Starke weibliche Charaktere

Nabend!

In den letzten Jahren will uns vor allem Hollywood immer wieder starke weibliche Figuren schmackhaft machen und wirbt damit. Das Problem: „Stark“ ist Auslegungssache und vor allem meist die einzige Eigenschaft, welche die Damen angedichtet bekommen (vor allem im Popcorn-Kino). Meine Frage daher vor allem an die Userinnen: Was macht eine gute weibliche Figur aus? Was wünscht ihr euch? Und als Bonusfrage: Glaubt ihr, dass Männer gute Frauenfiguren schreiben können und umgedreht? Gerne mit Beispielen.

Ich bin gespannt auf die Antworten. Ich habe die klassischen Femme Fatale schon lange satt und würde gerne wissen, welche Eigenschaften euch reizen. :slight_smile:

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Na, wenn das mal keine Büchse der Pandora ist:roll_eyes::wink:
Deine Fragen beantwortet wahrscheinlich jede/r anders.

Für mich: Frauen- und Männer- und auch alle anderen Figuren, die in einer Geschichte vorkommen, sollen glaubwürdig sein und zu ihrer jeweiligen Rolle passen.
Wenn es zur Geschichte und/oder zur Rolle passt, können Frauen - und alle anderen Figuren - z.B. naiv oder „mädchenhaft“, schüchtern oder albern sein. Oder auch selbstbewusst, selbstbestimmt, von sich eingenommen, arrogant. Forsch oder vorsichtig, feige oder mutig.

Die Aufzählung lässt sich fortsetzen. Hauptsache, glaubwürdig.

Was mir persönlich nicht gefällt, sind Figuren, die im Selbstmitleid baden und sich als armes Opfer sehen, immer wieder dieselben Fehler machen, immer anderen die Schuld geben usw.

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Ich liebe Frauenfiguren mit starkem Charakter und starken moralischen Überzeugungen.
Spontan fallen mir Jane Eyre und Elizabeth Bennet aus “Stolz und Vorurteil” ein.
Und Goethes Iphigenie.

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Wenn wir alle einer Meinung wären, dann bräuchten wir das Forum ja nicht. :stuck_out_tongue:
Ich mag solche Büchsen, denn zum diskutieren sind wir hier und am Ende nimmt im besten Fall auch noch jeder etwas für seine Schreibe mit. :slight_smile:

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Ich habe jetzt länger überlegt, ob mir auch Beispiele aus diesem Jahrtausend einfallen. :smiley:

Eve Dallas von J.D. Robb mag ich. Vor allem die Art, wie Eve für ihre Überzeugungen eintritt. Beispielsweise in “Tödliche Unschuld”, das ist einer meiner Lieblingsbände. Von einer Frau (Nora Roberts) geschrieben.

Die meisten Frauen in den Büchern von Dee Henderson (auch eine Frau) finde ich super. Vor allem Kate in “Die Vermittlerin”, Lisa in “Die Gerichtsmedizinerin” und Charlotte in “Zum Schweigen gezwungen”. Aber Ann Silver in “Enthüllt” ist mir schon etwas zu vollkommen.

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eigentlich dieselben Eigenschaften, die für mich auch einen guten männlichen Charakter ausmachen. Intelligent, einfallsreich, witzig, originell, abenteuer- und experimentierfreudig, bis zu einem gewissen Grad mutig, mehr oder weniger unkonventionell, mit Stärken, Schwächen und gerne auch mal ein bisschen verschroben und mit ein paar Marotten.
Halt so, dass es eine plastische, lebendige Figur mit möglichst wenig Klischees ergibt, eigentlich egal, wie man die Zutaten mischt, sie müssen glaubwürdig sein und das Gesamtpaket muss halt stimmen.

Smilla aus ‘Fräulein Smillas Gespür für Schnee’ fand ich einen sehr gut gelungenen, starken weiblichen Charakter (im Buch, nicht im Film; der war mit Julia Ormond eine totale Fehlbesetzung), und hat mit Peter Hoeg einen männlichen Autor. Oder die alten Miss Marple Filme, die originalen mit Margaret Rutherford, ein sehr starker, weiblicher Charakter.
Und Harry Potter ist ein starker männlicher Charakter, der von einer Autorin erschaffen wurde.

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Ich finde das ist ein wichtige Thema, weil wir nach wie vor in einer von Männern dominierten Welt leben, auch, wenn sich in den vergangenen Jahren ein Bewusstsein dafür entwickelt hat, ist es nach wie vor so, dass intelligente, erfolgreiche und selbstbewusste Frauen in Beziehungen mit Männer feststecken, die sie erniedrigen und kontrollieren und die sie nicht verlassen. In zu vielen Bereichen gibt es noch immer eine Gender-Lohnlücke.
Ich arbeite als Erzieherin und höre von Kolleg:innen nach wie vor, dass es eine Schande sei, dass sich die voll berufstätige Mütter nicht um ihr Kind kümmern, wohingegen das bei Männern niemals in Frage gestellt wird. Über die Hälfte der Kinder erzählen, dass ihre Mama arbeitet, kocht, ihr Zimmer aufräumt, mit ihnen auf den Spielplatz geht und dass der Papa eben arbeitet. Wenn man ein Paar besucht und der Boden ist nicht gewischt, dann ist der erste Gedanke nicht, warum hat er nicht mal den Mopp in die Hand genommen, sondern der Großteil denkt an sie.
Frauen werden nach wie vor auf ihr Äußeres reduziert und tun auch selbst einiges dafür, dass das so ist. Doch die Medien sprechen tatsächlich bei so einer erfolgreichen und wichtigen Frau, wie Angela Merkel darüber, welche Kleidung sie trägt oder ob sie einen neuen Haarschnitt hat. Bei Emmanuel Macron hat das bestimmt noch keiner gemacht.

Daher finde ich starke, weibliche Charaktere sehr wichtig, da sie uns ganz unbewusst eine Brille aufsetzen und unseren Blick für dieses Thema schärfen können. Doch ich mag es nicht, wenn Frauen als stark (oft schon überstark) abgebildet werden und das auf Kosten des Mannes geht, der im Umkehrschluss dumm, sexistisch oder selbstgefällig dargestellt wird, damit die Frau besser dasteht. Ich mag Frauen, die mich inspirieren, die ihr Glück in die eigene Hand nehmen und die ihren Weg nicht finden, weil sie Frauen sind, sondern Menschen. Versteht man das?o_O

Spontan fallen mir ein paar Frauen ein, die mich nachhaltig beeindruckt haben (ist zwar filmlastig, aber das sind ja auch Geschichten…)
Allen voran:
*Furiosa in Mad Max Fury Road. Ich weiß, ist eigentlich nur ein Actionkracher, aber Furiosa ist eine gebrochene, starke, entschlossene Frau, sie ist zornig, wegen dieser Welt in der sie lebt und sie handelt. Do or Die. She fuckin kicks ass! :wink: Ich finde sie authentisch und das gefällt mir an ihr. Und ich feier diesen Film, das ist einfach ein absoluter Actionbanger!
*Sandra Bullock in ‚The Blind side‘, absolut toll, wie sie diese liebende Löwenmutter spielt, die einsteht für Gerechtigkeit und für all ihre Kinder.
*Lagertha aus Vikings: Ich liebe Lagertha und WTF wie konnte Ragnar so eine Frau für einen weiteren Sohn verlassen?
Und weil es schon so spät ist, der Rest nur noch so aufgelistet…
*Erin Brockovich
*die March Schwestern aus Little Women (allen voran Joe :heart_eyes: )
*Katniss Everdeen - Tribute von Panem (irgendwie kitschig, aber sie hat schon Feuer)
*Brienne of Tarth – GOT (Ich liebe sie und werde nie vergessen, wie sie den Hound krass abgewatscht hat)

Ich versuche übrigens wirklich, keine patriarchalischen Strukturen in meinem Roman zu etablieren, aber das ist sehr sehr schwer, denn viele Dinge sind für mich so selbstverständlich, dass ich wirklich die patriarchalische Brille aufsetzen muss, um die scharf zu sehen. Ich hoffe, dass die Menschheit in einem weiteren Jahrhundert nicht mehr über solche Dinge diskutieren muss und tatsächliche Gleichberechtigung Einzug hält.

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Die stärksten Wesen im Marvel Avenger Universum sind weiblich. Wanda Maximoff (Scarlet Witch) und Carol Danvers (Captain Marvel).

Ich kenne nicht besonders viel von den Avengers. Iron Man habe ich gesehen, und so sympathisch mir Gwyneth Paltrow als Pepper Potts auch war (wirklich sehr sympathisch), stark fand ich sie nicht. In den Dialogen intelligent und witzig, aber in ihren Handlungen letztlich doch nur die kleine Sekretärin, die dem starken Chef zu Diensten ist.

