Seitenwind Woche 1: Brötchen mit Soße für 60 Pfennig

Danke für die Rückmeldung :grin: „schmeckt nach Matheheft!“ kommt von meinem Enkel. Ich musste über diesen Satz dermaßen lachen, dass ich vom Sofa rutschte. Ich habe von ihm die Erlaubnis erhalten, ihn für mein Buch zu verwenden. Dafür brauchte das Kind den selbstgebackenen Keks nicht aufessen :joy: Backen ist halt nicht so meins :sunglasses:

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Da hast du recht. Ich weiß gar nicht, wann ich das alles lesen soll. Also überfliege ich die Artikel so, als ob ich ein Buch kaufe. Der erste Satz muss mich anspringen.
Außerdem mag ich Geschichten mit wörtlicher Rede :sunglasses:

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Sehr schöne, in Familienszene gekleidete Hommage an den heutzutage nur noch wenig geschätzten selbstgeernteten Apfel – gefällt mir gut - vielen Dank!

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„Also ehrlich. Wenn ich gewusst hätte das es hier drinnen so heiß ist wäre ich auf dem Tisch geblieben.“
„Die Hitze brauchen wir aber. Sonst geht nix!“
Die beiden Brötchen lagen nebeneinander auf dem Blech im Ofen. Geschmeidig rundlich geformt, nach Hefe duftend. Wie geschaffen für ein Frühstück mit Marmelade oder Schokocreme. Mit Butter, Wurst und Käse belegt wäre eine alternative.
„Hast ja recht. Sonst geht ja nix“
„Du gehst ja schon richtig auf.“
„Na klar. Bin ja auch näher an der Heizspirale als du.“
„Angeber.“

Die Liebe zu frisch gebackenen Brötchen ist bis heute geblieben. Der Ofen öffnet sich und ein betörender Duft von Hefe und fluffigem Teig wabert durch die Küche.

Mmmmmm lecker…

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Das Nicht-Weihnachtsessen

Es war der erste Weihnachtsfeiertag und meine Mutter wollte einen Kaninchenbraten servieren. Sie war nicht gerade eine Meisterköchin, aber sie gab sich Mühe. Mein Vater war vor ein paar Jahren verstorben, so waren wir nur noch zu zweit. Zumindest in Bezug auf das Essen hatte sie es nun leichter, mir schmeckten ihre Gerichte immer gut.
So standen wir also in der Küche vor der abgedeckten Schüssel, in der der Braten auf seine Zubereitung wartete. Langsam hob meine Mutter den Deckel an und ein schmales, dunkles Stück Kaninchenrücken, von blassen Speckstreifen durchzogen, kam zum Vorschein. Gleichzeitig breitete sich ein seltsamer Geruch aus. Mühsam widerstand ich der Versuchung, mir die Nase zuzuhalten.
Meine Mutter runzelte die Stirn. „Aber dort stand doch: in Buttermilch einlegen“, murmelte sie zweifelnd. Sie sah mich an. „Das nennt man Beizen. Das macht man so bei Wild“, erklärte sie.
Ich zuckte die Achseln und trat einen Schritt zurück. „Vielleicht wird es besser, wenn es erst gebraten ist?“, schlug ich vor. Ich glaubte jedoch kaum, etwas davon herunterbringen zu können, inzwischen musste ich gegen den Brechreiz ankämpfen.
„Oder wollen wir doch lieber etwas anderes …“, begann meine Mutter verzagt.
Das Schrillen der Türklingel unterbrach sie. „Aber wer kommt denn heute am Feiertag?“ Sie ließ das Fleisch wieder unter dem Deckel verschwinden und eilte zur Tür. Ich folgte ihr langsam, erfreut, dass ich wieder frei atmen konnte.
Ein mir fremder junger Mann stand vor der Tür. Er wirkte ernst und gesammelt und kein bisschen weihnachtlich. Ich konnte seine Worte nicht verstehen, aber meine Mutter stand wie erstarrt und hatte die Hand vor den Mund gepresst.
Zu dieser Zeit hatten wir noch kein Telefon, so hatte die Tante einen Boten mit der traurigen Nachricht geschickt: Meine Großmutter war verstorben und wir sollten kommen, um sie ein letztes Mal zu sehen. So machten wir uns auf den Weg.
Ich kann mich nicht erinnern, wann es an diesem Tag etwas zum Essen gab, aber das verdorbene Fleisch wanderte am Abend in den Müll. Es klärte sich schließlich auch auf, warum die wohlbekannte Methode des Beizens in diesem Fall versagt hatte: Meine Mutter hatte den Kaninchenrücken aus der Tiefkühltruhe genommen, dann hätte man ihn wohl sofort nach dem Auftauen braten können. Wir haben nicht noch einmal versucht, einen Hasenbraten zuzubereiten.
Meine Mutter hat sich nie gut mir ihrer Schwiegermutter verstanden, aber manchmal frage ich mich, ob die Großmutter mit ihrem Beschluss, gerade an diesem Tag zu sterben, uns beide vor einer ernsthaften Fleischvergiftung bewahrt hat.

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Als ich eines Morgens mit Bauchschmerzen aufwachte und meiner Mutter davon erzählte, dachte ich mir nicht viel dabei. „Bauchschmerzen“, dachte ich. „Geht schlimmer.“ Und es kam schlimmer. „Dave, komm in die Küche.“, rief meine Mutter. „Ich habe Haferschleim gemacht. Das ist gut für den Magen.“
Mit einem unguten Gefühl ging ich langsam in Richtung Küche. Schleim ist kein Wort, das etwas im Namen eines Essens verloren hat. Wer hatte sich schon jemals etwas Gutes zu Essen gemacht und dachte sich: „Das sollte ich Schleim nennen.“ Vielleicht fand jemand das Essen so gut, dass er wollte, dass niemand anders es ihm wegisst, hoffte ich. Als ich in die Küche kam und in meinem Teller etwas sah, dass wie Erbrochenes aussah, erblasste diese Hoffnung ein wenig.
Vielleicht war der Name auch eine Warnung. Eine Warnung von jemandem, dessen Mutter das gleiche Gericht gekocht hatte. Um schon mit dem Namen zu zeigen, dass es nichts ist, das auch nur in die Nähe eines Mundes kommen sollte.
Ich schloss meine Augen und hatte doch noch den winzigsten Hoffnungsschimmer, als ich mir einen Löffel von diesem Etwas, dass sich Essen schimpft, in meinen Mund schob.
Es war eine Warnung. Es war eindeutig eine Warnung.
Als ich zögerte, noch einen zweiten Löffel zu nehmen, sagte meine Mutter: „Iss. Damit du groß und stark wirst.“
Und wer mich heute kennt, weiß, dass ich nie groß und stark wurde.

