"Übererzählen"

Kennt ihr das auch, dass ihr eine Geschichte so lange gut findet, solange sie nicht “übererzählt” wird? Was ich damit meine ist, dass Dinge erklärt werden, anstatt sie einfach einmal stehen zu lassen.

Beispiel: Star Wars und die “Macht”. Das war solange klasse, solange diese Macht nicht näher erklärt wurde (also, u.a. woher sie kommt).

Wie ich darauf komme? Als Fan der Serie “Supernatural” habe ich gestern das Finale der Serie gesehen. SPOILER In Folge 19 kam es zu einem total passenden, ganz wunderbaren Ende. Man hätte es damit bewenden lassen sollen. Stattdessen wurde eine weitere Episode hinterher geschoben, in der haarklein erzählt wurde, was nach dem großen Showdown noch mit den Charakteren geschah. SPOILER ENDE

Ich habe das schon so oft gesehen. Aber wie verhindert man es in seinem eigenen Werk? Achtet ihr darauf? Lasst ihr Dinge auch einfach mal unerklärt oder gehört ihr zu den Konsumente/Schreibern, die gerne alles haarklein aufdröseln bzw. aufgedröselt haben wollen?

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Ich liebe offene Enden, gern auch mal mitten in einer Szene. Dafür bin ich auch schon oft hart kritisiert worden, aber mir gefällt das eben besser als alles bis ins Detail aufzudröseln. Man muss natürlich aufpassen, dass nicht alles offen bleibt und sich der Leser schließlich fragt: “Häh? Was sollte das denn jetzt?”

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Das Phänomen kenne ich. In Filmen scheint es mir weiter verbreitet zu sein als in Büchern, vermutlich, weil es dort um spektakulärere Summen geht und die Verlockung größer ist (und von mehr Einsagern und Stakeholdern befeuert wird), noch eine Staffel hinterherzuschieben, obwohl sich die Geschichte tot erzählt hat.
Bei Büchern hält sich das für mich die Waage zwischen “diesen banalen/finalen Exkurs hätte ich nicht gebraucht” und “zu frühes Ende”, weil es den Autor sichtlich nicht mehr gefreut hat und schon das vorletzte Kapitel hastig abgespult war.

An mir selbst beobachte ich mit gewisser ermüdeter Irritation eine ähnliche Tendenz. Im Bestreben, möglichst realistisch zu bleiben, beschäftige ich mich oft zu viel mit Plotholes, und dem Stopfen derjenigen: Warum haben sie nicht das und das auch bedacht, oder diese Spur auch verfolgt. Aha, haben sie ohnehin. Und diese Variante haben sie ausgeschieden, weil sie das über Nebenstrang C3 abgeklärt haben. Und dort haben sie gleich auch den plausiblen Grund gefunden, warum ein paar weitere Hypothesen hinfällig geworden sind. Ja, haben sie alles gemacht. Wurde alles bedacht. Die waren aber ganz schön erledigt.
Dann beginnt bei mir das Kopfkratzen, ob den Leser das so interessiert. Nein, tut es nicht: “Die Geschichte ist, gut, aber ich würde sie kürzen” (Standardfeedback). Ich bin mittlerweile dazu übergegangen, alle mir vorstellbaren Nebenstränge und Detailerklärungen und Plotabsicherung detailreich und in eigenen Absätzen und Szene auszuarbeiten, und dann wieder zu kürzen, oder zusammenzufassen, oder zu geistertexten. Es reicht, wenn ich weiß, dass sie das gemacht haben. Dann fühle ich mich abgesichert :wink:

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Ich gehöre zu letzteren - und mir gefallen offene Enden überhaupt nicht - vor allem nicht, wenn vorher ein großer Konflikt darum aufgebaut wurde. Aber da scheiden sich die Geister, manchen gefällt gerade das.

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Es gibt wenige Filme mit alternativen Enden. Das kam, glaube ich, auf als die Möglichkeiten von DVDs ausgetestet wurden. Es gab eine vorletzte Szene und dann das Ende in 2 oder 3 Varianten. Mir fällt leider kein Titel ein. Auf jeden Fall gibt es das bei einem Film mit Michael Douglas. Hilft jetzt nicht wirklich, egal.
Aber hat das schon mal jemand in einem Buch gesehen?

