Es wird gegessen was auf den Tisch kommt
Es war mal wieder so weit, die Jagdsaison hatte begonnen. Wir selber lebten zwar nur auf dem Land, hatten überhaupt keine Beziehung zu den Jägern und Bauern, die alljährlich ihrer Jagdlust nach kamen, aber meiner Ansicht nach hatten wir immer wieder das zweifelhafte Vergnügen, mindestens eines der geschossenen Tiere, von den Jägern nach Beendigung der Jagd, geschenkt zu bekommen. Meine Eltern und meine Großeltern waren jedes Mal begeistert, nur wir Kinder nicht, und ich schon gar nicht. Für mich war der Geschmack von wild einfach nur widerlich.
Die Jäger, brachten uns in diesem Jahr einen Hasen und einen Versand vorbei. Der Hase wurde von Opa und meinem Vater direkt nach dem wir diese Tiere in Empfang genommen hatten, gehäutet, und die Innereien herausgeholt. Eine Tätigkeit, die die beiden immer alleine durchführten, da wir Kinder weder ein Interesse daran hatten, noch uns dieses Blut verschmierte Sauerrei ansehen wollten. Unsere Mutter und unsere Oma, nahm sich den Versand vor, rupfen ihm die Federn heraus, und sorgten auch da dafür, dass die Innereien und alles das was man nicht brauchte, aus dem Tier verschwanden.
Meine Eltern und Großeltern betrachteten sich, nach dem sie die Vorbereitung beendet hatten, die Tiere und beschlossen sie, direkt in die Pfanne, oder in dem Bräter, zuzubereiten. Eigentlich roch es köstlich im Haus, aber nur alleine der Gedanke, dass ich wild essen sollte ließ mir jeglichen Appetit auf das, was es an diesem Mittag geben würde, vergehen.
Wir Kinder spielten also noch draußen, und irgendwie entfiel mir dabei, dass bald etwas auf den Tisch kommen wird, von dem ich absolut nicht begeistert war.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie wir alle dann zusammen am Mittagstisch lassen. Unsere Mutter und Oma hatten Klöße aus rohen Kartoffeln zubereitet, die wir alle immer gerne aßen. Dazu gab es eine herrlich duftende Sauce, etwas Gemüse aus dem Garten und natürlich die gebratenen Tiere. Eigentlich wollte ich überhaupt kein Stück davon habe aber mein Vater meinte, es wird gegessen was auf den Tisch kommt. Damit war jegliche Diskussion ob ich etwas von dem Fleisch esse oder nicht, beendet.
Ich machte mich zuerst über die Klöße und die köstliche Sauce her, weil da konnte ich nicht viel verkehrt machen. Das Fleisch wollte ich einfach nicht anrühren und meinen Geschwistern ging es ebenso. Wir mochte den Geschmack von Wild nun einmal nicht. Irgendwie hatten wir auch ein komisches Gefühl, und das wurde uns auch prompt bestätigt als Oma plötzlich aufschrieb. Sie hatte auf etwas hartes gebissen und sich dabei prompt ein Stück vom Zahn herausgebrochen. Nach genauer Untersuchung stellte Großvater fest, dass es sich wohl noch um ein Stück Schrot handelt mit dem das Tier geschossen wurde. Als plötzlich auch mein Vater und meine Mutter anfingen komisch auf dem Fleisch herum zu kauen, und ein Schrotkorn nach dem anderen aus dem Mund holten, beschloss ich und meine Geschwister, dass wir auf gar keinen Fall in das Fleisch reinbeißen werden, da wir nicht auf irgendwelchen Schrot Kügelchen herumkauen wollten. Unsere Eltern und Großeltern beschlossen daraufhin, dass man die Tiere so nicht essen konnte und uns Kindern blieb es erspart.
Oma, hatte den ganzen Tag lang noch tierische Schmerzen, dadurch das ihr ein Teil vom Zahn abgebrochen war, so dass sie am nächsten Morgen direkt zum Zahnarzt fuhr. Als sie zurückkam, saßen meine Eltern und meine Großeltern zusammen in der Küche und beklagten irgendetwas. Was es genau war wussten wir zwar nicht, aber es gab wohl eine einstimmige Übereinkunft bei Ihnen.
Als im Jahr darauf, wieder die Jagdsaison begangen und wir wieder, von den Jägern ein geschossenes Tier bekommen sollten, lehnte mein Vater dankend ab. Er begründete es damals damit, dass es Großmutter und Großvater nicht so gut ginge und sie sich nicht um das Tier direkt kümmern könnten, um es zuzubereiten, und da wir keine Möglichkeit hatten es erst noch in einen Gefriertschrank zu legen um es länger aufbewahren zu können.
Von da an gab es Gott sei Dank nie wieder einen geschossenen Hasen, Fasanen oder ähnliches von den Jägern, und uns Kindern blieb das zweifelhafte Vergnügen diese essen zu müssen, erspart.
Wenn ich heute, über 50 Jahre später darüber nachdenke, schüttelt es mich immer noch an den Gedanken, dieses Fleisch essen zu müssen, da ich bis heute meine Abneigung zu dem Geschmack von Wildfleisch nicht abgelegt habe.