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Weihnachtsbäckerei

Ich stehe in einem dunklen Flur. Vor mir erkenne ich schemenhaft eine Tür, unter der Licht hindurch scheint. Meine Augen gewöhnen sich an das Dunkel und immer mehr erkenne ich, wo ich mich befinde. Ich stehe zu Hause, im Haus meiner Kindheit, im Flur. Genauer gesagt direkt vor der, noch verschlossenen, Küchentür meiner Oma Annerose. Der Flur ist mit einem grauen, groben Teppich ausgelegt. Zu meiner Linken erkenne ich die Garderobe aus Holz, die mit Hirschen verziert ist, mit einer dazu passenden Truhe. Zu meiner Rechten befindet sich der Vorratsschrank. Als ich mich weiter umschaue, bleibt mein Blick an meinen Füßen hängen. Es sind Kinderfüße, die in den kuscheligen, warmen, selbst gestrickten Socken von meiner Oma Annerose stecken. Mein Blick gleitet weiter nach Oben und ich stelle fest, dass ich meinen lilafarbenen Hausanzug trage. Ich hebe meinen Arm und öffne die Tür. Meine Oma ist in der Küche bereits fleißig am Werkeln. Noch kann ich nicht ganz genau erkennen was sie macht. Ich genieße es einfach nur, dieser wunderbaren, liebevollen, trotz ihres Alters agilen, alten Dame beim herumwuseln zuzuschauen. Sie merkt, dass sie beobachtet wird und dreht sich zu mir um. Als Oma Annerose mich erblickt, strahlt sie mich an und ihr Blick zeugt von der unendlichen Liebe die sie für mich empfindet. Mein Opa, den ich leider nicht kennen lernen durfte, starb nur wenige Tage nach meiner Geburt. Er war ihre große Liebe. In dieser schwierigen Zeit und auch später, war ich, ihr Halt geworden. Ich bin was Besonderes für meine Oma. Gesagt hat sie es nicht. Sie ist keine Frau der großen Worte. Aber Gesten und Zuneigung und Liebe sagen mehr als tausend Worte. So steht Oma Annerose nun in Ihrer wohlig warmen Küche und schaut mich erwartungsvoll an. „Komm rein in die gute Stube, was stehst du denn dort draußen im Flur? Wir haben heute noch viel zu tun.“ Ich folge der Aufforderung und betrete die Wohnküche. Der beige Teppich, der in der ganzen Küche liegt, dämpft meine Schritte. Es ist kurz vor Weihnachten. Die Wohnküche ist weihnachtlich dekoriert. Ein Tannenzweig, verschönert mit einer kleinen Lichterkette und bestückt mit Holzfiguren und Strohsternen, hängt an der Wand über der Esstischbank. Ein Adventskranz steht auf dem Küchentisch und die erste Kerze brennt bereits. Ich fühle mich geborgen, beschützt. „Komm, auf mein Kind. Lass uns frühstücken und danach fangen wir mit der Weihnachtsbäckerei an.“ Das lasse ich mir nicht zweimal sagen. Geschwind decken wir den Tisch. Zum Frühstück gibt es frischen Semmel, bestrichen mit dem selbst gekochten Gelee, aus den selbst gepflückten Johannisbeeren, aus unserem Garten. Dazu gibt es einen heißen Kakao. Als ich mich, diesen super leckeren Semmel genießend, in der Küche umschaue, sehe ich, dass Oma Annerose bereits alle Zutaten für unsere Weihnachtsbäckerei zusammengetragen hat. Auf der Küche liegt neben dem Mehl, Zucker und den anderen Zutaten auch der Fleischwolf, mit dem wir das Spritzgebäck machen. Ich wende mich meiner Oma zu und rufe überrascht: „Wir machen auch Spritzgebäck? Der Teig muss aber doch immer über Nacht ruhen, damit die Plätzchen einfach perfekt werden.“ Meine Oma ist in der Zwischenzeit aufgestanden und steht vor dem Kühlschrank. Lächelnd dreht sie sich zu mir um. In den Händen hält sie einen Teller, den ersten von vielen, mit dem bereits fertigen Teig. „Den Teig habe ich gestern Abend vorbereitet, als du schon im Bett warst. Ich hoffe die Überraschung ist mir gelungen.“ Ich springe von der Bank auf und umarme meine Oma. Sie lacht: „Nicht so stürmisch. Sonst fällt mir gleich noch der Teig runter.“ „Die Überraschung ist dir echt gelungen.“ Gemeinsam räumen wir unser Frühstück weg und bereiten alles für das Backen vor. Der Backofen wird vorgeheizt. Wir suchen sämtliche Backbleche zusammen, denn wir werden Ladungen von Spritzgebäck backen. Für Familie und Freunde. Bei der Befestigung des Fleischwolfes am Tisch gehe ich meiner Oma zur Hand. Es ist alles vorbereitet. Die Bleche liegen bereit, um mit dem Spritzgebäck belegt zu werden. Oma Annerose dreht sich zu mir um „Etwas fehlt aber noch.“ Sie überlegt. Ich komme auch nicht sofort drauf. Dann fällt es mir auf. „Die Weihnachtsmusik fehlt noch.“ Oma Annerose lächelt: „Du hast Recht.“, erklärend fügt sie hinzu: „Damit es Weihnachtskekse werden, gehört die richtige Musik dazu. Ganz wichtig ist die Atmosphäre in denen wir die Kekse backen und zu zauberhaften Weihnachtskeksen gehört natürlich auch die Weihnachtsmusik.“ Sprachs und geht ins Wohnzimmer. Es dauert einen Moment, es klappert. Dann ein zufriedenes Grummeln. Ich höre das typische Summen mit dem das CD-Fach aufgleitet und meine Oma legt die CD ein. Kurz drauf kommt sie, begleitet von stimmungsvoller Weihnachtsmusik, wieder in die Küche. „Komm Jasmin, jetzt können wir loslegen.“ Und wie wir das machen. Wir stehen vor dem Fleischwolf, bereit anzufangen. Oma hält das Messer, mit dem sie den Spritzgebäckteig teilt, in der Hand. Der erste Schnitt, die erste Portion, wird zelebriert. Langsam und mit Bedacht teilt sie ein Stück Teig ab. Währenddessen halte ich den Atem an. Es ist magisch. Sie lächelt mich an und stopft das erste Stück Teig in den Fleischwolf. „Jetzt kannst du drehen. Aber nicht zu schnell. Die Plätzchen müssen alle schön gleichmäßig werden“ Ich drehe die Kurbel des Fleischwolfes und meine Oma nimmt den Teig, der in Form gebracht wurde, vorne heraus und teilt immer, in der perfekten Länge, Stücke ab. Schon nach kurzer Zeit, denn wir sind ein eingespieltes Team, verbreitet sich der himmlische Duft von Plätzchen in der Küche. So geht das den ganzen Tag. Wir backen für jeden aus der Familie die Lieblingskekse. Am begehrtesten aber ist das Spritzgebäck. Auch dort gibt es kleine, aber feine, Unterschiede. Ich zum Beispiel mag es, wenn die Kekse gut durch sind, schon ein klein wenig braun sind. Meine Mama dagegen mag es, wenn das Spritzgebäck noch richtig hell ist.
Als wir fertig sind mit backen, sämtliche Ablageflächen in der Küche sind mit Keksdosen zugestellt, gönnen wir uns auch ein paar Kekse. Der erste Keks ist immer was Besonderes und wenn der Geschmack dann im Mund regelrecht explodiert. Himmlisch. So schmeckt Weihnachten.
Ich wache auf. Immer noch den Geschmack vom ersten Keks im Mund. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge lasse ich diesen wundervollen Traum noch einmal Revue passieren. Schön war er, da er mich an meine Oma und unsere gemeinsame Zeit erinnert hat. Traurig, weil diese Zeit nie wieder kommen wird. Bei einem Blick aus dem Fenster stelle ich fest, dass es über Nacht geschneit hat. Die ganze Welt ist mit Puderzucker bedeckt. Es ist kurz vor Weihnachten. Lächelnd stehe ich auf und denke: „Auf, auf, es gibt viel zu tun, heute backe ich zauberhafte Weihnachtsplätzchen.

