Und wenn der Regen niederschlägt…
Die Schleusen öffneten sich, Leute schrien auf.
Es war zu warm für Schneeflocken, aber zu kalt für den Herbst. Menschen wurden krank, weil sie mit meinem Regenschauer nicht gerechnet hatten und pitsch nass zur Arbeit kamen. Genau wie heute. Doch diesmal versuchte ich wenigstens den Regen, soweit es ging, bis zur Mittagszeit inne zuhalten. Niemand war mir dafür dankbar. Ein Mann eilte über die Straße und war im Begriff, in eine Frau zu rennen, die just in dem Moment um die Ecke bog. Ihre Handtasche bot keinen Schutz gegen den Regen, als auch noch ein Bus in die Pfütze neben ihr fuhr, war das Dilemma perfekt. Nein, nicht ganz. Jetzt kam der Zusammenstoß mit dem Typen, der über die Ampel gerannt kam. Wäre ich ein Mensch, würde man mich vor Schadenfreude lachend vorfinden. So konnte ich wenigstens in dem Gewitter, das ich war, einen kleinen Lichtblick finden, während alle anderen um mich herum über den Regenschauer fluchten.
„Pass doch auf!“, motzte er.
Wer trägt denn bei dem Wetter eine weiße Hose, wunderte ich mich, als der Mann vom Boden aufsprang und wie ein begossener Pudel aussah. Böse starrte er auf die Dame herunter, welche immer noch am Boden saß.
„Muss denn heute wirklich alles schief gehen?“, hörte man sie schluchzen.
Für einen Moment verschlug es dem Mann die Sprache, als er ihre Stimme hörte. Ich wurde neugierig.
„Tamy?“ Bestätigte er meinen Verdacht, dass ihm die Dame bekannt vorkam. Umständlich richtete sie sich auf. Wenn es einen Wettbewerb geben würde, wer mehr abbekommen hatte, dann war es definitiv die Frau, auch wenn der Mann wegen seiner nun mehr gräulichen als weisen Hose schlimmer aussah.
„George“, kam es genervt von ihr.
„Was machst du denn hier?“ Er schien erfreut zu sein sie zu sehen, doch beruhte es nicht auf Gegenseitigkeit.
„Ich hab ein Vorstellungsgespräch. Aber so wie ich jetzt aussehe, kann ich da nicht hin.“ Sie blickte an sich herab. Ich konnte nichts mehr am Wetter ändern, aber leid tat sie mir dennoch.
„Ähm…ich wohne in der Nähe, wenn du dich da zurecht machen willst und deine Klamotten trocknen magst…also ich hab einen Trockner…und naja…also…“ Bot er ihr an, merkte, dass er zu viel plapperte und stoppte sich. Sie presste ihre Lippen aufeinander, dachte kurz nach, bevor sie sein Angebot annahm.
Zwei Tage später waren die Temperaturen endlich so niedrig, dass ich die Stadt zuschneien konnte. Tamy und George traten Hand in Hand aus einem Apartment, in welchem sie Zuflucht vor mir gesucht hatten.
„Du schaffst das!“ Umarmte sie George, bevor er ihr einen Kuss gab.
Hm…mein Regenschauer hat wohl zwei Menschen zusammengebracht, freute ich mich.
„Nachdem ich das Gespräch verschieben musste, hoffe ich, dass das keinen schlechten Eindruck hinterlassen hat und ich sie von mir Überzeugen kann“, gab sie zweifelnd zurück und schloss ihren übergroßen Mantel.
„Das wirst du!“ Er klang dabei sehr überzeugend. Sie schmunzelte.
„Sagst du das nur, um mir Mut zuzusprechen, oder weil du willst, dass ich den Job bekomme, damit ich hier herziehe?“
Sein Grinsen wurde so breit, dass man seine Augen leuchten sehen konnte.
„Beides“ gestand er ihr. Sie erwiderte sein Lachen kopfschüttelnd und meinte:
„Nach dem Vorstellungsgespräch werde ich wirklich shoppen gehen müssen, wenn ich noch länger hier bleibe“, lachte sie auf. „Dein Mantel ist mir viel zu groß.“