Seitenwind Woche 1: Brötchen mit Soße für 60 Pfennig

Der Geruch von Sonntag

Es riecht nach Zitrone. Dampf steigt auf, es zischt. Wenig später, ein Piepsen ertönt. Unter schwerem Eisen kommt etwas zum Vorschein. Rund, flach, leicht gebräunt. Und dieser Duft, dieser betörende Geruch. Nichts riecht bezaubernder für mich als eine frisch gebackene Waffel. Geladen mit Kindheitserinnerungen glücklicher Tage.

Ich erinnere mich an den runden Holztisch. An die herzförmigen einzelnen Waffelstücke, die ich mir mit meinen Geschwistern zu teilen hatte. Runde um Runde, bis der Teig aufgebraucht war. Das Dampfen des Teigs, die Duftwolke der fertigen Waffel, das Schlingen des eigenen Anteils, das Warten auf Nachschub. Die Freude, wenn andere Familienmitglieder einem noch ein weiteres Stück zukommen ließen. Meist mein Vater. Nicht, weil er satt gewesen wäre, oder es nicht mochte. Einfach, weil er es toll fand, wie ich mich an einem Waffelstück so erfreuen konnte.

In der Regel aß ich sie mit Zimt und Zucker. Vorab gemischt, mit hohem Zimtanteil. Beim Beißen spürte ich manchmal die Zuckerkristalle. Das Knirschen. Manchmal machte ich Ausnahmen und nahm Puderzucker. Das Geräusch des Zerstäubens ist noch immer in meinen Ohren. Und die klebrigen Finger danach, ich spüre sie auch jetzt. Unangenehm, aber es wert. Es kam auch vor, dass ich die Waffeln mit Schokocreme kombinierte. Natürlich nur die eine Marke mit N und Ella am Schluss. So sehr ich diesen Aufstrich auch liebte, die Kombination mit einer Waffel war doch irgendwie unbefriedigend. Vielleicht, weil der Geschmack nach Schokolade zu sehr dominierte.

Bei uns war Sonntag Waffeltag. Nicht jeden Sonntag. Aber viele Sonntage. Sehr viele Sonntage. Weil es so einfach ging. Und so schnell. Meine Mutter brauchte nicht vorplanen und vorab etwas in den Backofen schieben. Wir konnten einfach nach dem üblichen Sonntagsspaziergang nach Hause zurückkehren, an den Cafétisch sitzen und innerhalb weniger Minuten war der Waffelteig fertig und das Waffeleisen betriebsbereit.

Bei uns ist auch heute noch sonntags Waffeltag. Bei uns, also meiner eigenen Familie. Nicht jeden Sonntag, aber an vielen. Dann mache ich Waffelteig, weil’s so schnell geht, und so unkompliziert ist. Eisenwaffeln hat mein 4-Jähriger sie mal genannt. Der Teig ist fast derselbe. Die abgeriebene Zitronenschale, der Minischuss Rum, nur statt Milch Pflanzendrink. Und dann riecht’s wieder nach Kindheit. Und schmeckt nach Vertrautem.

Liebes Papyrus-Team, danke für den Seitenwind und diese Schreibanregung. Es hat Spaß gemacht, mal wieder ins Schreiben zu kommen! :slightly_smiling_face:

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Ein besonderes Gyros überbacken …

Eine Woche nach der von dir ausgesprochenen Trennung bin ich freiwillig gegangen. Ich konnte es nicht ertragen, mit der Frau die ich so unendlich Liebe an einem Tisch zu sitzen und so zu tun als wäre alles in Ordnung. Du bist wie ausgewechselt. Als hättest du dich verwandelt in eine komplett andere Person. …so kühl, so abwesend.
Also nahm ich mir meine Zahnbürste und ein paar Sachen und ging. Ich wusste nicht wohin mit meiner zerbrochenen Seele aber Hauptsache raus. Zwei Tage habe ich dann im Büro verbracht, bis ich ein Zimmer im Schwesternwohnheim anmieten konnte.

Nun wandle ich, noch im Traum gefangen und langsam aufwachend auf den Spuren unserer gemeinsamen Zeit. Es ist wie ein Realisieren und Abschied nehmen zugleich. Am Wochenende steh ich mit einem Glas Alt und einem Meenzer beim Uerige und am Donnerstag geh ich zum Bingo. Nur eben allein und alles wie in Trance.

Die Zeit vergeht überhaupt nicht.

Es ist schon erstaunlich, wie ein Körper sich in so kurzer Zeit verändern kann. Der rapide Gewichtsverlust und der extreme Schlafmangel führen dazu, dass ich mich jeden Morgen beim Blick in den Spiegel so erschrecke, dass ich für den Rest des Tages wach bin. Die Zeitschrift Brigitte sollte das Mal als Blitzdiät ihren Leserinnen vorschlagen. Ich brauchte diese jetzt nicht wirklich, da ich in den letzten 1 ½ Jahren stetig abgenommen hatte. Aber es ist etwas, worauf ich wieder aufbauen und neu anfangen kann … haha. Noch dazu kommt, dass ich mich mitten in den Wechseljahren befinde. Was für ne super Kombi, kann ich nur empfehlen … macht Lust und so richtig Laune. Dabei fällt mir der Spruch einer Kollegin deren Humor und Art ich sehr mag ein – in bestimmten Situationen pflegt sie zu sagen „Und ich kotz im Strahl.“ Sorry für die Ausdrucksweise aber genau dies fühle und empfinde ich gerade mehrmals täglich. Mein Magen dreht sich ständig und mir wird schwindelig von den Millionen Fliegen die in meinen Kopf schwirren.

Diese viele Zeit die ich jetzt für mich habe verbringe ich damit, diese Millionen Fliegen in meinem Kopf in Gedanken umzuwandeln und in Worte zu fassen. Ich lese in unseren WhatsApp Verlauf, den ich noch vollständig habe. Die ersten elf Wochen unserer Liebe reichen aus, um die gesamten vier Jahre zu beschreiben. Es war ein ständiges Auf und Ab. Ich war so gefesselt von dir bis zum Schluss, dass es mir nicht aufgefallen ist. Auch das ist etwas, was ich nie für möglich gehalten habe – blind vor Liebe zu sein.

Heute ist unser Tag… Es ist der 16. April. Ich sitz am Anleger bei einem Glas Alt immer noch mit einem Funken Hoffnung in mir. Hier am Anleger standen wir uns vor vier Jahren das erste Mal gegenüber. Ich kam viel zu spät und du hast geduldig auf mich gewartet. So nervös wie wir waren, gingen wir so gelassen, wie es eben ging aufeinander zu. Wir erkannten uns und grinsten uns schüchtern an. Und das war es… ich verliebte mich sofort und dachte nur, ok die nächste Zeit wird stressig und unruhig. Ich bin eigentlich ein sehr ruhiger und ausgeglichener Mensch und wusste sofort, dass es so erstmal nicht sein wird. Wieder so eine Vorahnung.

Nach einer heftigen Zeit der Trauer merke ich wie meine Lebensgeister sich langsam zurückmelden. Bei dem Hörbuch „Ich bin dann mal weg“ von Happe, gönne ich mir ein Gyros überbacken und sitze laut lachend in meiner Zelle. Es hat gut getan nochmal am Anleger gewesen zu sein und alles Revue passieren zu lassen. Auch wenn ich es noch immer nicht verstehe wieso, weshalb, warum so werde ich es doch akzeptieren müssen.