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Noch einmal wie ein unbedarftes Kind satt essen…

Eines Morgens erwachte ich aus unruhigen Träumen und hatte den Geschmack von warmem Toast im Mund. Toast mit Erdnussbutter. Hatte ich das etwa gegessen? Schlafwandelte ich nun schon? Erschrocken fuhr ich mir mit der Zunge durch den Mund, aber fand keine verräterischen Krümel zwischen den Zähnen. Ein Traum? Ich hoffte es. Doch sofort hatte ich die Stimme meiner Mutter im Kopf: „Elvis Presley hat Erdnussbutter gelöffelt und wurde erst fett und starb dann, willst du das etwa auch?“
Erdnussbutter war das erste Nahrungsmittel, das mir eine Heidenangst einjagdte. Vorsichtshalber verzichtete ich allerdings schon längst auch auf Pasta, Pizza und Kartoffeln. Nervös strich ich über meinen Bauch - er schien flach zu sein. Gut. Weiter ging die erkundungstour zu meinen viel zu dicken Schenkeln. Ja, auch da war noch Arbeit vonnöten. Mit einem Seufzen dachte ich an den Segen der frühen Kindheit zurück, als ich noch nicht wusste, was Kalorien waren und was sie auch Menschen machten. Ich habe Germknödel am allerliebsten gegessen. Schön dick und mit heißer Butter übergossen. Oder Milchreis. Meterdick bestreut mit Zimt und Zucker. Oder noch besser - Grießbrei mit klebriger Kirschsoße. Zu lang war das alles inzwischen her und nur dunkel erinnerte ich mich an den Geschmack, aber es reichte aus, die Magensäfte zum Laufen zu bringen. Warum, warum nur musste alles Kalorien haben? One moment on your lips, forever on your hips. Essen, das mich einst getröstet und beruhigt hatte, war zum erbitterten Feind geworden. Mein Körper war mein Feind geworden. Oft genug hatte er mich verraten. Einmal entspannt und sattgegessen, verhöhnte mich am nächsten Morgen stets die Waage.
„Es liegt in der Familie, die Fettleibigkeit, da kannst du gar nichts gegen tun. Es sind die Gene, der langsame Stoffwechsel“, predigte meine Mutter stets, während sie genüsslich die nächsten Kalorien in Richtung Futterluke schob. Ich weigerte mich daran zu glauben, das ich genauso dick enden würde wie jeder in meiner Familie. Wer nichts aß, konnte auch nicht dick werden, schlussfolgerte mein junges Gehirn. Und das zog ich, obwohl ich meistens sehr hungrig war, eiskalt durch. Eiskalt war das Stichwort hier. Wann waren meine Finger das letzte Mal warm gewesen? Ich erinnerte mich nicht. Toast wäre schon toll. Warmer Toast frisch aus dem Toaster, das roch nach Zuhause, nach Geborgenheit. Ein Toast wäre okay. Warm. Mit Gouda. Ganz dünn Butter, zerlaufend, auf dem warmen Toast. Ich leckte mir die Lippen. Einmal war doch kein Mal, oder? Leise strich ich die Bettdecke zurück. Ganz leise. Tomaten. Tomaten hatten beinahe keine Kalorien, bestanden nur aus Wasser, aber gaben einem Käsetoast definitiv das gewisse Etwas. Langsam erhob ich mich, lauschte. Die anderen schienen noch zu schlafen. Sich nur einmal einem Moment der Schwäche hingeben. Später würde ich noch genug Zeit haben, eine Runde joggen zu gehen. Das Toast würde keine Chance haben anzusetzen. Ich streckte die Zehenspitzen Richtung Teppich und schwang mich hoch. In dem Moment fing es in meinem Kopf an zu rasseln und in den Ohren zu sausen. Nein, ich hatte definitiv nicht schlafwandelnd der Topsünde nachgegeben, dachte ich noch, als der Fußboden mit einem befremdlichen Rauschen auf mein Gesicht zu raste.