Ich fürchte, das Buch gibt es nicht mehr. Ich weiß auch nicht mehr den Autor oder den genauen Titel. Irgendwas mit Lucky Less und seinen Abenteuern. Ich habe das als Kind mal gelesen, aus der Bibliothek ausgeliehen. Da konnt man nach jedem Kapitel, das in einem Cliffhanger endete, entscheiden, wie es weitergehen sollte. Lucky Less stand auf der Planke eines Piratenschiffs. Unter ihm die Haie. Hinter ihm die Piraten. Soll er springen? Dann lies weiter auf Seite … Soll er es mit den Piraten aufnehmen? Dann lies weiter auf Seite …
Als Kind fand ich das ganz witzig. Aber bei Amazon habe ich das Buch auf anhieb nicht gefunden. Vielleicht, findet man ein gebrauchtes Exemplar, wenn man alle Suchergebnisse durchforstet …

LG

Pamina

Ich gehöre eher zu den Leuten, für die weniger mehr ist und kann auch mit offenen Enden ganz gut leben. Und für Beziehungen, Konflikte etc., die man gerne noch weiter ausgeführt hätte, gibt es FanFiction :smirk:

Aber ich weiß, dass wohl die Mehrheit der Leser (bzw. auch Zuschauer bei Film und Serie) lieber alles aufgelöst hat. Wahrscheinlich sind das alle die, die eben nicht selber FanFiction schreiben oder halt diese Chance mögen, mit ihrer eigenen Fantasie die Lücken zu füllen. Bei meinen eigenen Texten muss ich mich jedenfalls eher zwingen, etwas mehr zu schreiben und zu erklären, als ich es eigentlich wollte.

Tendenziell ist es aber wohl so, je länger der Text, desto mehr muss am Ende alles aufgelöst werden. Je mehr Zeit der Leser in eine Geschichte investiert hat, desto mehr möchte er auch am Ende seine Neugier in allen Punkten befriedigt sehen. Einer Kurzgeschichte verzeiht man ein offenes Ende viel eher als einem epischen Roman.

Ich glaube, die leserseitige Verzeihungsfähigkeit für offene Enden wird stark vom Genre abhängen.
Würde ich bevorzugt Sciencefiction-Romane lesen, dann wäre für mich als Leser ein Schlusspunkt mit “die sind ja schon wieder unterwegs in eine unsichere Zukunft in unendlichen Welt,und haben nicht viel mehr Ahnung als zu Beginn des Romans, woher das mysteriöse Signal wirklich kam” vielleicht völlig normal.
Als Liebesromanleser (Disclaimer: lese ich nicht) würde mich ein offenes Ende - nun ja, ohne ein Happy-End-Gefühl zurücklassen. Da würde ich mir doch das minimale Zurücklächeln zwischen den beiden ProtagonistInnen erwarten.
Bei einem Krimi ginge das auch schwer. Was, Mörder noch immer völlig unbekannt? Das wäre das radikalst offene Ende eines Krimis. Ich glaube, das geht nicht. Es wäre schon ein weniger radikal offenes Ende für den Leser schwer verdaulich (z.B. Täter bekannt, aber wird auf ewig unbeweisbar bleiben).
Punkto verdaulich, interessant wäre das Konzept des offenen Endes bei einem Kochbuch: Hier hast Du Deine tollen Rezepte, die letzten drei Schritte bitte selbst ausknobeln. Subtil gespielt habe ich das einmal bei einem Internet-Rezept erlebt. Schritt 4 von 9 war “Backofen vorheizen auf 200 Grad”. Der Backofen wurde aber bis zum Schluss nicht verwendet. Und hätte auch keinen erkennbaren Sinn ergeben. Beschäftigt mich trotzdem bis heute :wink:

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Also ich mag es ganz gern, wenn alle Fragen beantwortet sind. Alles haarklein aufdröseln muss nicht sein.
Sicher liegt es auch am Genre und ob es sich um einen Mehrteiler handelt.
Als Liebesromanschreiber gibt es bei mir ein Happy-End und ganz zum Schluss noch eine Art Outro, wo sich der Kreis schließt.
Was ich bei Serien nicht mag: Wenn sie so lange plattgewalzt werden, dass man durchsehen kann.
Bei mir ist das ganz aktuell sie Serie Outlander. Die letzte Staffel angefangen und abgebrochen, weils einfach nur noch grottig ist.

Da fallen mir zwei ein: “Thelma und Louise” und “Die Bourne Identität”

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Danke für die Spoiler-Warnung! Da ich Sky gekündigt habe, muß ich nämlich leider noch ein bißchen auf die finale Staffel warten. Daher meine Antwort ohne etwaige wichtige Infos im Spoiler:

Ja. Ich lasse definitiv etwas unerklärt, weil es sonst nämlich sein Geheimnis verlieren würde. Da ich Fantasy schreibe, würde das dem Buch einen Teil seiner Magie nehmen, im doppelten Sinne.
Ich mag es auch beim Lesen, wenn nicht alles aufgedröselt wird, dann hat meine Phantasie etwas, mit dem sie sich auseinandersetzen kann. Was ich allerdings hasse, was im Thread mehrfach angesprochen wurde, sind offene Enden. Die sind der Grund dafür, daß ich grundsätzlich keine Kurzgeschichten lese. Gerade noch erträglich finde ich ein Ende, in dem nicht alles aufgelöst wird, bei Mehrteilern, weil ich da weiß, daß die Auflösung noch kommt.

