Szenenbeschreibung historisch

Ich gebe zu, dass mir Beschreibungen nicht wirklich liegen. Handlung und Dialoge liegen mir mehr, aber gerade bei einem historischen Roman sind Beschreibungen von Kleidung, Gebäuden etc. natürlich wichtig, damit Leser*innen sich die betreffende Epoche gut vorstellen können. Mit Worten also ein Bild malen. Hier habe ich eine solche Szene und würde gerne wissen, ob ihr euch den Raum gut vorstellen könnt oder was euch bei der Beschreibung fehlt. Der Roman spielt 1723 in Frankreich.

Wir mussten uns in einem der Wehrtürme befinden, denn der Raum war rund. Auch hier herrschte raues Mauerwerk, dekoriert mit schönen Wandbehängen und dunklen Möbeln vor. Rechts stand ein Bett mit wundervoll gedrechselten Pfosten und besticktem Baldachin, dessen Motive den Sternenhimmel nachahmten. Gegenüber befand sich ein Kamin, davor aufgeschichtet ein Stapel Brennholz. Ein burgunderfarbener, mit Goldfäden bestickter Orientteppich bedeckte den Steinfußboden. Zwei Fenster, wohl eher Schießscharten, boten einen grandiosen Blick über die hügelige bewaldete Landschaft.
Ich verliebte mich auf Anhieb in dieses Zimmer.

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Natürlich kann man sich diesen Raum vorstellen. Du beschreibst ihn ja ausführlichst.

Ich denke, gleich der erste Satz ginge kürzer: … mussten uns in einem der runden Wehrtürme befinden.
*Schön *sagt kaum etwas aus. Was ist schön? Besser, zeigen. Hier noch besser: weglassen.
Wundervoll würde ich ebenfalls löschen.
Der Kamin verdiente hingegen ein Adjektiv: offen?
Dass ein Stapel Holz aufgeschichtet ist, braucht keine Erwähnung. Sonst wäre es kein Stapel.
Zwei Schießscharten würden mAn reichen. Wir befinden uns in einem Wehrturm!
Grandios fiele ebenfalls meiner literarischen Schere zum Opfer.

Ich würde mich in dieses Zimmer auch verlieben! :slight_smile:

Wir mussten uns in einem der Wehrtürme befinden, denn der Raum war rund. Auch hier herrschte raues Mauerwerk, dekoriert mit schönen Wandbehängen und dunklen Möbeln vor. Dieser Satz sagt mir nicht viel. Kann Mauerwerk herrschen? Was sind “schöne” Wandbehänge? Du solltest lieber einen Wandbehang beschreiben, z.B. das Motiv, oder das Material, oder die Farben und den Leser selbst entscheiden lassen, ob er das dann schön findet. Auch “dunkle Möbel” erzeugen kein Bild vor meinem inneren Auge. Was für Möbel? Bett? Schrank? Tisch? Stuhl? Truhe?
Rechts stand ein Bett Das hier ist als Möbelstück viel konkreter, aber dann kannst Du die Nennung der “Möbel” vorher auch weglassen, wenn Du hier eh konkret wirst. mit wundervoll Was bedeutet “wundervoll”? Das Wort erzeugt wieder kein Kopfkino bei mir, weil es viel zu allgemein ist. Würden die gedrechselten Pfosten nicht ausreichen? Ich kenne die Gesamtsituation nicht, aber ist der Ich-Erzähler überhaupt in der Verfassung, etwas wundervoll zu finden? Aus welcher Gesellschaftsschicht stammt er? Wenn er zum 3. Stand gehört - wäre “wundervoll” dann das Wort, das er für Luxus wählen würde? Wäre er nicht eher neidisch auf den Luxus? Würde er sich nicht fragen, wozu man so was braucht, wenn man auch auf einem Strohsack schlafen kann? Würden ihm die gedrechselten Pfosten nicht eher am Allerwertesten vorbeigehen? Ist er ein Gefangener, da er anfangs nur vermutet, in einem der Wehrtürme zu sein? Hat er dann nicht andere Sorgen, als gedrechselte Pfosten wundervoll zu finden? (Das ist nicht böse gemeint, aber ich kenne ja den Kontext nicht, also kann ich auch nicht beurteilen, ob das Wort aus diesen Gründen richtig gewählt ist. Deshalb die Fragen. Du musst entscheiden, ob das passt. Aber soziale Herkunft hin oder her - “wundervoll” erzeugt so gut wie nie Kopfkino beim Leser.) gedrechselten Pfosten und besticktem Baldachin, dessen Motive den Sternenhimmel nachahmten. Das finde ich besser, weil es ein Bild in meinem Kopf erzeugt. Aber es bleibt die Frage: In welcher Situation ist der Erzähler hier. Hat er Zeit und Muße, den Raum zu bewundern? Und wenn ja - warum stockt dann die Handlung? Könnte das dazu führen, dass der Leser den Eindruck bekommt, die Handlung dümpele so vor sich hin? Auch das kann ich aus diesem kurzen Stück nicht beurteilen, deshalb stelle ich nur Fragen. Gegenüber befand sich ein Kamin, davor aufgeschichtet ein Stapel Brennholz. Ein burgunderfarbener, mit Goldfäden bestickter Orientteppich bedeckte den Steinfußboden. Zwei Fenster, wohl eher Schießscharten Wohl eher? Auch das kann ich nicht beurteilen, aber würde ein Mensch aus dem 18. Jahrhundert keine Schießscharten erkennen, selbst wenn er ein Bauer wäre? Warum muss er das vermuten? Viele Städte hatten damals Stadtmauern mit Schießscharten. Würde man heute einem Menschen aus unserer Gesellschaft erklären müssen, was ein Mercedes ist, auch wenn er noch nie einen gefahren hat? Aber auch das kannst wieder nur Du entscheiden, da Du den Kontext kennst., boten einen grandiosen Auch grandios ist wieder nichtssagend. Hier hättest Du eine Gelegenheit, den Leser geografisch zu orientieren, indem Du schreibst, dass man bis xxx (Name einer Stadt, eines markanten Berges etc.) sehen kann. Blick über die hügelige bewaldete Landschaft. Welcher Wald? Wo in Frankreich sind wir? Elsaß? Pariser Gegend? Hier kannst Du geografische Namen einfügen, was weiß ich, den Wald von Fontainebleau oder so was. Was halt passt.
Ich verliebte mich auf Anhieb in dieses Zimmer. Also kein Gefangener, würde ich sagen. Wahrscheinlich eher jemand aus einem höheren Stand, dem solche Dinge eher vertraut sind, der aber selbst keinen ganz so hohen Lebensstandard hat. Dass er/ sie sich verliebt, ist eher tell. Könntest Du mehr “show” draus machen?

Ich bin auch kein Freund von langen Beschreibungen. Ich frage mich meistens, ob die eine oder andere Sache, die ich beschreiben will, später in der Szene oder einer der folgenden Szenen noch eine Rolle spielt. Bei der Beschreibung der Bettpfosten und des Baldachins erwarte ich als Leser jetzt schon fast einen Kampf mit Degen, bei dem der Baldachin aufgeschlitzt wird und die Bettpfosten Kerben bekommen … Solche “isolierten” Beschreibungen wecken in mir meistens eine Lesererwartung.
Was das Verliebtsein angeht - könntest Du das zeigen? Ich weiß ja nicht, in welcher Lage er/ sie ist. Wenn er/ sie nicht gerade gefesselt ist, könnte er/ sie sich ja aufs Bett legen und über die Bettdecke und das Kopfkissen streicheln. Ein Vergleich zu dem, was er/ sie gewohnt ist, könnte den Eindruck der Verliebtheit hier unterstreichen. Auch vor dem Wandteppich könnte er/ sie kurz stehen bleiben und das Motiv betrachten - vielleicht eine Szene aus der Bibel. Versuche, die Beschreibungen mit den Figuren zu verknüpfen. Ist ein Wehrturm so prunkvoll eingerichtet? Das weiß ich leider nicht so genau.
Aber wenn es sich hier um ein Schlafzimmer handelt - was sagt die Einrichtung über den Besitzer aus? Wenn Du dadurch auf den Charakter der Figuren schließen lässt, wird so eine Beschreibung viel interessanter. Oder Du verbindest sie stärker mit Handlung.

LG
Pamina

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Ich weiß nicht, ob Beschreibungen in historischen Romanen wirklich so wichtig sind, wie du annimmst. Durch Film und Fernsehen ist doch eigentlich jedem Interessierten bekannt, wie es dort aussah und zuging. Ich würde an deiner Stelle (Beschreibungen liegen dir nicht) mich auf das konzentrieren, was du kannst. Bau die zu beschreibenden Dinge in die Handlung ein.