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Ein Ausflug

Wir waren drei Kinder. Drei Kinder in den sechziger Jahren des letzten Jahrtausends. Unsere Mutter sorgte für uns, war geschickt im Einteilen des Geldes, das allein mein Vater nach Hause brachte. Wir waren frei und wild, uns fehlte es an nichts, doch hatten wir lange nicht alles. Sparen war angesagt, da war es bei Weitem billiger, die Familie mit Brot satt zu bekommen als mit Semmeln. Und damit entwickelte sich eine Begehrlichkeit nach genau Derselbigen.
An gewöhnlichen Schultagen bestand unsere Jause aus einem Stück Obst und einem Brot, das meist mit Margarine geschmiert wurde, da sie streichfähiger, aber auch billiger war, als Butter. War jetzt aber einmal ein Ausflug angesetzt, dann war das für mich ein kulinarischer Feiertag, denn da hatte ich die Erlaubnis, auf dem Weg zur Schule beim Geissler eine Jause zu besorgen. Eine Extrawurstsemmel und ein Sunkist dazu. Sunkist war eine künstlich aromatisierte Orangenlimonade in einem dreieckigen TetraPack.Sollte es andere Geschmacksrichtungen gegeben haben, so habe ich die nie bemerkt, mein Himmel galt diesem Geschmack. An der Theke stehen, diese wichtige Bestellung aufgeben, das war schon ein Teil vom Genuss. Das große, scharfe Messer, mit dem Herr Roch die Semmel durchschnitt und die Hälften fein säuberlich auf das Papier legte. Dann kam die große Extrawurst auf die Schneidemaschine. Feine Scheiben fielen nacheinander auf einen kleinen Stapel. Mit einer groben Gabel stach der Greissler in den Stoß und hob ihn auf die untere Semmelhälfte. Oben drauf die anderen Hälfte, dann in Papier gewickelt. Unser Geissler war so ein großer, schwerer Mann, aber er hatte eine Eleganz und Perfektion, die Semmel mit dem Papier zu umwickeln, dass ich nicht aufhören konnte, ihn dafür zu bewundern. Mit einem freundlichen Lächeln reichte er mir mein Päckchen über die Theke. Ich zahlte, verstaute mein kostbares Gut im Rucksack und schwebte förmlich in die Schule. Hatte uns der Bus oder die Bahn an unser Ausflugsziel gebracht, waren wir ein bisschen unterwegs und dann wurde auch schon Pause gemacht. Nun kam der große Moment. Der Rucksack geöffnet, die Semmel herausgeholt. Das Sunkist hatte einen kleinen Strohhalm an die Packung geklebt. Den löste ich jetzt und stach das Getränk auf. Der erste Schluck. Köstlich. Nun wurde die Extrawurstsemmel ausgewickelt. Mit beiden Händen hielt ich sie mir unter meine Nase und sog den Duft ein. Das weiche und doch knusprige Gepäck und die Wurst hatten zur Vollendung zusammengefunden. Ich drückte sie leicht und dann biss ich herzhaft hinein. Ich war nun ein glückliches Kind.

Itza

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Die folgende Geschichte beruht auf wahren Begebenheiten.

Es war mein erster Tag im Kindergarten. Eine völlig neue und unbekannte Welt, mit eigenartigen Gerüchen und Geräuschen. Ich werde an einen Tisch gesetzt, so wie der Rest der Räuberbande, und alle schweigen verheißungsvoll, als stünde uns das letzte Abendmahl bevor. Ein seltsam aussehendes Kind mit schnurgeradem Mittelscheitel und gläsernem Blick hat sich bereits einen Wachsmalstift gekrallt und penetriert damit ein Blatt Papier. Hin und Her. Vor und zurück. Mit Lichtgeschwindigkeit. Ein angehender Jackson Pollock.
Von der Seite erblicke ich ein Mädchen mit kurzen schwarzen Haaren. Ein seltsam leuchtender Krümel hängt ihr an der Oberlippe.
Ein Getränk in Plastikbechern wird herumgereicht wie die allseits bekannte Weihnachtsoblate. Ein beißender Geruch, den ich so aus dem Teeregal noch nie vernommen hatte. Viele Jahre später hatte ich aus Versehen Pfefferminz- mit Zitronentee vermischt. Dies kam dem Getränk ziemlich nahe. Nicht eklig aber auch nicht lecker. In Gedanken sponn ich durch, wie dieses Getränk entstanden sein könnte: Reste aus allen Kindergärten werden am Ende eines Tages gesammelt, vermischt und dann wieder in die Tanks zurückgepumpt, ähnlich den unterirdischen Bierleitungen auf dem Festgelände des Oktoberfestes. Als Nächstes darf jeder seine mitgebrachten Speisen auf den Tisch legen, um gemeinsam zu frühstücken. Die Spannung steigt. Als Kind hat man noch nicht so viele Erwartungen an alles. Einige schütteln ihre Brotdosen und andere raten wiederum was denn da drin sei. Viele Eltern lassen aus unerfindlichen Gründen ihre Kinder in Unwissen darüber, was der Nahrungsstorch ihnen ins Futternest gelegt hat.
Meine Brotdose ist blau und ich rieche kurz am Öffnungsschlitz. Nutellabrot. Damit kann man nie etwas falsch machen. Danke Mami. Der Typ neben mir hat weniger Glück. Nachdem er seine Dose aufgerissen hatte, schoss ein Wurstnebel durch den Raum und ein jeder verzog das Gesicht. Das Kind rechts neben ihm taufte ihn daraufhin Stullen-Andi. Ich hörte das, verstand aber Stuten-Andi, woraufhin ich ihn den Rest des Tages so nannte. Allerdings zog die Kindergärtnerin jedesmal die Augenbrauen hoch, wenn sie das mitbekam. Jahre später sollte diese Bezeichnung aufgrund Andis Berufswahl noch eine andere Bedeutung bekommen, aber das ist eine andere Geschichte.

