Al-Ma’arri
Bei meinen Recherchen zur Literatur des arabischen und persischen Kulturkreises bin ich auf vieles gestoßen, was mich erstaunt hat. Am meisten frappiert hat mich jedoch die Begegnung mit Al-Ma’arri. Mit seiner Biografie, wohlgemerkt, nicht mit seinem Werk. Von diesem sind lediglich Auszüge ins Deutsche übersetzt, wenngleich er unter belesenen Menschen als einer der bedeutendsten Dichter und Philosophen seines Kulturkreises gilt.
Al-Ma’arri stammte aus Syrien und war seit seinem vierten Lebensjahr blind. Dennoch galt er als außerordentlich gebildet.
Er weigerte sich, seine Werke zu verkaufen und wurde dennoch berühmt und wohlhabend.
Er verließ nie sein Haus, lebte strikt vegan und weigerte sich zu heiraten, damit er keine Kinder in eine Welt voller Katastrophen setzen würde.
Er war Freidenker und lehnte jede Gewalt ab. Er wandte sich gegen Traditionen und Gebräuche, die um ihrer selbst willen gepflegt werden und setzte sich im Namen der Vernunft energisch gegen alle religiösen Dogmen zur Wehr. Folgerichtig bedachte er alle Weltreligionen gleichermaßen mit seinem skeptizistischen Spott. Ja, er schrieb sogar so etwas wie eine Parodie des Koran!
In der islamischen Welt ist er daher äußerst umstritten. Seine Werke wurden beispielsweise 2007 in Algier von einer internationalen Buchmesse verbannt.
Das Erstaunlichste daran ist: Dieser Abu-l Ala al-Ma’arri lebte von 973 bis 1057 (nach europäischer Zeitrechnung). Also zu einer Zeit, als die Christenheit nach der karolingischen Renaissance im Begriff war, ins finsterste Mittelalter von Analphabetismus und Hexenverfolgung abzutauchen.
Ich wünschte, ich könnte arabisch, um seine Werke lesen zu können.