Prima, die Installation hat geklappt!
Sogar das Word-Dokument lässt sich damit öffnen. Was als Nächstes? Natürlich, ich könnte das Handbuch lesen, aber wer macht das schon? Ausprobieren ist schließlich auch eine Form der Einarbeitung. Es gibt deutlich mehr Buttons als bei Word. Perfekt!
Erfahrungsgemäß sollte ich zuerst konfigurieren. Ah, da sind auch schon die Einstellungen. Was wählen? Mein Krimi ist fertig, gegengelesen und mein eigener Duden Korrektor schon mehrfach drüber gelaufen. Völlig klar, die Endkontrolle ist angesagt!
Nichts passiert. Handbuch? Auf keinen Fall, so tief möchte ich nicht sinken. Prima, der Mauszeiger erklärt die Buttons. Duden Korrektor ein, daneben die schöne Feder. Stil ein! Lesbar ist es sicherlich. Alles anklicken, Totalprüfung ist angesagt.
Wow, wow!
Was für eine Farbflut verschandelt mein schönes Werk? Dann werde ich auch noch als verbfaul und passiv abgekanzelt! Unerlaubterweise benutze ich Amtsdeutsch, Phrasen und Füllwörter. Der Höhepunkt wird eine mir unterstellte Hellseherei. Papyrus schmiert auch noch selbstständig in meinem Roman herum. In meinem Werk! Ohne Erlaubnis werden Füllwörter durchgestrichen, handverlesen Adjektive sogar kreuzweise. Kreuzweise?
Wieso manche Abschnitte orange markiert sind, will ich gar nicht wissen.
Nach anfänglicher Wut macht sich Ratlosigkeit breit. Sollte Papyrus sich irren? Sicherlich nicht, denn ich habe viel Lob darüber gelesen. Sogar Kollege Eschbach hat Input gegeben.
Wird schon nicht so schlimm werden, die Überarbeitung. Kann das ja mit dem Prolog ausprobieren. Mit den wenigen Seiten bin ich sicherlich schnell durch.
Ganz vorsichtig anfangen.
„Ich verdufte."
Prima, nichts passiert, alles bleibt weiß. Ich bin auf dem richtigen Weg!
„Soll ich schnell verduften und mich für die wirklich bösen Dinge bereit machen?
Diesen Satz zerrreißt Papyrus bis auf wenige Worte in der Luft. Na gut, ich bin folgsam und nehme alles Bunte raus. Damit habe ich doch die Lösung!.
„Ich verdufte für Dinge."
Juhu, das geht. Endlich eine weiße Weste.
Es funktioniert auch verblüffend schnell, die unkritisierten Wörter zu neuen Sätzen zusammenzufassen. Unproblematisch sind dabei möglichst kurze Sätze. Subjekt Prädikat. Fertig! Konjunktionen, Adverbien, Adjektive, Füllwörter, alles unnötiger Ballast!
Fünf Seiten Prolog zu einer einzigen zusammengefasst, das ist die geforderte Konzentration auf das Wesentliche.
Erwartungsvoll gleitet mein Mauszeiger zu Endprüfung über das blütenweiße Ergebnis. Sollte da jetzt nicht bei jedem Satz ein kleiner Lobtext aufblinken? Gut gemacht! Perfekt! Genial! So etwas wäre für einen Autor hilfreich.
Meine Frau soll es einmal gegenlesen, dann bekomme ich das Lob bestimmt von ihr. Wieso runzelt sie die Stirn? Suboptimal findet sie die Überarbeitung, wobei sie ein Wort gewählt hat, das mit Sch … anfängt.
Hmm? Sollte das so nicht funktionieren? Aber Papyrus hat doch …
Da werde ich doch einmal erfolgreiche Autoren gegenprüfen.
Nele Neuhaus, die kann das! „Schneewittchen muss sterben" habe ich als eBook. Dann mal die ersten Seiten in Papyrus laden und sehen, wie die das macht.
„Die rostige Eisentür war schmal und führte steil nach unten."
Waas? Neele Neuhaus begeht im ersten Satz vier Kardinalfehler? So weit ich weiß, ist „Schnewittchen" ihr Erstlingswerk, da kann das schon mal passieren.
Fitzek, der ist ein alter Hase, der kann das. Seinen neuesten Psychothriller „Das Paket" habe ich auch. Mal sehen!
Ich glaube es nicht! Fitzek, was hast du da gemacht? In den ersten 7 Zeilen 8 Wortwiederholungen, 3 Konjunktionen, 4 passiv, und dann auch noch Adjektive. Das Schlimmste aber, schon der zweite Satz bestehend aus 41 Wörtern und ist komplett rot unterkringelt. Der dritte Absatz wird als schwer lesbar orange hinterlegt.
Meine Papyruswelt droht aus den Fugen zu geraten!
Ja ja, wenn ich hier im Forum Rat suche, ich weiß schon, was kommt.
„Das ist ja nur als Hinweis gedacht, es einmal zu überprüfen! Ein Genie macht es automatisch richtig! Es gibt da keine Faustregel, ein guter Autor muss selbst …! Es kommt immer auf den Einzelfall an! Natürlich darf man nach individueller Abwägung …! Die gute Mischung machts!"
Siehste, hab ich mir genauso gedacht. So schlau wie vorher!
Liebe Leser dieses Beitrags, Leidensgenossen und mitleidige Autorengenies, ich gebe zu, an einigen Stellen dieser Episode habe ich dramaturgische Übertreibungen hineingebracht. Minimal! Ein Krimiautor darf so etwas!
Fragen bleiben trotzdem: Ist es sinnvoll, Stilprüfungen bis zur Endkontrolle durchzuführen? Wieviel Farbe darf stehenbleiben? Mein Umgang mit Papyrus muss jedenfalls komplett überdacht werden. Wie geht ihr denn damit um?
Folgendes möchte ich auch gerne wissen: Nutzen Verlage oder Literaturagenten dieses Tool, um sich einen schnellen Eindruck über eingereichte Manuskripte zu verschaffen?
Angeblich haben die ja nur 10 Sekunden Zeit für die Leseprobe. Damit hätten sie „Das Paket" nach drei Sekunden wieder zugeklappt. Fitzek darf das! Welche Bedeutung hat dann ein buntmarkierter schwer lesbarer Abschnitt für das Gesamtwerk?
Für gute Ratschläge und Tipps habe ich offene Ohren!
Darf ich ja so nicht schreiben.
Für Ratschläge Tipps ich Ohren.
So ist es perfekt!