Ich zog mir den von Omi selbst gestrickten Pullover mit Goofys Antlitz über das Gesicht und sprach durch ihn.
„Was hast du denn da mitgebracht?“
„Schnitte mit Teewurst!“
Er gab ein Würgegeräusch von sich.
„Was ist denn Teewurst? Das riecht ja ekelhaft.“
„Woher soll ich das wissen?“
„Du musst doch wissen, was du isst!“
„Ich krieg das jeden Tag zum Frühstück. Manchmal auch zum Abendbrot. Und manchmal zum Mittag.“
„Das muss dir doch zum Halse raushängen.“
„Ja, manchmal bekomme ich davon Würgeattacken und krieg keinen Bissen runter.“
„Dann sag doch deinen Eltern, dass du was anderes essen willst.“
„Nee, die arbeiten in einer Metzgerei und bringen immer die Reste mit. Jeder bei uns isst Teewurst. Teewurst ist gesund und nahrhaft, sagt Papa immer.“
„Na dann, wohl bekomms!“

Ich nahm einen Bissen von meinem Nutellabrot ohne Butter. Warum eigentlich immer ohne Butter? Die Butterscheiben können nicht dick genug auf einem Nutellabrot sein. Es sollte eher Butter mit Nutella und Brot heißen.
Als ich das wundervolle Gebilde aus Brot, Haselnuss und Palmöl an meinem Gaumen spazieren führe, gibt Stullen-Andi ein seltsames Geräusch von sich. Ich bot ihm die Hälfte meiner süß-braunen Köstlichkeit an, die er dankend annahm.
An dem Tag schwor ich mir, nie Teewurst zu essen und halte mich bis heute daran.

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Mein Magen zog sich vorsorglich zusammen. Tiefrote, von feinen weißen Linien durchzogene Stücke Fleisch hingen von der Decke herab. Unterhalb waren Schalen angebracht. Sollten sie das restliche Blut sammeln?

Eiskalte Schauer überzogen meinen Rücken. Es mussten an die vierzig Fleischballen sein, die an einer dicken alufarbenen Stange aufgereiht waren. Die kleinen Füße schienen mit einer dünnen durchsichtigen Schnur an der Stange befestigt.

Der sonore Alt der Frau hinter dem Tisch brachte meinen ohnehin rebellierenden Magen endgültig in höchste Alarmbereitschaft. Schweiß trat auf meine Stirn. Leicht vernebelte sich mein Blick. Unsicher schaute ich die Frau mit dem großen Messer in der einen und dem Fleischerhaken in der anderen Hand an.

Mein Mund öffnete sich wie von Geisterhand, allein, es wiollte kein Ton über meine Lippen kommen. Hatte ich mich selbst zum Schlächter begeben, ohne Zwang und ohne Not?

Die Frau fuhr sich mit der Zunge lasziv über ihre Lippen. Ihr Mund blieb halb geöffnet stehen.

Mit dem Messer zeigte sie auf ein hölzernes Gestell. Dort lag eins der fleischigen Stücke dekorativ aufgebahrt. Der Geschmack in meinem Mund wechselte von rauchigem Geruch angeregt zu einem salzigen Gemisch. Der Sabber rann meine Mundwinkel hinab.

Ein unbändiges Verlangen nahm wie von Geisterhand von mir Besitz.

Schon wollte ich der Frau das Messer entreißen, als sie plötzlich neben mir stand und die Hand um meinen Nacken legte. Die Spitze des großen Messers zeigte auf meine Nase, der Fleischerhaken berührte meinen Nacken. Eiseskälte legte sich über mich.

Meine Beine gaben nach, der Haken grub sich tief ein, das Messer sah ich meiner Nase immer näher kommen.

Pata Negra……waren meine letzten Worte, bevor mir der Schinken vollends die Sinne vernebelte.

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Hallo in die hungrige Runde, ich freue mich, wenn diese Geschichte gefällt!

