Seitenwind Woche 6: Kannst du die Zeit anhalten?

Die erste Begegnung

Der Geruch ihres Blutes stieg mir unverhofft verführerisch in die Nase. Nie zuvor hatte ich einen solchen Geruch wahrgenommen. In meinem Alter sollte das etwas heißen. Nach zig Jahrhunderten gab es tatsächlich etwas, das ich nicht kannte?
Ihr Blut war in Wallung und der Geruch mischte sich mit Schweiß und einem leicht anhaftenden Parfum. Es unterstrich ihren lieblichen Duft mit einer gewissen Süße, daher ging ich sofort davon aus, eine Frau sei der Ursprung dieser Verlockung.
Ich wagte mich näher an die Szenerie im Wald heran, traute mich kaum, dem Kribbeln in meinem Bauch auf der Spur etwas Neuem zu folgen.
Sie rannte um ihr Leben!
Dieser Augenblick war wie der Urknall in meinem Leben, denn ich entschied binnen Bruchteilen einer Sekunde, ihr zu helfen. Ohne wirklich eine Wahl zu haben, stoppte ich ihren Verfolger und trieb ihn in die Flucht. In meinem Alter sollte man bedachter an jede Situation herangehen.
Was wäre wohl geschehen, wenn ich mich nicht eingemischt hätte? Wäre sie dem Wolf zum Opfer gefallen, der als Mensch entschieden hatte, einen anderen Menschen zu jagen? Oder wäre sie der Kälte erlegen, als sie ohnmächtig an meinem Gartenzaun zusammenbrach? Die Hetzjagd schien zu lange für sie gedauert zu haben.
Wäre ihr Duft nicht vom ersten Augenblick an so besonders für mich gewesen, hätte ich mich niemals mit einem Werwolf angelegt. Ich hätte sie nicht mit in mein Haus genommen, bis sie wieder aufgewacht war. Ich wäre ihr nicht nachgestiegen wie ein Stalker oder ein Abhängiger seiner Droge. Ich hätte sie nicht so sehr lieben gelernt und hätte nie erfahren, was es heißt, geliebt zu werden. Diese Art der Liebe hatte ich in zweitausend Jahren nie gekannt. Bis sie mich völlig unvorbereitet getroffen hatte.
Ich hätte niemals eine so schöne Zeit mit ihr erleben können. Ich hätte damit aber auch keine Prophezeiung eingelöst, die die dunkelsten aller Mächte wieder hervorgeholt hatte. Es wären niemals so schreckliche Dinge passiert.

Und ich würde jetzt nicht an ihrem Grab stehen, an eben jener Stelle hinter meinem Haus, an der alles begonnen hatte, und mich einsamer als je zuvor fühlen.

Die Magie des Baumes

Wenn man von Wädenswil über den Hirzel nach Sihlbrugg fährt, durchquert man eine Postkartenlandschaft. Diese einzigartige Gegend mit den weichen, sanften Hügeln, auf deren Kuppen eine Linde steht, ist von nationaler Bedeutung. Es sind Erinnerungsbäume, welche bei der Geburt eines Stammhalters gepflanzt wurden. Es kursieren auch Sagen und Mythen über diese einzigartige Gegend.
Eine Sage erzählt von zwei Bauern, die sich dauernd mit den Nachbarn stritten, die mehr Land und damit mehr Geld verdienten als sie. Ein kleiner Teufel, der zufällig des Weges kam, fragte, ob er ihrem Kummer abhelfen könne. Die Bauern lachten ihn nur aus. Der Kleine solle sich zum Teufel scheren. Dieser war schwer beleidigt und beriet sich mit seinen Brüdern. Die waren sich schnell einig. Gemeinsam drückten sie mit ihren Schultern die Erde nach oben. Immer weiter und weiter. Zuerst freuten sich die Bauern an dem gewonnenen Land. Bald waren die Hügel aber so steil, dass sie nicht mehr bewirtschaftet werden konnten. In ihrer Not liefen sie zum Pfarrer, der ihnen nach einer schweren Schelte riet, auf jedem Hügel eine heilige Linde zu Pflanzen. Damit sei die Gefahr zu bannen. So war es denn auch und die Teufel fuhren wieder in die Hölle zurück. Man hat nie wieder von ihnen gehört. So berichtet es die Legende.

Auch Karl und Grete folgten diesem alten Brauch und pflanzten zu Ehren ihres Erstgeborenen eine Linde auf einem der Hügel. Das zarte Bäumchen gedieh prächtig. Es war schön zu sehen wie er sich gegen die Unbilden der Natur durchsetzte und langsam zu einem Baum heranwuchs. Oft setzten sie sich bei einem Spaziergang zu ihm und diskutierten über ihre gemeinsame Zukunft. Persönliche Umstände ergaben, dass die Familie nach Amerika auswanderte. Der Baum blieb als Erinnerung in ihrem Herzen zurück.

Vierzig Jahre später. Karl war in der Zwischenzeit gestorben. Zum ersten Mal kam Grete in ihre alte Heimat auf den Hirzel zurück. Ihr inzwischen erwachsener Sohn, der selber eine Familie hatte, war mit dabei. Der erste Blick galt dem Baum. Sie staunte, als sie ihn nach so langer Zeit auf dem Hügel stehen sah. Aus dem einst kleinen Spross war ein mächtiger Baum, mit weit auslassenden Ästen und einem dichten Blätterdach geworden, der den Hügel in seiner ganzen Kraft überstrahlte. Wie der Baum war auch ihr Sohn zu einem strammen Mann herangewachsen. Oft sassen sie gemeinsam, wie einst Grete und Karl, unter der Linde und genossen in dessen Schatten den Duft der vielen Blüten. Einmal sagte Grete zu ihrem Sohn: „Mir ist wie wenn mein Karl hier neben uns sitzt und mit uns den Moment geniesst. Die Magie des Baumes schenkt mir diese Gedanken. Ist das nicht schön?“
Der Sohn kehrte nach kurzer Zeit zu seiner Familie in Amerika zurück.
Grete starb einige Jahre später. Der Baum steht heute noch da, wo er vor einst gepflanzt wurde.

Bedingungslos

Sie hatte ihre Augen nicht abwenden können. Die Zeit war auf leisen Sohlen aus dem Raum geschlichen und hatte sie zurückgelassen. Nicht alleine, nicht einsam, aber doch fern von allem. Ja, sie war sich damals ganz sicher gewesen, dass jemand die Welt angehalten hatte. Nur für sie. Ihr Herz hatte geklopft. Ruhig, verlässlich und selbstverständlich. Und doch anders. Undeutlich hatte sie Stimmen um sich herum wahrgenommen, wie durch einen dichten Nebel. War es noch dämmrig gewesen, in jenen frühen Morgenstunden? Sie wusste es nicht mehr.

Aber sie erinnerte sich an den Geruch. Diesen sanften, unvergleichlich milchig-süßen Duft. An die warme Weichheit, als sie ihr Kind berührte. Das erste und wie sie kurze Zeit später wissen würde, das einzige Kind.
Eine nie da gewesen wärmende Zärtlichkeit hatte sie durchströmt. Ein Glücksgefühl, wie nie zuvor in ihrem Leben.
Es war der Moment, in dem sie zum ersten Mal aufrichtig liebte, in dem eine ehrliche und bedingungslose Liebe begann.