Diese Magie, dieses Funkeln, dieses Strahlen, diese Nähe, diese Zärtlichkeit, diese Wärme, diese LIEBE ist weg… einfach weg. KNALL…

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Das Schweinegedicht

(Spoiler: Nichts für empfindliche Gemüter (oder Mägen))

Wer kennt es nicht? Man hat die ganze liebe Familie zu einer sommerlichen Geburtstagsfeier eingeladen und möchte sich natürlich nicht nur als Gastgeber von seiner cremigsten Sahneseite zeigen, sondern auch in Punkto der aufgetischten Speisen imponieren. Aller vegetarischen und veganen Bemühungen der letzten Jahre zum Trotz bedeutet ein Feiertagsessen in Deutschland immer noch: Braten, große („anständige“) Portionen, sollte gut zu Bier passen. Ich teile mit euch die Erinnerung an ein besonderes Festessen im Jahr 2014, an dessen „Speck“-takel ich teilgenommen habe. Es fand in einer thüringischen Kleinstadt statt. Die Gastgeberin feierte ihren achtzigsten Geburtstag und hatte die Verwandtschaft zum Grillschmaus in ihren Garten geladen. Wie es lange Tradition ist, sollte ein gewaltiger Schweinebraten am Spieß die Festlichkeit dieses Ereignisses bezeugen und alle deutschen Bäuche vor Glückseligkeit anschwellen lassen. Doch der Tag wollte nicht ganz so anlaufen, wie sich die beiden Organisatoren, die stolze Jubilarin und ihr rühriger Sohn (der Koch), sich das ausgemalt hatten. Es brach Angstschweiß aus, Hände wurden verzweifelt über dem Kopf zusammengeschlagen, alle Götter der Erde wurden um Unterstützung angefleht. In dieser stressigen Situation mit Nerven, die blank lagen, ist spontan ein Gedicht entstanden, das noch am selben Abend den Gästen heiß und fettig (also quasi frisch aus dem Ofen, ohne viel Feinschliff) serviert wurde. Ich habe es der Einfachheit halber „Das Schweinegedicht“ genannt und es erinnert mich noch immer augenzwinkernd an diesen besonderen Tag in Thüringen.

Das Schweinegedicht

Wenn zu einem großen Feste
Geladen ist eine Vielzahl Gäste,
Darf‘s schon ein ordentlicher Braten sein.
Dazu nehme man traditionell - ein Schwein!
Gedreht und gebraten auf dem Rost -
Wird’s eine knusprig-edle Kost.
Dachte sich auf der Koch vom Haus
Und wählte mit Bedacht den Laden aus.
Sagt’s ganz konzentriert, ganz akkurat:
„Halten Sie das Tier für mich parat.
Nur vorgebacken sollte es schon sein,
Sonst warten wir zu lange auf das Schwein.“
Genickt, aufgeschrieben, abgehakt -
Zufrieden verließ der Koch den Markt.
Dachte die Tage an allerlei Organisation
Als bald nahte der große Tag schon.
Das Wetter brachte Kühle und Nass,
Draußen zu sitzen wäre kein Spaß.
Auch ein Zelt hätte da keinen Sinn,
Es schwämme auf dem Fluss nur dahin.
„Mit dem Schweinegrill wird’s schon passen“,
Meint der Koch, nimmt’s gelassen.
Doch dann kommt das Tier nach Haus
Und allen hier erschauert’s und graut’s.
Es hat zwar sein Bein für uns gelassen,
Nur ist‘s roh, wir können‘s kaum fassen.
Wie soll‘s bei diesem Wetter schmoren,
Der ganze Tag wär doch verloren!
Der Koch ruft noch den Dorfbäcker an,
Kann er‘s vielleicht richten, der gute Mann?
Doch es scheint zu spät zu sein,
Es bleibt roh das dicke Schwein.
Schließlich, nach einem guten Rat,
Schreitet der Koch entschlossen zur Tat.
Nimmt die Säge, schneidet ein Stück,
15 Kilo bleiben zurück.
„So wird‘s in unser’n Ofen passen,
Dort können wir’s erst garen lassen“,
Meint der Koch, schiebt‘s hinein mit Kraft,
Atmet auf, es ist doch geschafft.
Nun, es brät der dicke Schenkel
Und hungrig schielt der große Enkel.
Nach zwei Stunden ist‘s noch roh,
„Komm, wir bringen‘s in den Zoo,
Werfen‘s den Löwen hin zum Fraß,
Das wäre doch ein Schweinespaß!“
„Nix da! 4 Stunden darf‘s noch haben!“,
Meint die Mutter, es knurrt der Magen.
Und der Koch wringt mit den Händen
„Wie soll ich 15 Kilo wenden?“
Dann langsam - es bildet sich die Kruste,
Ihr Duft weht hinfort den Fruste.
Frieden kehrt ins Herz zurück,
Wir dürfen träumen vom Bratenglück.
Nun dreht sich‘s warm im Feuerschein,
Des Tieres rechtes Hinterbein,
Kitzelt den Gaumen der verehrten Gäste.
Zu solch einem Braten gehört dies Feste.
Und heute und in diesem Haus,
Stoßen wir an - auf euch und den Schmaus.

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Ich finde es einen interessanten Ansatz, diese Metaphern miteinander zu verknüpfen. Die Suppe auslöffeln - eine Ehe aushalten? Da kommen viele Bilder hoch.

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Schon in der Schule hatte ich sehr viel Spaß daran, nach vorgegebenen Texten oder Stichwörtern eine kreative Geschichte zu formen. (Was ich auch seit der Schule nicht mehr gemacht habe und ziemlich lange her ist)

Voller Vorfreude schau ich heute Abend also auf das Thema und was muss ich sehen? Es geht um Essen! Bei allem was ihr hättet aussuchen können, bin ich auf das Thema „Essen“, am wenigsten vorbereitet.

Nicht weil ich mir die Beschreibung nicht zutraue, sondern weil ich einfach für mein Leben gerne esse und ich mich nicht entscheiden kann, welches von all den Herrlichkeiten ich nehmen möchte… Aus Trotz weil dem so ist, schreibe ich einfach und banal über:

Döner

Wenn ich eines mit Sicherheit weiß in meinem Leben, dann das Liebe durch den Magen geht! Zumindest ist dies bei mir der Fall.
Allerdings wusste ich das nicht immer zu schätzen. Wenn wir einmal zurückgehen in meine Schulzeit, so habe ich nie die Begeisterung meiner Mitschüler über den berühmten „Döner“ geteilt. So kommt es also, dass meine erste Erfahrung mit dieser Materie, wohl oder übel in einer diesbezüglichen Bude und unter Einfluss diverser Freunde stattfand.
Ich werde nie die von Knoblauchsoße geschwängerte Luft vergessen, die meine Nase wie ein Regenwurm hochkroch, als wir die Tür öffneten und zur Theke traten.
Ich konnte förmlich die Wärme auf meinem Gesicht spüren, die von dem glänzend braunen Fleisch am Drehspieß zu kommen schien.
Als ob dies nicht schon genug wäre, um mein kleines Herz zum Staunen zu bringen, so bemerkte ich die vielen verschiedenen Farben der Zutaten, die sich vor mir in der Theke erstreckten.
Nach den knappen Worten: „Drei Döner, bitte.“, begann der Mann auch gleich seinem Handwerk nachzugehen.
Sorgsam nahm er sein Messer zur Hand und schnitt die blassen, mit Sesam gespickten Fladen zur Hälfte auf und schob sie in einen Ofen. Als nächstes, drehte er an einem kleinen Rädchen neben dem Drehspieß, sodass sich bald ein fast überhörbares Bruzzelgeräusch zu erkennen gab, welches das Aroma des Fleisches direkt in unsere jungen Nasen trieb.
Die Folge daraus waren Münder voll Spucke und inniger Erwartung auf das bevorstehende kulinarische Erlebnis.
Fasziniert beobachte ich, wie er langsam und Stück für Stück, wie ein Schäfer seinem Schaaf die Wolle, dem Drehspieß langsam und mit bedacht das Fleisch abschnitt.
Geschickt wie der Mann war, holte er die drei, nun goldgebräunten, Fladen aus dem Ofen und stellte mir die eine und entscheidende Frage:
„Mit allem?“
Mit großen, vor Ehrfurcht gebietenden Augen, starrte ich ihn an und antwortete so höflich wie ich konnte: „Hä?“
Mein Freund schob sich vor mich mit einem kennenden Blick und entgegnete: „Mit allem!“.
Mit allem…
Mein Herz raste wie wild. Ich wusste nicht dass das tatsächlich eine Option war?!
Mit allem!
Der Mann nahm seine Greifzange und begann zuerst einen großen Haufen tiefbraun glänzendes Fleisch in das Fladenbrot zu stopfen, dicht gefolgt vom knackig frischen Salat. Man konnte gut sehen, dass er frisch war, weil er immer noch feucht von seinem Wasserbad glitzerte.
Als nächstes waren die Tomaten dran. Mit äußerster Präzession, nahm er zu meiner größten Freude, zwei große und grobe Scheiben des runden Gemüses und verfrachtete es in sein dampfendes Grab. Zu meiner etwas negativen Überraschung blieb es allerdings bei den zwei Scheiben. Im nachhinein betrachtet, scheint mir das eine Art Dönerkodex zu sein.
Es sind immer zwei Tomatenschnitze. Keine mehr, keine weniger.
Er tunkte seine Zange in das Zwiebelgefäß und lies eine große Menge davon in den Fladen fallen. Manche hätte er wohl damit verschreckt, aber nicht mich, so dachte ich stolz. Ich mochte Zwiebeln sehr.
Dann noch eine Ladung knackiges grob gehobeltes Rotkraut und der Mann lies zu meiner Verwirrung sein Instrument sinken, um nach dem kleinen Schöpflöffel zu greifen.
Hatte er nicht gesagt „Mit allem“?
Was war mit den Gurken oder dem Mais? Was mit dem Schafskäse und der Peperoni?
Verdrießlich und der Vorfreude etwas betrübt, gelang ich das erste mal in meinem Leben zu der Erkenntnis, dass „mit allem.“, keineswegs auch „mit allem!“ bedeutete.
Als die penetrante Knoblauchsoße endlich auf meinem vollgestopften Fladen thronte, kam noch die letzte: „Scharf?“ Frage, des Verkäufers, auf die ich mit geschwollener Brust und voller Überheblichkeit: „Ein bisschen.“, antwortete.