FREIHEIT

„Du bist sicher? Das ist so schnell nicht mehr aus deinem Leben zu löschen!“ Harry zieht die Augenbrauen bis unter seinen Pony hoch. Er schiebt mir ein Vorlagenbuch über den Tisch und tippt mit dem Zeigefinger auf die Abbildung eines Weißkopfseeadlers. Das helle Gefieder oberhalb des gelben Schnabels ist angegraut. Harry hat schon oft den Finger darauf gelegt, vermute ich. Ein Foto des Adlers hängt auch an der Eingangstür des Tattoo-Studios. Ich schüttele mit dem Kopf.
„Warte. Das wird dich überzeugen.“ Harry zieht das Album wieder auf seine Seite der Theke. Blättert. Kneift die Augen zusammen. Schnauft. Blättert.
„Hier!“ Triumph blitzt in seinem Blick. „Du willst ein Freiheitsmotiv. Das ist es doch!“ Harry hebt das Kinn. Sein Bärtchen, ein Faden, der von der Unterlippe bis zum Grübchen reicht, zittert.
Ich beuge mich vor und werfe einen kurzen Blick auf einen steigenden Schimmel. Seine Mähne weht im Wind, der von schneebedeckten Bergen herüberströmt. Ich lächele, wende mich ab, sehe durch das mit fetten schwarzen Lettern verzierte Schaufenster auf die Hauptstraße. Der Feierabendverkehr drängt sich vor „Harry´s Tattooparadies“. Die Bremslichter spiegeln sich in den Pfützen. Der Fahrer eines Audi-SUV wartet auf Grün. Er trommelt einen nervösen Takt auf seinem Lenkrad, lechzt danach, den Novembertag hinter sich bringen. Vor seiner Motorhaube hetzen Fußgänger über die Fahrbahn. Die Ampel springt auf rot-gelb, eine Frau mit vom Regen aufgelöster Frisur zerrt ein kleines Kind hinter sich her, zieht es auf den Bürgersteig. Der Audi prescht los. Schmutzwasser bespritzt Frau und Kind.
„Ein Tattoo, das FREIHEIT schreit. Das danach riecht und schmeckt.“, sage ich.
„Eben!“, murmelt Harry und zupft an den Barthärchen. „Das Wildpferd. Es wiehert, du riechst das Gras unter seinen Hufen. Schmeckst, na ja, also, du schmeckst die Bohnen, die abends über dem Lagerfeuer köcheln.“
Ich rücke meine Skizze zurecht, streiche das Blatt glatt.
„Kindergeschrei. Blaues Wasser, auf dem die Sonne glitzert. Ein eigenes Stück Wiese, auf das man vom Toben zurückkommt. Badelaken. Sommer. Ferien. Freunde. Ausgelassenheit. Der weiße Streifen auf Vaters Arm, wo er sonst seine Uhr trägt. Warme Cola zwischen Bananen, Äpfeln und weichen Schokoriegeln in Mutters praller Blümchentasche. So ist es gemeint,“ sage ich. Harry schürzt die Lippen.
„Verstehe, aber das hier…,“ verwischt er meine Worte so schwungvoll, wie ein Lehrer eine falsche Matheformel von der Tafel löscht.
„Genau das ist es“, sage ich. Meine Hand klatscht auf die Skizze.
Harry zeigt mit einer resignierenden Geste auf seinen Behandlungsstuhl.

Ich lehne mich zurück. Der Skizzenbogen knistert. Der Tattookünstler überarbeitet meine Kinderzeichnung. Nach fünfzehn Minuten zeigt er mir sein Werk.
„Ja! Du spürst es! Gestehe es!“ Ich lache und hefte den Blick auf Harrys Augen. Sie glänzen. Er nickt, sein Kehlkopf springt. Ich öffne die Manschettenknöpfe, schiebe den Hemdärmel bis zum Ellenbogen, atme tief durch. Harry geht ans Werk.

Es ist ein dunkler Dezembermorgen. Ich eile mit vermummten Gesichtslosen die Hauptstraße entlang. Der Mantelkragen bedrängt meine Ohrläppchen. Ich balle Fäuste in den Taschen. Die Eingangstür von „Harry´s Tattooparadies“ hält mich auf. Der Laden ist geschlossen, öffnet nicht vor der Mittagszeit. Ein Mittzwanziger mit einem Aktenmäppchen unter dem Arm rempelt mich an und flucht. Er stürmt weiter, Sie S-Bahn kreischt bei ihrer Einfahrt in den Bahnhof. Es riecht nach Gummi und Metall.
Im DIN-A4-Format prangt ein Foto im Fenster von Harry´s Ladentür. Dort, wo im November der Adler seine Flügel ausbreitete. Das Bild zeigt eine überfüllte Pommestüte. Auf dem Gipfel des Kartoffelstäbchenbergs strahlen Majo und Ketchup. In sommerhimmelblauer Schreibschrift ist „Freibad-Kiosk“ auf der Tüte zu lesen. Ein Pfeil weist auf das Foto. „Neues Motiv: FREIHEIT“ hat Harry darüber geschrieben. Ich nehme die Hände aus den Manteltaschen, klappe den Kragen herunter und streiche über meinen rechten Unterarm. Die übernächste S-Bahn bringt mich in die Innenstadt.

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Meine Oma kam aus einer anderen Welt. Nicht nur weil sie nicht richtig Deutsch sprach, sondern auch weil sie anders aussah. Sie konnte nur mit einem Auge sehen. Das war auch gut so, dachte ich als Kind, sie konnte eben alles nur von einer Seite sehen. Ein Auge war nach der Geburt ausgelaufen. Falsche Augentropfen, hieß es, wenn man es unbedingt wissen wollte.
Ich weiß nicht, ob das der Grund war, warum sie sich nur mit ihren Enkelkindern, mit ihrem Garten und Essen beschäftigte. Ich habe sie nie mit anderen Menschen reden hören, außer mit ihrer Familie und ihrem Mann natürlich. Aber der war die meiste Zeit unterwegs und eher eine Randfigur. Nur für meine Mutter nicht. Da war er der Held ihrer Kindheit, wie sich das gehörte. Immerhin hatte er eine nicht entzündete Bombe im Krieg aus dem Garten ihres Wohnhauses gebracht und alle Bewohner gerettet, erzählte man sich. Er war groß und gutaussehend, man konnte ihn herzeigen. Oft hat meine Oma die Geschichte von den Erdbeeren erzählt, die er aus einer Kaserne in Wien mitgenommen hatte. Als Kühlmechaniker hatte er die Lebensmitteltransporte von Bulgarien durch Österreich nach Deutschland begleitet, hatte einen Ausweis, der ihm überall – in allen Kasernen auf dem Weg – Zutritt verschaffte. Einen Ausweis, der ihn dem Führerhauptquartier zuordnete und wenn die Familie, samt Freunden in Wien, nichts mehr zu essen hatten, ging er und holte, was er kriegen konnte. Das passierte selten, weil er nicht oft da war, aber einmal waren es eben Erdbeeren. Die Beeren konnte man nicht so lange aufbewahren und sie entwickelten im Keller des Mehrfamilien-Wohnhauses ein unglaubliches Aroma. Alle konnten sie riechen, und deshalb mussten sie sie alle gemeinsam essen, die roten Beeren, damit sie niemand verraten konnte. Wenn meine Oma davon erzählte, und das hat sie oft getan, auch weil wir sie immer wieder hören wollten, die Geschichte, konnte man Erdbeeren riechen. Es war eine Geschichte von Verführung, von einem hellen Moment im Dunkeln, vom Aufatmen und Luftholen, wo es eigentlich keine gab. Die Erdbeeren wurden mit der Zeit röter, voller und aromatischer. Sie sind dann doch in Deutschland geblieben, meine Großeltern und hatten später einen großen Garten. Meine Oma wollte nur Gemüse aus ihrer Heimat anpflanzen, weil das anders roch, hat sie immer gesagt. Der Knoblauch bekam ein eigenes kleines Treibhaus, damit er es wärmer hatte. Eben wie zu Hause. Und natürlich gab es Erdbeeren…

