ich bin neugierig: Früher im Deutschunterricht habe ich Symbolismus (in Prosa) als total weit hergeholt empfunden. Der Regen symbolisiert also die Trauer der Figur? Der verwitterte Garten repräsentiert den schleichenden Verfall der Hauptfigur? Schwachsinn! dachte ich immer und hab dabei die Augen verdreht. Mittlerweile sehe ich das differenzierter. Natürlich interpretiert man manchmal zu viel hinein, aber oftmals kann es auch als verstärkendes Mittel dienen. Nun achte ich sowohl beim Lesen mehr darauf, als auch beim Schreiben streue ich manchmal ganz fein in meine Texte, in dem Versuch, die Leserschaft ganz leicht zu manipulieren (zuweilen auch recht plump: Ich hatte z.B.mal den Victor Hartman in einer meiner Geschichten, der eine eher unsympathische/„härtere“ Figur ist).
Nun würde mich interessieren: Wie ist denn eure Meinung dazu? Feines Stilmittel (Klar funktioniert Symbolismus! Kollektives Gedächtnis for the win!) oder so schwachsinnig wie das Tageshoroskop in der Zeitung für euch? Achtet ihr beim Lesen darauf oder genießt ihr einfach die Geschichte?
Side-thought: Ich habe ja auch die Vermutung, dass es meist lyrisch-affine Menschen sind, die da mehr den Bezug zu haben, aber vielleicht täuscht das.
Hi,
ich kann mich nicht daran erinnern, dass das in dieser Form bei uns im Deutschunterricht besprochen worden wäre, aber es ist bei mir auch schon sehr lange her.
Spontan meine ich, dein Regenbeispiel funktioniert nicht. Es kommt eben darauf an.
Ist die Figur traurig und es regnet draußen, passt es. Die Figur wird beschrieben, es wird weglassen, dass sie traurig ist, aber es regnet. So weit, so gut.
Wenn meine Figur nun aber Gärtner oder Landwirt ist, und es könnte durch eine Dürre zu einem totalen Ernteausfall kommen, dann symbolisiert der Regen Freude. Pauschal lässt sich diese Frage nicht beantworten.
Ein feines Stilmittel ist es schon, wenn man aufpasst, dass man dabei nicht ins Klischeehafte abrutscht, wobei das ja auch wiederum ein Stilmittel sein kann.
Fazit: Doof finde ich es nicht. Sonderlich aufgefallen ist mir dieses Stilmittel bisher jedoch auch noch nicht. Was - wenn es eingesetzt wurde - und es mir nicht aufgefallen ist, das für den Autor spricht. Die Kunst besteht doch darin, dass Stilmittel nicht auffallen, egal welche.
Ich würde das so sehen wie mit einer neuen Brille. Wenn keiner was dazu sagt, sollte ich nicht beleidigt sein, sondern mich freuen, weil ich mich dann für die richtige Brille entschieden habe, die so gut zu meinem Gesicht passt, dass es niemandem auffällt.
Ich hab in meiner derzeitigen Geschichte versucht etwas in der Art einzubauen.
Meine Prota lebt in einem Palast und geht jeden Tag durch die großen, hellen Hallen aus glattgeschliffenem Stein, bewundert die bunten Wandbemalungen und riecht den Duft der mit Duftöl getränkten Lampen. Alles ist wunderschön und trotz dessen, dass sie all das jeden Tag sieht, ist es nach wie vor jeden Tag aufs neue magisch.
Nun kommt es dazu dass die Welt die sie kannte in sich zusammefällt. Protas Leben ist ganz plötzlich ein anderes. Sie muss fliehen, aus ihrem zerbrochenem Leben und dem Palast und nun ist nichts mehr magisch. Der glattgeschliffene Stein in der großen Halle wirkt kalt, die feinen Risse in den Wänden ziehen sich quer durch Raum. Es riecht nicht mehr nach duftendem Öl sondern nach kalten Rauch der gelöschten Feuer. Die Wandmalereien sind plötzlich nicht mehr fröhlich bunt sondern dunkel und finster.
Es war ein Versuch die innerliche Zerstörung auf die Außenwelt zu übertragen um den emotionalen Verfall zu verdeutlichen. Mal schauen obs am Ende nicht zu platt wirkt.
In meinem Roman zieht die Protagonistin manchmal Vergleiche zwischen ihren Katzen und den Menschen, die sie kennenlernt.
Insofern sind die Katzen ein bisschen symbolisch, das kommt bei mir aber weder unterschwellig noch subtil.
Katzen gehen immer. Irgendwo habe ich mal sinngemäß folgende Schreibempfehlung gelesen: „Lass deinen unsympathischen Protagonisten eine Katze retten.“ Anschließend kann er sich noch so rüpelhaft benehmen, die Leserinnen und Leser werden ihn lieben.