Zwei Minuten später saßen wir mit unserer neuen dampfender Errungenschaft auf einer Parkbank und begannen das Alupapier aufzureißen.
„Naja…“, beginne ich seufzend zu meinen Freunden gewannt. „Ich versteh ehrlich gesagt den ganzen Trubel um den Döner nicht wirklich. Ich meine, klar, er ist schon ziemlich groß und sieht gut aus, aber die Leute sollten nochmal im Duden nachschlagen was ‚mit allem‘ bedeutet!“
Niedergeschlagen schlug ich meine Fangzähne in das Fladenbrot.
Sofort spürte ich die Wärme im Mund und das perfekte Zusammenspiel von Fleisch, Zwiebeln, Kraut, Soße und Tomaten.
Einzelne unscheinbare Komponenten, die zusammen eine Geschmacksexplosion in meinem Mund bildeten! Das Brot schön kross im Vergleich zu den weichen Zutaten im inneren.
„OK.“, sagte ich mit vollgestopften Mund zu meinen Freunden. „Ist vielleicht doch ganz gut.“.
Währenddessen wischte ich mir mit dem Handrücken die kostbare Soße vom Kinn, die wegen der Tomaten neben, statt in meinen Mund geflossen war.

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Hallöchen zusammen :slight_smile: Auch ich werde mal meinen Senf dazu geben, jedenfalls versuche ich es :sweat_smile: Ich schreibe zwar viel, aber so ein Thema hatte ich bisher noch nie. Also gut, hier mein Versuch, auch wenn ich nicht glaube, dass er gut ist :thinking: Egal, einfach lesen und entscheiden :wink:

Mein besonderes Highlight

Bereits in den frühen Morgenstunden begann das kalte Grauen. Immer wenn meine Mutter mich für die Schule weckte und ich unsanft an die endloslangen Stunden erinnert wurde, hätte ich mir am liebsten die Decke wieder über den Kopf gezogen und so getan, als wäre ich nicht vorhanden. Nur leider fand meine Mutter mich immer wieder aufs Neue, zusammengekauert, lustlos und ohne Mut, den Tag zu überstehen. Schließlich, ohne einen anderen Ausweg zu finden, bestand mein einziges Highlight darin, das ich wusste, ich würde wieder an unserem alten Bäcker vorbeischlendern. Ja schlendern, denn ich hatte es, wie bereits gesagt, nicht so eilig in die „Folterkammer“ Schule zu gelangen. Damit ich in den Laden gelang, musste ich den Weg an der alten Backstube vorbei nehmen. Schon von weitem kroch mir der süßliche Duft von frischgebackenen Teilchen und Kuchen in die Nase. Wahrscheinlich hätte ich den Weg dorthin auch mit verbundenen Augen gefunden, jedenfalls freute sich mein Gaumen bereits lebhaft, wenn ich die triefende Nässe in meinem Mund richtig deutete. Nur leider musste ich ihn bitterlich enttäuschen, denn dafür war ich ganz und gar nicht hier. Mein Kopf kreiste nur noch um diese Köstlichkeit, die mich überhaupt erst aus dem Bett trieb. Zum eigentlichen Laden waren es nur noch ein paar Schritte, jedoch rief der köstliche Duft nicht nur mich heran. Eine Schlange von älteren Herrschaften schien die gleiche Idee gehabt zu haben. Immer wieder lugte ich zur Theke, in der Hoffnung, dass ich noch eins der begehrten Backwaren bekommen würde. Eine ältere Dame, die vor mir an der Reihe war, bestellte gleich zwanzig davon und wenn ich richtig rechnete, wurde meine Hoffnung auf das Highlight des Tages, gerade in die Papiertüte der breit lächelnden Frau gepackt. Meine Hoffnung schwand und mein Herz sank so tief wie noch nie. Freundlich stellte mir die Verkäuferin die Frage, was ich denn gerne hätte. Ich sah sie schmollend an, denn mein Plan für diesen Morgen schien sich eben gerade in Luft aufgelöst zu haben. Mit hängenden Schultern wollte ich den Laden schon wieder verlassen, denn ein Ersatz für meine Delikatesse gab es nicht, als ein junger Bäcker sich mit Nachschub durch die Tür drängte. Mit Herzchen in den Augen sah ich zu, wie er die frischen Brötchen in den Korb fallen ließ. Mein Gaumen meldete sich prompt bei der Erinnerung an die leckere Köstlichkeit zurück. Schließlich bestellte ich das ersehnte Mohrenkopfbrötchen und reichte der netten Verkäuferin die fünfzig Pfennig. Mein Schulweg und die endlosen Stunden waren nur noch reine Nebensache, als ich den ersten Bissen nahm. So schön kann ein einfaches Brötchen sein.

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Das Thema erinnert mich an eine wahre Begebenheit aus meiner Kindheit, die ich hier als erstes Kapitel für mein Kinderbuchprojekt formuliert habe. Es begann mit einem Frühstück bei meiner Oma.

Nonna ist kein Umwelt-Schwein!