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Stinkkäse‘: In Otjiwarongo wohnte damals ein Herr Meier. Herr Meier hatte nichts Besseres zu tun als Käse herzustellen - und zwar einen der Übelriechendsten. Wenn es ‚Stinkkäse‘ oder auch ‚Meierkäse‘ gab, war Windhoek in Aufruhr und es wurde rücksichtslos doppelgeparkt und er war nullkommanix ausverkauft. Klar, dass Papa dazu beigetragen hat, dem ‚Meierkäse‘ zum Ruf ‚Verkaufsschlager Nr. 1‘ zu verhelfen. Das Debüt dieses Machwerks aus der Höllenküche Otjiwarongos in unserem Hause hätte eindrucksvoller nicht sein können. Der erste Auftritt war von Papa. Wir öffneten das Hoftor und er fuhr bis vor die Garage. Er stieg aus, in den Händen trug er ein in braunes Papier gewickeltes Päckchen und im Gesicht ein Strahlen, das ihm eine sofortige Anstellung als Weihnachtsmann garantiert hätte. Wir mussten uns aber noch ein wenig gedulden; erst zum Abendbrot würde er das Paket auspacken.

Wir hatten eine festgesetzte Sitzordnung um unseren rechteckigen Esstisch. Ich saß über Eck neben Papa und Mama mir gegenüber. Meine weiteren drei Geschwister auf den anderen Plätzen. Wir vier Kinder waren gespannt bis zum Gehtnichtmehr. Zuerst wurde das braune Papier feierlich entfernt. Der Hauch einer bevorstehenden Katastrophe erreichte meine Nase, aber ich war zu aufgeregt und neugierig, um ihn zu beachten. Es kam nicht oft vor, dass wir Pakete erhielten. Unter dem braunen Papier kam ein gelb-weißes Rechteck in Butterbrotpapier gewickelt zum Vorschein. Papa öffnete auch das. Da traf mich der todbringende Drachenodem eines siegfriedzeitlichen Großwurms, der mindestens hundert Paar Teenager-Schweißfüße mit dazugehörigen Tennisschuhen im Maul hatte. Er ergriff mich, wirbelte mich herum, zerrte mich über den Boden, warf mich hoch und schmiss mich hin, bis ich in betäubt darniederlag. Fürsorglich pustete er mir sogleich den potenten Gestank des Jauchefasses unseres Hühnerstalls ins Gesicht. Mit letztem Überlebenswillen schaffte ich es bis nach draußen vor die Küchentür.
Eine Weile später erscholl der übliche Ruf: „Mama, Ingrid kotzt!“

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Hallo JonahThera,
wirklich schön, ein Lob einzustreichen. Es sind doch sehr unterschiedliche Text. Ich schmunzele jetzt: „Kommst du aus dem Metier?“ Das ist eine allgemeine Frage.
Ich bin Schwester und habe eine Ursprungsfamilie / Metier
Ich war in der Schule, für Jahre wirkliche Erfahrung/ Metier (könnte man sagen)
Mich umgeben allerhand unterschiedliche Menschen, sie haben Geschichten, Metier könnte ich behaupten, denn ich kann zuhören, um dann einzuschätzen, was sie meinen
Ich habe Messer zuhause / meistens, um Nahrungsmittel zu zerkleinern, die Klingen glänzen und die Griffe sind griffig…, es sind Gegenstände, die relativ häufig benutzt werden.
Ich lebe ländlich in Westfalen, es gibt an meiner „Milchkanne“ tagsüber nur eingeschränkt WLAN usw.
Also um deine Frage zu beantworten: Bestimmtes Metier ist es bei dem Text nicht, sondern eher Lebenserfahrungen. Für diese alltäglichen Dinge brauche ich keine Recherche.
Viele liebe Grüße von der müllerin

