Die karamellfarbenen Locken schmiegen sich Federleicht an ihr wunderschönes Gesicht. Ihre blauen Augen leuchten, während sie sich tänzelnd im Spiegel betrachtet. Ein Mädchentraum aus Tüll, mit Stickereien, Spitze und kleinen, im Licht regenbogenfarben glitzernden Steinchen besetzt,umhüllen ihren sehr zarten und fast noch kindlichen Körper.
Sie leuchtet vor Glück, so sehr, dass man das Bedürfnis verspürt, mit ihr zusammen vor Freude zu tanzen und zu rufen: „DAS IST DEIN KLEID“
Immer wieder verkündet sie lachend und sich drehend, dass sie den heutigen Tag seit Wochen geplant hat, und wie glücklich sie ist, dass das Kleid im Budget liegt, dieses eine Kleid, mit dem sie schon so oft durch ihre Träume schwebte.
Die anderen Kunden im kleinen Laden sind verzückt von dieser Person und freuen sich ehrlich mit ihr. Angesteckt durch so liebevolle Freude, bestärken sie das Mädchen in ihrer Wahl.
Sonnenstrahlen kitzeln durch das Fenster, scheinen zustimmend den Raum in eine Bühne zu verwandeln, eigens für diese kindliche Frohnatur.
Lebenswende, der große Schritt in Richtung Erwachsen sein, oh wie sie sich darauf freut, Erwachsen sein, endlich Erwachsen sein.
Plötzlich schneidet eine messerscharfe Stimme die Glückseligkeit.
Ihre Mutter war bislang nur eine auf einem Sofa sitzende Gafferin, die es genoss, wie die Kunden und Verkäuferinnen ihre wunderschöne Tochter in den Mittelpunkt rückten.
Doch jetzt scheint ihre Zeit gekommen zu sein. Wie ein Tsunami vergräbt sie die warme, gefühlvolle Stimmung, unter purer, eiskalter, erstickender Präsenz.
Augenblicklich bleibt die zarte Elfe stehen und fokussiert ihre Mutter, die sich vehement zu schlichteren Modellen ausspricht. Lächelnd, immer noch wunderschön, jedoch kleiner und noch zerbrechlicher wirkend, stimmt sie ihrer Mutter leise zu.
Die junge Aushilfe trägt etwas irritiert mehrere Modelle zur Ansicht, aus denen die Frau Mama eine Auswahl trifft.
Langsam macht sich in allen anwesenden GesichternUnverständnis breit, denn die Kleider sind zwar schlichter im Design, jedoch recht aufreizend.
Das Mädchen füllt mit ihrer zarten Gestalt keines dieser Modelle aus, aber ihre Mutter beharrt auf weitere Optionen, schlichte Stoffe und möglichst in Rot.
Dunkle Wolken saugen die Sonnenstrahlen ein und hinterlassen eine drückende Düsterheit im Raum.
Auch die Elfe scheint sich wie ein Sonnenstrahl tief in einen Kokon zurückzuziehen. Jedoch und merkwürdigerweise führt sie ihr Lächeln und zustimmendes Kopfnicken weiter, fast schon mechanisch und einstudiert aus.
Ein Verhalten, das die Aushilfe beirrt. Vorsichtig tritt sie an die Kabine, um sich zu versichern, dass das Mädchen wirklich diese Art von Kleidern wünscht. Ihr blicken zwei wässrige Himmelsaugen entgegen. Ein Tränentropfen verweilt an ihrem Kinn. Lächelnd versucht sie eine Antwort zu formen, dadonnert der bestimmende Mutterton durch den Raum, an den Wänden abprallend und als immer wiederkehrendes, kaltes Echo in die Ladenmitte katapultierend. “Rot, unbedingt Rot“
Endlich verlassen zarte, flüsternde Worte den Elfenmund. „Bitte kein Rot“.