Kürzlich hatte ich ein Erlebnis, das mich ernsthaft geschockt hat. In unserem Literaturkreis kommt es häufig vor, dass die Autoren etwas aus ihrem Werk vorlesen. Oft sind es neue Texte, Auszüge aus Romanen und Kurzgeschichten. Ich dachte mir, dass ich damit ja mal ein wenig Meinung sammeln könnte und trug dann selbst einen Auszug aus dem ersten Kapitel meines in Entstehung befindlichen Romans vor.
Was dann geschah, hat mich wirklich betroffen gemacht. Ich wurde bei lebendigem Leib in der Luft zerrissen. Obwohl die Leiterin der Gruppe von meinem Text regelrecht begeistert war und versuchte, die Wogen zu glätten, arbeiteten sich die anderen Autoren dermaßen in dem verständlicherweise aus dem Zusammenhang gerissenen Inhalt ab, dass ich sprachlos war. Dabei habe ich deutlich darauf hingewiesen, dass es nicht um den Inhalt ginge, der bei einem solch umfangreichen Roman mit einem kleinen Auszug gar nicht erfasst werden kann. Mir ging es um den Stil. Doch der kam überhaupt nicht zur Sprache.
Ich war am Boden zerstört, nicht etwa wegen der Kritik als solche, die habe ich durchaus erwartet, sondern wegen der Heftigkeit, mit der sie vorgebracht wurde. Und das auch noch „am Thema vorbei“. Nach dieser Erfahrung habe ich die Entscheidung getroffen, solche Testlesungen nicht mehr zu machen. Das bedauert unsere Leiterin zwar sehr, weil sie meine Texte sehr gerne liest, aber ich habe einfach keine Lust mehr auf eine solchen, wie ich finde, unberechtigten Verriss. Denn ich halte mein erstes Kapitel noch immer für sehr gelungen. Einige kleinere Änderungen habe ich zwar dennoch vorgenommen, doch insgesamt ist alles so geblieben, wie ich es geschrieben hatte.
Kennt Ihr solche Erfahrungen? Ist das unter Autoren üblich?
War denn der Inhalt so kontrovers oder provozierend? Für mich gäbe es durchaus auch Themen oder Sachaussagen, bei denen ich nicht mehr auf den Stil achten könnte.
Mit solch einer Lesung, wie du sie gemacht hast, habe ich keine Erfahrungen.
Ich habe einem Autor jedoch mal Feedback gegeben zu seinem Roman, nachdem ich ihn gefragt hatte, ob er Feedback haben möchte. Dann habe ich in einer sehr ausführlichen Mail geschrieben, was mich an seinem Roman gestört hat und wieso. Mit Zitaten und genauen Seitenangaben und eben detaillierten Begründungen.
Er schrieb mir daraufhin zurück, ich hätte seinen Roman nicht verstanden und wollte zudem wissen, ob ich das E-Book oder das Druckwerk gelesen habe. Blöde Frage, finde ich, wie sollte ich wohl bei einem E-Book eine konkrete Seitenzahl angeben können? Nun denn. Er war jedenfalls beleidigt und meinte, ich wäre eine Erbsenzählerin. Das hat mich als Kritikerin sehr getroffen, denn ich habe stundenlange Arbeit in eine einzige E-Mail gesteckt, weil ich ihm helfen wollte. Das mache ich auch nie wieder.
Nein. Es ist niemand hier aus dem Forum. Dieser Mensch war aus der freien Wildbahn.
Das kenne ich so eigentlich nicht. Allerdings ist Feedback zu jedem Thema in einer größeren Runde gerne eine Tretmine. Da trifft meist eine empfindliche Seele, die etwas geschaffen hat, was ihr am Herzen liegt auf ein Publikum, das im Feedbackgeben gar keine Erfahrung hat und womöglich meint, alles, was irgendwie zu kritisieren sein könnte, muss unbedingt aufgetischt werden, wobei der vorherige Sprecher am besten übertrumpft wird. Wenn du dann noch versuchts, Einwände gegen das Feedback vorzubringen, eskaliert das Ganze. Im Grunde wäre die Moderation dafür zuständig, sowas rechtzeitig einzufangen.