*Ich hob eine Ecke vom Wandbehang an und wunderte mich, wie schwer der Teppich war. Darunter sah ich das Mauerwerk, das eine Eiseskälte abstrahlte, obschon draußen ein warmer Vorfrühlingstag war. Deshalb das Kaminfeuer und der Holzstapel …
*
So was in der Art. Immer die Beschreibung mit Handlungen oder/und Dialogen verknüpfen, das macht alle Beschreibungen leichter. Und lass einfach alle Adjektive weg, es sei denn, sie sind absolut zwingend, oder du schreibst Groschenromane.

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Ich finde Deine Beschreibung genau richtig: nicht zu viel, nicht zu wenig, ich sehe den Raum vor mir.

Bei den Fragen, die aufgeworfen wurden, gehe ich davon aus, daß sie vorher oder nachher in der Geschichte beantwortet werden, daher habe ich mich nur auf die Beschreibung konzentriert.

Kurz: Ja, das eine oder andere Adjektiv kann sicher raus. Falls Du die Beschreibung kürzen möchtest, kannst Du das recht einfach machen, indem Du Dich auf prägnante Details konzentrierst, statt den kompletten Raum zu beschreiben. Auch so aber sind es nur ein paar Zeilen - definitiv NICHT (Edit: das fehlte!!) zu lang. Wenn der Leser also diesen Raum genau vor sich sehen soll, dann bleib dabei. Kürzen ist in meinen Augen nicht nötig.

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Ich finde Pamina hat das gut geschildert. Und Duane hat es angesprochen: Soviel Beschreibungen benötigt es nicht. Was ich in historischen Romanen erwarte, ist dass die Stimme passt. Also den letzten historischen Roman den ich las, hat der Autor komplett verbockt, weil die Dialoge nicht zu der damaligen Zeit passten. Das finde ich jedoch besonders wichtig. Auch die Ausarbeitung der Figuren ist extrem wichtig, denn damals haben die Menschen anders getickt, als es heute der Fall ist. Ich kenne mich nicht so gut aus, aber vielleicht kann es hilfreich sein Bücher der damaligen Zeit zu lesen, um ein wenig auf den Geschmack zu kommen. In einem Spielfilm (historisch) unterlief den Machern beispielsweise ein Fehler mit der Kleidung. Die Kleidungsstücke gab es noch nicht zu der Zeit, als die Geschichte spielte. Also es ist meines Erachtens nach unerlässlich gut zu recherchieren.
Der Satz: “Ein burgunderfarbener, mit Goldfäden bestickter Orientteppich bedeckte den Steinfußboden.”
gefiel mir sehr gut. Es erinnerte mich an das Museum Topkapi in Istanbul. Dort gibt es viele Ausstellungsgegenstände aus der damaligen Zeit. Ich glaube Du hast eine sehr gute Vorstellung und kannst sie gut umsetzen.

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… dem stimme ich zu :rofl:
Die Beschreibung an und für sich … dazu wurde schon genug gesagt, mein erster Gedanke war aber: „Jooo, Holzstapel *vor *dem Kamin?“ Um das Jahr ist der bestimmt noch offen gewesen … da scheint jemand sein Häuschen aber nicht zu lieben … oder die Angebetete, die eben in dieses Zimmerchen geführt wurde (meine Interpretation)

@Pamina22
Im Bezug auf die Schießscharten – na, vielleicht ist es ja auch ein Zeitreiseroman à la Highland-Saga von Gabaldon :kissing: und die Protagonistin ist ein ganz helles Köpfchen …

@Scherbengericht

Ohne jede Beschreibung kommt kein literarischer Text aus. Wie sollte ich dem Leser näherbringen, was ich sehe, wenn ich aus einem Fenster blicke? Die Frage ist nur, wie wird diese Info transportiert? Plump oder kunstvoll?
Im vorliegenden Beispiel verwendet der Autor innerhalb eines kurzen Absatzes dafür ganze 7 oder 8 Adjektive, die kaum Bilder schaffen, dazu einen redundanten Holzstapel, der sich auch noch vor dem Kamin befindet, wie @Scherbengericht aufgefallen ist. Manchem mag das gefallen. Mir gefällt das nicht.