Diese Liebe zu ihrem Sohn hatte nie aufgehört, sie zu erfüllen, aber auch ständig zu fordern. Besonders jetzt, da sie schon wieder vor dem riesigen Tor stand, die vergitterten Fenster betrachtete und den mürrischen Kerl beobachtete, der ihr hoffentlich gleich den Zugang erlauben würde. Zu ihrem Sohn, der ihr schon ausdruckslos entgegenblickte durch die Gitter eines Fensters im zweiten Stock des Stadtgefängnisses.

Sie hielt ihre Tasche fest umschlungen, an den Körper gepresst und hoffte, dass sie mit dem im Kuchen eingebackenen Messerchen durch die Kontrollen kommen würde.

Wolfsreiter

Die Flamme zuckte nervös in der Öllampe und jagte Schatten über die Holzwände des Langhauses. Ruhig saß Egil Solveigh gegenüber und hielt sanft ihre, zu Fäusten geballten Hände, in den seinen fest. Er drängte sie nicht, sagte ihr nicht zum Xten Mal, dass sie es ihm doch endlich erzählen sollte. Nein. Er wartete still ab und gab ihr die Zeit, die sie brauchte.

Sich seines ruhigen Blickes bewusst, der für Solveigh wie ein unsichtbarer Halt wirkte, holte sie kaum merklich Luft. „Wir waren mit Drakr auf der Jagd. Agarwaen und ich. Als wir zurück zu der Siedlung sind, sahen wir schon von Weitem diese Rauchsäulen, die unmöglich aus den Kaminen stammen konnten. Der Jäger wies uns an, weg zu laufen. Aber ich konnte nicht. Ich konnte doch nicht einfach davon laufen!“ Nur kurz hob Solveigh den Blick zu ihrem Verlobten, als erhoffe sie sich Zustimmung. Dann sackte ihr Blick zurück auf die Tischplatte, die tiefe Furchen aufwies, die mit viel Fantasie auch Runen hätten sein können.

„Bevor Agarwaen mich packen konnte, lief ich Drakr hinterher. Ich war kleiner, wendiger als mein Bruder und er hatte Mühe mir zu folgen.“ Dieser Gedanke ließ sie für einen Moment bitter lächeln. „Am Rande der Siedlung holte er mich ein und hielt mich zurück.“ Solveighs Kopf kippte etwas auf die Seite, als könne sie sich so die Bilder wieder besser in Erinnerung rufen, die sie seither tagtäglich begleiten. „Die Häuser standen in Flammen. Einige brachen einfach so in sich zusammen, als sie dem Feuer nicht mehr Stand hielten. Ich hörte, wie die Bewohner schrien. Und ich hörte meinen Ziegenbock kreischen. Er war noch im Stall, mit all den anderen Tieren und das Dach stand bereits in Flammen.“ Als müsse sie sich jeden Moment übergeben, schüttelte es Solveigh leicht. „Ich … Wollte ihn retten. Aber Agarwaen hielt mich so fest an sich gepresst fest, dass ich mich nicht befreien konnte. Ich schlug um mich, wehrte mich, aber er ließ mich nicht los. Dann brach der Stall unter Tosen zusammen.“ Die Stirn in tiefe Falten legend, starrte Solveigh vor sich auf den Tisch. „Ich habe diesen Ziegenbock geliebt.“ Es war nicht mehr als ein Wispern und sie brauchte einige, hektische Atemzüge, bis sie weiter sprechen konnte.

„Ich sah Fadir nirgends. Er hätte mit den anderen kämpfen müssen. Aber alles was ich erkannte waren diese schwarzen Krieger mit den Wolfsfellen auf den Schultern. Sie … schlugen auf alles ein, was sich ihnen in den Weg stellte, brüllten dabei, als gäbe es kein Morgen mehr.“ Solveigh blinzelte kurz, im Versuch die Tränen zurückzudrängen. „Selbst auf Olaf schlug einer ein, schlitzte ihm einfach so den Brustkorb auf.“ Kurz flog ihr Blick zu Egil. „Er war erst neun!“

Als Egils Griff um ihre Hände fester wurde, kniff Solveigh die Augen zusammen, presste die Lippen hart aufeinander und senkte den Kopf wieder.

„Dann erkannte ich Mor. Sie kam aus unserem Haus. Sie wirkte … abwesend, so als wenn sie alles um sich herum gar nicht wahr nahm. Ihre Kleider waren zerfetzt, sie war fast nackt und ihre Haare, die sie immer so streng zusammengebunden trug, hingen wie wilder Efeu um ihren Kopf. Nach einigen Schritten blieb sie einfach stehen. Und hätte Agarwaen nicht seine Hand auf meinen Mund gepresst, hätte ich ihr zugerufen, dass sie nicht stehen bleiben soll! Dass sie hier her kommen soll, weil wir hier sind! Aber ich konnte nicht. Ich konnte mich auch nicht aus seinem Griff befreien, der mir immer mehr die Luft abschnürte. Aber Mor musste da doch weg!“ Solveigh schluckte hart.

„Dann griff sie sich plötzlich an den Hals. Ich verstand nicht warum. Erst als sie ihre Hand von sich weg hielt und auf ihre Handfläche sah, erkannte ich den Pfeilschaft, der aus ihrem Hals ragte. Sie schien eine Ewigkeit so da zu stehen, vollkommen ruhig, mit diesem Pfeil im Hals.“ Ein Zittern drang durch ihren Körper, während Solveigh sich anspannte und gleichzeitig etwas aufrichtete. „Dann verließ ein Mann das Haus. Ein schwarzer Mann, mit einem Wolfsfell. Er trat Mor einfach in den Rücken und sie kippte, wie ein gefällter Baum, nach vorn. Sie fing sich nicht ab, nichts. Und es ist unmöglich, ich weiß, aber ich hatte das Gefühl zu HÖREN, wie sich der Pfeil ganz durch Muskeln und Haut drückte. Als sei sie nichts, stieg der Mann über Mor hinweg, drehte sich um und spuckte auf ihren Leichnam. Dann riss er das Schwert in die Höhe und stieß einen unmenschlichen Schrei aus. Ich war nicht mehr fähig, mich zu bewegen. Ich merkte nicht einmal wirklich, wie Agarwaen mich in die Höhe riss und mich mit sich schleifte. Da war nichts mehr. Es fühlte sich an, als wäre die Zeit einfach stehen geblieben und es gäbe keine Vergangenheit und keine Zukunft mehr. Nur diesen Moment. Nur dieser Schmerz, der niemals enden würde.“