Allerdings bin ich bei @_Corinna - solange wir nicht wissen, was du da vorgetragen hast, wissen wir auch nicht, ob wir dich bedauern müssen, haha.
könntest Du das noch ein bisschen erhellen? Den Auszug hier mal einstellen und uns sagen, woran sich die Kritik entzündet hat? Richtete sich die Kritik auch „ad hominem“, an Dich als Person, warum ging sie „am Thema vorbei“, was war der Zündstoff? Gelangweilt scheint Dein Text in jedem Fall nicht zu haben. Wie hat die Moderatorin denn konkret reagiert? Ihr schien es ja anders gegangen zu sein als dem Rest.
Gab es eine Vorgeschichte, hast Du bei vorangegangenen Treffen Eures Literaturkreises selbst jemanden „zerrissen“? Sodass man einen Racheakt vermuten könnte?
Aus eigener Erfahrung nicht, eher als Randfigur. Im Rahmen eines Kurses wurden abschließend auch Auszüge aus eigenen Werken vorgetragen. (Ich fand sie alle aus verschiedenen Gründen hoch interessant, wenn auch nicht alle meinen Geschmack trafen oder gut waren)
Die Texte wurden analysiert, erst von einem Teilnehmer und dann von den Kursleitern ( einer davon ein erfahrener Lektor). Eine Teilnehmerin fühlte sich stark angegriffen. Die Kritik des Lektors war berechtigt und nachvollziehbar. Doch thematisch ging es in dem Text um eine sehr persönliche Erfahrung dieser Frau und sie nahm darum die Kritik auch sehr persönlich. Sie war verletzt.
Letztlich ist es immer eine diffiziele Sache. Man öffnet sich, gewährt anderen einen Blick auf seine Gedanken, sein Herz und verliertin diesem Moment die Kontrolle darüber. Es gehört nicht mehr nur dem „Schöpfer“ sondern allen.
Dazu gehört Mut und Überlegung.
Sowohl als Schreibender, als auch als Kritiker muss man sich immer bewusst machen, dass man vielleicht ungutes hört oder äußern muss.
Hier ist RESPEKT das Schlüsselwort.
Wer Kritik äußert, ob verlangt oder nicht, sollte dies sachlich und respektvoll tun, mit Blick auf das THEMA.
Deine Schilderung lässt vermuten, dass es nicht so war und das ist sehr schade, weil du dich deshalb zurück ziehst. Damit nimmst du dir und anderen ein wichtiges Instrument.
Versuch es abzuhaken. Versuch es besser zu machen. Dein Ärger darüber ist leider nur dein Problem. Die anderen fühlen ihn nicht, haben die Situation wahrscheinlich längst vergessen. Lass ihn auch los. Und wenn du ihnen (nachvollziehbar) misstraust, dann öffne dich eben hier, bei uns.
Hier bekomme ich jedenfalls immer sehr wertvolle Hinweise und fühle mich gut aufgehoben.
Überhaupt nicht (außer vielleicht, dass das Kapitel mit einem Selbstmord endet). Aber insgesamt diente es in erster Linie der Einführung in die zur Zeit der Handlung herrschende gesellschaftliche Situation.
Genau das ist es, was ich nicht mehr machen werde, sorry .
Die Leiterin hat immer wieder versucht, das Augenmerk auf den Schreibstil zu leiten, ist aber an der Heftigkeit der anderen gescheitert. Und nein, es gibt keine Vorgeschichte, da ich relativ neu in der Runde bin und selbst erst einmal die Gepflogenheiten dort erkunde.
Das habe ich sicher nicht nötig , zumal ich mit Kritik normalerweise einigermaßen umgehen kann. Außerdem stehe ich zu dem, was ich tue, d.h. wenn ich selbst mit dem Geschriebenen zufrieden bin, bedarf es schon sehr guter Argumente, um mich zu grundsätzlichen Änderungen zu bewegen.
Inhalt und Stil sind oft nicht so leicht voneinander zu trennen, weil manche Inhalte mit einem speziellen Stil erst so richtig zur Geltung kommen (z.B. bei einer rasanten Actionszene extrem kurze, abgehackte Sätze).