Omas besondere Zutat

Wenn immer es heißt, dass es am Wochenende zu Oma geht, habe ich diesen einen Duft sofort in der Nase. Ein Duft vollgepackt mit Gemütlichkeit, Heimat und dem Angekommen Sein. Es sind nur 60 Kilometer zu fahren, aber diese knappe Stunde Fahrt zerspringe ich vor Vorfreude auf das Mittag bei Oma.
Ganz gleich, wie oft ich den Löffel bereits in die Eier und zwischen die Mehlknödel geschoben habe, ich werde nie müde, dies auch noch viele Male zu tun.
Meine ersten Erinnerungen an Omas Speckknödel liegen nun schon fast dreieinhalb Jahrzehnte zurück. Doch wird es mir immer unvergessen bleiben, wie ich in der Küchentür stand und zusah, als sie die Ofentür öffnete und die vier dampfenden Emailletöpfe herausnahm. Der Duft, der daraufhin folgte, hat mir das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen.
Die zehn Minuten, die ich danach noch warten musste, um diesen köstlichen Duft auf meiner Zunge zu schmecken, fühlte sich an, wie eine Ewigkeit. Das Warten hatte sich allerdings gelohnt. Meine Geschmacksknospen konnten nicht glauben, welch Gaumenfreude ich nun erleben durfte.
Im Laufe der Zeit habe ich mich immer mal wieder an diesem Gericht probiert, doch wie nicht anders zu erwarten, hat es eben nie so geschmeckt, wie bei Oma. Ich könnte jetzt sagen, dass ich dabei etwas falsch gemacht habe. Doch bei gerade einmal fünf Zutaten sollte nicht viel schiefgehen.
Ich weiß aber, dass ich die eine Zutat, die nicht auf dem Rezept steht, niemals ersetzen kann. In meinen Speckknödeln fehlt einfach Omas Liebe.

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Früher war Alles besser!

Wer kennt nicht diesen Spruch, der immer dann auftaucht wenn die Unzufriedenheit über Gott und die Welt obsiegt.

Früher war Alles besser…

Als Kind war das Leben auf jeden Fall um einiges einfacher. Darüber hinaus erschienen die Wiesen grüner, die Luft reiner, die Sonne…, nun ja, sonniger eben. Und als Kind freute man sich noch anders, besonders über Kleinigkeiten.
Die Kleinigkeit, von der ich euch erzählen möchte, kennt, so wie ich glaube, jeder der in den 70’ern und 80’ern zur Welt kam. Und wenn du in dieser Zeit geboren bist, wirst du mir bestimmt Recht geben. In dieser Zeit war es fast üblich, dass es mehr oder weniger in der Nähe von Schulen einen Tante-Emma-Laden gab.
Wer später geboren wurde, kann sich nur schlecht vorstellen, wie ein solcher Laden aussah. Er war klein, um genau zu sein winzig, etwa ein Zimmer groß. Er glich für mich ein wenig der Tasche von Mary Poppins oder für die Jüngeren unter uns: Dem Koffer aus fantastische Tierwesen. Es war einfach pure Magie, denn gefühlt bekam man dort alles: Eier, Milch, Mehl, Nudeln, Klopapier, usw.
Für all das war irgendwie platz.
Und hinter einer Theke saß eine „Tante Emma“; In meinem Fall war sie eine etwas pummelige, untersetzte, Mitte 80- jährige Dame. Sie hatte diesen Laden schon seit einer Ewigkeit, wie sie uns Kinder stets erzählte. Durch ihr Alter hörte und sah sie nicht mehr gut, doch sie hatte das Herz am rechten Fleck. Und wehe man ärgerte sie, dann konnte sie auch schon mal ungehalten werden und schimpfte in ihrem plattdeutschen Dialekt, dass einem Hören und Sehen verging.
Dieser kleine Laden war ca. 20 Minuten von unserer Gesamtschule entfernt. Es war schon sportlich, wenn man in einer Freistunde versuchte schnell etwas holen. Alleine weil unsere Anni, wie unsere Tante Emma hieß, eben etwas länger brauchte um alles zusammen zu suchen und einzupacken. Nun interessierten wir Kinder uns nicht wirklich für Nudeln und Eier.
Was wir wollten, stand unmittelbar vor und hinter der Theke. Nämlich in über zwei Dutzend mit Süßigkeiten gefüllten Gläsern.
Es gab Wassereis, Gummitiere aller Art, Brauseufos, Kettchen aus Zuckerperlen, und, und, und…
Der Himmel für uns Kids: Dieses Gefühl, welches wir hatten, wenn wir dieses kleine Zimmer betraten und unser letztes Kleingeld in der Jackentasche zusammen kramten.

Oft waren es nur wenige Pfennige, vielleicht auch mal eine Mark, wenn wir Taschengeld bekommen hatten.Und trotz allem bekamen wir dafür 4 Brauseufos, 2 Eis, 10 Schnüre, 3 saure Zungen, … um es kurz zu halten, eine ganze kleine Tüte voller Süßigkeiten.
Wenn ich mal Gollum zitieren darf: Mein Schatz!
Denn das war es tatsächlich. Jeder in unserer Schule kannte diese kleinen Tütchen, und jeder wollte sie.

Und jeder, der sie hatte, machte etwas eigenes daraus.
So gab es bei uns die Händler, die locker das doppelte an den Leckereien verdienten;
die Genießer, die neidisch von den anderen beäugt wurden, während sie sich eine Süßigkeit nach der anderen in den Mund schoben;
und die Teiler, die jeden an ihrem Reichtum teilhaben lassen wollten.
Ich war eine typische Teilerin, da ich es gerne hatte, wenn Andere sich mit freuten.
Es schmeckte dann einfach mindestens doppelt so gut. Ich bin meinem früheren „Ich“ in dieser Sache übrigens treu geblieben und manchmal frage ich mich, ob das die anderen auch sind.
Die Leckereien sind heute jedoch nicht mehr das, was sie einmal waren.
Natürlich kann es auch an meinem früheren kindlichen Gemüt liegen.
Oder es waren diese kleinen Tütchen, die dem ganzen etwas Besonderes einhauchten.

Vielleicht auch Magie?

Keine Ahnung…
Heute hole ich mir gleich eine ganze abgepackte Tüte und soll ich euch etwas sagen?
Es schmeckt nicht mal ansatzweise so gut!

Früher war eben Alles besser!

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Oh, ich vermisse meinen „Tante Emma“ Laden :slightly_frowning_face:

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Danke ! Dann war alles klar.
Nur noch ne ganz kurze Frage: Kann man im Nachhinein bei einem Beitrag
eine kleine Änderung machen. Ich möchte z.B. beim Titel statt „eine Zeitreise“
aus bestimmten Gründen „Zeitreisen“ schreiben.
Danke.

Ich auch, da war die Welt einfach noch in Ordnung!

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