Verloren

„Atme Mann, atme!“ „Oh Gott William, was mache ich, wenn sie nicht kommt?“ Der kalte Schweiß stand ihm auf der Stirn. Der Kragen seines Hemdes war definitiv zu eng. Er bekam kaum noch Luft. Nervös zog er an seiner Krawatte. „Lass das und beruhige dich endlich“, zischte ihm sein bester Freund zu. „Sie wird dich hier nicht stehen lassen!“, versuchte er ihn zu beruhigen. „Sie trägt ein 10.000 Euro Kleid und hier wartet die Liebe ihres Lebens auf sie. Sie wird kommen!“ Julian nickte zustimmend. Ja, er war eine gute Partie, verdammt. Aber trotzdem nagte die Angst an ihm. Sie hatte nicht noch einmal heiraten wollen. Das hatte sie von Anfang an gesagt. Einmal reichte ihr. Aber er wollte heiraten. Wollte SIE heiraten. Also hatte er gefragt und fest mit einem Nein gerechnet. Doch sie hatte Ja gesagt! Sie hatte tatsächlich Ja gesagt! Und nun stand er hier vor dem Traualtar und wartete. Die fein herausgeputzten Freunde und die Familie vor ihm lächelten ihn aufmunternd an. Er wollte gerade wieder nach dem zu engen Kragen greifen, als die Musik plötzlich aufspielte. Und dann war sie auch schon da: ganz in weiß und einfach wunderschön. „Da ist sie ja“, lachte William laut auf. Ja, da war sie. Und während sie auf ihn zukam strahlte sie mit der Sommersonne um die Wette. Sie würde tatsächlich seine Frau werden! Und sein Herz wollte in diesem Moment vor Glück und Liebe zerspringen.

„Bitte steige nicht in diesen Flieger!“, flehte sie mit zittriger Stimme. „Ich muss, und das weißt du“, gab er barsch zurück. Genervt stopfte er die Socken in die Reisetasche. „Früher war es auch kein Problem, den Flug zu verschieben, wenn ich eine Ahnung hatte“, bettelte sie. „Verdammt Emma, ich werde diesen Flug nehmen und damit basta! Nichts wird passieren rein gar nichts.“ Als er sich aufgebracht zu ihr umwandte stand sie da, Tränen in den blauen Augen und die Arme um die Taille geschlungen. Wie immer, wenn sie kurz davor stand, die Fassung zu verlieren. Verdammt. Er musste hier raus. Jetzt! Es tat ihm weh, dass er so ein Arsch war, aber er hielt es hier nicht mehr aus. Und das bereits nach 5 Ehejahren. Tolle Leistung. Er seufzte laut, griff nach der Tasche, überbrückt hastig die Distanz zwischen ihnen und küsste sie flüchtig auf die Wange. „Ich melde mich, sobald ich gelandet bin.“

Die Tasche wog schwer in seiner Hand, obwohl nicht wirklich viel darin war. „Ich habe gerade ein Deja vu“, sagte sie lachend. Er schaute fragend zu ihr auf. „Als du vor ein paar Monaten in diesen verdammten Flieger gestiegen bist, warst du irgendwie auch auf der Flucht.“ In ihrer Stimme schwang Bitterkeit mit. Wie so oft in den letzten 6 Monaten. Er wollte etwas dazu sagen, wußte aber nicht was. „Ja, ich weiß. Du kannst dich nicht daran erinnern“, flüsterte sie. Als er ihr ins Gesicht schaute, schwammen ihre Augen in Tränen. Gott, das hier hatte sie nicht verdient. "Es tut mir leid! Aber es ist für uns beide das Beste ", flüsterte er. „Ich weiß“ Traurigkeit und Verzweiflung standen ihr in das schöne Gesicht geschrieben. Zeichneten tiefe Furchen um Mund und Augen. „Emma ich…ich habe es doch versucht. Habe alles gegeben!“, entfuhr es ihm. Seine Kehle schnürte sich zu. Er fühlte sich grässlich. Aber er konnte es nicht ändern. Da, wo die Erinnerung an ein Leben mit ihr hätte sein sollen klaffte ein tiefes, schwarzes Loch. Die beiden glücklichen Menschen auf dem Hochzeitstfoto, dass hinter ihr an der Wand hing, waren ihm vollkommen fremd. Gehörten zu einem Leben, an das er keine Erinnerungen mehr besaß…

Verbündete und Feindin

Der Himmel verdunkelte sich über uns, ein Schatten der jegliches Licht verschlang. Wie kalter Schnee fiel Asche auf uns herab, die Erde unter uns zitterte und unsere Augen brannten. Eine Kälte, bitter und zermürbend, zog die Wärme aus unseren Leibern. Wir wussten, dass daran nichts Natürliches war. Wir wurden von der Finsternis verschluckt, unsere Welt endete, soweit unsere Sicht reichte. Ich sah das Leid meines Volkes, ich hörte ihre grausamen Schreie, sie erflehten nicht das Leben, sie schrien nach ihren Liebsten, nach ihren Familien. Ein endloses Getümmel von Leibern, die unter dem Ascheregen rannten und Schutz suchten. Einst waren wir die Mächtigen, einst herrschten wir mit dem Licht. Doch nun schien unser Schicksal besiegelt zu sein, wir wurden in die Dunkelheit gestoßen, vergessen von jeglichen Gott, und unter unserem Stolz, wurden wir begraben. Mir schien, wir seien Ameisen unter einem einstürzenden Erdhaufen. Dennoch besaßen wir unsere Kraft, unser Wissen und die Macht, die man uns beneidete.
Meine Stimme erhob sich, eine Note unter dem Chaos aus Hilferufen und Schreien. Ich kämpfte gegen meinen eigenen Lugen, gegen die Angst zu ersticken, ich presste meine Stimme aus meinem Leib und versuchte ihr, Kraft zu schenken, die letzte Kraft, die ich aufbringen konnte. Schon bald kämpfte meine Stimme nicht nur gegen das Rauschen der Schreie meines Volkes an, sondern auch gegen das tiefe Grollen aus der Ferne.
Durch meine Stimme, jene Note die in mir widerhallte und sich über das bedauernswerte Getümmel meiner Sippe erhob, ergoss sich meine Macht, das Licht in mir, in die dunkle Nacht, die uns gefressen hatte. Sekunden wurden zu Minuten, Stunden wurden zu Tagen und jeder Augenblick, egal wie klein und unscheinbar, streckte sich zu einem Lebensalter. Jahre wurden zu ganze Ewigkeiten und eine Stille umfing uns. Der Untergang wurde zu der Welt, in der wir lebten, und jegliches Zeitgefühl verlor dessen Wert im Angesicht des Todes.
Aber meine Stimme, die einzige Waffe, die ich aufbringen konnte, war noch nicht verhallt, sie ertönte in der ewigen Nacht wie eine eiserne Glocke, die hoffnungsverheißend läutete.
Jahrhunderte wurden zu einem Wimpernschlag, ich sah wie die Nacht als Eis zu Boden fiel und Platz schaffte für den ersehnten Tag. Ich beobachtete wie aus Samen Keimlinge wurden, wie Bäume wuchsen und das kahle, schwarze Land besiedelten. Ich sah wie aus kleinen Setzlinge, Riesen wurden, dessen grüne Krone den Himmel scheinbar stützten wie Säulen aus Götterhand geschaffen. Im nächsten Augenblick musste ich erkennen, dass selbst Bäume nicht unsterblich waren. Jene Riesen, die ich aufwachsen sah, wurden alt und zerbrachen unter ihrem eigenen Gewicht. Ast und Laub wurden von unsichtbaren Kräften verschlungen und bald blieb nichts von den lebenden Säulen, die den Himmel scheinbar auf grüne Kronen trugen. An ihrer Stelle, wuchsen neue Sprösslinge heran, die dann auch dem Licht entgegen wuchsen. Auch sie fielen, gefällt von der Zeit selbst. Generationen von Bäumen zogen an mir vorbei, wie Vögel im Flug. Zeit war alles, Zeit war die große Bedrohung, die Rettung, sie war der Grund, Sie war der Anfang und das Ende. Mir wurde gewahr, das alleine die Zeit, Fluch und Segen war, durch ihren Fluss, gewannen oder verloren wir. Ihr unbarmherziger Zahn zermalmte die Berge und rodete die Wälder. Ich wusste, unser Ende war nur eine Frage der Zeit.
Meine Stimme verklang, sie ging über ins Nichts, die letzte Note blieb ungehört, selbst für mich. Wie eine Erinnerung an längst glorreiche Tage rückte das Lied in weite Ferne und die Zeit wurde aus einem Fluss zu einem Meer. Das Rauschen der Blätter, das zwitschern der Vögel umgab uns. Ein Wald mit grünem Dach und schwarzer Erde hieß mein Volk willkommen. Die Katastrophe hatte all unser Schaffen vernichtet, jungfräuliches Land wartete nun auf uns. Erneut würden wir die einstigen Städte neu aufbauen, erneut würden wir das Land erobern, was rechtmäßig unser war. Die Zeit würde uns darin helfen und unsere Wunden heilen, doch würde auch mit ihrem Fortschreiten, erneut der Untergang uns ereilen. Die Zeit war unsere Verbündete und unsere ärgste Feindin.