Beim Infos Weglassen sollten aber keine Logikfehler entstehen. Es ist etwas anderes, ob er Leser nicht verstehen kann, warum sich der Plot gerade so entwickelt, oder ob ein Gegenstand, eine Art der Magie, ein übernatürliches Wesen, ein Mythos etc. nicht ausformuliert erklärt wurde. Der Autor selber sollte aber schon wissen, wie es funktioniert - Infos weglassen ist keine Ausrede dafür, sich selber über etwas nicht klar zu sein.

Mal wieder ein Zitat aus meinem Lieblings-Podcast: “Take something that is absolutely unimportant and explain it in great detail. Then take something that is really important and don’t explain it at all.” Besonders das mit dem Nicht-Erklären halte ich für einen guten Tip.

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Independence Day 1
Da gab es ganz zu Anfang (ich glaube, in der amerikanischen Fassung) ein Ende, in dem Will Smith und Jeff Goldblum nach ihrer Rückkehr die “Fat Lady” qualmend durch die Wüste schlendern und einer von den beiden sagt: “Wer hätte gedacht, dass einmal ein Schwarzer und ein Jude die Welt retten.” In späteren Fassungen schlendern sie zwar auch und man sieht, dass sie reden, aber - kein Ton.
Und auf der DVD gibt es eine Endsequenz, in der der alte Pilot mit seinem roten Doppeldecker in diese Hauptwaffe eines der Raumschiffe fliegt und damit alle rettet …

@Isabel
Die Midi-Chlorianer in der Blutbahn der Jedis (messbar als M-Wert …!) – das war wirklich der größte Mist. Das hat das ganze Macht-Ding lächerlich werden lassen. Gutes Beispiel und daher ein klares JA, man kann überzählen/übererklären.

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Danke an alle für die interessanten Beiträge und Gedanken:

Ich meinte jetzt gar nicht unbedingt offene Enden, ich mag es auch nicht mitten in einer Geschichte hängen gelassen zu werden (wie damals beim Ende der Serie „Angel“, das ging echt gar nicht), aber es gibt ja eigentlich verschiedene Formen in der Abstufung der Offenheit. Also, Szenen zu Ende zu bringen, finde ich ganz wichtig. Aber man kann Erklärungen doch auch weglassen, eben wie bei den Midi-Chlorianern :laughing:

Oder, um mal ein Beispiel aus meinem derzeitigen Opus zu nennen: Ich werde bei meinen Bösewichtern vieles nicht erklären, also wo sie genau herkommen und wie sie zu dem wurden, was sie sind. So etwas, finde ich, gibt ihnen etwas Geheimnisvolles und man reitet sich dann nicht mit völligem Stuss in die Misere (wie die Star Wars Schreiberlinge).

Eine Liebesgeschichte mit open end, finde ich übrigens auch ganz grässlich. Das ist ein Genre, wo man das wirklich nicht machen dürfte.

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Mir gefällt das.

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Hmm, ich finde das irgendwie unromantisch, zu knallhart für dieses Genre :wink:

Och. Offenbar scheine ich komisch zu sein. Na ja, macht nichts.

Fand ich gar nicht so schlecht …

Wenn man aber zu wenig Infos darüber gibt, finde ich es auch nicht gruselig. Sauron, z.B. Den finde ich als Bösewicht so unspannend und wenig gruselig, wie es nur geht, weil ich gar nichts über ihn weiß. Fast eine Lachnummer.
Long John Silver hingegen finde ich total gruselig. Bankkonto, Mitglied im Kirchenchor und nett und väterlich zu Jim Hawkings. Aber hintenrum …

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Das ist doch dieser griechische Philosoph, oder? Der war der Meinung, dass man es auch übertreiben kann. Womit, hat er damals nicht gesagt, vielleicht komme ich drauf. Oder jemand anders.

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:thumbsup::DNein, keine Angst, ganz so oberflächlich wie bei Tolkien wird es bei mir dann doch nicht. Ich erzähle schon so einiges, aber den Midi-Chlorianeraspekt meiner Geschichte, den lasse ich definitiv weg. :laughing: