Das Thema erinnert mich an eine wahre Begebenheit aus meiner Kindheit, die ich hier als erstes Kapitel für mein Kinderbuchprojekt formuliert habe. Es begann mit einem Frühstück bei meiner Oma.
Nonna ist kein Umwelt-Schwein!
»Stellt euchch vorrr, die Polizei war heute hierrr!«, sagte Nonna, Sofias und Dondolos italienische Oma, bevor sie sich umwandte um frischen Kakao anzurühren. Sie sprach deutsch, weil die beiden ihre Freunde mitgebracht hatten. Aber wenn sie aufgeregt war, rollte Nonna R’s und fauchte Ch’s wie Frau Mahlzahn in Picassos altem Jim-Knopf-Buch.
»Die Polizei?«, schrien alle vier Kinder durcheinander.
Birkes Tasse blieb in der Luft hängen. Von Picassos Brötchen tropfte Honig aufs Tischtuch. Hätte Nonna gesagt, ein Alien habe an ihrer Wohnungstür geklingelt und gefragt, ob sie einen Euro wechseln könne - es hätte nicht lauter knallen können!
Die Furzblase, die Dondolo unter Nonnas Stuhlkissen schieben wollte, sobald sie sich endlich einmal umdrehte, blieb ungenutzt und vergessen in seiner Hosentasche verborgen.
Boah, ausgerechnet Nonna! Was mochte sie angestellt haben?
Sofia spürte Ameisen im ganzen Körper. Ein Verbrechen? Womöglich ein neuer Fall für die Waldorf-Detektive?
Die vier Kinder hatten den Detektiv-Klub gegründet, als sie heraus fanden, wer die Schulklos mit Böllern geflutet hatte. Das war nun ein Jahr her. Allerdings war seitdem nichts Aufregenderes geschehen, als dass Sofias Pausenbrot verschwand. Und selbst das tauchte wieder auf. In Sofias rechtem Turnschuh.
Etwas zerknautscht zwar, aber durchaus noch genießbar. Leider ganz ohne den Einsatz kriminalistischer Ermittlungsmethoden.
Aber jetzt war die Polizei bei Nonna gewesen! Sofias schnappte nach der Neuigkeit wie Cola nach einem Hunde-Keks. »,Los, erzähl schon, Nonna!«
Und Nonna erzählte: Man hatte einen Haufen Müll im Wald gefunden. Bei der Schutzhütte nahe der glotzenden Eiche. Und in einem der aufgerissenen Beutel lag ein Briefumschlag mit Nonnas Adresse!
»Haben die Polizisten dich etwa verdächtigt?«, schnaubte Sofia.
Man sollte doch wohl meinen, dass die Beamten mehr Verstand hätten, als eine ortsbekannte Natur- und Umweltschützerin in die Mangel zu nehmen!
»Wirst du jetzt verhaftet?« Dondolo sprühte Brötchenkrümel quer über den Tisch.
»Musst du etwa eine Strafe bezahlen?«, fragte Birke.
»Nein, Kinder, das nicht! Aber diese Schande! Diese Schande bleibt an mir hängen wie Kletten in Colas Fell!«
Cola bestand aus sehr vielen Haarzotteln, in denen sich ständig Blättergestrüpp verfing, und sehr wenig Hirn. Wenn sie Türen öffnen könnte, hätte sie jedem Einbrecher freundlich entgegen gewedelt: Hereinspaziert, die Herrschaften, schauen Sie sich in aller Ruhe um. Ich danke auch schön für den Knochen, den Sie mir mitgebracht haben.
Zum Spürhund taugte sie überhaupt nicht. Es sei denn, es ginge darum Misthaufen oder Kuhfladen aufzuspüren, in denen sie sich wälzen konnte wie ein Wonnefloh. Als sie jetzt ihren Namen hörte, ließ sie ihren Schwanz propellerkreiseln und eine Miefwolke wehte durch die Küche.
Nonna rang die Hände. Nicht weil Cola müffelte. Sondern wegen Frau Vogel aus dem Erdgeschoss. Bevor Birke Sofias Oma kennenlernte, hatte sie noch niemals gesehen, dass jemand die Hände rang. Es sah aus wie Klimmzüge ohne Stange.
