Die Nacht war grausam, man hatte Rosi ins Krankenhaus geschafft, dort wurde sie sediert, weil der Arzt der Meinung war, sie wäre in Gefahr. Deshalb war sie eingeschlafen, aber in der Nacht wurde sie wach, das Mittel reichte nicht weit und erschrak zunächst, wo sie war, aber als sie gewahr wurde, das dies ein Krankenhaus war, beruhigte sie sich wieder.
Sie hatte ein Einzelzimmer, war zwar kein Privatpatient, aber das waren besondere Umstände. Es war noch dunkel, ein Blick auf ihre Uhr verriet ihr, es war erst 3:00 Uhr. Sie ging erst einmal zur Toilette, die im Flur war und dann wieder aufs Zimmer zurück, der Gang war leer, Niemand unterwegs. Sie setzte sich wieder aufs Bett, suchte ihr Handy, fand es aber nicht. Gut, sie starrte zum vergitterten Fenster, das Zimmerlicht hatte sie gelöscht und sah in die Dunkelheit draußen, die von ein paar Lampen zerrissen wurde. Was war geschehen, sie grübelte, es war ein weißer Nebel in ihrem Kopf, das waren bestimmt die Pillen, die man ihr gegeben hatte. Sie sah verschwommen, dass er fiel, ganz tief, ohne ein Laut, dann platschte es und er war weg. Ja sie hatte das getan, sie hatte ihn einen Schubs verpasst, nun war er weg, das Leiden hatte ein Ende, aber was wurde nun, was würden die tun, bekämen sie heraus was sie getan hatte. Würde sie weggesperrt werden, würde man ihr etwas nachweisen können. Aber selbst dann könnte sie immer noch behaupten, sie wäre gestrauchelt. Nein, beschloss sie, sie würde diese Rolle weiter spielen, wie jede andere Rolle, wäre sie noch zu blöd. Und es würde aufhören, das Kind noch austragen, abgeben und dann würde sie nie wieder ein Mann anfassen, außer im Film. Und auch diesmal würde sie eine Drehpause von etwa 3 Monaten haben, alles würde gut werden, beschloss sie und legte sich zufrieden wieder hin.
*
Was sollte sie tun, hierbleiben, oder nach Hause fahren? Nach dem Krankenhaus war sie wieder im Quartier, es waren bereits drei Tage vergangen und sie hatten noch keine Leiche gefunden. Mehrmals befragt und immer das Gleiche gehört haben sie, die Polizei sie dann ins Quartier gefahren und sie haben es sicherheitshalber einmal durchsucht. Aber es gab ja überhaupt keinen Verdacht in keinster Hinsicht und ohne Leiche ließ sich recht wenig machen.
Also blieb es ihre Entscheidung, ob sie den Urlaub fortsetzen würde oder abfuhr. Klar das Zimmer musste bezahlt werden so oder so. Sie war sich überhaupt nicht schlüssig, also ging sie erst einmal wieder spazieren, irgendwohin, sie hatte überhaupt keinen Plan. Der Kopf war leer, sie dachte an nichts, aber ein Gefühl der Freiheit bemächtiget sich ihrer. Sie war frei, endlich frei.
Plötzlich war sie an der Talstation der Bergbahn, gut sie wollte hochfahren, diesmal war es leer, sie kaufte eine Karte, hin und zurück und begab sich zur Gondel, die auch fast sofort erschien. Einsteigen, es waren nur 8 Menschen mit ihr in der Gondel und losging es, den Berg hinauf, vorbei an die letzten Häuser dann durch die Schneise des Waldes und immer wieder lief unten ein Weg entlang, auf dem sich Wanderer bewegten. An einem Mast schaukelte die Gondel, ihr wurde ein wenig schwindelig, aber es war zu ertragen. Oben kam die Sonne raus, es wurde wärmer …
Oben hatte sie einen wunderbaren Blick auf die Bergwelt diesseits des Sees und die Karawanken auf der anderen Seite des Sees. Herrlich, die Sonne war schon am Absteigen, der See schimmerte silbrig und über ihr flogen die Paragleiter. Sie beschloss, ein wenig zu gehen, bis zur Hütte waren es 45 Minuten, das wäre nicht zu viel und auch nicht zu wenig. Zunächst ging es ein wenig bergab, dann folgte sie dem Weg, der zur Hütte führte.
