Herbstsonne
Durch das Fenster gegenüber des Esstisches kann ich die Gold schimmernden Strahlen der Herbstsonne sehen, und die großen Laubhaufen, die mein Vater in den letzten Herbsttagen mühevoll zusammengerecht hat. Ich schließe meine Augen und stelle mir vor, wie die wärmende Sonne auf meine Nase scheint, während ich auf dem Schaukelreifen liege, der unter der großen Linde hinten im weitläufigen Garten steht.
Ich öffne meine Augen. Vorm mir steht noch immer der Teller voll Linseneintopf, dessen Farbe mich an den Matsch erinnert, welche der letzt Regenguss in den Pfützen der Beete hinterlassen hat. Der Anblick lässt mich schaudern. Aber ich weiß, wenn ich heute noch raus will, muss ich mich überwinden und Löffel für Löffel der klitschig-klebrigen Pampe in mich hineinzwingen.
So lautet zumindest die Anweisung, die meine Tante Fanny mir gab. Ja Tante Fanny, eigentlich Großtante, die meinte, sie wäre die allerbeste Köchin und Haushälterin überhaupt. Vor langer Zeit wollte Sie uns „nur“ besuchen und keiner der Familie hatte sich wirklich über diese Selbsteinladung gefreut. Dennoch kam sie und nistete sich ein. Dieser Besuch dauerte nun schon über 3 Jahre und ich fragte mich, wann sie endlich wieder nach Hause fährt.
Aber ich habe die Hoffnung aufgegeben, dass das heute noch passiert und ich diesen scheußlichen Eintopf doch nicht essen müsste.
Angewidert rühre ich im Teller herum. Ich hebe den Löffel an und lasse den Inhalt wieder in den Teller zurückplatschen, wieder und immer wieder. Das dabei entstehende Geräusch, machte es mir auch nicht gerade leichter, mich zu überwinden. Ich schaue wieder aus dem Fenster, gefühlt ist es schon eine Stunde später. Ich befürchte, dass die Sonne bald unter geht.
„Okay“, denke ich „ich schaffe das“. Erneut schließe ich die Augen und führe den Löffel zum Mund. Der kalte Esslöffel, auf dem der ebenso mittlerweile kalte Eintopf hängt, berührt meine Unterlippe. Vorsichtig lecke ich etwas davon ab. Der Geschmack dieses mit Maggi überwürzten Eintopfes schüttelte meinen Körper. Außerdem erzeugt das eigenwillige Aroma sowie die etwas mehlige Konsistenz der braunen Linsen einen leichten Würgereiz. Mein ganzer Körper sowie mein Geist sträuben sich buchstäblich dagegen, dieses Gericht zu essen. Ich lasse den Löffel angewidert zurück in den Teller fallen. Die Reste der Sauce auf meinem Mund wische ich mit der Serviette ab.
Im Obergeschoss ertönt das Geräusch des Staubsaugers und sofort ist mir klar dass Tante Fanny nicht mehr in der Nähe ist. Kurzentschlossen stehe ich auf und kippe den Tellerinhalt in die Toilette. Sicher wird Tante Fanny das Geräusch der Spülung jetzt nicht wahrnehmen. Schnell stelle ich den Teller in der Küche ab und verzupfe mich nach draußen auf die Schaukel, von der ich vorhin noch träumte. Zum Glück war die Sonne auch noch da und ich genieße schaukelnd die wärmende Sonne auf meiner Nase.