Ich erlaube mir, eine meiner Lieblingsautorinnen zu zitieren:
*
(sic) Auf einmal riss die Wolkendecke wie spröder Stoff, unter dem leuchtend blaue Unterröcke zum Vorschein kommen. Ein Sonnenstrahl überpinselte die regendurchtränkte Landschaft und berührte das Meer, und Zugvögel durchschnitten den Himmel wie verrückte kleine Scheren. (sic)
Zitat: Annie Proulx “Aus hartem Holz”*

Reich an Adjektiven, gewiss, aber eingebettet in bildhafte Vergleiche und Metaphern, vor allem aber in Handlung!

Steht da wirklich “kommen”? Müsste es nicht “kamen” heißen, weil auch der Rest des Textauszuges im Präteritum steht?

Ehrlich gesagt, sind mir die Unterröcke ein bisschen too much. Aber das ist Geschmackssache.

LG
Pamina

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Ich habe gerade mal in “Aus hartem Holz” bei Amazon reingelesen. Also, mit der deutschen Übersetzung werde ich überhaupt nicht warm, aber auf Englisch könnte mir das gefallen. Ich werd’s mal auf meine Leseliste setzen. Oder auf die Hörbuchliste.

LG
Pamina

@Pamina22
Ich habe diesen Passus mehrfach gelesen und mich dasselbe gefragt. Die Zeitform ist mAn richtig. Auch wenn sie in der deutschen Übersetzung, auf den ersten Blick, ein wenig “strange” wirkt. Es riss wie Stoff, unter dem etwas hervorkommt. Nicht kam.

@Manuela K.
Ja, ich verstehe, was Du meinst - jetzt, wo ich es auch mehrfach gelesen habe. Aber es reißt mich auf jeden Fall aus dem Lesefluss, deshalb finde ich diese Beschreibung nicht so gelungen. Hast Du die Seitenzahl? Wenn ich mir das Buch besorge, kann ich da nochmal nachschauen.

LG
Pamina

Ich habe es nur als e-book vorliegen, kaufe nahezu keine Holzbücher mehr. Es sei denn, als Geschenk. Diesen Passus findest du gegen Ende des Buchs, aber wo genau, kann ich nicht sagen. Interessant wäre es, das im Original zu lesen, sofern man Englisch gut genug beherrscht, um auch die Feinheiten dieser Sprache zu verstehen.
Ich habe neben Proulxens Romanen dutzende Kurzgeschichten von ihr gelesen, darunter auch Brokeback-Mountain. Ich konnte nach dessen Verfilmung, die ich vor der Lektüre genoss, nicht glauben, dass man diese komplexe Story über zwei schwule Cowboys auf knapp 60 Seiten unterbringt. Sie schafft es aber. Und wie.

Off topic, Ende!

Ich denke schon, dass ich das kann, sonst sollte ich die Sprache nicht unterrichten.

LG
Pamina

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Wie kommst Du darauf? Sowohl beim TB wie beim E-Book werden beim Händler 368 Seiten angezeigt. Oder ist die Kurzversion in dem Buch Hinterland oder Hier hat’s mir schon immer gefallen?
Könnte sein, dass es eine Langfassung nach der Kinoversion gibt.

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Mag ich überhaupt nicht. Wer schreibt denn in der heutigen Zeit so wulstig?

*Annie Proulx *zum Beispiel? Eine fantastische, begabte Autorin. Der Ausschnitt ist ein kleiner Ausschnitt, nichts weiter. Lies mal *Schiffsmeldungen *von ihr.

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Ich kenne das Buch. Es hatte den Pulitzerpreis gewonnen. Leider zu langatmig und unlesbar. Die Übersetzung war einfach nur Mist. Aber in Englisch war es ok, allerdings habe ich es irgendwann quergelesen, da mir das Gesamtkonzept nicht gefiel.

@Milar

Das ist eine Kurzgeschichtensammlung, dreizehn Stories, darunter auch Brokeback-Mountain. Deshalb die Seitenangabe. Es gibt weder eine Kurzfassung, noch eine Langfassung. Nur die Originalfassung. :wink:

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Verzeih, Krimitante, aber einen Roman wie Schiffsmeldungen, als langweilig und unlesbar zu bezeichnen, ist schon eine starke Aussage für eine Schriftstellerin. Gibt mir zu denken …

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