölle ohnehin schon heiß war, hatte noch einmal drastisch zugelegt. Levias Kehle schnürte sich zu, bis es aus ihr herausbrach: „Ich kann richtig böse sein“, schrie sie Agrata an, die sie mit ihrem fast leblosen Blick ansah. „Ich kann Leid und Schrecken verbreiten“, versuchte sie zu schnell zu ergänzen.
Agrata atmete schwer gurgelnd ein und sprach aus, was Levia geahnt hatte: „Du wirst gemäß § 13 für sieben höllische Mondzyklen auf die Erde verbannt. Solltest du in dieser Zeit die erforderliche Punktzahl von 33 nicht erreichen, wirst du zur Allgemeinen Höllenqualifikation geladen. Dort wird über deine weitere Existenz entschieden. Deine Chancen sind dort gleich Null. In der über 2000-jährigen Geschichte der Hölle wurde dort bisher nur ein einziger Dämon begnadigt.“ „Leg dieses Amulett an“, forderte Agrata sie in harschem Ton auf. Mit diesem Amulett bleibst du mit der Hölle verbunden und wir dokumentieren deinen Fortschritt. Levia legte stumm das Amulett an. Der Rest von dem, was Agrata ihr erklärte, verschwand im Rauschen von Levias Ohren.
„Nur ein einziger Dämon begnadigt“, hallte es in Levias Kopf. Das war das Schlimmste, was hätte passieren können. Und das alles nur, weil es mit ihren Dämonenflüchen nicht so klappen wollte. Ihre Zauber gingen immer daneben. Aus Sicht der Hölle eine Katastrophe.
Levia erinnerte sich an den Tag, an dem sie versucht hatte, einen grausamen Fluch auszusprechen. Sie war entschlossen, endlich die dunkle Seite in sich zu wecken und etwas wahrhaft Böses zu verüben. Es war während einer ihrer Prüfungen. Sie war aufgefordert eine Gruppe kleiner Dämonenschüler mit einem Panikfluch belegen, um sie so zu erschrecken. Mit entschlossener Miene hatte sie die Hand erhoben und die Worte gesprochen: „Terroris Malum!“ - ein kraftvoller Fluch, der dafür sorgen sollte, dass die Lehrlinge panisch schreiend davonliefen und sich für zwei Tage in einer Ecke versteckten. Doch anstatt sich vor Angst zu winden, passierte genau das Gegenteil. Die kleinen Teufelchen fingen an zu lachen. Und nicht nur das, sie rollten sich kichernd auf dem Boden und stießen sich gegenseitig an, als hätte Levia ihnen einen Witz erzählt. Einer der Dämonen konnte vor Lachen kaum atmen und weinte Tränen der Freude. „Vielleicht ein Teilerfolg?“, dachte sie.
Ein kollektives Augenrollen ging durch die Reihen der Prüfer. Nur Sybilus nicht. Er erhob sich langsam und begann, bedächtig und spöttisch in die Hände zu klatschen. Das Geräusch hallte in der Stille wider und ließ Levia zusammenzucken. „Bravo“, sagte er mit einer Stimme, die vor Sarkasmus troff. „Einfach bravo. Ich glaube, wir müssen eine völlig neue Kategorie unterhalb von Ungenügend einführen. Nennen wir sie Peinlich“ Er ließ die Hände sinken und musterte sie kalt. „Du bist die mit Abstand hoffnungsloseste Anwärterin, die meine Zeit je verschwendet hat. Meinen Glückwunsch zu dieser Nichtleistung.“
Die Behörden-Dämonin redete in dumpfen Ton weiter. Levia wurde aus ihren Gedanken gerissen. „Wie bitte?“, fragte sie verwirrt. „Deine Verbannung beginnt sofort“, wiederholte Agrata in ihrer gewohnten Gleichgültigkeit. „Du kannst jetzt gehen.“
Levia erhob sich, zitterte am ganzen Körper und hielt sich kurz an dem Stuhl fest, auf dem sie eben gesessen hatte. „Nein, nein, nein, das darf nicht passieren, dachte sie immer wieder.“ Die dumpfen Schläge ihres Dämonenherzes drangen bis in die Hornspitzen. Die Hitze, die sie jetzt durch ihr Gesicht glitt, war selbst für einen Dämon unerträglich. Ihre Beine gaben nach und sie hatte Schwierigkeiten, sich aufrecht zu halten. Der rote Rhyolithboden schien vor Levias Augen zu verschwimmen. Doch es half nichts. Sie atmete tief durch und taumelte auf die Tür zu, die Hand ausgestreckt, um sich an der Klinke festzuhalten. Ihr Kopf war leer. Die Tür öffnete sich quietschend und selbst das Geräusch der Tür klang wie das schrille Schreien, der verlorenen Seelen, die in der Hölle gefangen waren. So durfte es nicht enden. Ein letztes Mal blickte sie Hilfe suchend zu Agrata zurück. Diese sah sie nur mit ihrem jetzt fast traurigen Blick an. Für einen Bruchteil hatte Levia das Gefühl, von Agrata „viel Glück“ zu hören.
Plötzlich verschluckte Schwärze Levia, eine unsichtbare Macht krallte sich an ihren Geist. Ihr Körper riss sich los, ihr Innerstes folgte – entrissen der Hölle, geschleudert an einen fremden Ort. Das Portal zur Welt der Menschen stand nur einen Wimpernschlag lang offen, kaum mehr als ein Spalt. Ihr Leib wurde hindurchgepresst, als müsse er sich durch ein Nadelöhr zwängen. Blitze in Violett und Gelb zuckten auf, zu grell, zu nah – dann fand ihr Körper zurück zur Form. Kein Schmerz. Nur Finsternis. Gestank. Eine Präsenz. Und die lähmende Ahnung, dass ihr das Schlimmste erst bevorstand.