»Stellt euchch vorrr, die Polizei war heute hierrr!«, sagte Nonna, Sofias und Dondolos italienische Oma, bevor sie sich umwandte um frischen Kakao anzurühren. Sie sprach deutsch, weil die beiden ihre Freunde mitgebracht hatten. Aber wenn sie aufgeregt war, rollte Nonna R’s und fauchte Ch’s wie Frau Mahlzahn in Picassos altem Jim-Knopf-Buch.
»Die Polizei?«, schrien alle vier Kinder durcheinander.
Birkes Tasse blieb in der Luft hängen. Von Picassos Brötchen tropfte Honig aufs Tischtuch. Hätte Nonna gesagt, ein Alien habe an ihrer Wohnungstür geklingelt und gefragt, ob sie einen Euro wechseln könne - es hätte nicht lauter knallen können!
Die Furzblase, die Dondolo unter Nonnas Stuhlkissen schieben wollte, sobald sie sich endlich einmal umdrehte, blieb ungenutzt und vergessen in seiner Hosentasche verborgen.
Boah, ausgerechnet Nonna! Was mochte sie angestellt haben?
Sofia spürte Ameisen im ganzen Körper. Ein Verbrechen? Womöglich ein neuer Fall für die Waldorf-Detektive?
Die vier Kinder hatten den Detektiv-Klub gegründet, als sie heraus fanden, wer die Schulklos mit Böllern geflutet hatte. Das war nun ein Jahr her. Allerdings war seitdem nichts Aufregenderes geschehen, als dass Sofias Pausenbrot verschwand. Und selbst das tauchte wieder auf. In Sofias rechtem Turnschuh.
Etwas zerknautscht zwar, aber durchaus noch genießbar. Leider ganz ohne den Einsatz kriminalistischer Ermittlungsmethoden.
Aber jetzt war die Polizei bei Nonna gewesen! Sofias schnappte nach der Neuigkeit wie Cola nach einem Hunde-Keks. »,Los, erzähl schon, Nonna!«
Und Nonna erzählte: Man hatte einen Haufen Müll im Wald gefunden. Bei der Schutzhütte nahe der glotzenden Eiche. Und in einem der aufgerissenen Beutel lag ein Briefumschlag mit Nonnas Adresse!
»Haben die Polizisten dich etwa verdächtigt?«, schnaubte Sofia.
Man sollte doch wohl meinen, dass die Beamten mehr Verstand hätten, als eine ortsbekannte Natur- und Umweltschützerin in die Mangel zu nehmen!
»Wirst du jetzt verhaftet?« Dondolo sprühte Brötchenkrümel quer über den Tisch.
»Musst du etwa eine Strafe bezahlen?«, fragte Birke.
»Nein, Kinder, das nicht! Aber diese Schande! Diese Schande bleibt an mir hängen wie Kletten in Colas Fell!«
Cola bestand aus sehr vielen Haarzotteln, in denen sich ständig Blättergestrüpp verfing, und sehr wenig Hirn. Wenn sie Türen öffnen könnte, hätte sie jedem Einbrecher freundlich entgegen gewedelt: Hereinspaziert, die Herrschaften, schauen Sie sich in aller Ruhe um. Ich danke auch schön für den Knochen, den Sie mir mitgebracht haben.
Zum Spürhund taugte sie überhaupt nicht. Es sei denn, es ginge darum Misthaufen oder Kuhfladen aufzuspüren, in denen sie sich wälzen konnte wie ein Wonnefloh. Als sie jetzt ihren Namen hörte, ließ sie ihren Schwanz propellerkreiseln und eine Miefwolke wehte durch die Küche.
Nonna rang die Hände. Nicht weil Cola müffelte. Sondern wegen Frau Vogel aus dem Erdgeschoss. Bevor Birke Sofias Oma kennenlernte, hatte sie noch niemals gesehen, dass jemand die Hände rang. Es sah aus wie Klimmzüge ohne Stange.
»Oh, diese furchchbare Perrrson. Die ganze Zeit lauschte sie mit spitzen Ohren im Flurrr.«
»Ach, der Plappergeier!«, Sofia zog eine Grimasse. »Papa sagt immer, was sie nicht mitkriegt, das bleibt auch dem Geheimdienst verborgen.«
»Sie hört das Raketen-Klo. Sobald es startet, schießt ihr zerrupfter Kopf aus der Tür wie diese Spiralfeder aus der Bonbon-Dose, mit der Dondolo jeden foltert.«, sagte Picasso.
Das Raketen-Klo benutzten die Kinder sowieso nur wegen Sofias Muskelkrankheit. Über die Treppe wären die anderen dreimal so schnell im zweiten Stock gewesen.
Nonna nickte. »Du hast Recht, Picasso. Er macht einen furchchbaren Lärrm, dieser Fahrrstuhl.«
Nonna war eine der wenigen Erwachsenen, die Picasso zu Finn-Florian sagte. Sie fand, dass besondere Talente gewürdigt werden mussten. Egal ob jemand gut malen konnte oder eine Sportskanone wie Birke war.
Dondolo allerdings nannte Nonna niemals bei dem Spitznamen, den Sofia ihm verpasst hatte, weil ,Sedia a dondolo" auf italienisch ,Schaukelstuhl" bedeutete. Herumzappeln verdiente in Nonnas Augen keine besondere Würdigung.
Birke war kein Spitzname, auch wenn er so klang. Der Name mochte ganz schön sein, wenn man ein Baum war, dachte Birke. Aber für ein elfjähriges Mädchen? Eher nervtötend, wenn man auf dem Schulhof »Tanne« oder »Pappel« gerufen wurde. Oder »Kaktus« - wie blöd auch immer das war!
Jetzt sagte sie, damit Nonna zu dem »Fall« zurückfand: »Aber du hast den Müll doch nicht in den Wald gebracht, oder?«
»Natürlich nicht!«, schrie Sofia. »Nonna ist doch kein Umwelt-Schwein!«
Picasso schickte sein 1000-Watt-Lächeln zu Sofia und Birke biss sich auf die Lippen. So eine Energieverschwendung!
»Aber irgendwie muss er doch dahin gekommen sein.« , bohrte sie.
»Vielleicht war es gar nicht Nonnas Müll.« Sofia versuchte, die Gedanken zu ordnen, die in ihrem Kopf herum hüpften wie Ping-Pong-Bälle. »Vielleicht will ihr jemand etwas anhängen.«
»Wenn wir wüssten, wann der Müll dorthin gebracht wurde,« überlegte Picasso, »dann könnten wir die Gassi-Gänger befragen, ob sie etwas Verdächtiges beobachtet haben.«
Sofia nickte eifrig. »Also, gestern Nachmittag lag noch kein Müll an der glotzenden Eiche. Das hätte ich gesehen, als ich zum Krücken-Turnen musste.« Behauptete sie. »Zur Kranken-Gymnastik«, verbesserte Nonna. Stacheln, dachte sie und wuschelte Dondolo über den Kopf. Die Stacheln, die ihr Enkelsohn als Frisur trug, die Stacheln trug Sofia auf der Zunge.
»Jedenfalls bin ich gestern dort entlang gewatschelt.«, sagte Sofia mit trotzigem Blick.
Picasso runzelte die Stirn. »Du watschelst nicht!«
»Paula hat in der Pause gesagt, Sofia watschelt wie Ente.« Erklärte Birke leise. Jetzt tat es ihr leid, dass sie der Freundin Picassos Lächeln vorhin missgönnt hatte. Ehrlich leid.
»Paula hat selber einen Hintern wie eine Ente!«, knurrte Picasso.
»Hast du ihn dir so genau angeguckt, ihren Hintern?«, stichelte Sofia und die Mädchen prusteten los.
»Gackergänse!«, dachte Picasso. Er merkte, dass er wieder seinen Tomatenkopf kriegte. Das hatte man davon, wenn man nett zu ihnen war! Von Dankbarkeit keine Spur!
Hastig stieß er seinen Stuhl zurück. »Alla bama!«, rief er, was in ihrer Geheimsprache soviel wie »Gehen wir!« bedeutete. »Kommt, wir wollen den Tatort beschnüffeln!«
Cola, die wie ein nasser Lappen unter dem Tisch gelegen und geschnarcht hatte, sprang auf und bellte wie verrückt.
Schnüffeln - das war ganz nach ihrem Hundeherzen! Sollten die Zweibeiner endlich begriffen haben, worauf es wirklich ankam?

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Sechs weit aufgerissene Augen,
zwei davon meine,
gerichtet auf die pralle, rotbraune Blutwurst,
die auf dem Teller der Mutter lag.

Das Spiel war jedes Mal das selbe:
Wir drei Geschwister,
miteinander verbunden in ungeduldiger Vorfreude und Albernheit, und die Mutter, ja die Mutter,
gefasst und ein bisschen grummelig, die Gabel in der einen, das Messer in der anderen Hand.