Wenn sie nicht gerade Vorratsschränke öffnen, die Tüte mit dem Mikrowellenrotkraut anknabbern und am nächsten Tag alles versaut und aufgeweicht, der Saft überall runtergelaufen ist und es aussieht, als wäre im Schrank jemand abgestochen worden.
Ich denke, Symbolik ist - wie so oft - eine Frage des Einsatzes, des „Könnens“, der Dosierung … es gibt sicher Autoren, die Symbolik als Stilmittel meisterlich beherrschten (Max Frisch/Homo Faber fällt mir dazu ein - auch Siegfried Lenz - die Lieblinge der Deutschlehrer natürlich, weil sich damit so gut arbeiten lässt ) - ähnlich in Filmen. V.a. in alten Filmen wird Symbolik oft etwas überspannt, wenn etwa Hitchcock seinen Protagonisten im Schlafwagen die Kabine der Hauptdarstellerin betreten lässt und kurz darauf der Zug in einen Tunnel fährt … heute wirkt so etwas ein wenig lächerlich (aber gut … Hitchcock … der durfte und konnte das).
„…in dem Versuch, die Leserschaft ganz leicht zu manipulieren“ – wozu soll das wichtig sein? Bist du ein Guru oder Erleuchteter mit dem Ansatz uns alle zu befreien? Falls eines der angeführten Punkte nicht zutrifft, schlage ich vor – lass es… Stattdessen, erzähle deine Geschichte, geh in diese auf, spüre hinein wie es dich gefangen nimmt, wie dich diese trägt, dein Herz öffnet und zu neuen Horizonten trägt. Spüre die Kraft in deiner Erzählung, vergiss das Manipulieren – denn das ist eine Sackgasse in allen Erzählungen. Wir Leser lassen uns gerne in eine Geschichte fallen uns von dieser in neuen Abenteuern tragen– aber mit Sicherheit nicht manipulieren. Mein Vorschlag an dich, sofern ich dir nicht zu nahe trete – erzähle und lass dein Herz dabei brennen… und wir brennen mit…
Dem Autor Glauben zu schenken. Vielleicht sympathisiere ich mit dem Täter (bei einem Krimi). Allein durch die Darstellung. Da fällt mir mal wieder nur ein Film ein: Dog’s Day Afternoon mit Al Pacino - Nach einem wahren Fall.
Der Zuschauer, in dem Fall ich, hat Mitleid mit dem Bankräuber, kann ich verstehen, seine Handlung nachvollziehen. Man bangt, hofft dass er ja nicht gefasst wird. Der Film manipuliert dahingehend, dass der Bösewicht zum Helden wird. Tragisch, da es sich um einen echten Fall handelt.
Nach dem Film denkt man nach. Wie kann man einen Verbrecher bewundern, mit ihm mitfiebern, Mitleid empfinden? Hätte ich denselben Fall in den Nachrichten gesehen und nicht in diesem grandiosen Film, hätte ich gedacht: „Was für ein Arschloch. So geht das doch nicht! Ich kann doch nicht einfach Geiseln nehmen und sie in Lebensgefahr bringen!“
Aber während des Films bin ich in die entgegengesetzte Richtung manipuliert worden - ohne mich bewusst wehren zu können. Also, wenn das nicht spannend ist, dann weiß ich nicht.
Ich verstehe: Aber ich würde es nicht Manipulation nennen. Ein Beispiel, mein letzter Wiener Krimi: A dreifoche Leich“ Was du erzählst, dass du dich dem Verbrecher näher gefühlt hast und eher mit ihm mitgefiebert hast als mit dem Helden der Geschichte, liegt an der Erzählung des Charakters. Und in dem, wie uns der Autor diesen mit seinen Höhen und Tiefen näherbringt. Erst dann fiebern wir mit diesem mit, erst dann berührt uns sein Schicksal. In meiner Geschichte hat Helmut Engelhirt, genannt Winnetou von Ottakring, den Rang des Kommissars abgerungen. Er ist dermaßen verrückt und durchgeknallt, dass ich beim Schreiben sogar die Befürchtung bekam, dass mein Kommissar fad und ein Trottel ist. Heute liebe ich diesen Englhirt, weil er der Ur-Strizzi von Wien ist, mit einem Herz eines wahren Helden und doch letztendlich ein Verbrecher bleibt… Aber das ist alles nur eine Geschichte – die aus dem Herzen erzählt ist – die keine Manipulation bedarf…
Meine Gewichtung lag in der Charakteren-Bildung. Wenn man das als Manipulation an den Leser ausgelegt möchte, dann ist es wohl eine, mit dem Ziel den Charakter dem Leser näher zu bringen. Ich nenne es das Leben schreiben wie es ist und es gibt nichts widersprüchliches und abenteuerliches als das Leben selbst…