Was du erlebt hast, ist schon extrem heftig und ich denke (hoffe!) nicht, dass das in Autorenkreisen üblich ist. Das klingt, als ob du da an eine Truppe geraten bist, die weder konstruktiv noch sonstwie hilfreich argumentieren kann, ich würde mir da auch ein anderes Umfeld suchen.
Was mich aber interessieren würde: Gehen sie dort mit ihren Texten untereinander auch so um, oder haben sie einfach nur dir als Neuling mal zeigen wollen, wo der Hammer hängt?
In beiden Fällen muss man sich sowas nicht antun, es gibt auch andere, fähigere Gruppen.
Jetzt das Handtuch zu schmeißen, wäre aber der absolut falsche Weg! Du hast saftig auf die Schnauze bekommen, soweit so schlecht, aber solche Sachen können dir später auch passieren, wenn du eine von diesen echt bösartigen Rezensionen reingewürgt kriegst.
Als Autor brauchst du ein dickes Fell, wenn man sowas übersteht, sollte man sehen, dass man gestärkt draus hervorgeht.
wenn Reaktionen so heftig ausfallen, hat das oft etwas mit Dogma, Religion, Ideologie oder ähnlichem zu tun. Insofern scheinst du da einen Nerv getroffen zu haben. Ich würde das als Erfolg verbuchen.
noch ein Sieg, die Einzige, die wahrscheinlich professionell darauf geschaut hat, fand es gut.
Also 2:0 für dich, Spiel gewonnen und ich würde mir andere Partner für das nächste Match suchen
Ich meine in den letzten Jahren generell einen Trend wahrzunehmen, bei dem es unter dem Deckmäntelchen der ‚natürlich ganz lieb gemeinten‘ Offenheit schick geworden ist, zu nörgeln, negativ, fadenscheinig und selbstverliebt zu kritisieren, andere ‚gar nicht böse gemeint’ runterzumachen u.s.w… Wir entwickeln in vielen Bereichen eine Neid- und Hasskultur, mitlaufen, nachplappern, belehren und korrigieren vermeintliches Fehlverhalten ungefragt, nur um uns selbst zu erhöhen. Zuhören, hinterfragen, nachdenken, Selbstkritik, Akzeptanz Andersdenkender, Austausch und sachliche Diskussionen werden rares Gut.
Und wie wenige Tropfen Gift ein riesiges Wasserreservoir vergiften können, schaffen es wenige Teilnehmer eine ganze Gruppe toxisch werden zu lassen. Besser, man schwimmt dann dort nicht mehr.
Klingt wie ein Lesekreis auf den man in Zukunft verzichtet. Im Sinne: Gehe auf keine Party, auf der du nur geduldet bist.
Vielleicht haben die sich gegenseitig angestachelt, durch ihre Kritik.
Klingt jedenfalls nach keinem schönen Erlebnis.
Ich habe nur einmal bei einer Lesung eine Kritik gehört, da ging es um einen Schwertkampf der dort beschrieben war. Die Kritikerin war offenbar Kampfkünstler und wusste, dass die Szene so nicht funktionieren kann. Der arme Vorleser wusste nicht genau, wie er damit umgehen sollte.
Genau da könnte der Hase im Pfeffer liegen. NEU in der Runde! Ha, der soll sich erst mal bewähren, beweisen, dass er zu uns passt, sich in der Luft zerreißen lassen …
Von solchen Runden wurde mir öfter berichtet. Meistens deckungsgleich. Tja, was will man machen? Der Mensch …
Suse hat recht. Diese Gruppe scheint nichts für dich zu sein. Ich wünsche dir, dass du woanders besser ankommst - in mehrerlei Hinsicht und im wahrsten Wortsinn.
Good luck von Kick
@Yoro Das kommt darauf an, wie man gestrickt ist. Ob man das aushalten kann, es als Schule betrachten möchte. Dann ist es eine bewusste Entscheidung. Da geht es dann aber unter genannten Umständen nicht mehr um den Text. Wer weiß, wie lange es dauern würde, bis es endlich um diesen ginge?
Wenn man dafür seine wertvolle Zeit drangeben mag? Hm.
Letztlich kann man dann hier doch nur spekulieren - und „trösten“? Ähnlich wie in einem Nachbarstrang, wo es um eine unangenehme Reaktion in einer Facebook-Gruppe geht.