»Oh, diese furchchbare Perrrson. Die ganze Zeit lauschte sie mit spitzen Ohren im Flurrr.«
»Ach, der Plappergeier!«, Sofia zog eine Grimasse. »Papa sagt immer, was sie nicht mitkriegt, das bleibt auch dem Geheimdienst verborgen.«
»Sie hört das Raketen-Klo. Sobald es startet, schießt ihr zerrupfter Kopf aus der Tür wie diese Spiralfeder aus der Bonbon-Dose, mit der Dondolo jeden foltert.«, sagte Picasso.
Das Raketen-Klo benutzten die Kinder sowieso nur wegen Sofias Muskelkrankheit. Über die Treppe wären die anderen dreimal so schnell im zweiten Stock gewesen.
Nonna nickte. »Du hast Recht, Picasso. Er macht einen furchchbaren Lärrm, dieser Fahrrstuhl.«
Nonna war eine der wenigen Erwachsenen, die Picasso zu Finn-Florian sagte. Sie fand, dass besondere Talente gewürdigt werden mussten. Egal ob jemand gut malen konnte oder eine Sportskanone wie Birke war.
Dondolo allerdings nannte Nonna niemals bei dem Spitznamen, den Sofia ihm verpasst hatte, weil ,Sedia a dondolo" auf italienisch ,Schaukelstuhl" bedeutete. Herumzappeln verdiente in Nonnas Augen keine besondere Würdigung.
Birke war kein Spitzname, auch wenn er so klang. Der Name mochte ganz schön sein, wenn man ein Baum war, dachte Birke. Aber für ein elfjähriges Mädchen? Eher nervtötend, wenn man auf dem Schulhof »Tanne« oder »Pappel« gerufen wurde. Oder »Kaktus« - wie blöd auch immer das war!
Jetzt sagte sie, damit Nonna zu dem »Fall« zurückfand: »Aber du hast den Müll doch nicht in den Wald gebracht, oder?«
»Natürlich nicht!«, schrie Sofia. »Nonna ist doch kein Umwelt-Schwein!«
Picasso schickte sein 1000-Watt-Lächeln zu Sofia und Birke biss sich auf die Lippen. So eine Energieverschwendung!
»Aber irgendwie muss er doch dahin gekommen sein.« , bohrte sie.
»Vielleicht war es gar nicht Nonnas Müll.« Sofia versuchte, die Gedanken zu ordnen, die in ihrem Kopf herum hüpften wie Ping-Pong-Bälle. »Vielleicht will ihr jemand etwas anhängen.«
»Wenn wir wüssten, wann der Müll dorthin gebracht wurde,« überlegte Picasso, »dann könnten wir die Gassi-Gänger befragen, ob sie etwas Verdächtiges beobachtet haben.«
Sofia nickte eifrig. »Also, gestern Nachmittag lag noch kein Müll an der glotzenden Eiche. Das hätte ich gesehen, als ich zum Krücken-Turnen musste.« Behauptete sie. »Zur Kranken-Gymnastik«, verbesserte Nonna. Stacheln, dachte sie und wuschelte Dondolo über den Kopf. Die Stacheln, die ihr Enkelsohn als Frisur trug, die Stacheln trug Sofia auf der Zunge.
»Jedenfalls bin ich gestern dort entlang gewatschelt.«, sagte Sofia mit trotzigem Blick.
Picasso runzelte die Stirn. »Du watschelst nicht!«
»Paula hat in der Pause gesagt, Sofia watschelt wie Ente.« Erklärte Birke leise. Jetzt tat es ihr leid, dass sie der Freundin Picassos Lächeln vorhin missgönnt hatte. Ehrlich leid.
»Paula hat selber einen Hintern wie eine Ente!«, knurrte Picasso.
»Hast du ihn dir so genau angeguckt, ihren Hintern?«, stichelte Sofia und die Mädchen prusteten los.
»Gackergänse!«, dachte Picasso. Er merkte, dass er wieder seinen Tomatenkopf kriegte. Das hatte man davon, wenn man nett zu ihnen war! Von Dankbarkeit keine Spur!
Hastig stieß er seinen Stuhl zurück. »Alla bama!«, rief er, was in ihrer Geheimsprache soviel wie »Gehen wir!« bedeutete. »Kommt, wir wollen den Tatort beschnüffeln!«
Cola, die wie ein nasser Lappen unter dem Tisch gelegen und geschnarcht hatte, sprang auf und bellte wie verrückt.
Schnüffeln - das war ganz nach ihrem Hundeherzen! Sollten die Zweibeiner endlich begriffen haben, worauf es wirklich ankam?