Die Geschichte ihres Todes

Auf einmal hörte sie, aus einer Sackgasse, eine Straße weiter einen lauten Knall. Sie legte sorgsam Einkaufstüten ab und lief zielstrebig in die Richtung des Geräusches. Was sie genau dazu trieb weiß sie bis heute nicht. War es wieder mal ihre unersättliche Neugierde, die ihr schon so oft Ärger einbrachte?

Wenige Meter vor der kleinen Gasse angekommen meldete sich ein flaues Gefühl im Magen. Kurz hielt die junge Frau inne, um sich dann wie ein Spion an die Wand zu lehnen, um mit überstrecktem Kopf über der Mauerkante einen Blick auf die inneren Ziegel zu erhaschen.

Gerade das ihre Augen etwas vernehmen konnten, spürte sie einen kalten Gegenstand an ihrer Lendenwirbelsäule. Zum umdrehen angesetzt, hörte sie einen weiteren Knall, gefolgt von einem kurzen scharfen Brennen in ihrem Unterkörper. Sie konnte fühlen, wie ihre Beine immer mehr versagten, um den ganzen Körper ruckartig zu Boden zu reißen. Ihre Blutgefäße pochten und um sie herum wurde es warm.

Jetzt ging alles schnell. Es knallte wieder, doch diesmal schien es dumpfer und weiter entfernt zu sein. Unfähig die Arme zu bewegen lag sie schmerzerfüllt wie eine Puppe auf dem kalten Beton.

Ihr zuvor klarer Blick wurde allmählich verschwommener und sie erkannte nur noch Schatten, die sich immer weiter von ihr entfernten. Bis sich ihre schwerer werdenden Augenlider zur Gänze geschlossen hatten.

Wieder erwacht, bemerkte sie einen großen Trubel um sie herum. Einige Leute knieten neben ihr und redeten durcheinander auf sie ein. Manche fasten sie an, schrien sie an. Wie lange sie bewusstlos war wusste sie nicht. Doch ihr Gefühl in den Gliedmaßen war wieder da, auch die fürchterlichen Schmerzen waren verschwunden.

Mühevoll setzte sie sich auf. Blut klebte an ihrem Körper und ihren Händen. Sie versuchte, mit zwei Männern neben ihr zu sprechen, doch sie bekam keinen Ton heraus. Fragend starrten diese sie an und schüttelten hoffnungslos den Kopf.

Empört über ihre Ungeduld sprang sie auf. Als niemand sie zu registrieren schien. Sah sie sich um. Nicht ein einziger vermochte zu reagieren. Erst jetzt bemerkte sie die Blutlache unter ihren Füßen. Welcher sie mit ihren Augen zu verfolgen versuchte.

Und da lag sie, eine blasse junge Frau gebadet in ihrem eigenen Blut.
Sie erkannte sich selbst, ihre eigene Leiche.

Das alles ist über zehn Jahre her. Zehn Jahre brauchte ihre Seele für diese Erkenntnis. In dieser langen Zeit verfiel sie in Trance. Unfähig zu Handeln, oder gar klar zu Denken. Dies ist jedoch vorbei, sie möchte Antworten, was verpasste sie in diesem Jahrzehnt? Was ist mit ihren Liebsten? Wurde sie vermisst? Und am wichtigsten wer und warum hat sie getötet?

Der Ruf des Kranichs

Auf dem Wasser breitet sich der Himmel aus. Die Wolken sinken scheinbar in die Tiefe des Sees. Sie, die vor mir sitzt und das Boot lenkt, hält im Rudern inne. Sie traut sich nicht, das Spiegelbild des Himmels auf dem Wasser zu zerteilen. Unmerklich dreht sich das Boot. Wir blicken in die untergehende Sonne, die über schwarze Bäume am Uferrand eine Aureole setzt und auf dem Wasser zu uns einen gleißend hellen Lichtstreif schickt. Um dem Licht zu entgehen, senkt sie vorsichtig das eine Paddel ins Wasser. Der Paddelschlag ist trotzdem laut. Das Boot dreht sich und schickt Kreise über die Wasseroberfläche. Direkt neben dem Boot zittert noch eine weiße Wolke im hellblauen Untergrund, während zum Ufer hin die tiefschwarzen Schatten der Bäume kräuseln, durchbrochen von goldenem Licht. Dann schweigt das Ruder wieder und der See auch. Kurz schwirlt es dort, wo nichts zu sehen ist. Darauf eine Ente platschend auftaucht und wieder in die Dunkelheit entkommt. Das Boot treibt zu den Erlen. Dort, wo das Sonnenlicht tiefschwarze Schatten warf, ist jetzt nur Zwielicht. Das Schilf ist dunkelgrün, Wasser und Bäume auch. Eine Nixe springt kurz aus dem Wasser und streift meine Hand, die das Wasser fühlt. Dann ruft die Moorhexe am Uferrand, im Schilf oder Erlengebüsch. Der Schrei erschreckt uns so sehr, dass das Boot schaukelt und vor mir ein Menschenlaut über den See entkommt. Doch wir werden uns einig, über das, was da ruft. Es ist der Hall vom Moment des vergehenden Tages. Und es ist gleichsam der Trompetenruf für den kommenden Morgen, des Glücksvogels Orakelruf!

Heimkehr

Er war ganz aufgeregt, als er die Treppe runter stürmte, um sein Geschenk zu öffnen.
Seine Eltern waren aus dem Forschungsinstitut live zu seinem Geburtstag zugeschaltet und sangen fröhlich Happy Birthday. Er freute sich riesig über sein neues Mikroskop, jedoch war er auch traurig darüber, dass er die Eltern nicht in den Arm nehmen konnte. Schon seit Wochen nicht. Seine Grandma war da kein Ersatz, auch wenn er sie abgöttisch liebte. Sie brachte gerade mit einem Lächeln auf den Lippen die Torte hinein, stellte sie auf den Tisch ab. Kam zu ihm rüber, packte seinen Kopf sachte zwischen ihre Hände, um ihm sanft einen Kuss auf die Stirn zu geben.

