Wenn ich doch nur mehr Kleber im Haus hätte! Dieser verdammte Discounterbaum, ich hätte ihn nicht so nah an die Heizung stellen sollen… Zum gefühlt 100.000 mal hebe ich eine der fitzeligen vertrockneten Tannennadeln vom Boden auf, tippe sie in mein Kleisterfässchen und pappe sie zurück an eines der dürren Ästchen. Nur blöd, dass meine Klebekraft überwiegt und sie letztlich an mir hängen bleibt.
Vermaledeiter biodegenerativer Abfall… schimpfe ich vor mich hin. Ich habe doch schon immer gesagt, dass ein künstlicher Baum die bessere Wahl ist!
»Aber Schatz, denk doch nur an die Kinder und wie viel schöner so ein echter Baum ist! Dieser wunderbare Duft!« Ich schnaube laut auf, als ich mir die empörte Stimme meiner Frau in den Kopf rufe. Von wegen Duft, dieses Jahr wird man eher high, wenn man an unserem Baum schnüffelt. Weihnachtsstimmung stelle ich mir da irgendwie anders vor.
Ruuuuuuuuuuuuuuuuuummmmmms
Was zum Teufel war das jetzt schon wieder? Ich fahre blitzartig herum, verliere das Gleichgewicht und kippe im Fallen den halbvollen Kleistertopf über mich. Na super. Pumuckl lässt grüßen. Ich will mich gerade fluchend wieder aufrichten, als ein riesiger Schatten über mich fällt. Wenn das mal nicht der Meister Eder ist…
»Hätten Sie Ihren Kamin nicht endlich mal reinigen können? Jedes Jahr das Gleiche… was glauben Sie, wie viele von diesen roten Bademänteln ich mittlerweile wegen Menschen wie Ihnen wegschmeißen musste? Der hier ist sogar von Gabor! Eigentlich sollte ich direkt wieder gehen…«
Ich bin zu verblüfft, um überhaupt etwas erwidern zu können. Da steht doch tatsächlich der Weihnachtsmann vor mir! Ziemlich ramponiert, aber eindeutig mit Rauschebart. Ich hoffe, er hat seinen Cola Truck nicht in unserer Einfahrt geparkt, sonst würde Gießbert von Gegenüber mir morgen wieder die Hölle heiß machen…
»Hat es Ihnen die Sprache verschlagen? Naja gut, mich sieht man wohl nicht alle Tage. Apropos - was tun Sie überhaupt hier, Sie sollten längst im Bett sein! Da hat der Sandmann wohl mal wieder nicht richtig gestreut…«
Ich verstehe nur Bahnhof. Und frage mich sogleich, ob Rudolf wohl neben dem Weihnachtsmann im Cola Truck sitzen darf - stilecht mit cooler Sonnenbrille und roter Nase. Vielleicht bin ich einfach schon so high von dem ganzen Kleber, dass ich halluziniere? Das muss es sein!
Der Blick des Möchtegern-Weihnachtsmannes fällt auf unseren Baum. Er verzieht mitleiderregend das Gesicht.
»Ist der von Jetti?«
Ich nicke.
Er seufzt. »Glauben Sie mir, mit Ihrem Exemplar sind Sie noch gut weggekommen. Was ich heute schon alles sehen durfte…«
Ein weiterer Rums ertönt, als er seinen schweren Sack auf den Boden plumpsen lässt. Das Geräusch müsste eigentlich die halbe Nachbarschaft geweckt haben – vermutlich war der Sandmann bei Ihnen gründlicher. Ein irres Lachen bricht sich Bahn und der eingebildete Santa Claus wirft mir einen komischen Blick zu.
»Vielleicht hätte ich Ihnen doch lieber ein paar Beruhigungstabletten, anstatt der gestrickten Wollsocken mitbringen sollen«, sagt er besorgt, während er einen Stapel Pakete unter unseren kläglichen Baum legt.
»Ist das der neue Service von DHL?«, frage ich und krümme mich vor Lachen als ich an die „Ho-ho-ho, ihr Paket kommt heute“ Mails denke, die mein Postfach aktuell zum Überlaufen bringen.
»Vollkommen übergeschnappt der Arme«, murmelt der rotgewandete Rauschebart und tätschelt mir beschwichtigend die Wange, bevor er seinen Sack erneut schultert und mit schweren Schritten das Haus verlässt – diesmal durch die Eingangstür.
Hätte er doch wenigstens eine Dose Cola für mich dagelassen - oder besser gleich einen Whiskey. Den könnte ich jetzt wahrhaftig gebrauchen!