Süß wie Karamell
Süß wie Karamell
Wie immer um diese Uhrzeit, es ist kurz vor 20 Uhr, habt ihr beiden mehr Energie übrig, als ich für die ganze Woche. Vielleicht spürt ihr auch, dass die Müdigkeit der Nacht näher kommt, und müsst euch noch mal austoben.
Im Moment hat Melli die Oberhand. Sie zupft an Karas Ohr herum, springt auf und beißt ihr in den Nacken. Nicht doll natürlich, es ist euer tägliches Spiel. Kara lässt sich das nicht gefallen, verrenkt den Hals zur Seite nach unten weg, dass ich denke, sie bricht sich das Genick. Doch sie erreicht Mellis Bein, zwickt hinein und ist augenblicklich vom Nackenbiss befreit. Melli schnappt natürlich gleich wieder zu, denn sie bekommt einfach nie genug. Wie ein Duracell-Hase gibt sie erst auf, wenn keiner mehr mitspielen mag. Noch ist es aber nicht so weit und ihr rollt umeinander herum und übereinander her, dass ich kaum noch sagen kann, welcher Schwanz zu wem gehört.
Dann zerfällt die kabbelnde Kugel und heraus fallen zwei niedliche Hundekinder. Hechelnd steht ihr euch einen Moment reglos gegenüber.
Karas Fell ist ganz zerwühlt. Würde ich sie kurz scheren, sähe sie aus wie ein Leopard oder Luchs oder Ähnliches. Durch das längere Fell kommt nur die dunkle Farbe zur Geltung. Die helleren Bereiche, die beinahe golden zwischen dem Schwarz leuchten, befinden sich offenbar im unteren Fellbereich. Doch jetzt, da sie nach dem Kappeln so wuschelig aussieht, lässt sich der goldene Schimmer erahnen. Nur die Pfoten, die Schwanzspitze und ein Streifen in der Mitte des Gesichts sind schneeweiß. Dieses Gesicht ist so symmetrisch, davon kann Melli nur träumen.
Ihr seid zwei von sieben Zwergen, doch seid ihr äußerlich wie innerlich grundverschieden.
Melli hat das helle Braun eines Corgi bekommen. Von der Seite betrachtet habt ihr beide auch die Statur eines Corgi. Abgesehen von den niedlichen Schlappohren. Kara hat wieder nur eines aufgestellt, das andere knickt immer ein, als wäre sich Mutter Natur nicht sicher gewesen, ob sie euch Schlappohren geben soll oder nicht.
Mellis Pfoten und die Schwanzspitze sind ebenso schneeweiß wie bei Kara. Allerdings fehlt der weiße Streifen in der Mitte des Gesichts, denn Melli hat eine komplett weiße Gesichtshälfte. Es ist egal, wo sie ist, wie sie guckt, was sie denkt oder was sie tut. Dieses Gesicht sieht immer frech aus.
Da zeigt sich, dass die Natur selten Fehler macht. Ihr seid eine Mischung aus unbekannten Rassen, doch „frech“ ist die beste Umschreibung für Melli, die man sich vorstellen kann.
Ihr blitzt der Schalk in den Augen auf, als sie die gutmütige Kara wieder angreift. Manchmal sieht es aus, als würde Kara nur mitspielen, weil ihre Schwester Spaß daran hat. Doch manchmal, so wie jetzt gerade, hat auch sie noch diese kindlichen, aber nicht mehr tapsigen Züge an sich und freut sich auf die Rangelei.
Während der kurzen Verschnaufpause hing Karas Zunge so weit heraus, dass ich keine Ahnung habe, wie die in ihren Mund passt. Aber irgendwie passt sie hinein und sie kann auch knurren wie Melli während des Spiels. Bei keinem von beiden wirkt es aber bedrohlich. Es ist ein Spiel und ich liebe es, euch dabei zuzusehen und mich von eurer Jugend und Agilität anstecken zu lassen. In ein paar Minuten werdet ihr schnaufend und erledigt aber hoffentlich glücklich auf eure Schlafplätze verschwinden. Dann kehrt vorerst wieder Ruhe ein.
Weiter hinten auf der Wiese in unserem Garten steht eine Steinsäule. Darunter liegt Loona. Ich denke an sie und die 14 tollen Jahre, die wir gemeinsam verbracht haben. Und oft frage ich mich, was sie von dem doppelten Chaos der beiden Zwerge KaraMell(i) gehalten hätte.