»Papa können wir jetzt gehen? Ich mag es hier nicht.« Das zarte Stimmchen seines Sohnes, erschreckte ihn fast, zeigte aber Wirkung und beförderte ihn zurück ins hier und jetzt. Während sie schließlich im Cockpit des Raumschiffs Platz nahmen und er den Blick noch einmal über die zerstörte Landschaft streifen lies, schluckte er schwer. Nichts war von der Erde übrig geblieben, wie er sie kannte, nur noch der lächerliche Klumpen eines Planeten, der einst so schön gewesen war.

Meine liebste Zeit war der frühe Abend, wenn es draußen schon dämmrig war. Dann zog es mich vor die Tür und ich vertrieb mir die Zeit angenehm am Rande der Siedlung, in der ich lebte. Wenn man es drauf anlegte, begegnete man niemandem in diesen Stunden, wollte man nicht gesehen werden, war es ein Leichtes, in einen Schatten zu huschen oder sich leise hinter eine Ecke zu verziehen. Und ich wollte definitiv nicht gesehen werden, hatte schon zu viel Ärger in meinem jungen Leben einstecken müssen, als dass ich es darauf angelegt hätte, bemerkt zu werden. So ging ich meiner Wege und erledigte meine Dinge alleine.

Bis zu jenem Abend, als ich ihm wieder begegnete. Mir sträubten sich die Haare im Nacken, als ich ihn auf meiner Streiftour sah, sofort war mir klar, dass wenn ich ihm jetzt unter die Augen käme, dies unser letzter Kampf sein würde, MEIN letzter Kampf. Sacht und langsam begann ich den Rückzug und brachte auf diese Weise schon einige Meter mehr zwischen uns. Dennoch war mir rasch klar, dass ich ihm nicht entwischen würde, nicht diesmal. Er musste meine Angst geradezu gerochen haben, man sah es in seinem Blick, der belustigt und dennoch triefend vor Gier nach meiner Niederlage auf mich fiel.

Ich rannte umgehend los, es blieb keine Zeit für einen Fluchtplan, nur weg von hier. Pfeilschnell setzte er hinter mir her, seine Beine waren länger als meine und ich hörte ihn ungnädig schnell an mich herankommen. Kopflos stürmte ich auf die Straße, mitten vor die Scheinwerfer eines herannahenden Autos. Hörte quietschende Reifen, taumelte kurz und nahm ein Geräusch wahr, das ich nicht einordnen konnte, das aber irgendwie mit meiner Situation in Zusammenhang stehen musste. Lief weiter, auf den Bordstein und hinein in den Vorgarten des Hauses, das dort stand. Und erblickte die offene Verandatüre, die mich magisch anzog, während meine Kräfte mich mehr und mehr zu verlassen drohten. Warf meinen Körper mit einem letzten Aufbieten all meines Willens in dieses mir unbekannte Haus und brach fast unmittelbar hinter dem Eingang zusammen. Schwer atmend lag ich auf einem weichen Teppich neben einem riesig wirkenden Sessel, in dem eine junge Frau saß und mich mit weit aufgerissenen Augen regungslos anstarrte. Kurz bevor mir meine Sinne schwanden, hörte ich noch ihre entsetzten Worte: „Du blutest ja!“

Bis heute durchlebe ich diese Augenblicke hin und wieder in meinen Alpträumen. Dann bin ich es, der seine Augen aufreisst und in den Raum starrt, und es dauert jedes Mal Sekunden, bis mir bewusst wird, dass das alles bereits Jahre hinter mir liegt. Dass ich den Unfall überlebt habe, und er nicht. Dass diese junge Frau nun jede Nacht neben mir liegt und ich ihr mein Leben verdanke.

Anfangs war ich zu schwach, um in mein altes Dasein zurückzukehren, und sie pflegte mich, bis ich wieder in der Lage war, für mich selbst zu sorgen. Ich blieb dann trotzdem, irgendwie war es schöner zu zweit, und dieses Erlebnis verband uns auf eine Weise, bei der keiner mehr auf den jeweils anderen verzichten wollte. Ich lernte es, Nähe zu schätzen, und wir hatten eine wundervolle Zeit zusammen. Meine Streifzüge am Abend nahm ich nach meiner Genesung jedoch nicht wieder auf, mich zieht nichts mehr um die Häuser. Lieber verbringen wir unsere Abende gemeinsam im Garten gemütlich auf der Schaukel sitzend, sie liest und ich rolle mich genüsslich neben ihr zusammen und döse. Vom Raufbold zum Hauskater – das Leben einer Katze könnte schlimmer sein.

Maja

„Nein", schrie ich und stürzte auf den Boden. Heiße Tränen flossen über meine Wangen und fielen auf die Fliesen im Flur. Den lauten Knall der zufallenden Haustür hörte ich nur gedämpft, in weiter Ferne. Ich strich ihr über das weiche Fell, welches ihren einstigen Glanz verloren hatte.
Ein sanftes Gurren erklang und ich schmiegte mich mit meinem Gesicht an ihren Körper. Feine Härchen kitzelten meine Haut und verfingen sich in meinen Wimpern. Ein Vibrieren erfasste mich und ich küsste sie.
„Maja, ich bin bei dir", flüsterte ich ihr zu. Mit ihren Augen sah sie mich an, tief, so tief, wie sonst niemand. Braune und grüne Farben vermischten sich in ihrer Iris, das Bild einer Landschaft, eines Abenteuers. Ich erkannte sie dort, wie sie auf die frische Wiese hüpfte, immer und immer wieder, mit ihren tapsigen Schritten den Garten erkundete. Ich erinnerte mich, wie sie dort in meinem Kleiderschrank das erste Mal das Licht der Welt erblickte. Wie sie mit mir zusammen aufwuchs, mit mir zusammen das Bett, den Stuhl und den Schreibtisch teilte und wie wir jeden Tag gemeinsam gekuschelt hatten. Wie wir jeden Abend gemeinsam auf der Fensterbank saßen und den Nachthimmel beobachteten.

Ihre Schurrhaare zitterten und Maja blinzelte mich an. Es war Zeit. Ich wusste es. Sie wusste es. Sie hob ihre Pfote hoch und ich nahm sie vorsichtig auf meinen Arm und trug sie in mein Zimmer. Dorthin, wo sie am liebsten war. Wir lagen in meinem Bett und blickten uns an. Sie hatte mich bei jedem meiner Schritte begleitet. Sie war immer dort. Stumm haben wir uns unsere Abenteuer erzählt, zusammen gehalten.
Ein Schnaufen holte mich wieder in die Realität zurück. Sie atmete schwer und ich wusste, dass sie schon längst gegangen wäre, wenn ich eher nach Hause gekommen wäre. Sie wartete auf mich. Meine Wangen spannten von den eingetrockneten Tränenspuren. Ich lächelte sie an. Ihr Schnurren ließ meine Hand wieder vibrieren. Feuchte Pfoten stampften in die Bettdecke. Vorsichtig kraulte ich ihre Ohren.
„Es ist in Ordnung, Maja. Es ist in Ordnung. Wir werden uns wieder sehen", sagte ich ihr.
Sie blickte mich wieder an und stieß einen letzten, tiefen Seufzer aus. Warme Luft strich über meinen Arm. Und mit einem Mal wurde ihr Körper schwer und leblos.