Die Agatha Christie aber nicht gefallen haben. Margaret Rutherford war für sie eine Fehlbesetzung, weil sie nicht der Romanfigur entsprach. Auch war nur der erste Film eine Miss Marple Geschichte, der zweite und dritte waren Hercule Poirot Geschichten, der vierte war Eigenbräu.
Versöhnt hatte sie sich nur mit den Filmen, weil diese ihre Bücher bekannt machten.
https://de.wikipedia.org/wiki/Miss_Marple

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Die Trilogie Erstes bis drittes Buch der Ahnen ist ein gutes Beispiel dafür, wie unwichtig es ist, ob die Hauptfigur Mann oder Frau ist! Beide Hauptfiguren sind weiblich, aber das schöne daran ist, dass man mit der Zeit gar nicht darüber nachdenkt! Natürlich gelingt einem Mann oft der männliche Charakter besser, weil er bewusst oder unbewusst, Teile von sich in die Figur mit einbringt! Dies kann aber genauso gut bei einem weiblichen Charakter gelingen, je nachdem, in welcher Form die in die Handlung eingebaut wird! Siehe Uma Thurman in Kill Bill - eine Art weiblicher Bruce Lee! Tarantino hat diese Figur bewusst so gestaltet, um gewissen Klischees den Spiegel vorzuhalten!

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Ich kann mich hier voll und ganz @Yoro anschließen: Es gibt eigentlich keinen Unterschied, ob ein Charakter männlich oder weiblich ist, er muss interessant sein. Fehlerfreie und übermenschliche Charaktere sind langweilig. Wie ich schon mal in einem anderen Thread geschrieben habe sind viele der Filme in den letzten Jahre nach dem Muster gestrickt übermächtige Frau, kann alles, macht alles, rettet nebenbei die Welt und die männlichen Figuren sind entweder böse, Trottel oder Stichwortgeber für die Protagonistin. Das kann ich mittlerweile nicht mehr sehen. Oder wenn zwanghaft „starke Frauen“ mit Gewalt überall eingebaut werden müssen aus political correctness, zum Beispiel die neue James Bond. Eine neue Top-Agentin in einem anderen Kontext wäre toll gewesen, aber James Bond zu verbiegen, das muss nicht sein. Das hat den Beigeschmack von Umerziehung und erweist dem Anliegen, Frauen sichtbarer zu machen, m. E. einen Bärendienst. Aber auch das wird sich wieder einpendeln und es wird dann auch wieder Bücher und Filme ohne ideologische Überfrachtung geben, ohne das je nach Interessenlage bei jeder Besetzung entweder eine patriarchalische Verschwörung alter, weißer Männer oder perfide feministische Agenda dahinter vermutet wird.
Früher gab es den edlen Ritter in weißer Rüstung und die adlige Mamsell, die alle Nase lang in Ohnmacht fiel, heute haben wir oft das gleiche mit getauschten Geschlechtern. Beides todlangweilig.

Starke Frauencharaktere waren/sind für mich u. a.:

  • Margaret Rutherford als Miss Marple: mutig, schrullig, resolut.
  • Miss Marple in den Romanen: zurückhaltend, lebenserfahren, messerscharfer Verstand, eine Dame eher der leisen Töne
  • die Protagonistin von „I care a lot“: berechnend, herrlich böse, ein rabenschwarzer Film, der nebenbei auch kräftig gegen unsere Gesellschaft und den Umgang mit alten, pflegebedürftigen Menschen austeilt.

Und zu deiner Bonusfrage: Klar, warum sollten Männer keine guten Frauenfiguren oder umgekehrt schreiben können? Wir schreiben über Psychopathen, Verbrecher und Killer ohne welche zu sein (hoffe ich jedenfalls) oder über Vampire, Werwölfe und Aliens, da sollte auch das kein Problem sein. Abgesehen davon gibt es weder die Frau, noch den Mann, wir sind alle höchst individuelle Menschen, d. h. im Grund ist jede Charakterisierung zulässig und möglich.

