Liebe Forumsleute,
Schreiben ist toll, Überarbeiten eine Tortur und Lesen lassen die Hölle. Mögen die, die vom Baggersee kommen, gnädig gestimmt sein.
Das hier ist der Anfang einer Geschichte. Einen anderen Anfang habe ich schon verworfen. Mit der zeitlichen Abstimmung zwischen zwei Erzählsträngen hadere ich noch. Und dann stehe ich immer vor der Frage, wo die Action ist.
Ich erwarte keine ins Detail gehende Kritik, nur ob das irgendwie interessant klingt.
Ich hatte mein letztes Hemd gebügelt. Das letzte von einem riesigen Stapel Bürohemden. In den vergangenen drei Wochen war ich kaum nach Hause gekommen. Zu viele Aufträge von Kunden, die irgendein Problem mit ihrer IT-Sicherheit hatten. Dann war ein Kollege ausgefallen. Daher war das mein erstes richtiges Wochenende seit langem. Es war dringend nötig. Ich hatte den Kühlschrank ausgeräumt, die alte Senftube weggeworfen, eine Ladung Wäsche nach der nächsten gewaschen, dem Kaktus meiner Ex etwas Wasser gegönnt. Und jetzt am Sonntagnachmittag war ich fertig mit allem und es wurde langweilig. Ich beschloß meine Eltern im Auktionshaus zu besuchen. Normale Eltern sind so, dass man anruft, ein paar Blümchen mitbringt und gemeinsam bei Kaffee und Kuchen sitzt. Bei meinen Eltern war es besser, wenn man den Kuchen selbst mitbrachte. Ich rief kurz an und machte mich auf den Weg.
„Schön, dass du da bist.“ Ich bekam ein Küsschen von meiner Mutter auf die Wange. „Du kommst gerade richtig.“
Ich kam immer gerade richtig. Meine Eltern führten ein Auktionshaus für Kunst und Antiquitäten. Leider war ihr Computersystem genauso antik wie ihr Angebot. Ich schusterte es regelmäßig zusammen, besorgte alte Komponenten neu, wenn irgendein Teil den Geist aufgegeben hatte. Hin und wieder sprach ich an, dass es günstige neue Systeme gab. Sie waren taub auf dem Ohr, meinten, dass alles funktionierte. Natürlich funktionierte alles. Ich sorgte schließlich dafür und wer bei einer Auktion dabei war, hätte nie gedacht wie alt alles war.
„Da bist du ja. Ich muss dir unbedingt was zeigen.“ Das war die Begrüßung meines Vaters.
Ich drückte meiner Mutter die Tüte mit dem Kuchen in die Hand und lief hinter ihm her.
Er schob mich in sein Büro. Das Auktionshaus ist ein ehemaliges Kino aus den 50er Jahren, etwas deplatziert steht es zwischen Wohnblöcken aus der gleichen Zeit. Es hatte ein paar Modernisierungsversuche gegeben, dann war ein großes Multiplexkino an den Stadtrand gesetzt worden. Aus dem Kino wurde für ein paar Jahre eine Disko. Anschließend stand es leer. Dank des Denkmalschutzes durfte das Gebäude nicht abgerissen werden und es fand sich kein seriöser Investor bis mein Großvater das Kino kaufte und mit seinem Auktionshaus einzog. Zum Glück war nur die Fassade denkmalgeschützt, die Innenräume konnte er umbauen wie er wollte.
In seinem Büro schob mein Vater die Unterlagen auf dem Schreibtisch zu einem Stapel zusammen. Meine Mutter kam dazu, ohne Kuchentüte, die stand vermutlich in der Küche. Sie stellte sich zu mir und wir sahen zu, wie mein Vater den Tresor aufschloss und ein großes Etui vor mir platzierte. Abgegriffenes rotes Leder, so groß wie ein halber Aktenkoffer, hoch gewölbt. Er ließ den Verschluss aufschnappen, klappte den Deckel hoch und sah mich an, als müsste ich bei einem Kunststück applaudieren. Meine Eltern konnten sich nach Jahren noch für Einlieferungen begeistern, fanden auch solche Objekte toll, die keinen hohen Wert aber eine Geschichte hatten. Sie liebten ihren Job. Für mich war es staubiges Zeug. Darum hatte ich mir einen Beruf gesucht, der so wenig mit Staub zu tun hatte, wie ich mir denken konnte. Ich war Informatiker, mein Spezialgebiet war IT-Sicherheit. Wenn es bei einem Kunden Probleme gab, wurde ich von der Firma hingeschickt. Ordentliche Probleme, kein Kleinkram. Meine Schwester hatte die Liebe zu altem Zeug geerbt. Sie hatte eine der raren bezahlten Promotionsstellen als Mediävistin ergattert. Zur Zeit untersuchte sie mittelalterliche Urkunden.
Gold leuchtete mir entgegen, dicht aneinander gereihte Perlen. Ich brauchte eine Weile, um die Struktur zu erfassen.
„Gold.“ Stellte ich fest. „Ziemlich viel Gold.“ Ich sah meinen Vater an.
„Und was für Gold!“
„Los, sags ihm.“ Drängte meine Mutter.
„Es ist aus Troja. Ich nenne es Helenas Juwelen.“
Er glühte vor Begeisterung, schmachtete die goldenen Perlen an.
„Aha. Und woher willst du das wissen?“
„Es gehören Briefe von Heinrich Schliemann an seine Frau dazu. In einem schreibt er, dass er ihr den Schmuck schenkt.“
„An seine zweite Frau.“ Betonte meine Mutter.
Ich hielt die Klappe. Mit Heinrich Schliemanns Familienleben kannte ich mich nicht aus.
„Ein Nachkomme hat den Schmuck eingeliefert, zusammen mit den Briefen.“
„Aber sowas versteigert man doch nicht.“