„Nein, bitte, gib es mir wieder!„, rufe ich. Nik rennt weg und kichert. „Bitte, warte. Gib es mir, es darf nicht kaputt gehen!“
Ich fange meinen Sohn ein und schnapp ihm das Foto aus der Hand. Er greift danach.
„Komm her, Nik", sage ich und nehme ihn auf meinen Schoß. „Sie war meine Katze, als ich noch so klein war, wie du."
„Wo ist sie jetzt?„, fragt er leise.
„Sie ist vor sehr sehr vielen Jahren gestorben.“
„Warum?"
„Weil sie sehr alt war. Sie war eine gute Freundin."
Eine Weile schaute er sich das Foto an.
„Weißt du, was ich mit ihr immer gemacht habe?"
„Nein, was denn?"
Ich stand auf und grinste.
„Komm mit, wir setzen uns auf die Fensterbank."

In einem geschlagenen Land

In einem geschlagenen Land

leben geschlagene Menschen

und schlagen die Zeit

tot!

12 Jahre der Hölle

Zwölf lange Jahre immer gleicher Tage und Nächte, ohne Höhen und Tiefen, ohne Emotionen lagen hinter ihr. Jahre, die sichtbare Spuren in ihr Gesicht gegraben hatten. Tiefe Furchen zogen sich von den Nasenflügeln hinunter bis zum Kinn. Die von einem feinen Kranz kleinster Falten umgebenen Lippen waren schmal geworden, schienen sich nach innen gestülpt zu haben. Sie brachten die ganze Verbitterung zum Ausdruck, die schon während des Prozesses in ihr hochgekrochen war und sie seither nicht mehr losgelassen hatte. Ihr ganzes Denken hatte sich nach innen konzentriert, auf die unaufhörlich in ihrem Schädel hämmernde Frage nach dem Warum.

Zwölf Jahre hatte sie nur in ihrem Kopf gelebt, in ihren Gedanken und zornigen Erinnerungen. Der Gefängnisalltag fand außerhalb statt, hatte sie nicht erreicht. Sie war nicht Teil dieser Anstalt und für sie so absurden Gesellschaft geworden. Sie war eine Marionette, hatte funktioniert, einfach nur getan, was man ihr sagte.

Kalter Zorn war das einzige Gefühl, das ihr geblieben war. Sie fühlte keine Freude mehr, kein Glück, nicht einmal Trauer, als man ihr die Nachricht vom Tode ihrer Eltern gebracht hatte.

Aber noch immer atmete sie. Sie lebte, von der Welt vergessen, zurückgezogen in sich selbst, in ein gläsernes Gedankengewölbe, das sie sich zum Schutz vor der zerstörerischen Verzweiflung errichtet hatte.

Die Trauer hört nie auf

„Sie wird die Nacht wohl nicht überleben. Es geht ihr sehr schlecht,“ flüsterte Leopold, so hieß sein Vater, schloss sanft die Tür zum Schlafzimmer und sah seine Schwester Sophie dabei an. Sie stand regungslos im Stiegenhaus und hatte im Dunkeln auf ihn gewartet. Sie hatte sich nicht getraut, das Licht anzumachen. Sie wollten das Kind im ersten Stockwerk nicht wecken.

Doch das Kind schlief nicht. Es saß versteinert am oberen Ende der Treppe und lauschte seinem Vater und seiner Tante. Meine Mutter stirbt, dachte es, verstand aber nicht, was das zu bedeuten hatte. Es hatte Erwachsene in der Nachbarschaft oder bei Familienzusammenkünften in den letzten Monaten darüber reden hören, wenn diese glaubten, das Kind wäre außer Hörweite. Zu ihm sagten sie Sätze wie „Die Mutter würde bald weit weggehen, aber trotzdem über ihn wachen, auch wenn er sie nicht mehr sehen konnte.“

„Wie wirst du es ihm beibringen?“ Seine Tante weinte. Er konnte es bis nach oben hören.
„Ich weiß es nicht. Komm, lass uns in die Küche gehen. Sie hat jetzt sehr starke Schmerzmittel bekommen und schläft ein wenig.“ Diese Stimme, war das noch sein Vater?

Sein Vater sollte recht behalten. Seine Mutter starb in dieser Nacht, kurz vor Weihnachten. Sie war weg, gegangen, sang jetzt mit den Engeln, wie es seine Tante ihm erklärt hatte. Eine Woche später, zwischen den Weihnachtsfeiertagen und Neujahr war es soweit. Das Begräbnis seiner Mutter hatte den Ortsfriedhof mit Familie, Freunden, Nachbarn und vielen Menschen, die er nicht kannte mehr als gefüllt. Es schneite und war kalt. Die jungen Bäume im Zentrum des Friedhofs konnten nichts gegen den schneidend frostigen Wind ausrichten und baten keinen Schutz. Er beobachtete die Wolken, die beim Ausatmen aufstiegen, und versuchte, etwas zu ignorieren, das er noch nie gesehen hatte. Sein Vater, der stärkste Mann, den er kannte, weinte. Sein Vater! Wie konnte das sein. Am schlimmsten war es, als all diese Menschen auf sie zukamen und ihnen die Hand schütteln wollten. Was sollte das bringen. Er konnte es sich nicht erklären. Das Bild seines weinenenden Vaters war das Unglaublichste und das Traurigste, an diesem Tag. Es sollte sich in sein Gehirn und sein Herz brennen. Nie wieder so ein unverständliches Gefühls-Wirr-Warr. Nie wieder diese abgrundtiefe Trauer, die sein Herz aufzufressen drohte.
Ich werde mein ganzes Leben nie wieder auf ein Begräbnis gehen!

Es war ein heißer August Tag. Viele waren gekommen an diesem frühen Nachmittag. Und die meisten von ihnen versuchten unter den Kastanien in der Mitte des Friedhofs Schutz vor der Sonne zu finden. Kein Windhauch regte sich, kein Murmeln war zu hören, absolute Stille. Der Pfarrer hatte soeben seine Predigt beendet.

„Franz. Mein Beileid. Es tut mir so leid. Wenn du irgendwas brauchst.“ Wer schob sich hier in sein Gesichtsfeld? Er hatte seinen Blick starr auf den Boden gerichtet, konzentrierte sich, nicht zu weinen. Er erkannte sein Schwager, der ihn zu umarmen versuchte.

Familie, Freunde, Nachbarn und Bekannte, viele waren gekommen. Wieder einmal. Um sich von einem geliebten Menschen zu verabschieden. Von einem Menschen, den er geliebt hatte.

„Danke. Markus.“ Damit schob sich die nächste Person langsam und mit Tränen in den Augen sich in sein Gesichtsfeld.