Der Moment, als sie dann endlich die Wurst anschnitt und deren dampfender Inhalt sogleich aus der Fleischhaut herausquoll, liess uns Kinder freudig und angeekelt zugleich die Hände vors Gesicht schlagen,
Wir waren schlau und wussten, jedes Wort wäre zuviel.

So schauten wir schweigend der Mutter zu.
Die Blut ass.
Unfassbar.
Und wir wussten nie, ob wir stolz oder schockiert sein sollten.

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Das klassische Vesperbrot zur Pause.
Gott, wie sehr ich mich daran erinnere! Die Zeit, in der das Pausenbrot einfach noch das Pausenbrot sein durfte …
Dazu muss ich sagen, dass ich damals in der dritten und vierten Klasse eine wahre Verfechterin von Salami war. BIN, sorry! Damals jedenfalls war das für mich eher suboptimal. Also ich meine suboptimal für junge heranwachsende Damen, die nach außen hin die Meinung „alle Jungs sind doof!“ vertreten mussten, wenn sie sich auch insgeheim erhofften, am nächsten Tag den berühmten Brief à la „Willst du mit mir gehen? Kreuze an: JA oder NEIN“, im Klassenzimmer zugesteckt zu bekommen.
Wie dem auch sei, meine intensive Salamiphase hat mir möglicherweise eines dieser ersten JAs verwehrt.
Es ist ja leider nicht nur so, dass Salami unglaublich lecker schmeckt, oh nein, wenn das so einfach wäre. Leider hat sie genauso die Eigenschaft, einfach fürchterlich zu stinken. Ja, sie hat diesen Eigengeruch, den sich kein Mensch vor einem ersten Date antun würde.
Das hat meine geliebte Mama, die während meiner glanzvollen Grundschulzeit noch so nett gewesen war, das Pausenbrot für mich zu richten, natürlich nie bedacht. Tja, und ich ihr wohl nie gesagt.
So kam es, dass ich eine ganze Weile wochenlang tagtäglich meine Vesperbox in der Pause öffnete und sie sofort mit einem rasenden Herzen wieder schloss, bevor jemand diesen oben benannten Salami-Geruch überhaupt wahrnehmen konnte.
Wenn sich jetzt jemand fragt, warum ich nie etwas gesagt habe? Das kann ich 22 Jahre später nicht mehr wirklich beantworten.
Ich weiß nur, dass ich in dieser Zeit sehr oft hungrig aus der Schule kam und meine Mutter schon aufhören wollte, Salami zu kaufen, da es mir ja offensichtlich nicht schmeckte.
Salami! MEINE geliebte Salami!
Ich weiß nicht mehr, wie, jedenfalls hatte ich sie dann doch gerade noch so dazu überreden können, nicht so kopflos zu handeln.
Die Folge war, dass ich mein Pausenbrot nicht mehr im Klassenzimmer, sondern nur noch auf dem Schulhof aß.
Und den einzigen Tick, den ich auch bis heute noch davongetragen habe ist das unmittelbare Händewaschen nach dem Verzehr einer leckeren Scheibe Salami.
Ja Gott, wer will diesen Geruch denn bitte auch an den Fingern kleben haben?
Da gibt’s sonst nur noch Leberwurst, die noch ein bisschen schlimmer ist.
Heute kam mir in den Sinn, dass ich mein Salami-Problem in der heutigen Zeit ganz bestimmt nicht gehabt hätte. Seit ich meinem Grundschüler die Pausenbox richte, bin ich in diversen Facebook-Gruppen unterwegs, und nein, ich will ja echt kein Fass aufmachen, aber statt dem klassischen Brot mit Wurst kriegen die lieben Kleinen heutzutage quasi eine Art Superfood mit in den Ranzen.
Kein Spaß, da ist echt alles dabei. Brote in Blümchen- oder Herzform, Waffeln mit Augen, Gemüsegesichter die aussehen wie Prinzessin Elsa, und sogar ein paar Gartenzwerge habe ich in einigen Dosen gesichtet, die von der Müttermafia stolz präsentiert werden. WTF. Ich schwöre, so ist es.
Dann bleibe ich doch lieber bei einem belegten Brot und ein bisschen Obst für meinen kleinen Kerl.
Oder ich gebe ihm das nächste Mal einfach ein Salamibrötchen mit.

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Sicherlich, hat diese Welt unendlich viele himmlische Gerichte zu bieten. Eventuell bist du gerade aus der Schule heimgekehrt, hast ein weiteres Ungenügend in Mathe kassiert, dein Selbstvertrauen kauert zu einem Knäuel verwurstelt am Boden – doch dann naht Mutter heran, lächelt lieb und schiebt dich ganz sanft an den Küchentisch.

Wohlriechend, dampfend und vor allem reichlich befüllt, lässt du das Bild deines Garfield-Tellers vor deinem geistigen Auge Revue passieren. Das Wasser in deiner Mundhöhle scheint schon die Hauptstadt überfluten zu wollen, doch dann passiert es: Nur kurz hast du geblinzelt, eine finstere Ahnung scheint dich packen und in den Styx stoßen zu wollen, etwas eindeutig Säuerliches steigt deinen Nasenkanal hinauf in Richtung „Genusszentrum“, sendet den Super-Gau…

Denn: Es mag Gerichte geben, vor denen du sitzt und mit dem Gedanken spielst, tatsächlich gerichtlich zu einer unverhältnismäßigen Strafe verdonnert zu werden.

In meinem besonderen Fall handelt es sich um eine findige Idee meiner stets besorgten Mutter, um die Optimierung der familiären Vitaminaufnahme. Nicht dass ich in meiner Kindheit Gemüse verschmäht hätte – einen Kostverächter darf mich die Welt nicht schimpfen, oh Nein!

Dennoch würgte sich in mir die ohnehin schwer verdauliche Mathe-Fünf beim Anblick des länglichen und bereits geöffneten Glases ohne großen Widerstand erneut hervor. Dieses Glas! Immer wieder dieses Glas, schimmernd, einer Pfuhlpfütze nicht unähnlich steht es auf dem Häkeldecken, lacht mich aus, grient mich an, unausweichlich.
Gerichtlich angeordnete Folter, ganz ohne Frage. Und dazu noch Mutters säuselnde Stimme, während sie die Gabel tief ins Glas der Pandora taucht:
„Im Winter braucht der Körper doppelt so viele Vitamine, mein Stinker! Und nun komm, iss Deinen Spargel, frischer hat halt gerade keine Saison…“

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Heeeeiß und fettiiiiiiich

Lilly durchschritt das eiserne Tor in eine andere Welt. Allerhand Gerüche umgarnten ihre Nase und machten Appetit auf Zuckerwatte, gebrannte Mandeln und türkischen Honig. Das sonst so vertraute Zwitschern der Spatzen wurde heute übertönt vom Kreischen der Fahrgäste.
Lilly versuchte sich kurz zu orientieren. Sie kam jedes Jahr an diesen Platz, wenn der Rummel wieder in der Stadt gastierte.

Vor ihr schraubte sich gerade der kreisrunde Fahrgastträger am Freefall-Tower hoch. Das Rasseln von Metall drang von rechts an ihr Ohr. Jubelnd flog ein blond gelocktes Mädchen vorbei und winkte ihrer Mutter zu. Die lächelnde Brünette hatte einen großen Bären untergeklemmt und hielt in der Hand den klebrigen Stiel einer pinkfarbenen Zuckerwatte.

Lilly eilte weiter und erreichte sicher ihr Ziel -
Erika‘s Fischbude.