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Ich oute mich hier an dieser Stelle mal als Schreiberling-in, der es total schwer fällt, glaubhafte weibliche Charaktere zu schreiben. :thinking::cry:
Meine Jungs und Männer sind interessant, vielschichtig, teilweise witzig, verschroben… Menschen halt. Aber meine weiblichen Charaktere wirken eher wie flache Abziehbildchen. Woran das liegt, keine Ahnung.
Ich habe den Rat bekommen, sie einfach so zu schreiben, als seien sie Männer. :kissing: Und da gar keinen Unterschied zu machen. Trotzdem graust es mir schon ein wenig davor, wenn das erste Kapitel mit meiner einzigen weiblichen Hauptrolle ansteht. (Meine anderen drei Hauptfiguren sind Männer, und bisher besteht mein Roman den Bechdel-Test* noch lange nicht. :unamused:)

Starke weibliche Hauptfiguren sind für mich eigentlich alle Protagonistinnen der Serie Jane the Virgin, die alle unterschiedlich sind und ihre Fehler und Macken haben, aber trotzdem auch ihre eigene Stärke besitzen. (Aber Achtung, ist eine Telenovela. Das muss man aushalten können… Und am besten auf Englisch mit Untertitel gucken.)
Mir ist auch aufgefallen, dass es gerade in den 80er Jahren in den Filmen starke Frauenfiguren gibt, die nicht so furchtbar „in your face“ sind wie die heutige Masche, eine Männerrolle 1:1 mit einer Frau zu besetzen und dann zu erwarten, dass das ankommt. Da wird bei Birds of Prey dann schon bejubelt, dass endlich mal jemand einen Haargummi braucht, weil die langen Haare beim Kämpfen stören. :confused: Mir wäre es lieber gewesen, jemand hätte einen Tampon gebraucht.
Aber in den 80ern, zum Beispiel bei Terminator, Alien oder den John Carpenter Filmen, gibt es starke, weibliche Figuren, die „keine Männer“ sind. Von den genannten Beispielen finde ich auch sehr viele toll.

*Zwei weibliche Figuren mit Namen unterhalten sich über etwas anderes als einen Mann.

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Das, was @Vanessa sagt, halte ich für extrem wichtig, nämlich dass starke Frauen nicht auf Kosten minderwertiger Männer kommen. Wenn eine Figur stark erscheint, nur weil alle anderen um sie herum minderbemittelt sind, wie stark oder gut geschrieben ist sie dann wirklich? Hier gibt es ein gutes Video zur Neuverfilmung von Charlies Angels, was ich euch sehr ans Herz legen kann (Achtung, Englisch):
https://www.youtube.com/watch?v=xeX4qvP5mGg

Die schießen mir auch immer sofort ins Hirn. Hier wurde damals schon gute Vorarbeit geleistet und wenn man mal bedenkt, wie hoch Ellen Ripley aus Alien gehalten wird - auch und gerade von Männern. Und das Obwohl sie am Ende des Films in Unterwäsche gegen die Bestie gekämpft hat.

Ich bin schon auch irgendwie der Meinung, dass es keinen Unterschied machen sollte, welches Geschlecht ein Charakter hat, und dass ob gut oder schlecht nicht davon abhängt. Unterminiert das aber nicht auch Probleme, die nur weibliche Charaktere haben können? Sei es Ungleichbehandlung im Job, eine mögliche Vergewaltigung (wo Frauen ja nun deutlich häufiger Opfer sind) oder körperliche Aspekte, die Männer nicht haben. Versteht mich nicht falsch, die Antwort ist absolut valide und ich behaupte, in meinem Manuskript auch gute Frauen untergebracht zu haben, aber es nimmt dem Ganzen doch etwas den Druck vom Kessel und man könnte behaupten, es wäre ja gut und billig zu sagen, die Figuren sollten einfach gleich sein, Mann wie Frau.

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Meiner Meinung nach steht männlichen Autoren da eine gewisse Zurückhaltung gut an.
Ich habe mal ein Buch halb gelesen, in dem ein männlicher Autor fast eine Seite lang beschrieb, wie sich Menstruationsbeschwerden für die weibliche Hauptperson anfühlten. [Jugendbuch aus den Achtzigern? War es Arnulf Zitelmann, oder unterstelle ich ihm das jetzt fälschlich?] So etwas finde ich jedenfalls total unangemessen, zumal es mit der Handlung des Romans überhaupt nichts zu tun hatte.