In seinen Armen vor sich hielt er seine Tochter und seinen Sohn fest. Beide schlugen sich tapfer, obwohl sie eigentlich noch zu jung waren für den Tod. Die innigen Gespräche der letzten Tage hatten hoffentlich geholfen. Ihr Schmerz war ihm vertraut. Er kannte das hier. Und nun mussten es seine Kinder erfahren. Es war schrecklich für sie. Er musste stark bleiben.

Blut der Vergangenheit

Er sass auf der Treppe und klammerte sich angstvoll an die Stäbe des Geländers. Er wollte helfen, er wollte etwas dagegen tun, aber er wollte auch nicht hier sein. Dennoch spähte er in die Küche.
«Du dreckige Schlampe, unnützes Hausweib!», erscholl die Stimme seines Vaters. Er hatte ihm den Rücken zugewendet.
Seine Mutter stand mit dem Rücken zum Herd und blickte ihrem Sohn in die Augen.
Geh weg, formten ihre Lippen.
Er sah die Resignation in ihren Augen, sah, dass sie aufgegeben hatte. Hilflos klammerte er sich fest, dass seine Hände weiss wurden. Er zuckte zusammen, als das Klatschen der ersten Ohrfeige durch das Haus hallte. Und erneut. Und noch einmal. Blut rann über ihre Schläfe. Und als er die Treppe hinuntergestürzt kam, war es schon zu spät.

Schmerz umwölkte sein Herz. Blut tropfte auf den Küchenboden. Erstarrt stand er da, zurückgeworfen in seine Vergangenheit, Erinnerungen kamen hoch. Erinnerungen, die er tief vergraben hatte, Dinge, an die er sich nicht erinnern wollte. Das hatte er nicht gewollt. Das hatte er niemals gewollt. Erneut hob er das Messer an.

Abflug

„Es ist besser, wenn wir uns trennen. Wie soll das gehen, wenn du hier bist und ich dort? Glaub mir, das wäre nur Quälerei.“
„Okay, rufst du an, wenn du angekommen bist?“

Du hast mich gewonnen mit einem Teller Suppe, den du vor meine Tür gestellt hattest. Ich mag Männer, die kochen können. Und witzig sind. Du ringst auch noch der schlimmsten Situation ein Lachen ab, machst Mut und treibst mich an, weiterzumachen und nicht aufzugeben, wie düster es auch kommen mag.

Wir haben einiges zusammen durchgestanden und du warst immer bei mir. Zwanzig Jahre lang. Ich kann nicht einschlafen, ohne deine Stimme am Telefon gehört zu haben. Bist du gut nach Hause gekommen? Wie war das Fußballspiel?

Du kommst vom Gepäckschalter zurück und hältst deine Bordkarte in der Hand. „Mist, schon wieder der lange Weg zum Gate!“ Ich lache: „Wie immer!“ Er grinst: „Im Sommer bist du wieder dran.“

„Rufst du gleich an, wenn du gelandet bist?“ Er tippt auf sein Smartphone. „Claro, mi amor!“

Professor Klaus-Wilhelm Altmann war eine der Sorte Mensch, die man gemeinhin als komischen Kautz bezeichnen würde. Rein äußerlich wirkte er introvertiert, wobei man nicht unterscheiden mochte, ob es an dem hageren Körperbau, dem bereits schütterem Haar oder der überdimensionalen Brille lag, die ihm das Aussehen eines schüchternen Insekts verlieh.

Bei seinen Schülern war er sehr beliebt. In den 10 Jahren, in denen er am selben Gymnasium unterrichtete, hat er viele seiner Schützlinge mit grenzenlosem Verständnis, unerschütterlicher Geduld und viel Humor in die Geheimnisse der Mathematik, Physik und Chemie herangeführt und schließlich durchs Abitur gebracht.

Über sein Privatleben oder seine Kindheit sprach er grundsätzlich nicht. Es ging niemanden etwas an, dass sein herrischer Vater seine Mutter in eine tiefe Depression getrieben hat. Er hatte ihr strikt verboten, nach Karl-Wilhelms Geburt wieder ihrem Beruf als Lehrerin zu arbeiten. Sie hatte sich gefälligst um ihren Sohn und den Haushalt zu kümmern, denn er als Staatsanwalt verdiene schließlich genug Geld für die Familie.

Die Schwermütigkeit seiner Mutter erschien Karl-Wilhelm als völlig normal, denn der hatte keinerlei Vergleichsmöglichkeiten. Erst als er zu den ersten Kindergeburtstagen eingeladen wurde bemerkte er, dass in anderen Familien mehr gelacht wurde und Kinder von Vater und Mutter gleichermaßen geherzt wurden.

Später, nach dem Selbstmord seiner Mutter, ging er nach Berlin und widmete sich mit Hingabe und Leidenschaft, was manchmal in Besessenheit zu enden drohte, seinem Studium. Er hätte seine weiblichen Kommilitonen nicht erkannt, selbst wenn sie vor ihm auf den Tischen getanzt hätten.

Seinen Vater hatte er seit über 20 Jahren nicht mehr gesehen. Um so überraschter war Karl-Wilhelm, als er ihn während seiner wöchentlichen Drag-Show als Lady Physical, verkleidet im Publikum entdeckte.

Der Zeitraffer

Die Schmerzen waren unerträglich. Es war ein ständiges brennen und ziehen. Wenn das Wetter umschlug, dann erdrückten ihn seine Beschwerden nahezu. Verzweiflung kam dann in ihm auf und er konnte kaum zwei Sekunden in die Zukunft denken. Zu Beginn war er noch zuversichtlich gewesen und dachte er könnte stark sein. Doch dann, nach einer Weile, musste er sich eingestehen, dass kein Wille der Welt es mit diesen dauerhaften Schmerzen aufnehmen konnte. Er hatte von anderen Erfahrungsberichte gelesen, konnte und wollte sie aber nicht glauben. Momente der blitzartigen Genesung, die leider nie tatsächlich eintrat, wurden mehr und mehr von einem schweren und wie ein Wolkenvorhang vor die Sonne ziehendem dunklen Grau verdrängt. Die Zeit verging nicht mehr. Sie schien in manchen Momenten still zu stehen und die dann einsetzende Tatenlosigkeit verschlimmerte alles nur noch. Dies waren die Momente in denen ihn manchmal der Lebensmut verließ.

Es dauerte einige Zeit bis er sich von diesen Schmerzen erholen und die Krankheit überstehen konnte. Hatte er zuerst gedacht es würde Stunden, Tage oder Wochen dauern, so waren daraus Jahre geworden. Lange Jahre die noch immer schrecklich auf seinem Gemüt lasteten. Doch sie lagen nun hinter ihm. Es waren kurze Momente des Glücks und der Freude, die er meinte für immer verloren zu haben, die ihn nun trugen. Stunden, Tage, Wochen, Monate und schließlich Jahre lang. Lichtblicke in einem dunklen grauen Wolkenvorhang, der ihm so lange jede Hoffnung genommen hatte.

Fragmente und ein neues Leben

Fragmente – 23.05.2073 – London Megacity

Einatmen.
Ich liege auf dem nassen, harten Dach eines alten Mehrfamiliengebäudes. Es war schwer hier her zu gelangen ohne gesehen zu werden. Ich habe mein Gewehr, ein speziell für diese Nacht modifizierte Version eines Jagdgewehrs, zusammengebaut und mich dann hier auf die Lauer gelegt. Gegenüber, auf der anderen Seite der Themse sehe ich das altehrwürdige Gebäude des Palace of Westminster. Es sticht zwischen den neuen Hochhäusern und Megablocks heraus wie eine einzelne Oase in einer Wüste aus Beton, Stahl und Glas.