Rechts am Fischstand tauschte ein älterer Mann ein paar Münzen gegen ein Brötchen mit frisch frittiertem Backfisch. Dem Geruch und der Erinnerung an die knusprige Panade konnte Lilly nur mit Mühe widerstehen. Lilly kramte in ihrer Tasche, wühlte tief in ihr herum und reichte den herausgefischten 5 € Schein der rundlichen Fischverkäuferin. Ihr lief das Wasser im Mund zusammen, als sie den dampfenden heißen Fisch entgegennahm. Nirgends gab es einen besseren Backfisch als hier auf dem Jahrmarkt. Kein Jahr ließ sie sich dieses fettige Glück entgehen. Mit spitzen Fingern bog sie das Pergamentpapier zur Seite, in das der Backfisch eingewickelt war. Wie jedes Jahr bestellte sie ihn ohne Soße, um den Geschmack nicht zu verfälschen. Heiß war er und sie biss vorsichtig hinein, die Panade gab knuspernd nach und mit ihren Zähnen duchschnitt sie das zarte Seelachsfilet. Heiß war er, sie kaute, den Mund leicht offen, köstlich war er wieder. Der Duft stieg ihr in die Nase und sie knabberte rund um das Brötchen herum den Fisch weg. Happen für Happen, Biss für Biss verschwand das Backfischbrötchen in ihrem Mund. Selig kauend freute sie sich auf das nächste Jahr, wenn der Jahrmarkt wieder ihre Stadt besuchte.

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Das Babybesteck

Mein Blick fällt auf den Löffel. Wie kann meine 15-jährige Schwester ein Hauptgericht nur mit einem großen Suppenlöffel essen? Und warum unterstützt meine Mutter dieses kindliche Verhalten auch noch? Wenn es diese eine Speise gibt, inszeniert Susanne ihr Hühnchen-Ritual. Während auf meinem Teller ausgelöste, weißlich-faserige Fleischstücke mit Kartoffelpüree und Rotkraut fein säuberlich getrennt nebeneinander arrangiert liegen, erhält meine große Schwester einen tiefen Suppenteller. In diesem verrührt sie den Saft, den das gefiederte Tier im Bräter von sich gegeben hat mit dem Kartoffelstampf zu einer cremigen, hellgelben Suppe, auf der sich einige Fettaugen ausmachen lassen. In die Kartoffel-Bratensauce-Melange werden nun zart glänzende Fleischstücke versenkt, die besten von der Unterseite des Vogels - eigens von Mutter hervorgezaubert. Feindselig starre ich meine Schwester an, wie sie genüsslich ihr Hühnercreme-Püree vom Löffel schlürft. Voller Verachtung säble ich mit meinem Erwachsenenbesteck an dem trockenen Fleisch herum. „Nur Babys essen mit dem Löffel“, denke ich und wünsche mir insgeheim, nicht immer das zu tun, was von mir erwartet wird.

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Pfannkuchen, Speck & Co (ein Auszug)

Bei Ihop bekam Tom endlich seinen heiß ersehnten Kaffee. Als die Bedienung die typische Karaffe brachte, goss er sich und Linda eine dampfende Tasse voll ein.
„Wisst Ihr schon, was ihr zum Essen möchtet?“ Die Kellnerin schenkte ihm ihr schönstes Lächeln. Linda nickte und sah zu Tom. Auch er hatte seine Menükarte bereits zur Seite gelegt.
„Meine Herzensdame zuerst.“
Linda sah den etwas verdatterten Ausdruck auf dem Gesicht der Kellnerin und musste schmunzeln.
„Pfannkuchen, keine Butter, eine Portion Speck und einen Orangensaft.“
„Zweimal bitte.“ Tom nahm einen Schluck aus seiner Tasse.
„Gerne, kommt sofort.“ Damit war die Kellnerin auch schon wieder verschwunden. Tom sah Linda grinsend an.
„Wir mögen beide Dinge wie Tiramisu und Käsekuchen und nun sogar das gleiche Frühstück. Es wird problematisch, sollten wir in unserem Haus am Meer nur noch ein einziges Stück Nachtisch im Kühlschrank stehen haben.“
Linda legte den Kopf leicht schief.
„In unserem Haus am Meer?“
„Genau. Du willst doch ein Haus am Strand oder nicht?“
„Und ob.“ Linda strahlte übers ganze Gesicht. Tom plante bereits ihre gemeinsame Zukunft. „Und ich verspreche dir, dass immer ausreichend Käsekuchen im Kühlschrank ist.“
„Selbstgebacken?“
„Übertreib’s nicht. Ich bin nicht Joy.“ Linda riss die Augen auf. „Oh scheiße!“ Sie holte eilig ihr Handy aus der Tasche und wählte die Nummer ihrer Tante. Joy ging nach zweimal Läuten dran.
„Linda, na endlich, ich hatte mir schon Sorgen gemacht!“
„Es tut mir leid, wir haben verschlafen. Es war eine sehr anstrengende Nacht …“ Sie sah hilfesuchend hoch, erntete aber nur ein freches Grinsen. „Wir haben lang geredet.“
„Mach dir keine Gedanken, mein Schatz, so etwas Ähnliches haben wir uns bereits gedacht. Wo seid ihr?“
„Wir frühstücken gerade, machen uns dann aber gleich auf den Weg.“
„Macht nur langsam. Ein wenig Abstand wird Thomas guttun.“ Joy seufzte leise. „Darf ich kurz mit ihm sprechen?“
„Ja na klar. Moment.“ Linda reichte ihm ihr Handy über den Tisch. „Joy möchte mit dir reden.“
Tom hob überrascht die Augenbrauen, nahm es aber.
„Hi Joy.“ Er atmete tief durch und schaute beim Sprechen auf seine Tasse.
„Thomas, mein herzlichstes Beileid.“
„Danke.“
„Wie geht es dir?“
„Geht so. Es hat unheimlich geholfen, dass ihr Linda habt kommen lassen.“
„Viel hatten wir nicht damit zu tun, um ganz ehrlich zu sein. Ich denke, sie wäre auch ohne unser Einverständnis gefahren. In solchen Situationen ist es wichtig, Unterstützung zu haben.“ Joy machte eine kurze Pause. „Vivian war eine meiner besten Freundinnen. Wir sind immer für dich da, das weißt du, oder?“
Tom nickte automatisch.
„Das weiß ich. Ich danke dir.“
„Ihr müsst auch nicht gleich wieder zurückfahren. Macht ruhig einen kleinen Ausflug, wenn ihr dazu Lust habt. Die Gegend hat viele schöne Ecken. Und fahrt vorsichtig.“
„Machen wir.“
„Bis später.“
„Bis später.“ Er legte auf und reichte Linda ihr Telefon zurück. „Entschuldige mich bitte kurz.“ Er erhob sich und wollte schon in Richtung Toiletten gehen, aber er lehnte sich noch mal zu ihr herunter. „Sieh mal im Netz nach, ob dich im Umkreis von hundert Meilen irgendetwas interessiert. Vielleicht machen wir einen kleinen Abstecher.“ Er versuchte ein Lächeln, aber seine Augen spiegelten es nicht.
„In Ordnung.“
Linda loggte sich in das kostenlose Wi-Fi ein und googelte ein paar Minuten lang interessante Orte, aber der Auftrag gestaltete sich schwieriger als gedacht. Wenig später unterbrach die Bedienung sie mit dem Essen.
„Zweimal Pfannkuchen mit Speck und Orangensaft. Ohne Butter. Darf es noch etwas sein?“
„Vielen Dank, vorerst nicht.“ Linda sah sich um. Tom war nirgends zu sehen, aber sie mochte keine kalten Pfannkuchen und fing ohne ihn an. Ein paar Minuten später kam er aber schon um die Ecke. Sie sah kauend hoch. „Tut mir leid, ich hab schon ohne dich angefangen.“
„Gar kein Problem. Es gibt nichts Schlimmeres als kalte Pfannkuchen.“
Ihre Bewunderung für dieses Fabelwesen, das ihr gegenübersaß, hatte fast keine Grenzen mehr. Sie schluckte glücklich.
„Du bist ein echtes Einhorn.“
„Ein was?“ Er tastete seine Stirn ab.
„Dich magisches Wesen gibt es nur einmal auf dieser Welt.“
„Ach so. Ja, das hoffe ich doch.“ Er nahm einen Pfannkuchen in die Hand, rollte darin ein Stück Speck ein und aß es der Länge nach. Linda beobachtete die Aktion kurz mit Interesse, tat es ihm dann gleich nach. Tom nickte ihr zu. „Auf die Weise hast du immer ein Stück knusprigen Speck im Mund.“
„Ich bin überrascht, dass mir das nicht eingefallen ist.“
„Tja, dein Einhorn ist nicht nur einzigartig, sondern auch kreativ.“ Er zwinkerte ihr zu. „Übrigens, hast du etwa gefunden? Wegen Ausflug und so. Joy meinte, wie sollten uns einen schönen Tag machen.“
„Nein, nicht wirklich. Es gibt zwar interessante Orte, aber zum Wandern oder für Dinge wie Naturreservate habe ich die falschen Schuhe an. Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich würde am liebsten irgendwo ans Wasser fahren. Außerdem tragen wir beide noch die Sachen von gestern. Wenn du nicht gleich nach Hause willst, ist mir das recht, aber dann kaufe ich mir irgendwo frische Unterwäsche und ein neues T-Shirt.“ Bevor sie noch etwas hinzufügen konnte, kam die Bedienung und fragte, ob alles in Ordnung war. Dabei sah sie wieder ziemlich eindeutig nur Tom an und flirtete, was das Zeug hielt.
Linda warf ihr ungesehen einen genervten Blick zu. Tom nickte der Kellnerin kurz zu, widmete sich aber sofort wieder dem derzeitigen Thema.
„Das ist eigentlich keine schlechte Idee. Meine Füße schaffen auch keine übermäßigen Strapazen in diesen Sportschuhen. Der Strand ist eine fantastische Idee.“ Die Bedienung ging wortlos an einen anderen Tisch und Tom grinste.
„Was ist?“ Linda fand es schön, was er gesagt hatte, sah aber trotzdem keinen besonderen Humor darin.
„Ich finde es süß, wenn du eifersüchtig bist.“
Fast wollte sie etwas Gegenteiliges erwidern, ließ es aber. Er hatte sie bereits durchschaut. Dabei hatte sie gedacht, dass er die ganze Sache gar nicht mitbekommen hatte.
„Fehlte nur noch, dass sie mit Sirup ein Herz auf deine Pfannkuchen malt.“
Tom lachte.
„Du weißt aber schon, dass du dir keine Gedanken wegen so etwas machen musst.“
„Ja, ich merk’s grad.“ Linda sah ihn versöhnlich an. „Sie hat trotzdem genervt.“
„Also, dann ist es beschlossene Sache. Wir fahren schnell einkaufen und holen besagte Dinge. Eventuell auch etwas zum Mittagessen und dann suchen wir uns einen schönen Strand, an dem wir einige Stunden relaxen können, bevor wir nach Hause fahren.“
„Das hört sich himmlisch an.“ Salzige Luft, die Geräusche von Brandung, schreienden Möwen und Tom. Was brauchte sie mehr?