Nach etwa 10 Minuten erschien rechts der See, der Bergsee, da wollte sie erst einmal hin. Er war glasklar, spiegelglatt, Seile verrieten das er entweder irgendwie befahren wurde oder das man was hinüberziehen konnte. Sie nahm einen Moment platz, atmete tief durch, die Luft war rein und klar und es duftete irgendwie frisch.
Ihr war, als fiele alles von ihr ab, die Schwere, der Ballast, der an ihr hing, sie hatte eine Entscheidung getroffen, nicht unbedingt die Richtige, im Sinne des Rechts, aber aus ihren Rollen wusste sie, das musste erst einmal bewiesen werden. Trotzdem kam Scham in ihr hoch, das war nicht recht getan. Stop, schalt sie sich, das Andere war auch nicht recht und wie wenig sie sich eigentlich hätte schämen müssen, das würde sich später erst herausstellen.
Sie brach erneut auf und wanderte nun den schmaler werdenden Weg, der nach dem Wald einen wunderbaren Blick auf den See und die Karawanken auf der anderen Seite freigab, die Hütte war schon zu sehen, sie musste noch über eine Weide, die eingezäunt war und üblicherweise mit Tore versehen, damit die Kühe, wie seinerzeit beid der Nord – Ostseebahn sich nicht auf den Weg, dort nach Hamburg und hier zum See machten. Es waren trotz der Pause keine 45 Minuten und in der Baude war noch lebhaft betrieb.
Sie ging gleich rein, holte sich diesmal zu Essen, was sie begehrte und ein Bier, nahm an einem leeren Tisch draußen Platz und begann das Essen sowie das Trinken in Ruhe und Gelassenheit zu genießen.
Es dauerte gar nicht lange, dann war sie nicht mehr alleine, eine Truppe, gemischt, Männer und Frauen in höherem Alter nahm platz, sie fragten natürlich und dann ging das mit dem, was essen wir los und drei der Herrschaften machten sich auf den Weg das Gewollte zu ordern und herzubringen. In der Zwischenzeit unterhielten sich die restlichen Drei belangloses Zeugs, sie hörte nicht hin.
Die anderen drei kamen wieder, setzten Speis und Trank ab und der Mann, der sich neben sie setzte, ein Endfünfziger, etwas fülliger, lustig anmutender Mann, der sah sie plötzlich an.
„Sagen sie mal, Verzeihung, ich bin der Klaus aus Berlin, sind sie nicht eine Schauspielerin aus der Serie das Krankenhaus? Die Kleine, die mit dem Arzt, sie sehen aber reichlich anders aus, alles Schminke, im Film?“
„Nun lass sie mal in Ruhe essen, ich glaube auch, dass sie das ist, aber gib mal Ruhe.“, warf ein Anderer ein und alle beschäftigten sich erst einmal mit dem Essen.
Das war schön, sie wurde nicht ganz erkannt, die Leute sind so fangeil, so führeraufblickend, ob das in Frankreich auch so ist oder in Italien. Es ist doch nur ihr Beruf, den sie gerne machte, leidenschaftlich, aber deshalb war sie nicht sie nicht besser als ein Lokführer oder eine Krankenschwester. Sie war auch nicht die Heldin, die eine Seuche aufrief und alle mit Mundschutz und Nichtstun retten würde. Irgendwer hatte mal gesagt, die Menschen brauchen einen Feind und einen den sie anhimmeln können. Eine Leitfigur, Führer sagt man heute nicht mehr. Sie hatte das damals verneint, aber langsam glaubte sie, das würde stimmen. Die Wandergruppe ließ sie nun in Ruhe, aßen und schwätzten, wie die Schwaben sagen und als sie fertig war, nach einer kleinen Verdauungspause beschloss sie zurückzuwandern, in 2 Stunden würde es dämmern und da wollte sie sicher unten sein.
„Auf Wiedersehen, ja bin ich, bis zur nächsten Staffel dann.“ ,verabschiedete sie sich. Die würde gedreht werden, wenn sie zu Hause war, in etwa zwei Wochen, in fünf Monaten waren sie durch, dann wurde es auch höchste Zeit, sie würde dann rund werden und sie war rausgeschrieben, aus der Serie.