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Das finde ehrlich gesagt schwierig. Ja, ein Mann kann das nicht aus eigener Erfahrung schreiben, aber er kann recherchieren, zig Frauen fragen, wie sie es erleben und es dann trotzdem noch relativ gut zu Papier bringen und von jemandem, der menstruiert, gegenlesen und absegnen lassen. Das Gleiche könnte man auch umgedreht sagen: Wie könnte eine Frau den Schmerz beschreiben, den ein Mann erfährt, wenn ihm saftig in die Weichteile getreten wird? Oder wie kann irgendjemand schreiben, wie es sich anfühlt, sich das Bein zu brechen, wenn man sich das Bein noch nicht gebrochen hat? Ich verstehe deinen Unmut, aber ganz so einfach ist es nicht, auch wenns natürlich an dieser Stelle Fehl am Platze ist, wenns nicht ins Buch passt. :slight_smile:
Es kann ja nämlich auch sein, dass es eine Coming-of-Age-Geschichte ist, wo man sich zwangsläufig mit sowas auseinandersetzen muss. Dann müsste man ja auch sagen, ein Mann könnte niemals die möglicherweise schamvolle Situation beschreiben, in der sich eine junge Frau befindet, wenn sie das erste Mal ihre Tage hatte. Mit genug Empathie und Respekt kann, so finde ich, nahezu alles schreiben, unabhängig vom Alter.

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Wenn es keine Rolle spielt, raus damit. Aber wenn man als männlicher Autor nicht über Menstruationsbeschwerden schreiben soll, selbst wenn man alle seine weiblichen Verwandten/Partnerinnen und Internetforen konsultiert hat, wie sich das anfühlt… Dann sind wir wieder am selben Punkt wie im Kriegsgeschichten-Thread: Was darf ich dann noch schreiben, ohne es selbst erlebt zu haben? Das wichtigste ist hier doch Empathie. Und Glaubwürdigkeit. Die würde ich niemandem per se absprechen, nur weil das Geschlecht nicht stimmt. Dass der Autor es offensichtlich nicht gut gemacht hat steht auf einem ganz anderen Blatt. Selbst Frauen haben ja nicht alle dieselben Menstruationsbeschwerden und können nachvollziehen, wie sehr andere Frauen darunter leiden oder nicht leiden. Aber ich wollte jetzt kein Menstruationsthema aufmachen, sondern nur verdeutlichen, dass ein fehlendes Haargummi nur die Spitze des Eisbergs fehlender weiblicher Perspektive ist.

Edit: Hat sich mit @Maxe überschnitten…

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Ja, das fände ich genauso unangemessen.
Ein Autor (egal ob männlich oder weiblich) muss auch nicht immer alles bis in alle Einzelheiten auswalzen, man darf auch mal etwas der Fantasie der Leser überlassen.

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Meiner Meinung nach verfügen gute Autoren auch über Einfühlungsvermögen oder, moderner ausgedrückt, Empathie. Nur wer diese Eigenschaften mit sich bringt, kann, denke ich, authentische Charaktere, ganz egal ob männlich oder weiblich, zum Leben erwecken. Wir alle sind in der Lage, die gleichen Gefühle zu fühlen, und wissen oder können spätestens nach reichlicher Introspektion nachvollziehen, welche Erfahrungen uns wie geformt haben. Es sollte also möglich sein, uns auch in unsere Charaktere hinein zu fühlen - auch in solche, die unserem eigenen biologischen Geschlecht nicht entsprechen.

Ich finde, es ist unabhängig von unserem biologischen Geschlecht, ob und wie ein Erlebnis oder eine Kombination von Erlebnissen uns langfristig beeinflusst. Viel größeren Einfluss darauf nehmen

  • Gesellschaftliche Normen,
  • die Sprache und die Metaphern, die darin verwendet werden (hoppla die Linguistin kommt durch)
  • und nicht zuletzt: welche Einstellungen unsere Erziehungspersonen sowie unsere häufigen und engen Kontakte haben.

Ich bin der Meinung, dass Autoren und die Geschichten, die sie erzählen, nur davon profitieren können, wenn sie sich dieser Hintergründe wenigstens grundlegend bewusst sind. Sind wir das, spricht nichts dagegen, dass auch männliche Autoren, starke weibliche Charaktere zeichnen können - vorausgesetzt sie fallen nicht stereotypischem Denken zum Opfer. Denn Charaktere, die nicht mehr als ein Stereotyp sind, sind mMn nicht nur vorhersehbar und damit langweilig, sondern regen mich als Leser auch wahnsinnig auf. Weder möchte ich von einem männlichen Charakter lesen, der nichts anderes als drauf hauen kann, nur ficken will, jedem Weib auf die “Titten” glotzt, glaubt er ist der Herrscher der Welt und keine anderen Emotionen als Freude und Ärger kennt (außer es ist eine Parodie und soll zeigen wie bescheuert die Annahme ist, das Männer so und nicht anders sind); noch möchte ich von einem weiblichen Charakter lesen, der vom starken Mann beschützt werden muss, naiv und ein wenig dümmlich ist, ständig in jeden Spiegel schaut und sich die Haare zurecht zupft und bei jeder Kleinigkeit weint oder hysterisch wird.