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Mahlzeit mit den Nachkriegs.- Eltern

****…denn gar nicht so prickelnd war, in jungen Jahren, die Situation mir bei Appetitlosigkeit das Essen / Nahrungsmittel wie folgt einzuzwängen. ****

****Als kleiner Junge hat man gegen 2 Erwachsene so gut wie keine Chance. Wenn eine Person mich mit einer Hand festhält und mit der anderen Hand auf die Gelenke des Unterkiefers drückt, welches zwangsläufig dazu führt, dass man seinen Mund öffnete. ****

****Nun hat die zweite Person es ziemlich leicht Essen jeglicher Art in den Mund zu drücken und lauthals zu erwähnen es bloß nicht wieder auszuspucken. ****

****Ansonsten machst Du einen Streifen mit! ****

****Hier sollte ich noch erwähnen, dass ich zu diesem Zeitpunkt 2-3 Gläser (0,25 Liter Glas) Rotbäckchensaft intus hatte, welches in geringen Mengen (0,1 Liter) Appetit anregend sein sollte. ****

****Ich hatte mich halt einfach bereits satt getrunken. ****

****Im Übrigen habe ich seit dieser Zeit ein lautstarkes, Gott sei Dank schmerzfreies Knacken in den Gelenken des Kiefers. ****

Sobald ich auf etwas beiße, was etwas härter ist knackt es lautstark …

Nun ca. 60 Jahre später verdanke ich diesen regelmäßigen Zwang einem so "defekten“ Ober & Unterkiefer der dafür Sorge getragen hat, das ich mir stetig und letztmalig 15 Zähne auf einmal gezogen werden mußte.

Ich mache es kurz, das Ende vom Lied…

****Acht Stunden OP Knochenersatz im Oberkiefer, 6 Implantate im Oberkiefer, 4 Implantate im Unterkiefer, fast ein Jahr Provisorien (Prothesen wegen Aushärtung Knochenersatz) ****

Leider keine Zahn Zusatz Versicherung und somit Kosten von fast 39.000,00 Euronen…

**Mein Dank gilt Mama & Danke Oma…

**2022-10-11T22:01:00ZDieser Text wird unkenntlich gemacht**fett gedruckter Text

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Harold kochte nicht schlecht für einen Briten, doch sein Schwager Charly und dessen Familie schmierten nur Ketchup auf alles und schlangen es hinunter. Genauso gut hätte man ein Stück gesottene Spanplatte servieren können. Die Siepelts stopften sich alles rein und spülten mit Bier oder Cola nach. Charly rülpste dann dazu leise und grinste. Fertig, aus.
Harold hatte es deshalb aufgegeben für die Banausen zu kochen und diese Aufgabe seiner Frau Stefanie übertragen. Die überlegte jetzt. Vielleicht sollte sie den Siepeltschen Geschmacksknospen diesmal ein bisschen auf die Sprünge helfen. Der Gedanke gefiel ihr! Sie nahm die Spüliflasche, drückte die grüne Seife heraus und rieb das Bratenstück damit dick ein. Ja, so war es gut. Kochen konnte doch richtig Spaß machen!
Dann schnitt sie das Fleisch in gleichmäßige, fingerdicke Scheiben und legte es in eine feuerfeste Form.
„Jetzt noch ein Lorbeerblatt und ein paar Wacholderbeeren“, sang sie, „ein bisschen Pfeffer und Salz. Hups, da kam etwas viel!“
Aber egal. Noch war das Meisterwerk nicht vollendet. Im Kühlschrank fand sie Inspiration. Dort im Butterfach wohnten seit längerer Zeit zwei halbvolle, zerknautschte Tuben: Harissa und abgelaufene Sardellenpaste. Beide zusammen ergaben ein hübsches Zopfmuster auf dem Fleisch, das sie noch mit zusammengefegten Liebesperlen aus der Backzutatenkiste dekorierte.
Zufrieden betrachtete sie ihr Kunstwerk von allen Seiten. Ein paar Mandelblättchen noch hier und da und dann ab in den Ofen damit.
Schon bald blubberte eine grüne Soße rund um das kunstvoll dekorierte Fleisch. Halt! Nicht zu viel Temperatur, lieber ein paar Minuten länger. Es sollte ja schön saftig sein. Dazu passte frisches Weißbrot und grüner Salat.
‚Guten Appetit!‘, dachte sich Stefanie und lachte.

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Zimtwaffeln vom Holzfeuer
Barfuß durch warme Kuhfladen rutschen, stundenlang den kleinen Bach anstauen, den einzelnen Geländefahrzeugen das Gatter auf dem Weg öffnen und dafür Süßigkeiten kassieren, am Abend mit lauten Rufen und schnellen Sprüngen die Kühe zur Hütte treiben.
Sommererinnerungen.