Ausatmen.
Ich sehe durch mein Zielfernrohr. Nehme Maß. Ich korrigiere die Lage des Laufs auf der mit Sand gefüllten Socke die als Unterlage und Dämpfer gegen Erschütterungen dient. Ein zweiter Blick durch das Zielfernrohr.

Das Fadenkreuz liegt jetzt über einem Fenster im dritten Stock des historischen Gebäudes.

Einatmen.
Ich presse den Gewehrkolben fest an meine Schulter. Dann korrigiere ich noch einmal die Lage des Gewehrs.
Ein weiterer Blick durch das Zielfernrohr.
Eine junge Frau mit roten Haaren und smaragdgrünen Augen tritt an das Fenster. Den spitzen Ohren nach die durch ihr Haar stechen ist sie eine Elfe. Ich könnte schwören das sie mich gerade angesehen hat.
Egal. Zielperson bestätigt.
Das Fadenkreuz liegt jetzt genau hinter dem Ohr der Elfe.

Ausatmen.
Langsam, beinahe zärtlich bewege ich meinen Zeigefinger. Finde den Druckpunkt des Abzugs. Einen Millimeter weiter.
In meinem Gewehr trifft der Schlagbolzen auf die Zündkappe der Patrone. Die Explosion des Pulvers treibt das Geschoss durch den Lauf. Die speziell angefertigte Kugel mit der eingebetteten Wolfram-Nadel geht auf ihre Reise.
Kurz nach verlassen des Laufs trennt sich die Wolfram-Nadel vom Rest des Geschosses. Sekundenbruchteile später trifft die Nadel auf das Panzerglas des Fensters.
Risse bilden sich rund um den Einschlagpunkt und vermindern die Energie des Geschosses. Doch selbst die eigentlich kugelsichere Scheibe kann dem Geschoss nicht standhalten das nur für diesen Zweck konstruiert wurde. Ein Loch von nicht einmal 8 Millimetern das später Zeuge sein wird für den nächsten Schritt des Geschosses.
Die Nadel schlägt direkt durch den Schädel der jungen Frau, prallt an der gegenüberliegenden Schädelplatte ab da sie mittlerweile schon zu viel Energie eingebüßt hat um sie zu durchdringen und explodiert als die Mikroladung darin gezündet wird.

Einatmen.
Zielperson eliminiert.
Ich baue das Gewehr auseinander und packe die Teile zurück in den Rucksack, dann mache ich mich auf den Weg zur Tür des Treppenhauses.
Plötzlich trifft mich ein schwerer Ruck von hinten und reißt mich um.
Die Umgebung verschwimmt hinter einem roten Schleier.

Ausatmen.
Ich treibe in endloser Schwärze. Im Nichts. Alles ist friedlich. Ruhig. Still.
Dann kommt der Schmerz.
Es fühlt sich an wie die Wellen, die entstehen wenn man einen Stein ins Wasser wirft.
Welle um Welle brandet durch mein Bewusstsein.
In der Mitte der Wellen – ein Licht. Ein grelles, flackerndes Neonlicht.
Dazu dröhnt ein Summen und Brummen, gelegentlich stotternd meinen Ohren.
Ich fühle mich durch das Nichts und die Schmerzen auf das Licht zugezogen wie von einem Strudel.
Das Licht, das Geräusch und der Schmerz vereinen sich zu einer unerträglichen Kakophonie.

Einatmen.
Dann öffne ich meine Augen.
Als das Blenden durch das Licht nachlässt, erkenne ich, das ich, zusammengerollt wie ein Neugeborenes, hinter einem Müllcontainer liege. Das Licht und das Summen und Brummen stammt von einer defekten Neonreklame über mir an der Wand.
In einer Ecke meines Sichtfeldes sehe ich gerade noch wie Textzeilen und Grafiken in rasender Geschwindigkeit durch ein Fenster laufen.
Eine Bootsequenz.
Ich habe keine Ahnung was das bedeutet, das Wort taucht einfach an der Oberfläche meiner Gedanken auf wie ein Korken der durch die Wasseroberfläche bricht und dann darauf herumtreibt.
Mein Sichtfeld verschwimmt leicht, ehe es sich wieder klärt und in dessen Mitte Textzeilen aufleuchten:

Systemwiederherstellung abgeschlossen.

Systemintegrität bei 65%

Empfehle dringend Wartung der biologischen Systemkomponenten.

In einiger Entfernung höre ich Stimmen. Sie rufen etwas… „WRAITH!“ … das Wort erinnert mich an etwas… aber an was nur…

Plötzlich höre ich direkt neben mir die Stimme einer jungen Frau:

„Fuck! Hätt’ nich gedacht das das funktioniert!“

Ein neues Leben – 23.05.2077 – London Megacity

Ich feiere heute meinen fünften Geburtstag.

Wie jedes Jahr seit dieser Nacht komme ich mit Jayne, der jungen Ork-Frau die mich damals neben dem Müllcontainer gefunden hat und mir das Leben gerettet hat, zurück in diese Gasse und lege eine Rose auf das Grab von Damian Wraith, und dem Geburtsort von John Doe.

Ein besserer Name ist mir auch nach all den Jahren nicht eingefallen also werde ich ihn wohl benutzen bis ich zum zweiten mal sterbe.
Mittlerweile haben Jayne und ich herausgefunden das Damian Wraith ein von Nichtmenschen-Hassern künstlich erschaffener Mensch war.
Ein Killer.
Sein Ziel war damals die Tochter einer hochrangigen, adeligen Elfe aus dem Oberhaus die dafür kämpfte die Bedingungen für Zwerge, Trolle und Orks in London zu verbessern.
Wenn die Leute die Wraith erschaffen haben jemals erfahren sollten das ihr perfekter Killer seit fünf Jahren in eine Orkin verliebt und seit zwei Jahren mit ihr verlobt ist…
Nun, sagen wir es geschieht ihnen recht, finde ich jedenfalls.

Denn seit ich weiß wer Damian Wraith war, bin ich froh das er gestorben ist.

Der Baum meiner Mutter

Neben dem Teiche stand ein Baum, den meine Mutter einst pflanzte.
Viele, viele Male saß ich da, unter dem Baum meiner Mutter neben dem Teiche;
da lauschte ich still und leise dem Flüstern der Blätter, die sich im Winde aneinanderrieben.
Ich hörte Sie reden bei lauem Winde und hörte Sie auch bei starkem Winde, wenn die Äste sich hastig hin und her bewegten und die Blätter unentwegt tuschelten.
Damals, als ich oft dasaß unter dem Baum meiner Mutter neben dem Teiche, hörte ich sie und nahm es dankbar in mich auf; und ich kann sagen, es war schön.
Jetzt, da ich in der Ferne bin, fehlt mir der Baum doch sehr; und ich muss sagen, dass ich auch ein wenig leide. Wer die Sehnsucht kennt, weiß, was ich meine.