Wenn ich ganz ehrlich bin, finde ich auch, dass wir, als Verfasser von Texten, die (hoffentlich) von den verschiedensten Menschen gelesen werden und diese Leser berühren, auch ein bisschen in der Verantwortung stehen, das Narrativ von Stereotypen nicht zu bedienen (wie gesagt mit Ausnahme davon, wenn es eine Parodie ist), sondern im besten Fall, den Lesern und insbesondere auch jungen Lesern zu zeigen, dass Menschen unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem biologischen Geschlecht, ihrem Glauben, ihrem Gender, ihrer Sexualität und was es alles noch so für Schubladen gibt, vielschichtige Individuen sind.

Wenn schon die Gesellschaft Jungen und Mädchen (leider immer noch) in Zwangsjacken von blau vs pink und hart vs schwach und Naturwissenschaften vs Geisteswissenschaften etc zwängen möchte, ist es dann nicht toll, wenn ihnen zumindest in den Geschichten, die sie rezipieren, keine Grenzen dieser Art mehr gesetzt werden? Sondern sie im Gegenteil gezeigt bekommen, dass Mädchen auch manchmal Probleme haben, Gefühle zu zeigen, aggressiv, analytisch oder abgeklärt sein können und sich manche Mädchen genauso für Mathe begeistern wie Jungs? Oder dass Jungs ebenso das ganze Spektrum an Gefühlen erleben, es völlig normal ist, dass auch sie mal weinen und daran absolut nichts schlechtes oder schwaches ist? Dass sie es lieben können zu tanzen, ohne gleich homosexuell zu sein, oder ihre Freunde umarmen, Zuneigung ausdrücken oder anderen Jungs/Männern Komplimente machen können/dürfen, ohne “no homo” sagen zu müssen?

Sollte irgendwann etwas von mir veröffentlicht werden, dann hoffe ich, damit zu der “Öffnung von Gedanken” beizutragen und Engstirnigkeit und Schubladendenken entgegenzuwirken. Und ich finde eben das macht starke Charaktere aus: Authentizität, Stimmigkeit, Nachvollziehbarkeit, Vielschichtigkeit und Freiheit von oder aber ein gekonntes Spiel mit Stereotypen.

Einzelne Charaktereigenschaften für sich gesehen haben damit meines Erachtens nach nur wenig zu tun.

Also was ist eine starke Frau? Darauf gibt es keine pauschale Antwort. Am ehesten möchte ich sagen: Eine starke Frau ist das, was auch immer sie sein will. Und genau das gleiche trifft auch auf starke Männer zu.

Und da das wahrscheinlich nicht hilft: Schau dich um, ich bin mir sicher, es gibt Frauen in deinem Leben, die du bewunderst. Nimm sie als Beispiel, rede mit ihnen, frag, was sie bewegt, was sie stört, was ihnen schwer fällt, worauf sie stolz sind, wie sie sich selbst beschreiben würden und, meiner Meinung nach auch ganz wichtig: was ihr Schwächen und Unsicherheiten sind (und wie sie damit umgehen), denn ist es nicht wahnsinnig stark und bewundernswert, wenn ein Mensch sich nicht von Ängsten beherrschen lässt? Oder seine Ängste manchmal auch einfach nur überlebt?

Das war jetzt ein bisschen viel, aber vielleicht ist mein Blickwinkel ja auch interessant zu lesen. :slight_smile:

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Ich finde zum Beispiel auch, dass ein starker Charakter auch nicht (all) diese Eigenschaften mitbringen muss. Warum nicht mal einen starken Charakter entwerfen, der mit weniger Intelligenz gesegnet ist, dafür aber immer positiv/optimistisch bleibt, nie aufgibt, andere mitreißt und starke Ideale hat?

Das fände ich persönlich auch mal spannend. Ich denke, man kann noch viel mehr spielen und andere starke Typen entwickeln, die eben nicht dem allgemeinen typischen Verständnis von “stark” entsprechen.

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