Trotz des warmen Tages rauchte der Kamin. Dort wartete unser Ähle, unsere Großmutter auf uns. Über ihrem geflochtenen Haarkranz trug sie ein Kopftuch und eine geblümte Kittelschürze über den Stützstrümpfen. Sie stand am Feuer und füllte mit einer riesigen Kelle, die immer an einem Nagel an der geschwärzten Holzwand hing, süßen Teig ins das schwere gusseiserne Waffeleisen, legte es auf einen stabilen Ring über das knisternde Feuer und verzog das Gesicht, als wir erwartungsvoll im niederen Türrahmen auftauchten und den Duft nach Zucker, Liebe und Geborgenheit in uns aufsaugten.

Ihre faltige Hand wies nach draußen. „Hände waschen!“ Wir rannten zum Brunnen, tauchten die Hände kurz in das kühle Wasser, wischten sie an den schmutzigen, kurzen Hosen ab und rannten zurück. Gerade rechtzeitig: die erste heiße Waffel landete auf dem weißen Teller mit dem hellblauen Rand. Eine angeschlagene Kaffeetasse mit einem Gemisch aus Zimt und Zucker stand bereits auf dem Tisch. Die Buben griffen schneller zu. Ich stand in dem heißen, duftenden Rauch und tanzte ungeduldig um das Ähle herum. Die dritte Waffel war meine. Strahlend schob ich sie an den Tellerrand, damit ich abbeißen konnte, ohne mir die Hand zu verbrennen. Zimt und Zucker auf heißen und dunkel gebräunten Waffeln in beißendem Holzfeuerrauch.
Kindheitserinnerung.

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Waffeln mit Zimt und Zucker… auch meine Kindheitserinnerung! So lecker!

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Seit achtzehn Jahren habe ich meine Großmutter nicht gesehen. Als meine Eltern sich trennten war ich sechs Jahre alt. Wirklich erinnern kann ich mich an die Zeit nicht mehr. Nur, dass alle viel geweint haben, mich eingeschlossen, das weiß ich noch. Meine Mutter zog mit uns Kindern nach England. Dort begann sie ein neues Leben. Und wir mit ihr. Mittlerweile habe ich die englische Staatsbürgerschaft und meine ursprüngliche Muttersprache fast verlernt. Den Kontakt zu meinem Vater hat meine Mutter unterbunden, andere Verwandte gerieten in Vergessenheit. Auch meine Großmutter. Mein älterer Bruder Daniel erzählt, wir hätten uns als Kinder bei ihr immer sehr wohl gefühlt und sie habe tolle Spiele gekannt, mit denen sie unsere Tage versüßte. Ich habe nicht einmal ein vages Bild in meinem Kopf, nicht den leiseste Erinnerungsfetzen an ihr Gesicht, ihre Wohnung oder ihre Spiele.

Nun stehe ich hier an einem verregneten Novembertag in einer deutschen Kleinstadtsiedlung vor ihrem Haus. Einige graue Schindeln fehlen an der schäbigen Fassade. Im Vorgarten stehen die traurigen Überreste verblühter Blumen neben den unebenen Waschbetonplatten, die zur Haustür führen. An den Fenstern verdecken Gardinen den Blick ins Innere. Nur hinter einer Gardine spendet eine Lampe warmes Licht. Ich trete an die Tür und drücke auf den Klingelknopf. Auf dem Schild daneben steht „Ursula Reuter“. Nichts von alledem kommt mir bekannt vor. Ich besuche eine Fremde und dieser Besuch hat rein gar nichts mit nostalgischen Erinnerungen oder Sehnsucht nach alter Heimat zu tun. Für eine Hausarbeit meines Kunsthistorischen Studiums muss ich einen Stammbaum meiner Familie anfertigen. Lediglich die damit verbundenen Fragen haben mich hierher geführt.

Ich habe mein Erscheinen mit einem Telegramm angekündigt. Trotzdem dauert es lange, bis ich nach meinem Klingeln Geräusche aus dem Innern des Hauses wahr nehme. Dann steht sie vor mir, meine Großmutter. Sie ist etwa so groß wie ich, hat eine sportliche Figur, trägt die grauen Haare in einem modischen Kurzhaarschnitt und sieht in Jeans und Bluse gar nicht so alt aus, wie ich gedacht hatte. Im Geiste überschlage ich Zahlen: Ich vierundzwanzig, meine Mutter vierundvierzig, mein Vater zwei Jahre jünger als Mom. Meine Großmutter müsste Mitte oder Ende sechzig sein. Ich hatte eine alte Frau mit Dutt und Schürze erwartet und stehe dieser geradezu jugendlich wirkenden Frau nun überrascht gegenüber.
Ihre Augen beginnen zu leuchten, als sie mir breit lächelnd die Tür öffnet. „Janine, wie schön, das du da bist. Gut siehst du aus und so erwachsen. Komm doch rein.“
Ich verstehe wenige dieser fremd klingenden Wörter, aber ihre Geste und die weit offen stehende Tür machen die Einladung unmissverständlich deutlich.
Ich folge ihr in den Hausflur, sie schiebt mich vor sich her, weiter in das Haus hinein und schließt die Tür. Die kalte graue Luft bleibt draußen. Drinnen umfängt mich eine Wolke aus Duft und Farben. Ich atme tief ein, erkenne den Geruch und sehe unzählige kleine Erinnerungsbilder an meinem inneren Auge vorbei ziehen.
Ich sehe uns Kinder mit Oma am Tisch sitzen. Wir falten bunte Servietten und legen sie zu den Tellern auf die geblümte Tischdecke. Wir kochen Wackelpudding – ich roten, Daniel grünen. Wir schneiden Gemüse für den Eintopf und backen bunte Kuchen für Kindergeburtstage.
Der Geruch aber verspricht eine andere Köstlichkeit, die es immer nur bei Oma gab. Aus meinem Mund kommt mein erstes deutsches Wort seit knapp zwei Jahrzehnten. Kohlrouladen!

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Wunderschöne Erinnerungen in einen liebevoll humorvollen Text gepackt. :smiling_face_with_three_hearts:

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Beim Gedanken an DAS Essen aus meiner Kindheit läuft mir direkt das Wasser im Mund zusammen. Natürlich gab es vieles das lecker war, auf das ich mich gefreut habe, wenn ich gerochen habe, was da in den Töpfen gebrutzelt wird. Mmmh.
Aber eines ist mir für immer geblieben. Götterspeise meiner geliebten Grossmutter. Viele denken jetzt vielleicht: iiih, wie schrecklich. Das war es aber nicht. Im Gegenteil. Vielleicht ist es auch der falsche Name dafür, aber wir haben die immer so genannt.

Eine grosse Schüssel voller Liebe und wohliges Gefühl. Zwieback, weich gekochte Apfelschnitze und Vanillesauce. Schon wieder läuft mir das Wasser im Mund zusammen.

Wenn ich die Speise „angeschnitten“ habe, roch es noch intensiver. Es klang etwas schlotzig, aber das erhöhte meine Vorfreude umso mehr. Die erste Gabel die zu meinem Mund führte, war immer wie ein Krimi. Spannend und nervenaufreibend. Kommt noch was dazwischen, nimmt mir jemand meine geliebte Speise weg oder darf ich endlich geniessen? Und dann die Erlösung!
Die süsse, warme Vanillesauce. Die wie eine innige Umarmung schmeckte. Die saure der Äpfel, die das ganze Aroma durchbricht und der Biss des Zwieback. Herrlich! Jedes Mal ein Lächeln auf den Lippen. Alle Sorgen waren vergessen…

Ich habe so lange nicht mehr an diese geliebte Götterspeise gedacht, geschweige denn diese gegessen… Nun schwelge ich in Erinnerungen an meine Kindheit. Meine geliebte Oma und diese wunderbare Götterspeise.

Leider ist meine Oma mittlerweile in einem Heim, da sie Alzheimer hat und niemanden mehr kennt…
Heute werde ich aber eine grosse Schüssel Götterspeise machen und die in vollen Zügen, mit den Gedanken an meine Oma geniessen und sie fest umarmen…

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